Ich sage Ihnen, was unser Bayern braucht: Unser Bayern braucht eine verantwortungsvolle Politik, die auf Fakten und nicht auf Stimmungen basiert. Sie muss Vorurteile widerlegen, statt sie zu befeuern. Sie muss zusammenführen statt ausgrenzen. In unserem Bayern haben Populismus und Fremdenfeindlichkeit schlichtweg keinen Platz. Dabei bleibt es.
Liebe Kollegen der CSU, das Problem ist, dass Ihr Ministerpräsident behauptet, er wolle durch seine Politik den Populisten im Land nicht die Macht überlassen. Aber inzwischen zählt er zu denen mehr als je zuvor. Er ist selber einer der härtesten Populisten in unserem Land.
Zum Abschluss sage ich Ihnen eines: Die europäische Einheit ist ein Garant für Frieden, Sicherheit und Menschenrechte auf unserem Kontinent. Die Einheit ist ein Garant für das Fundament des Wohlstandes in Bayern. Deshalb sollten wir uns heute ohne Einschränkungen zu Europa bekennen, zu gemeinsamen Lösungen statt nationalen Alleingängen, zu offenen Grenzen statt zu Schlagbäumen. Ringen Sie sich dazu endlich durch!
Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächster hat der Kollege Prof. Dr. Piazolo von den FREIEN WÄHLERN das Wort. Bevor ich Ihnen das Wort erteile, darf ich Sie davon in Kenntnis setzen, dass die CSU-Fraktion zu ihrem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/22893 namentliche Abstimmung beantragt hat. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Was für ein Schauspiel haben wir in den letzten Tagen und Wochen erlebt? – Eine doppelte Regierungsdämmerung und einen Frontalangriff auf die eigene Kanzlerin in einer Art und Weise, wie es diese Republik in den letzten Jahrzehnten nicht erlebt hat. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Nach dem Parteitagsauftritt von Horst Seehofer im Jahr 2015 dachte ich persönlich, dass es stilloser nicht mehr geht. Das, was er damals in diesen acht Minuten mit der Kanzlerin auf der Bühne gemacht hat, war an Stillosigkeit nicht zu überbieten. Eineinhalb Jahre später hat er selbst gesagt: Merkel ist unser Trumpf, sie ist diejenige, die uns in den Wahlkampf führen wird. – Vor einigen Tagen, nach gerade einmal 100 Tagen an der Regierung, drohte er mit der Auflösung der Fraktionsgemeinschaft. Eines Ihrer Regierungsmitglieder, ein Minister, der im Moment nicht anwesend ist, zieht übers Land und sagt in den Gesprächen: Merkel muss weg. Damit nimmt er einen Kampfausdruck von wirklich rechten Parteien auf.
Dazu sage ich Ihnen: Wie weit ist es nach 100 Tagen Regierung gekommen? Heute sagt Generalsekretär Blume: Niemand von uns stellt die Union infrage. Vor Kurzem haben Sie aber noch die Fraktionsgemeinschaft infrage gestellt. Blume sagt: Wir wollen zur Normalität zurück. Damit sagt er aber auch ganz deutlich, wo sich die CSU in den letzten Wochen befunden hat, nämlich nicht mehr auf dem Boden der Normalität. Das, was in den letzten Wochen aufgeführt worden ist, ist ein Schreckensbild für die Demokratie.
Ich sage es Ihnen ganz deutlich: Inzwischen geht Donald Trump mit dem nordkoreanischen Diktator Kim Jong Un pfleglicher um als Herr Seehofer und Herr Söder mit der eigenen Kanzlerin. Das, was Sie hier aufführen, sollten Sie sich wirklich einmal zu Gemüte führen.
Natürlich gibt es Versäumnisse in der Asylpolitik. Das bestreiten wir gar nicht. Wir wissen aber doch schon seit Längerem, dass viele Asylbewerber nicht ordnungsgemäß registriert sind. Wir wissen, dass die Einreiseverbote nicht voll beachtet werden, dass das BAMF als Behörde nicht so arbeitet, wie wir es uns vorstellen, dass die Verfahren schleppend sind, dass Asylrichter nicht eingestellt werden und dass die Gemeinden und Landkreise im Regen stehen gelassen werden. Das sind aber Ihre Versäumnisse, Kolleginnen und Kollegen von CSU und Staatsregierung. Das ist doch nicht nur das Versäumnis der Kanzlerin.
Sie regieren in Bayern und in Berlin. Sie sind doch mit dabei. Es war doch nicht eine Einzige, die allein entschieden hat. An jedem Tisch, an dem die Kanzlerin sitzt, bei jeder Koalitionsrunde, bei jedem Spitzentreffen und bei jeder Ministerrunde sind Vertreter von Ihnen dabei. So, wie ich die CSU kenne, sitzen Sie auch nicht schweigend in diesen Runden. Sie stellen den Vorsitzenden der größten europäischen Fraktion, der EVP. Auch da sind Sie mit dabei. Das heißt, Sie haben im Land, im Bund und in Europa die Verantwortung für das, worüber Sie jetzt dauernd klagen.
Ich frage Sie: Warum haben Sie in den letzten drei Jahren denn nicht gehandelt? Manchmal stellt sich schon die Frage, ob Sie absichtlich nicht handeln, um hier kurz vor der Wahl zündeln zu können. Das wäre verantwortungslos.
