Sie übernimmt die Aufgabe, die eigentlich Horst Seehofer übernehmen müsste. Er hat die letzte EU-Innenministerkonferenz geschwänzt.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss: Im einhundertsten Jubiläumsjahr des Freistaats Bayern stehen wir vor einer Schicksalswahl für unser Land. Die Landtagswahl am 14. Oktober wird die wichtigste seit den 1940er-Jahren und 1950er-Jahren.
Welche Richtung schlägt unser Land ein, antieuropäisch-rückwärtsgewandt und autoritär, wie das Dr. Söder und Herr Kurz am Mittwoch in Linz zelebriert haben, oder frei, solidarisch und gerecht? Dafür steht die SPD.
Uns geht es darum, das Prinzip "Leben und leben lassen", die "Liberalitas Bavarica", zu verteidigen. Dafür steht die bayerische Sozialdemokratie mit ihrer Landesvorsitzenden Natascha Kohnen. Freiheit statt Söderndem Orbánismus, sozialdemokratischer Freistaat statt Christsozialem Autoritätsstaat! Wir Sozialdemokraten werden den Europa- und Allgemeinwohlzerstörern in Bayern nicht das Feld überlassen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte vor allen Dingen zu unserem Dringlichkeitsantrag auf der Drucksache 17/22896 sprechen. Mit diesem Antrag fordern wir Sie auf, den Flüchtlingsschutz europarechtskonform zu bewahren und sich auf Europa- und Bundesebene dafür einzusetzen, dass Flüchtlinge, die in einem anderen EU-Staat registriert sind oder einen Asylantrag gestellt haben, nicht automatisch an der bayerisch-österreichischen Grenze zurückgewiesen werden. Mit europa- und menschenrechtlichen Verpflichtungen ist es nicht in Einklang zu bringen, Menschen, die einen Asylantrag stellen, an den deutschen Grenzen zurückzuweisen. Die bestehenden Europa- und Menschenrechtsverpflichtungen können nicht durch bilaterale Abkommen modifiziert werden, wie es in den letzten Wochen wieder öfter suggeriert worden ist.
Nach der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Europarecht muss bei einem Asylantrag ein förmliches Verfahren durchgeführt werden, um den Staat zu bestimmen, der für das Asylverfahren zuständig ist. Dieser Staat ist nicht automatisch der Staat, über den der Flüchtling zum ersten Mal europäischen Boden betreten hat. Auch unser Nachbarstaat ist ganz sicherlich nicht zuständig, da dieser in den seltensten Fällen das Land sein wird, in dem das erste Mal europäischer Boden betreten wurde. Nach der Dublin-Verordnung sind eine ganze Reihe von Kriterien wie "Aspekte der Familienzusammenführung" oder "Unbegleitete Minderjährige" zu prüfen, bevor der Staat feststeht, in dem das Asylverfahren durchgeführt wird. Das einfache Zurückweisen an innerdeutschen Grenzen wäre ein Bruch der europäischen Flüchtlingsrechte und der Genfer Flüchtlingskonvention und letztendlich ein Versagen des Rechtes auf Asyl.
Das führte zu Massen von Menschen im Niemandsland, für die niemand mehr zuständig ist. Diese Menschen werden nach Österreich zurückgeschoben. Was macht Österreich mit diesen Menschen? – Wenn Österreich die Geflüchteten nach Ungarn schiebt, dann schiebt Ungarn die Geflüchteten wieder nach Österreich. Wir müssen in der Asylpolitik verstärkt über die Situation der Menschen nachdenken. Wir müssen die schwierige Situation dieser Menschen im Blick behalten. Die Lage dieser Menschen muss verbessert werden. Daran bemisst sich eine vernünftige Asylpolitik, nicht an pauschalen Schlagworten oder machthaberischem Getue.
Dies gilt natürlich auch für die anderen Punkte unseres Antrags. Nächste Woche wird beispielsweise wieder einer dieser unrühmlichen und unsäglichen Abschiebeflüge nach Afghanistan stattfinden. Während sich die meisten anderen Bundesländer nicht an diesem Spektakel beteiligen, werden in Bayern regelmäßig auch Geflüchtete abgeschoben, die alles richtig gemacht haben. Sie sind oft bereits einer beruflichen Tätigkeit nachgegangen, haben sich integriert und sind ein Teil unserer Gemeinschaft geworden. Diese Menschen haben es aber nicht schnell genug geschafft, eine beglaubigte Tazkira aus ihrem Heimatland zu beschaffen. Teilweise wurden diese Menschen sogar mit der endlich erworbenen Tazkira abgeschoben. Die Ausländerbehörde hat behauptet, diese Menschen hätten sich die Tazkira nicht schnell genug beschafft. Diese Situation ist wirklich unsäglich. Diese Menschen würden in anderen Bundesländern im Gegensatz zu Bayern nicht abgeschoben werden.
