Protokoll der Sitzung vom 26.06.2018

hat in den letzten Jahren gehandelt. Sie hat mit den Stimmen von CDU, CSU und SPD zwei Asylpakete und ein Integrationsgesetz auf den Weg gebracht, und Bündnis 90/DIE GRÜNEN waren an manchen dieser Entscheidungen über den Bundesrat beteiligt.

Nun gibt es einen neuen Koalitionsvertrag mit einem umfangreichen Programm zur Migrations- und Integrationspolitik. Die Landtags-SPD in Bayern steht ohne Wenn und Aber zu diesem Koalitionsvertrag und zu seinem Kapitel zu Integration und Migration, und wir erwarten Vertragstreue von unserem Koalitionspartner, der Union, Pacta sunt servanda, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall bei der SPD)

Anstatt aber die Einzelpunkte des Koalitionsvertrages auch zur Migrationspolitik umzusetzen und endlich ein Zuwanderungssteuerungsgesetz auf den Weg zu bringen, das Deutschland dringend braucht, kaschiert der CSU-Vorsitzende und Bundesinnenminister die Nachlässigkeiten in seinem Verantwortungsbereich mit immer neuen Luftnummern, und Sie beteiligen sich mit diesem Masterplanantrag heute auch daran. Was Sie hier heute abziehen, ist eine reine Luftnummer.

(Beifall bei der SPD)

Der Masterplan von Minister Seehofer ist das Bernsteinzimmer der deutschen Innenpolitik

(Heiterkeit bei der SPD)

mit nur einem Unterschied: Das Bernsteinzimmer gab es tatsächlich. Es ist seit 1945 verschollen. Der Masterplan der CSU war hingegen bereits verschollen, bevor er überhaupt existierte.

(Beifall bei der SPD und den FREIEN WÄH- LERN)

Dennoch ist das, was wir heute erleben, keine parlamentarische Bagatelle und kein Fauxpas, der einer Fraktion einmal durchrutschen kann, sondern ein dicker Hund und ein starkes Stück: Die CSU im Bayerischen Landtag verabschiedet sich von parlamentarischer Wahrhaftigkeit und übernimmt unverhohlen, ungeniert und unbeirrt das würdelose Fake-News-Instrumentarium eines Donald Trump. Das ist ein Tiefpunkt der politischen Kultur und ein Tiefpunkt in der Kultur Ihrer Fraktion, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Ganz Deutschland weiß, dass es keinen 63-PunkteMasterplan von Bundesinnenminister Seehofer gibt. Seit 108 Tagen ist dieser Masterplan das am besten gehütete Geheimnis der Republik. Dieser Masterplan ist ein Phantom. Selbst der CSU-Generalsekretär Markus Blume, die rechte Hand des CSU-Vorsitzenden, musste in einem beispiellos peinlichen Moment in einer Talkshow letzte Woche einräumen, dass er den Plan nicht kenne, dass dieser im Präsidium der CSU nicht behandelt worden sei und die 63 Punkte nicht vorlägen.

Er kennt den Masterplan nicht, Sie kennen ihn auch nicht, setzen aber dann auf diese Peinlichkeit von letzter Woche noch eine obendrauf. Bisher haben Sie wenigstens immer die Klugheit besessen, Ihre Populismen nur in den Bierzelten vor sich herzutreiben. Jetzt bringen Sie sie in das bayerische Parlament ein. Ich verstehe nicht, dass Sie nicht vor solchen Unwahrhaftigkeiten zurückschrecken, liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU.

(Beifall bei der SPD und den FREIEN WÄH- LERN)

Der heutige CSU-Antrag gibt einen Vorgeschmack darauf, was mit dem möglichen Einzug der AfD in den Landtag im kommenden Herbst auf uns wartet. Wer gemeint hat, dass erst im November Fake News in Anträgen parlamentarisch verarbeitet würden, hat sich getäuscht. Das ist schon heute nicht mehr nur der AfD vorbehalten. Die Christlich-Soziale Union verlässt mit diesem Phantomantrag das parlamentarische Fundament von Wahrheit und Klarheit. Die CSU verspottet den Parlamentarismus. Sie verhöhnt das Hohe Haus und stellt sich selbst das Zeugnis aus, dass sie es künftig lieber mit Orbán und Trump als mit parlamentarischer Seriosität hält.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FREI- EN WÄHLER und der GRÜNEN)

Wir waren bereits in den letzten Wochen entsetzt, als Sie die politische Rhetorik im Land auf unnachahmlich negative Art und Weise nach rechts haben driften lassen. Asyltourismus, Belehrungsdemokratie, Antiabschiebeindustrie – mit diesen Begriffen haben Sie die politische Kultur in unserem Land mit Füßen getreten und die politische Stimmung aufgeheizt.