Dann sage ich Ihnen Folgendes: Sie sind mit Joachim Herrmann, dem bayerischen Innenminister, als Spitzenkandidaten in den Wahlkampf gegangen. Er musste doch die Verhältnisse kennen. Er musste doch wissen, was im Asylrecht nicht geklappt hat. Warum haben Sie diese Fragen nicht in den Koalitionsvertrag aufgenommen? Wenn Sie jetzt 63 Maßnahmen vorschlagen, die keiner kennt und von denen eine umstritten ist, dann frage ich Sie, warum Sie das nicht in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben haben. Das ist doch ein Versagen der CSU. Sie haben über den Koalitionsvertrag schlecht verhandelt. Jetzt versuchen Sie, nach 100 Tagen Regierung die Kanzlerin zu stürzen, der Sie Ihre eigenen Mandate zu verdanken haben.
Wenn 62 von 63 Maßnahmen unumstritten sind, frage ich Sie, warum Sie die 62 Maßnahmen nicht verwirkli
chen. Warum warten Sie auf die Zustimmung zum 63. Punkt? Herr Seehofer könnte doch mit den 62 Punkten rausgehen und ein Maßnahmenpaket mit 62 statt 63 Punkten vorstellen und es umsetzen. Stattdessen macht er lieber gar nichts und schimpft nur auf die eigene Kanzlerin. Was ist das für eine Regierungspolitik? Es ist doch unglaublich, wenn ein Ministerpräsident, der selber neun Jahre lang in Bayern für Asylpolitik und für das, was in Bayern passiert, verantwortlich war, jetzt als Innenminister seine eigene Kanzlerin in einer solchen Art und Weise angreift.
Er fordert nationale Alleingänge, lässt im Moment aber nur drei Grenzen wirklich bewachen. Die anderen Grenzen sind völlig offen. Ich habe noch nicht gehört, ob Sie wirklich alle diese Grenzen kontrollieren wollen.
Die Kavallerie wird es wahrscheinlich nicht schaffen. Wenn Sie alle Grenzen in Deutschland kontrollieren wollen, wenn Sie überall prüfen wollen, wer nach Deutschland hereinkommt, brauchen Sie wahrscheinlich Zehntausende von Pferden. Was ist das für ein Bild von einer Republik, von einer offenen wertgestützten europäischen Gesellschaft? Was geht denn in Ihren Köpfen vor?
Das fragt man sich manchmal, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir und auch Sie haben jahrzehntelang für ein offenes Europa, für ein wertgestütztes Europa und für ein solidarisches Europa gekämpft. Heute wird das aber infrage gestellt. Jetzt heißt es: Wir werden nationale Alleingänge unternehmen, wenn innerhalb von zwei Wochen keine Lösung in Europa kommt. Sie setzen der Kanzlerin Ultimaten und drohen damit, die Fraktionsgemeinschaft aufzukündigen. Ich persönlich muss Ihnen sagen: Tun Sie es doch.
Sie wissen gar nicht, womit Sie im Moment spielen, um eine Landtagswahl vielleicht nicht ganz so stark zu verlieren, wie Sie es tun werden. Gott sei Dank nützt es Ihnen im Moment nichts, weil die Umfragewerte, wie Sie merken, nach unten gehen. Diejenigen, die das europäische Friedenswerk aufgebaut haben, waren zum großen Teil auch Christdemokraten, angefangen bei Adenauer über de Gasperi und Hallstein bis zu Monnet. Das sollten Sie sich einmal vergegenwärtigen. Sie legen am Werk dieser Menschen, die für Sie eigentlich Vorbilder sein sollten, die Axt an. Deshalb rufe ich Sie auf: Überlegen Sie sich, was Sie im Moment tun und was Sie riskieren. Sie setzen im Moment 50 Jahre erfolgreiche deutsche Geschichte aufs Spiel. Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Kehren Sie um und denken Sie nach.
Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat Herr Kollege Dorow von der CSU das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
Ich möchte kein Zwiegespräch mit Ihnen führen, Herr Kollege Pfaffmann, sondern ich möchte ganz gern meine Rede halten.
Herr Kollege Piazolo, Sie haben zum Schluss die Frage gestellt, wer das europäische Friedenswerk tatsächlich gefährdet. Diese Frage beschäftigt mich schon, weil ich Sie sonst als sachlichen Diskussionsteilnehmer kenne. Ist es derjenige, der schönfärbt? Ist es derjenige, der nicht reagiert, der drei Jahre lang keine Bewegung zustande bringt?
Oder ist es derjenige, der nach drei Jahren anpackt, der Bewegung in die Sache bringt so, wie das in den letzten zehn Tagen der Fall war, und zwar durch ein einfaches, von Ihnen geschmähtes Ultimatum?
(Beifall bei der CSU – Unruhe bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN – Dr. Paul Wengert (SPD): Sie legen die Axt an Europa!)
Jetzt bin ich dran. Nein, Frau Kollegin Schulze, um Ihre Frage zu beantworten: Wir wollen kein anderes Bayern. Wir wollen, im Gegensatz zu Ihnen, kein Schöngerede mehr. Wir wollen, dass die rosarote Brille abgenommen wird.
Das ist kein neues Thema, verehrte Kolleginnen und Kollegen, über das wir heute reden. Ich frage mich ganz ehrlich, weshalb wir bei der jetzigen Konstellation über dieses Thema überhaupt sprechen müssen.