Protokoll der Sitzung vom 26.06.2018

Ängste unserer Bevölkerung ernst nehmen und diese nicht weiter schüren.

(Widerspruch bei der SPD, den FREIEN WÄH- LERN und den GRÜNEN – Glocke des Präsiden- ten)

Wenn Straftaten Konsequenzen mit sich bringen und man nicht eine – –

(Anhaltende Unruhe bei der SPD, den FREI- EN WÄHLERN und den GRÜNEN – Zuruf: Schä- men Sie sich!)

Nein, ich schäme mich nicht. Wenn Straftaten Konsequenzen mit sich bringen und man eine Notärztin schwer verletzen kann, wie wir das zuletzt erlebt haben, und man trotzdem nicht belangt wird, dann ist das ein Problem. Das wurde auch von Ihrer Seite gerade gegeißelt. Es ist unerlässlich, dass wir nicht nur die Anreize in unserem Land verringern, sondern dass Hunger, Armut und Krieg vor Ort bekämpft werden.

(Zuruf: Das ist unanständig!)

Das ist nicht unanständig, sondern das ist leider die Wahrheit. Wir setzen uns ein für ein Europa der Vielfalt mit starken, selbstbewussten Mitgliedstaaten.

(Unruhe bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Damit setzen wir uns für ein zukunftsfähiges Europa ein. Wir bekennen uns zu einem Europa der Sicherheit und der Freizügigkeit. Ohne Einhaltung von Stabilitätsregeln und solides Wirtschaften gibt es auch keine Investitionen in die Zukunft. Dafür tragen wir alle in Europa eine gemeinsame Verantwortung. Solange es keine europäische Lösung gibt, müssen wir nationale Maßnahmen ergreifen und zusätzlich an einer gemeinsamen europäischen Lösung arbeiten. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Kollege. – Ich darf Sie davon in Kenntnis setzen, dass die SPD zu ihrem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/22854 namentliche Abstimmung beantragt hat. Wir sind allerdings schon in der Frist für die namentliche Abstimmung bei 20 Minuten. Also ist es konsumiert. Wir brauchen nicht mehr die 15 Minuten neu in Gang zu setzen. – Als Nächste hat die Frau Kollegin Stamm für zwei Minuten das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der CSU, vor allem sehr geehrter Kollege Dorow, wir kennen uns ja noch aus den Zeiten, als wir beide bei B5 aktuell Nachrichten gemacht haben; aber das war jetzt in Teilen nicht mehr das, was man Nachrichten nennt.

Ich kann verstehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass man dem Unsinn der CSU gerne etwas Vernünftiges entgegensetzen möchte. Ich kann auch verstehen, dass es eine gewisse Strategie gibt. Man kann der CSU, die sich immer so wirtschaftsfreundlich und unternehmerfreundlich gibt, auch gerne sagen, dass ihre Politik der Abschottung an den Grundfesten Europas zerrt und damit auch am Euro und auch am Wirtschaftsraum.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition, das Problem ist doch nicht, dass die CSU nicht weiß, dass ein freier Warenverkehr auch offene Grenzen braucht. Das Problem ist, dass die Kolleginnen und Kollegen der CSU glauben, sie könnten das eine ohne das andere haben. Knapp 30 Jahre nach dem Vertrag von Maastricht und 11 Jahre nach dem Vertrag von Lissabon stoßen wir tatsächlich an die Grenzen Europas, und zwar an selbst errichtete Grenzen, weil die Politik es versäumt hat, die Lebensverhältnisse innerhalb der EU auch nur einigermaßen anzupassen. Wir stoßen an Grenzen, weil die EU in ihrem Inneren kein bisschen solidarisch ist. Wir schauen nicht einmal mehr nach Griechenland und sehen nicht, was die EU-Politik in Griechenland bewirkt. Wir sehen nicht, was der Privatisierungswahn und der Verkauf von wichtigen Einrichtungen in Griechenland anrichten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie hier von Europa als dem entscheidenden Absatzmarkt reden, dann habe ich die Sorge, dass tatsächlich etwas falsch läuft. Europa heißt nichts anderes, als gemeinsam Politik für eine gemeinsame Zukunft zu machen. Das heißt eben Verzicht auf Nationalismus und Rassismus und die Verteidigung von Demokratie und Menschenrechten. Wir müssen endlich akzeptieren, dass Europa uns etwas kostet! Die EU kostet uns etwas, und die Rechnung liegt auf dem Tisch. Wir sind aber nicht bereit, die Zeche zu zahlen. Das ist nichts anderes als politische Zechprellerei! Wir müssen einfach klar und deutlich für ein soziales, demokratisches und solidarisches Europa einstehen. Das ist unsere Aufgabe in diesen Zeiten, und nichts anderes.