Bayern ist momentan in der glücklichen Lage, dass große Aufnahmelager nicht benötigt werden. In der "Süddeutschen Zeitung" war vor Kurzem zu lesen, dass 50.000 Plätze in den Gemeinschaftsunterkünften leer stehen.
Warum brauchen wir diese Großlager wie Manching oder Bamberg für mehrere tausend Leute? – Diese kann sowieso kein Mensch beherrschen. Dort werden die Menschen ihrer Privatsphäre beraubt und haben keine Möglichkeit, sich zu integrieren. Dort haben die Menschen keine Möglichkeit, Integrationskurse zu besuchen. Die Menschen können dort nicht einmal eine vernünftige Rechtsberatung in Anspruch nehmen. Den Menschen wird das Arbeiten verboten. Das ist unmenschlich, inhuman und überhaupt nicht nötig. In diesem Jahr werden vermutlich nicht einmal 150.000 Geflüchtete nach Deutschland kommen. Diese Menschen können wir anständig unterbringen und ihnen für die Dauer des Aufenthalts in Deutschland Integration ermöglichen.
Die Unterbringung in großen Abschiebelagern führt nicht zu einem schnelleren Abschluss der Asylverfahren. Schauen Sie sich nur an, was dort los ist. Die Menschen befinden sich nur deshalb in den Abschiebelagern, weil sich das BAMF mit Italien darüber streitet, wann die Geflüchteten rücküberstellt werden können, da in Italien Fingerabdrücke abgegeben worden sind. Die Menschen verbringen die Zeit bis zur Entscheidung in großen Aufnahmeeinrichtungen. Dies kann einige Monate dauern. Sie haben nicht einmal die Möglichkeit, selbstständig nach Italien zurückzu
kehren, um ihr Asylverfahren durchzuführen. Diese Regelungen sind nicht vernünftig. Wir sollten es ändern. Wir können es auch ändern.
Wir fordern Sie weiter auf, die Zuwanderung endlich mit einem Einwanderungsgesetz transparent zu steuern. Mit einer Stichtagsregelung sollten Altfälle gelöst werden.
Das wäre ein wichtiger Schritt, um die Migration zu steuern. Wir brauchen ein transparentes Einwanderungsgesetz. Wann kommt das? – Wir, die GRÜNEN, fordern dies seit dem Jahr 2000. Sie verweigern das immer wieder und immerzu. Stattdessen kommen von Ihnen unsinnige Vorschläge, wie sie zuweilen in den Medien gelesen werden können.
Meine Kolleginnen und Kollegen, selbstverständlich müssen wir wesentlich mehr dafür tun, um Not und Elend zu lindern, Probleme und Fluchtursachen zu beseitigen, Völkermord und Vertreibung zu stoppen, Waffenexporte nicht zu befördern und für faire Handelsbeziehungen zu sorgen. Im Hinblick auf das Lösen von Not und Elend möchte ich auf das Drama eingehen, das sich derzeit im Mittelmeer abspielt. Dort hat ein sehr großes Containerschiff mit wenigen Seeleuten an Bord etwa 130 geflüchtete Menschen von einem seeuntüchtigen Schiff aufgenommen. Eine eigentlich eiserne Regel der Seefahrt lautet: Menschen, die in Not sind, sind zu retten, und jeder, der sich auf einem derart seeuntüchtigen Schiff befindet, ist in Not. Mit so einem Schiff würden Sie bei Windstärke 3 nicht einmal über den Ammersee fahren.
Verbrecherische libysche Menschenhändler setzen Geflüchtete auf solchen Schiffen im Mittelmeer aus. Die Schiffe sind nach ein bis zwei Tagen nicht mehr seetüchtig, sodass die Menschen in Seenot geraten. Die Menschen an Bord sind unmittelbar vom Ertrinken bedroht, oder sie sterben zuvor an einem Hitzschlag, da sie keinen Sonnenschutz haben. Dieses Containerschiff mit den etwa 130 geretteten Menschen dümpelt seit Freitag letzter Woche vor der Küste Siziliens. Kein europäischer Staat ist bereit, die Menschen an Bord aufzunehmen. Das ist eine Schande für Europa und für unsere christlichen, humanitären Werte.
