Protokoll der Sitzung vom 26.06.2018

Das ist kein neues Thema, verehrte Kolleginnen und Kollegen, über das wir heute reden. Ich frage mich ganz ehrlich, weshalb wir bei der jetzigen Konstellation über dieses Thema überhaupt sprechen müssen.

(Zuruf von der SPD: Das fragen wir uns auch!)

Das werfe ich Ihnen jetzt weniger als Oppositionsparteien vor; schließlich ist es Ihr gutes Recht, Themen, die Sie eindeutig nur als Wahlkampftaktik benutzen, hier ins Plenum hineinzuziehen.

(Lachen bei den FREIEN WÄHLERN – Zurufe von der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Ja, ja – –

(Anhaltende Unruhe – Glocke des Präsidenten – Zuruf von der SPD: Unglaublich!)

Ja, es ist unglaublich. Ich finde es bemerkenswert, wie die Opposition hier für eine CDU-Kanzlerin in die Bresche springt.

(Dr. Paul Wengert (SPD): Das ist doch auch Ihre Kanzlerin! – Zurufe von der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Das ist ungewöhnlich, wenn man bedenkt, dass die GRÜNEN in Berlin in der Opposition sind.

(Zuruf der Abgeordneten Katharina Schulze (GRÜNE))

Das sollte Ihnen vielleicht auch zu denken geben.

(Anhaltende Unruhe)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, mit Zwischenbrüllen lösen wir gar nichts. Bitte lassen Sie den Redner ausreden.

Frau Kollegin Kohnen, in meinen Augen haben Sie in Ihrer Rede gerade eben ein wirklich maßloses Zerrbild der Staatsregierung gezeichnet. Ich unterstelle Ihnen, Sie wissen es eigentlich besser.

(Lachen bei der SPD)

Sie wissen, dass das dem Wahlkampf geschuldet ist. Für meine Begriffe stellt sich hier die Frage der Verantwortung nicht uns, sondern die Frage der Verantwortung stellt sich in dieser Frage doch Ihnen.

(Beifall bei der CSU)

Dabei haben Sie auch aus meiner Sicht exzellent begonnen. Es ist richtig, und das möchte ich an dieser Stelle durchaus als Bekenntnis verstanden wissen, dass das Zusammenwachsen der europäischen Staaten in unvergleichlicher Art und Weise dazu beigetragen hat, dass Europa eine Periode des Friedens, wie wir sie hier noch nie hatten, der Freiheit und der wirtschaftlichen Entwicklung erlebt. Der Freistaat Bayern ist, und auch hier haben Sie vollkommen recht, fest verwurzelt in Europa. Bayern und seine Bevölkerung profitieren von einer funktionierenden und prosperierenden Europäischen Union. Dieses Einigungswerk ist in letzter Zeit aber in eine gehörige Schieflage geraten. Mit dem Austritt des Vereinigten Königreichs, der Staatsschuldenkrise im Euroraum, einer hohen Jugendarbeitslosigkeit in zahlreichen Mitgliedstaaten bis hin zu den Fragen der Migration steht Europa in der Tat vor großen Herausforderungen. Es ist offensichtlich, dass wir unterschiedliche Ansichten vertreten. Gerade das letzte Thema, Migration, ist eine Causa mit ungeahnter Sprengkraft, Kolleginnen und Kollegen. Hier gilt für mich, und auch das ist ein Bekenntnis: Wir werden niemandem die Hilfe verweigern, der sie benötigt. Das Recht auf Asyl ist und bleibt ein Grundrecht. Das stellt niemand infrage. Jeder, der politisch verfolgt wird, muss die Chance bekommen, seine Zukunft in Sicherheit zu planen. Das schließt aber nicht mit ein, und darum geht es letztlich, dass all diejenigen, die in ihrer Heimat schlechtere Lebensstandards als wir haben, dies als Ausweg nutzen können.