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächster hat der Kollege

Muthmann ebenfalls für zwei Minuten das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch mir geht es in der heutigen Auseinandersetzung mehr um den Stil als um den Inhalt. Es stellt sich schon die Frage an die CSU: Wo in dieser Fraktion ist die Haltung eines Alois Glück? – Alois Glück arbeitet in einer bedächtigen Analyse, mit Weitblick und in europäischer Verantwortung an Problemlösungen und hat angesichts der Bedeutung der Europäischen Union die Suche nach Gemeinsamkeiten und insbesondere einen respektvollen Umgang angemahnt. Ich zitiere aus dem dritten Absatz des Antrags der CSU: "Der Landtag stellt fest, dass gegen Enttäuschung, Skepsis und Angst vor Kontrollverlust in der Bevölkerung Europas nur Entschlossenheit und die konsequente Lösung von Problemen helfen."

Ich glaube eben nicht, dass man bei solchen Emotionen ausschließlich auf Entschlossenheit setzen kann. Probieren Sie es doch einmal wieder mit Aufklärung, mit Werten wie Solidarität und Menschlichkeit, mit Zuversicht und der Bereitschaft zum Kompromiss! Angesichts der Werte, die wir Europa zu verdanken haben, und der Konsequenzen, die aus der Entwicklung des Friedens, der Freiheit, der Rechtsstaatlichkeit und auch des Wohlstands der Europäischen Union in den letzten Jahrzehnten erwachsen sind, sollte man in Wortwahl, im Stil und im Umgang miteinander zu mehr Bedachtsamkeit zurückkehren, um in der Sache die notwendigen Lösungen zu finden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Danke schön, Herr Kollege. – Jetzt hat Herr Staatsminister Eisenreich das Wort. Bitte schön, Herr Staatsminister.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin ein Freund von Debatten, auch ein Freund von Kontroversen. Ich glaube, dass wir in den letzten Jahren zu wenige Debatten hatten; insofern freue ich mich. Ich möchte aber mit meiner Rede einen Beitrag zur Versachlichung der Debatte leisten.

(Thomas Gehring (GRÜNE): Die CSU-Debatte versachlichen!)

Dabei möchte ich für die Bayerische Staatsregierung einiges klarstellen.

Die Bayerische Staatsregierung steht zur Europäischen Union, selbstverständlich. Die Europäische Union ist ein großartiges Werk, das uns über Jahr

zehnte Frieden und Freiheit gesichert hat, das dazu beigetragen hat, dass aus Gegnern Partner und Freunde geworden sind. Auch der europäische Binnenmarkt, die Reisefreiheit und die Freizügigkeit sind große Errungenschaften. Bayern und Deutschland profitieren in ganz besonderer Weise davon. Unser Ministerpräsident Markus Söder hat dieses Bekenntnis im Übrigen dadurch verdeutlicht, dass er eine der ersten Sitzungen des Kabinetts in seiner Amtszeit in Brüssel abgehalten hat, um zu dokumentieren: Wir wollen die Europäische Union mitgestalten.

Dennoch kann niemand beiseitewischen, dass die Europäische Union in die Krise geraten ist.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Warum?)

Ich nenne einige Gründe: Eine Reihe von Ländern verstößt seit Jahren gegen die vereinbarten Stabilitätskriterien.

(Markus Rinderspacher (SPD): Deutschland!)