Dieser Schande müssen wir entgegentreten. Wir müssen diese Probleme lösen. Wir können diese Geflüchteten nicht einfach an der Küsten Libyens absetzen, wie manche von Ihnen suggerieren. Sie würden damit
wieder genau dorthin zurückkehren, woher sie gekommen sind. Sie kommen aus libyschen Lagern, wo sie Folterungen und Vergewaltigungen ertragen mussten und wo ihnen korrupte Schlepper das letzte Geld abgenommen haben, um sie auf ein seeuntüchtiges Schiff zu setzen. Teilweise sind diese verbrecherischen Schlepper genau dieselben, die am nächsten Tag mit der libyschen Küstenwache herumfahren und einen Teil dieser Geflüchteten wieder einsammeln.
Ich verstehe wirklich nicht, was Frontex im Mittelmeer macht. In den letzten zwei Wochen sind über 200 Menschen ertrunken. Frontex scheint offenbar wegzuschauen. Andere schauen offenbar auch weg. Wegschauen ist aber unverantwortlich, es ist mörderisch, und mörderisches Handeln ist keine verantwortbare europäische Flüchtlingspolitik.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Geschäftsordnungsantrag der GRÜNEN auf Nichtbehandlung hat Ihnen noch einmal die Chance gegeben, über die politische Bedeutung und Bewertung Ihrer eigenen Anträge nachzudenken und von einer Abstimmung abzusehen. So müssten Sie sich nicht vorwerfen lassen, dass Sie bereit sind, Ihrem Innenminister Seehofer quasi einen völligen Freibrief auszustellen. Es ist nämlich auch ein öffentliches Bekenntnis zu einer entmündigten Gefolgschaft und einer deprimierenden Verantwortungslosigkeit, wenn ich mit meiner Stimme für etwas eintrete, was ich nicht kenne.
Sie lassen keinen Hauch und kein Mindestmaß an Bereitschaft zu parlamentarischer Kontrolle erkennen. Wie sieht es denn mit Ihrer politischen Selbstachtung aus? Jeder muss für sich entscheiden können. Sie haben auch noch namentliche Abstimmung beantragt, sodass sich keiner seiner Verantwortung entziehen kann. Gerade angesichts der Bedeutung der Themen, die die Vorredner eben inhaltlich beleuchtet haben, ist es ein unsägliches und nicht erklärbares Verhalten, wenn Sie jetzt über einen Masterplan abstimmen, den Sie nicht kennen.
Natürlich weisen Sie richtigerweise darauf hin, dass die Rechtsstaatlichkeit ein ganz wesentliches Element unseres Zusammenlebens darstellt. Deswegen ist es auch erforderlich, im Detail hinzuschauen, ob die umstrittene Zurückweisung an der deutschen Grenze al
lein auf § 18 des Asylgesetzes gestützt und damit gerechtfertigt werden kann oder ob Dublin III ein solches geordnetes Überstellungsverfahren innerhalb der Europäischen Union erforderlich machen würde, wie auch viele Juristen immer wieder argumentieren. Dies scheint offenbar konkret geplant. Genau wissen wir es aber nicht wirklich. Ist das vorgesehen? Müssen solche Bedenken bei diesem Plan berücksichtigt werden? All das wissen wir nicht. Ich halte es für völlig verantwortungslos, an dieser Stelle einem solchen Masterplan die Zustimmung zu erteilen. Ich werde es jedenfalls nicht machen.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der CSUFraktion, nach der Diskussion über den Geschäftsordnungsantrag, bei der Sie noch die Gelegenheit gehabt hätten, Ihren Antrag zurückzuziehen, hatten wir in der letzten Bank die Idee, dass wir, die Opposition, geschlossen rausgehen. Stattdessen sind bei Ihnen die Kolleginnen und Kollegen scharenweise rausgegangen. Ich finde, das spricht Bände dafür, dass es ein so dringlicher Antrag ist.
