Liebe Kolleginnen und Kollegen, Integration braucht Verlässlichkeit, klare Regeln, Verbindlichkeit und Sicherheit. Flüchtlinge ebenso wie die zahlreichen Ehrenamtlichen und Kommunen brauchen Klarheit über die Zugangschancen zu Bildungs-, Hilfs- und Beratungsangeboten. Dieser Rahmen ist immer wieder infrage gestellt. Wenn beispielsweise Aufgaben von einem Ministerium auf das andere übergehen, wissen wir nicht, ob Sprachkurse weiterhin in gleicher Weise gefördert werden. Wenn der Bundesinnenminister wechselt, kann es sein, dass die Koordinierung der Ehrenamtlichen plötzlich nicht mehr gefördert werden kann usw. usf. Alle zwei Jahre neue Förderrichtlinien und alle zwei Jahre neue Regeln, das ist Gift für die Integration in Bayern.
Integration gelingt umso besser, je früher sie beginnt, am besten vom ersten Tag an. Sprach- und Integrationsangebote und auch das Recht, arbeiten zu dürfen, sollen vom ersten Tag an bestehen. Die hohe Motivation der zu uns Kommenden ist eine wichtige Ressource. Mich freut, dass ich von unseren Expertinnen und Experten wieder gehört habe, dass eine der am meisten motivierten Schülerinnen- und Schülergruppen diejenige derjenigen Geflüchteten ist. Ihre Motivation ist sehr hoch und wird von allen geschätzt, auch von vielen Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern.
Wir haben das Problem der Vorrangprüfung. Ich komme darauf zurück, weil Sie es vorhin erwähnt haben, Herr Huber. Mich freut, dass in der Integrations-Enquete die Empfehlung aufgenommen worden ist, die Vorrangprüfung zu streichen. Leider wurde ein diesbezüglicher Antrag von uns nahezu zeitgleich im Sozialausschuss abgelehnt. Das sind Pannen, die so nicht passieren sollten.
Es ist eine Panne der CSU gewesen, Herr Kollege Gehring. Ich denke, wir müssen konsistenter, zielgerichteter und klarer arbeiten.
Integration findet vor allen Dingen dort statt, wo Menschen leben und arbeiten: in den Kommunen. Die Kommunen haben es verdient, in ihrer Arbeit besser unterstützt zu werden.
Eine bessere Unterstützung verdient haben auch die Einrichtungen, die sich um Bildung kümmern: die Schulen, die Kindertagesstätten und diejenigen Einrichtungen, die quasi die erste Arbeit in der Bildung leisten. Hier ist einiges zu tun. Das wäre sinnhafter als manches andere, was man tut, um irgendetwas abzuschirmen, um Segregation voranzutreiben, um Leute bis zu zwei Jahre in irgendwelche Aufnahmeeinrichtungen zu stecken. Damit wird Integration verhindert und für einen sehr langen Zeitraum unterbrochen. Das dient nicht der Integration. Mich freut, dass wir zumindest eine Verständigung darüber erzielt haben, dass die dezentrale Unterbringung sinnvoll ist und Integration hier bevorzugt stattfindet.
Wir haben eine ganze Menge von Empfehlungen. Die Kolleginnen und Kollegen haben sie schon vorgetragen. Mir ist sehr wichtig, dass wir insbesondere die Themen Bildung, Nachqualifizierung in Deutsch, Unterkünfte sowie Schule und Arbeitsplatz voranbringen. Die zahlreichen Handlungsempfehlungen zeigen, dass wir großen Nachhol- und Handlungsbedarf haben. Hier gilt es anzupacken.
Es gilt, anzupacken und die verschiedenen Projekte umzusetzen, statt sich in mehr oder weniger ideologiegeprägte Auseinandersetzungen zu vertiefen. Die Zahl der Geflüchteten ist nun im zweiten Jahr in Folge gesunken. Sie taugt nicht als Dämon und auch nicht, um vernünftige Integrationsarbeit abzuwehren. Wir sollten dafür sorgen, dass das, was wir den jungen Leuten sagen, nämlich "Fördern und fordern, dann
Von dem folgenden Fall habe ich in den letzten Tagen von unterschiedlichen Ehrenamtlichen gehört: Ein junger Mann war Klassensprecher, befand sich mitten in der Phase seines Mittelschulabschlusses und hätte den Quali vermutlich geschafft. Nach den ersten zwei Prüfungstagen ist er morgens in der Früh abgeholt worden, um nach Kabul geflogen zu werden. Er konnte den Lohn seiner Mühe, nämlich den Schulabschluss, nicht mehr erreichen, weil er die letzten zwei Prüfungen nicht mehr machen konnte. Das ist eine unglaubliche Sauerei. Ich weiß nicht, was hier in Bayern in den Ausländerbehörden passiert und was hier gedacht wird.