Es gibt nach wie vor ungelöste Fragen bei dem großen Thema Asyl und Migration. Das Recht wird missachtet, Stichworte Schengen und Dublin. Nach wie vor sind Fragen der Stabilisierung des Euroraums und des Umgangs mit überschuldeten Staaten umstritten. In der Zwischenzeit ist die Entscheidung für den Brexit gefallen. Bei einem Teil der Bürger in Europa ist ein Vertrauensverlust zu beobachten. Populistische Bewegungen erstarken. Diese Analyse kann doch keiner beiseitewischen! Deswegen sagen wir entsprechend unserer Haltung: Wir stehen zur Europäischen Union; wir werden aber auch Fehlentwicklungen ansprechen und versuchen, diese zu korrigieren, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

Unsere Grundhaltung ist: Die Staatsregierung bekennt sich zu einem Europa in Frieden und Freiheit. Wir bekennen uns zu einem Europa der Regionen. Wir bekennen uns zu einem Europa, das auf der Eigenverantwortung der Mitgliedstaaten beruht, das den kleinen Mitgliedstaaten auf Augenhöhe und mit Respekt begegnet. Die Staatsregierung bekennt sich zu einem Europa, das seine Verträge und Rechtsordnungen sowie den Subsidiaritätsgrundsatz achtet. Das ist unsere Vorstellung von Europa, und diese Vorstellung teilt die große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CSU)

Europa ist eine Rechtsgemeinschaft. Europa ist aber auch eine Wertegemeinschaft. Wir haben uns in Europa zusammengefunden, um auf der Basis dieses gemeinsamen Wertefundaments Probleme zu lösen.

Bei der Aufteilung der Zuständigkeiten gilt es, einen für uns sehr wichtigen Grundsatz zu beachten.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Das ist der Subsidiaritätsgrundsatz. Wir sind der Meinung, dass die Europäische Union die großen Fragen lösen soll, die Fragen, bei denen gemeinsame Lösungen besser sind. Die großen Fragen betreffen zum Beispiel die Themen Asyl, Migration, Sicherheit, Verteidigung

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Manfred Weber ist gefordert!)

oder auch die Schaffung eines einheitlichen Rahmens im Bereich der Digitalisierung.

Und was das aktuelle Thema betrifft, verehrte Kolleginnen und Kollegen: Ja, die Themen Asyl, illegale Migration und Sicherheit stehen bei uns und auch bei vielen Bürgerinnen und Bürgern ganz oben auf der Agenda. Warum? – Weil wir seit Jahren auf Lösungen warten und jetzt einfach Entscheidungen notwendig sind, und zwar Entscheidungen, die auch in der Praxis und nicht nur auf dem Papier funktionieren.

Der Großteil der Bürgerinnen und Bürger, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte, dass der Staat handlungsfähig ist. Das ist ein Beitrag zur Stärkung der Demokratie, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Beitrag zur Stärkung der Demokratie in diesem Land, und deswegen setzen wir uns auch dafür ein.

(Beifall bei der CSU)

Selbstverständlich wollen wir auch bei diesem Thema europäische Lösungen – selbstverständlich. Wir wollen gemeinsame Asylstandards – selbstverständlich. Wir wollen, dass es einheitliche Verfahren an der Grenze gibt. Wir wollen einen wirksamen Außengrenzschutz. Allerdings sind wir der Meinung: Bis diese europäischen Lösungen kommen – und wir warten darauf schon eine ganze Weile, sie sind schwierig, weil es dazu in Europa unterschiedliche Auffassungen gibt –, können wir unserer Meinung nach in Deutschland nationales und europäisches Recht anwenden und Flüchtlinge an der Grenze zurückweisen. Diese Meinung vertreten wir.

(Beifall bei der CSU)

Andere Länder in Europa machen das im Übrigen, und zwar eine ganze Reihe.

(Zuruf von den FREIEN WÄHLERN: Ungarn!)

Zum Beispiel Frankreich, ein großer Partner in Europa. Frankreich, das eine ganze Reihe von Vorschlägen zur Weiterentwicklung Europas gemacht hat, weist Flüchtlinge an der Grenze zu Italien zurück.

Wir haben im Übrigen der Kanzlerin – das wäre wirklich eine völlige Fehleinschätzung – auch kein Ultimatum gestellt. Die Kanzlerin hat darum gebeten, dass sie noch zwei Wochen Zeit bekommt, und die Union, die CSU, war damit einverstanden. Dies umzudrehen und die CSU zu diffamieren, als ob sie ein Ultimatum gestellt hätte, ist kein vernünftiger und kein sachlicher Umgang.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Ich möchte noch kurz etwas zur SPD sagen, weil ich das heute im "Münchner Merkur" auch getan habe. Ich mache mir Sorgen um unseren großen Partner im Haus der Volksparteien.

(Zurufe von der SPD)