(Harry Scheuenstuhl (SPD): Darum geht es doch gar nicht!)

Darum geht es. Wir alle hier wissen: Das ist sowohl auf europäischer als auch auf deutscher Ebene rechtlich ganz klar geregelt. Ich bin davon überzeugt, dass wir in der jetzigen Konstellation erst dann eine europäische Lösung auch nur ansatzweise erreichen können, wenn die geltenden Rechte wieder Gültigkeit haben.

(Beifall bei der CSU – Unruhe bei den FREI- EN WÄHLERN – Florian Streibl (FREIE WÄH- LER): Ihr seid doch verantwortlich, dass diese Gesetze Gültigkeit haben!)

Gerade darum bemühen wir uns. Ich versuche, das auszuführen. Wenn Sie mich bitte ausreden lassen. – Ich bin der Meinung, dass die temporären Binnengrenzkontrollen – und nur darum geht es: temporäre Grenzkontrollen – das Hauptproblem natürlich nicht lösen werden. Selbstverständlich muss man erst die Fluchtursachen bekämpfen. Bis das aber möglich ist, müssen Zeichen gesetzt werden, dass nicht jeder unkontrolliert nach Deutschland und Europa kommen kann. Das ist eine Übergangslösung. Die Sozialsysteme können diese Zuwanderung auf Dauer nicht schultern, und das wissen Sie genauso gut wie ich. Eine Integration aller eingewanderten Personen ist unter diesen Umständen auch nicht möglich.

Es ist ebenso eine Tatsache, dass mit dem Geld, das wir in Deutschland für Flüchtlinge ausgeben, in deren Heimatländern um ein Vielfaches mehr Menschen geholfen werden kann.

(Beifall bei der CSU)

Wir müssen deshalb zunächst einmal die Anreize reduzieren, damit dieser gefährliche Weg der Flucht gar nicht mehr begangen wird.

(Ruth Müller (SPD): Anreize?)

Anreize. Wir müssen verhindern, dass sich diese Menschen, im Übrigen für viel Geld, wenn Sie schon nach Anreizen fragen, in die Hände von kriminellen Schleusern begeben. In diesem Zusammenhang wird immer wieder gern von interessierter Seite, wahrscheinlich auch von Ihrer, gesagt, wir seien weder christlich noch sozial.

(Beifall bei SPD – Unruhe bei den GRÜNEN)

Meine Damen, meine Herren, wenn jeder und jede Einzelne sein Leben riskiert, dann ist das nicht sozial, das ist nicht christlich. Das kann man als Christ auch nicht wollen.

(Beifall bei der CSU – Zuruf von der SPD: Sie stellen doch den Innenminister!)

Daher muss es unser Ziel sein, Möglichkeiten außerhalb der EU zu schaffen, um dort geordnet und sicher Asyl beantragen zu können. Dort sollen die Leute, vernünftig versorgt, einen Antrag stellen und eine Entscheidung bekommen. Sie müssten dann eben kein Flüchtlingsboot mehr besteigen und ihr Leben aufs Spiel setzen, nur um dann nach vielen Monaten der Bearbeitungszeit wieder zurückgeschickt zu werden.

Ja, ich sage es noch einmal: Wir brauchen eine europäische Lösung. In den letzten Monaten, ja in den letzten Jahren, haben wir aber gesehen, dass sich die Staaten der EU nicht einigen können. Knapp drei Jahre wurde diskutiert, es kam aber kaum etwas dabei heraus. Glaubt denn jemand von Ihnen ernsthaft, dass sich das nun ändert, ohne dass sich etwas an der Ausgangslage ändert?

(Prof. Dr. Michael Piazolo (FREIE WÄHLER): Ihr wart doch dabei!)