Nun verabschiedet sich die CSU auch noch von allem, was unter den Parteien der politischen Mitte in den letzten Jahrzehnten seit Konrad Adenauer Konsens, ja Staatsräson war. Die Partei Dr. Söders verabschiedet sich vom Multilateralismus und läutet dessen Ende ein. Frau Kollegin Natascha Kohnen hat bereits darauf rekurriert. Das Ende des Multilateralismus ist ein Ziel, das Dr. Söder vor wenigen Tagen als neue

Maxime der Staatsräson der Bayerischen Staatsregierung ausgegeben hat. Die Partei Dr. Söders befleckt damit nicht nur das Vermächtnis eines Konrad Adenauer und eines Helmut Kohl, sondern verabschiedet sich auch vom einstigen Wertekonservativismus in Verbindung mit der katholischen Soziallehre, ein Wertekonservativismus, der unser Land gerade mit Blick auf die europäische Einigung stets stabilisiert hat. Diese CSU ersetzt diesen werteorientierten Konservativismus durch den entsetzlichen Spaltpilz eines ultraradikal-konservativen, rückwärtsgewandten Nationalismus der Marke Orbán, Zeman, Kaczynski und Kurz. Diese Radikalisierung von Politik unter dem Stichwort der "Konservativen Revolution" ist der falsche Weg. Dieser Weg führt Europa ins Verderben, liebe Kolleginnen und Kollegen. Kommen Sie zur Vernunft!

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FREI- EN WÄHLER und der GRÜNEN)

Das ist der Weg, der Europa zu einem sich entsolidarisierenden Kontinent der Zwietracht, des Streits und der nationalistischen Egozentrik macht, ein entmenschlichtes Europa, das die einst gepriesenen Werte der Demokratie, Solidarität und Gerechtigkeit mit Füßen tritt. Erinnern wir uns an die Mahnung eines Francois Mitterrand: "Nationalismus bedeutet am Ende immer Krieg" – Spielen wir nicht damit, gehen wir damit verantwortlich um!

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb ist das Störpotenzial der Herren Seehofer, Söder, Dobrindt und Scheuer weitaus gefährlicher als die übliche christsoziale Folkloristik, eine politische Folkloristik, die wir aus den letzten Jahrzehnten kennen und die mit "aufgeblasenen Backen" und "demonstrativer testosterondominierter Breitbeinigkeit" gut beschrieben ist. Nein, diesmal ist es mehr als das. Es ist gefährlicher. "Politiker der christsozialen Spitze" sind etwas anderes als "christsoziale Spitzenpolitiker".

(Beifall bei der SPD)

Politiker der christsozialen Spitze entweihen die durchaus bemerkenswerte Geschichte des deutschen Nachkriegskonservativismus mit Blick auf die europäische Einigung und machen sich zu werte- und prinzipienlosen Mitläufern eines Zerstörungspopulismus, der keine Lösungen aufzeigt, sondern Ängste schürt und Probleme schafft. Das ist unverantwortlich. Unverantwortlich ist das!

(Beifall bei der SPD)

Wenn, Herr Minister Herrmann, sogar der amerikanische Präsident Donald Trump der CSU über Twitter

dafür Applaus spendet, dass sie die Bundesregierung sprengt und Europa zu spalten droht, dann kann man nur sagen: Trump und diese neue CSU mit diesem neuen Ministerpräsidenten Dr. Söder sind ganz offensichtlich aus einem Holz geschnitzt. Sie produzieren Ängste bei den Menschen, um sich dann in Wahlkämpfen als Retter der Geängstigten zu präsentieren. Die Parallelen sind unübersehbar. Deshalb werden wir bis zum 14. Oktober deutlich machen: Wer in Bayern am 14. Oktober die CSU wählt, wählt Donald Trump mit.

(Beifall bei der SPD – Lachen des Abgeordneten Thomas Kreuzer (CSU))

Donald Trump liegt mit seinen Tweets genauso falsch wie die CSU. Die Zahl der ankommenden Flüchtlinge ist dramatisch stark rückläufig. Die Zahl der Straftaten ist rückläufig, übrigens bei Deutschen wie bei Migranten. Wir haben in Bayern die niedrigste Kriminalitätsrate seit 30 Jahren.

Mit Ihrem Antrag heute und der zugrundeliegenden Zerstörungspolitik der letzten Wochen machen Sie die Bundesrepublik Deutschland gegenüber den Neofaschisten in Italien erpressbar und begeben sich in die Knebelung und Fesselung beispielsweise des rechtsextremen Matteo Salvini. Damit hintergehen Sie die Politik der deutschen Bundesregierung, und nicht nur das: Sie manövrieren die Bundesrepublik Deutschland in die Sackgasse von Rechtsradikalismus und Nationalismus und machen sie erpressbar. Das ist nicht nur antieuropäisch, sondern auch unpatriotisch und heimatvergessen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Unpatriotisch und heimatvergessen!