Herr Innenminister, erfassen Sie eigentlich, welche Menschen Sie abschieben? – Sie sagen immer, es seien Kriminelle usw. Aber von den 51 Personen aus Bayern, die Sie abgeschoben haben, waren ganz klar und nach ihren eigenen Worten 46 nicht kriminell. Unter ihnen waren Leute wie der erwähnte junge Mann, der Klassensprecher war und sich mitten in der Phase des Mittelschulabschlusses befand. Darunter waren auch andere, die eine gute Perspektive hatten, in einem Mangelberuf, zum Beispiel als Pflegehelfer, tätig zu werden.
Ich höre mit Freuden immer wieder von Ihnen, dass Sie ein Einwanderungsgesetz wollen. Dann bitte ich Sie: Schieben Sie doch genau die, die mit einem solchen Einwanderungsgesetz infrage kommen würden, hierbleiben zu können, nicht mehr ab! Sehen Sie doch einfach zu, dass die Leute bei uns bleiben können! Wir sagen ganz klar: Ausbildung geht vor Abschiebung.
Sie kommen immer mit Ihrer Leitkultur daher. Deshalb sage ich noch etwas dazu. Ich habe immer noch nicht kapiert, was Ihre Leitkultur ist. Womöglich ist Ihre Leitkultur das, was an Seehofers Geburtstag passiert ist. Er hat gesagt: Ich bin heute 69 geworden; heute habe wir 69 Menschen abgeschoben. – Wenn das Ihre Leitkultur ist, ist das ganz klar nicht meine Leitkultur.
Danke schön, Frau Kollegin Kamm. Bleiben Sie bitte am Pult. Zu einer Zwischenbemerkung hat sich die Kollegin Mechthilde Wittmann gemeldet. Bitte schön, Frau Wittmann.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kollegin Kamm, ich darf Ihnen mitteilen, dass der Bericht der Integrationsbeauftragten fertig ist. Er wird im Kabinett vorgestellt. Wir suchen, weil das die Geschäftsordnung bislang nicht vorsieht, ein Format, um ihn auch dem Landtag vorzustellen.
Ich freue mich sehr, dass es einen Bericht der Integrationsbeauftragten gibt, herzlichen Dank dafür! Ich möchte aber auch einen Bericht der Staatsregierung.
Die Staatsregierung ist nicht die Integrationsbeauftragte; da gibt es einen Unterschied. Ich erwarte, dass ein ganz klares Handlungsprogramm der Staatsregierung verabschiedet wird und wir davon unsere Integrationsmaßnahmen ableiten.
Danke schön, Frau Kollegin Kamm. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Weikert. Bitte schön, Frau Weikert.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich zum eigentlichen Sachthema komme, werfe ich im Namen der SPD-Fraktion der CSU-Fraktion hier im Parlament einen Missbrauch der Geschäftsordnung vor.
Wenn nach einfachem Zählen – so weit können wir das – nachweislich zehn Abgeordnete aus den Oppositionsparteien mehr im Raum sind als aus der Mehrheitspartei,
hat man einen Geschäftsordnungsantrag, der von der Präsidentin sehr wohl als angenommen festgestellt wurde, auch zu akzeptieren.
(Beifall bei der SPD – Tobias Reiß (CSU): Das geht gar nicht während einer Rede! Das ist während einer Rede nicht möglich!)
Frau Präsidentin, ich spreche Ihnen meinen ausdrücklichen Respekt aus. Sie haben sich sehr korrekt verhalten. Vielen Dank.