Solange es keine europäische Lösung gibt, müssen wir auf nationaler Ebene Lösungen anstreben können. Flächendeckende Grenzkontrollen auf Zeit bedeuten keine Abschottung von den Nachbarn. Gerade unsere österreichischen Nachbarn teilen diese Sichtweise mit uns. Das bedeutet nichts anderes als die Wiedergewinnung der Kontrolle darüber, wer in unser Land einreist, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Kolleginnen und Kollegen, es sollte doch selbstverständlich sein, dass jemand bereits an der Grenze abgewiesen werden kann, wenn er einen ablehnenden Asylbescheid erhalten hat, egal, in welchem EU-Land. Wenn diese Entscheidung im Übrigen von einem anderen EULand getroffen wurde, dann gilt das ebenso. Würden wir das nicht so handhaben, dann würden wir deren Entscheidungen in Frage stellen und untergraben. Sie glauben doch nicht allen Ernstes, dass das für ein besseres europäisches Verhältnis oder ein besseres Miteinander sorgen würde.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition, Sie schreiben in Ihrem Dringlichkeitsantrag:

Der Bayerische Landtag bekennt sich ohne Wenn und Aber zur europäischen Einigung, zum multilateralen Miteinander als deren Grundprinzip und zu ihren Grundwerten, wie sie im Vertrag über die Europäische Union und in der EU-Grundrechtecharta formuliert sind.

Ganz recht. Dazu gehört aber auch, dass gemeinschaftliche Vereinbarungen nicht nur gefunden und getroffen werden, sondern dass sie auch eingehalten

werden. Hierzu gehört auch die Einhaltung des Dublin-Abkommens, zumindest so lange, wie es noch gilt.

(Unruhe bei der SPD)

Ich zitiere weiter:

Das Wohlergehen seiner Bürgerinnen und Bürger hängt ganz entscheidend davon ab, dass die EU zusammenbleibt und nicht durch spalterischen Streit weiteren Schaden nimmt.

Auch das ist richtig. Die Öffnung der Grenzen war aber ein solcher spalterischer Alleingang, und sie hat bei unseren Nachbarn für viel Unmut gesorgt.

(Zuruf: Ihr wart doch dabei! – Unruhe bei den GRÜNEN)

Der Sog, nach Deutschland zu kommen, wurde dadurch verstärkt,

(Anhaltende Unruhe – Glocke des Präsidenten)

und die Zahl derjenigen, die sich auf den Weg gemacht haben, wurde vergrößert. Das hat Schaden verursacht, Kolleginnen und Kollegen. Das hat innerhalb der Europäischen Union zu Unmut geführt.

(Alexander König (CSU): Genau so ist es! – Zurufe von der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Das gilt es jetzt wieder auszubügeln.

(Beifall bei der CSU – Unruhe bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Richtig ist: Zuletzt hat man auf EU-Ebene Minischritte geschafft. Die treibende Kraft war dabei aber leider nicht die deutsche Kanzlerin, sondern der österreichische Kanzler. In Ihren Anträgen steht außerdem, dass wir für eine gute Zukunft und für die Lösung der grenzüberschreitenden Probleme mehr Miteinander und ein starkes Europa brauchen. Gemeinsam soll man unter anderem gegen Hunger, Armut, Krieg und Terrorismus und für Frieden, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit sowie für innere und soziale Sicherheit eintreten. – Auch da haben Sie recht. Gerade im Kampf gegen den Terrorismus müssen wir aber wissen, Kolleginnen und Kollegen, wer in unserem Land ist. Es darf nicht Gott weiß wer im Strom der Flüchtlinge eingeschleust werden. Wenn wir für mehr Rechtsstaatlichkeit eintreten, so wie Sie das zu Recht verlangen, dann müssen wir zuerst selbst als gutes Beispiel vorangehen und dafür sorgen, dass Recht und Gesetz wieder eingehalten werden. Innere und soziale Sicherheit können wir aber nur verteidigen, wenn wir die

Ängste unserer Bevölkerung ernst nehmen und diese nicht weiter schüren.