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der GRÜ- NEN – Zuruf von der SPD: Bravo!)

Wir ärgern uns ausgesprochen, wenn es in diesen Tagen von "preußischen" Kommentatoren immer wieder heißt, der CSU gehe es ja nur um Bayern. – Nein, der CSU geht es nicht um Bayern.

(Zuruf von der SPD: Genau!)

Der CSU geht es um die CSU. Parteiegozentrik in Reinstform! Der Kollateralschaden für Bayern, Deutschland und Europa wird in Kauf genommen, wenn davon nur die Partei profitiert. Das ist die neue CSU mit Dr. Söder. Sie sind zu einer Partei der Schlagworte verkommen und begnügen sich mit Ankündigungen. In der Regierungserklärung haben Sie 30.000 neue Kitaplätze angekündigt. Vier Wochen später erleben wir im Nachtragshaushalt: Kein einziger Cent wird dafür zur Verfügung gestellt. Dafür gibt es staatliche Programme für dies und jenes, etwa für Raumfahrt.

(Zuruf von der SPD: Mondflug!)

Kein einziger Cent mehr wird für die Kitas zur Verfügung gestellt. Sie sind zu einer Partei der Schlagworte verkommen und genügen sich in rechtspopulistischer Symbolik.

Das gilt auch für den Begriff "Grenzpolizei". Sie suggerieren, dass Sie dazu in der Lage sind, die 817 km lange Grenze lückenlos zu kontrollieren. Dabei kontrollieren Sie nur an drei Autobahnübergängen. Mehr als 70 Straßenübergänge zwischen Bayern und Österreich wurden weder gestern noch heute kontrolliert, noch werden sie morgen kontrolliert werden, die grüne Grenze schon gleich gar nicht. Es sei denn, Sie wollen eine 817 km lange Mauer wie Trump zu Mexiko bauen. Wollen Sie die grüne Grenze eventuell sogar digitalisieren, damit Sie überall gleich online Fingerabdrücke abgleichen können? Wir fragen Sie: Wie dick ist der Stacheldraht, wie hoch der Schlagbaum, wie fest die Mauer, die Sie errichten wollen? Nein, meine Damen und Herren, das ist reine Symbolpolitik. Sie streuen den Menschen Sand in die Augen.

(Manfred Ländner (CSU): Uns so was vorzuwerfen und so daherzureden!)

Zuerst erzeugen Sie Angst, und dann geben Sie vor, Lösungen zu präsentieren, die de facto keine Lösungen sind.

(Beifall bei der SPD)

Nationale Alleingänge schaden nicht nur dem europäischen Gedanken, sondern bringen auch keine Lösungen. Die nationale Antwort der Griechen und Italiener wird wie zeitweise im Jahr 2015 sein, Flüchtlinge einfach ohne Asylregistrierung durchzuwinken. Auf nationaler Ebene Fakten zu schaffen, hat also eher eine unkontrollierte Migration zur Folge, weil dann jeder nur noch an sich selbst denkt. Das kann niemand hier im Hohen Hause ernsthaft wollen.

Dabei überlagert der Streit der CSU mit der CDU die an und für sich ordentliche Regierungsarbeit in Berlin. Ich denke an die Rückkehr zur Parität beim Gesundheitsbeitrag: 6,9 Milliarden Euro Entlastung für die Versicherten. Die Brückenteilzeit kommt. Die Musterfeststellungsklage im Verbraucherschutz kommt. Die SPD ist der Hort an Stabilität in dieser Bundesregierung,

(Lachen bei der CSU)

während Sie ganz offensichtlich diese Stabilität zu zertrümmern suchen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie des Regierens überdrüssig sind – und dieser Eindruck entsteht – und ganz Deutschland mit Ihrer Regierungsunfähigkeit und Regierungsunwilligkeit nerven, dann ziehen Sie die Konsequenzen und verlassen die Bundesregierung!

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der SPD: Bravo! Genau!)

In politisch schwierigen Zeiten brauchen Deutschland und Europa Stabilität. Christsoziale Störmanöver und Zerstörungssehnsucht können wir uns in diesen Zeiten nicht leisten. Wir erwarten von der Bundeskanzlerin, dass sie ihre Richtlinienkompetenz wahrnimmt und den Bundesinnenminister zur Rechenschaft zieht. Im Übrigen: Horst Seehofer wäre genau für das zuständig, was die Kanzlerin jetzt in Europa anstrebt, nämlich bilaterale Lösungen mit anderen europäischen Staaten zu finden.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der SPD: Bravo! So ist es!)

Sie übernimmt die Aufgabe, die eigentlich Horst Seehofer übernehmen müsste. Er hat die letzte EU-Innenministerkonferenz geschwänzt.