Sie haben es ganz offenbar sehr eilig, die Koalition in Berlin und in Europa zu zerlegen. Sie haben es so eilig, dass Sie den ganzen politischen Sprengstoff in einem Dringlichkeitsantrag zusammenpacken. Sie behaupten, die Zurückweisung von Geflüchteten an der bayerischen Grenze würde die europäischen Außengrenzen sichern oder die Zuwanderung stoppen. Ich bin mir da nicht so sicher. Ich empfehle Ihnen, vielleicht einmal mit dem italienischen Innenminister Salvini zu reden. Den habe ich so verstanden, dass er auf keinen Fall in Italien registrierte Flüchtlinge zurücknehmen möchte. Ihr ganzer Antrag läuft einfach ins Leere. Man kann es nicht anders bezeichnen.
Wenn Sie ein einziges Mal ein Modell dafür vorlegen würden, wie Migration in Europa künftig funktionieren könnte, dann könnten wir endlich auch darüber reden. Das ist aber nicht der Fall. Deswegen fordere ich Sie an der Stelle noch einmal auf, Ihren Antrag, über einen Masterplan abzustimmen, den niemand kennt, zurückzuziehen. Nicht einmal Ihr eigener Generalsekretär kennt ihn.
Sie behaupten, im Lagebericht des Auswärtigen Amtes für Afghanistan werde die Sicherheitslage neu bewertet. Ich bezweifle das sehr. Pro Asyl bezweifelt es genauso. Und ich bin mir sicher, dass die vielen Richter, die in den letzten Jahren die Entscheidungen des BAMF zu Afghanistan einkassiert haben, es genauso bezweifeln. Aus dem Lagebericht, der schwer zu bekommen war, den ich aber erhalten habe, geht hervor, dass es im ersten Quartal des Jahres 2018 2.258 zivile Opfer, darunter 763 Tote und 1.495 Verletzte, gegeben hat. Das entspricht den Opferzahlen des gleichen Zeitraums des Jahres 2017. Während aber die Zahl der Opfer von Kämpfen am Boden weiter zurückging, hat sich die Zahl der zivilen Opfer von komplexen Angriffen und Selbstmordattentaten gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres verdoppelt.
Ich habe vier Minuten für einen Dringlichkeitsantrag, und die möchte ich gerne in Anspruch nehmen. Danke. – Im Klartext heißt das, dass die Gefahren für die, die Sie abschieben wollen, gewachsen und nicht gesunken sind, wie Sie es behaupten. Das geht genau aus dem Lagebericht hervor, den Sie in Ihrem Dringlichkeitsantrag als Beleg für Ihre Behauptung, alles sei wieder sicher, bemühen.
Zwischen diese beiden falschen Behauptungen haben Sie eine Menge Propaganda gepackt. Haben Sie die jüngsten Nachrichten, die die Kollegin Kamm gerade erwähnt hat, überhaupt mitbekommen? Haben Sie mitbekommen, dass ein Schiff mit Geflüchteten über das Mittelmeer hin- und herfährt und nirgendwo landen kann? Was wollen Sie da mit Ihrer Bayerischen Grenzpolizei tun? – Nichts! Sie können nichts tun. Sie schauen zu, wenn Menschen hin- und hergeschifft werden, die andere vor dem Ertrinken gerettet haben. Mit Ihren Ideen unterlassen Sie Hilfeleistung. Die neue italienische Regierung wird Ihr Verhalten als willkommenen Anlass ansehen, ihre Häfen wieder dichtzumachen. Sie wiederholen wie ein Mantra, die Lebensperspektiven in den Herkunftsländern deutlich verbessern zu wollen, können aber nicht einmal Schiffbrüchige retten.
In einem gebe ich Ihnen recht: Die Europäische Union hat wirklich versagt, ein europäisches Migrationskonzept zu entwickeln. Der Grund dafür sind aber diejenigen, die Sie hofieren: Orbán, Kurz und der italienische Innenminister Salvini. Wir brauchen eine echte Bekämpfung der Fluchtursachen. Dazu müssen wir über unseren CO2-Ausstoß reden. Wir müssen endlich wieder über Friedenspolitik reden und damit nicht
noch Profit machen. Das ist der Weg, den wir gehen müssen. Wir müssen Fluchtursachen ernsthaft bekämpfen.
Frau Kollegin, einen Hinweis darf ich noch geben: Sie hatten zwei Minuten Zeit. Sie können vier Minuten reden, das hatten Sie zunächst aber nicht beantragt. Ihren Hinweis auf die vier Minuten werte ich als späten, aber zulässigen Antrag auf vier Minuten.