Jetzt komme ich zum Thema. – Kolleginnen und Kollegen, noch anwesende Mitglieder der Enquete-Kommission – einige mussten schon gehen –, ich möchte am Anfang meiner Ausführungen – ich habe nur noch knapp 7 Minuten – ein paar persönliche Eindrücke wiedergeben.
Ich war in diesen 28 Sitzungen, bis auf eine, praktisch immer vom Anfang bis zum Ende da. Nach einer stürmischen Anfangsphase und heftigen Sitzungen, bei denen die Kollegin Bause noch dabei war, hat sich bei mir in den Folgesitzungen der Kommission der Eindruck verfestigt, dass die Debatte und Diskussion von den Vertretern der CSU – ich spreche hier ausdrücklich die Abgeordneten an – lustlos geführt wurde. Ich bin höflich, wenn ich "lustlos" sage. Ich sage das nicht über die Experten, die von der CSU benannt wurden, sondern ausdrücklich über die Kolleginnen und Kollegen von der CSU.
Kollege Blume, der Chefstratege der CSU, war so gut wie nie anwesend. Er hat seine Politik und seine Vorstellungen in Talkshows wiedergegeben und leider vieles außerhalb des Parlaments, aber eben nicht in der Enquete-Kommission diskutiert. Leider hat er letztlich nicht mit den, wie ausdrücklich gesagt wurde, wirklich namhaften und sehr exponierten Expertinnen und Experten diskutiert und dabei vielleicht seine Positionen auch auf den Prüfstand gestellt. Stattdessen wurde das, wie gesagt, außerhalb des Parlaments in Politik-Talkshows gemacht. Da hat sich eine Verrohung der Sprache eingestellt.
Ich kann an dieser Stelle nur auf das ZDF-Sommerinterview unseres Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier am Sonntag verweisen, der den erbittert geführten Asylstreit in der Union heftig kritisiert und vor einer Verrohung der Sprache gewarnt hat.
Kolleginnen und Kollegen, mein Eindruck ist und ich stelle fest: Wir haben eine große Chance versäumt, die die Enquete-Kommission gehabt hätte, wenn man sie ergriffen hätte. Für mich hätte diese große Chance darin bestanden, dass wir der Zivilgesellschaft, der aufnehmenden Gesellschaft, denjenigen, die als Helferinnen und Helfer unterwegs sind, denjenigen, die als Lehrer und Sozialpädagogen in den Kirchen und in den Verbänden aktiv sind, um Menschen, die bei uns Schutz und Hilfe suchen, zu integrieren, die Hand reichen. Wir haben ihnen viel zu wenig die Hand gereicht und letztlich die Zivilgesellschaft nicht in das eingebunden, was unsere politischen Leitlinien sein sollen. Ich spreche hier nicht von den so oft zitierten Handlungsempfehlungen, sondern eher von der Debatte, die außerhalb des Parlaments geführt wird.
Nur ein paar Beispiele: Die Unterzeichner der Resolution des 1. Fränkischen Asylgipfels zur Verweigerung von Ausbildungserlaubnissen haben geschrieben: "Das ist eine kurzsichtige und gefährliche politische Wendung zu unnötiger Härte gegenüber Menschen, die sich hier bereits gut integriert haben." Der Evangelische Landesbischof Bedford-Strohm zeigte sich in einem Interview vor wenigen Tagen "besorgt und traurig" über die Kompromisslosigkeit, mit der der Streit zwischen CDU und CSU geführt wird. Die Caritas, ein Ihnen sehr nahe stehendes Sozialunternehmen, warnt vor einem unwürdigen Umgang mit Flüchtlingen.
Kolleginnen und Kollegen, was ich mit diesen wenigen Zitaten – ich könnte 30 Minuten Redezeit damit ausfüllen – sagen will, ist das, was ich vorhin festgestellt habe: dass wir in dieser Enquete-Kommission nicht zu der Einsicht gelangt sind, dass wir, wie Sie, Kollege Huber, gesagt haben, das Ganze letztlich miteinander regeln und in unserer Gesellschaft etablieren müssen. Stattdessen wählen Sie, wie betont, außerhalb der Kommission eine harte Sprache. Damit holen Sie – ich sage es mal so – Geister aus einer Flasche, von denen ich im Sinne dieses Parlaments und unserer Demokratie hoffe, dass wir sie im Herbst wieder einfangen können.