Protokoll der Sitzung vom 11.07.2018

Kolleginnen und Kollegen, was ich mit diesen wenigen Zitaten – ich könnte 30 Minuten Redezeit damit ausfüllen – sagen will, ist das, was ich vorhin festgestellt habe: dass wir in dieser Enquete-Kommission nicht zu der Einsicht gelangt sind, dass wir, wie Sie, Kollege Huber, gesagt haben, das Ganze letztlich miteinander regeln und in unserer Gesellschaft etablieren müssen. Stattdessen wählen Sie, wie betont, außerhalb der Kommission eine harte Sprache. Damit holen Sie – ich sage es mal so – Geister aus einer Flasche, von denen ich im Sinne dieses Parlaments und unserer Demokratie hoffe, dass wir sie im Herbst wieder einfangen können.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Kolleginnen und Kollegen, ich will noch auf zwei Aspekte eingehen. Leider habe ich nicht mehr viel Redezeit. Ich muss das mit der Bleibeperspektive einfach noch mal klarstellen: Ein Bleiberecht hat jemand nicht erst dann, wenn ein rechtliches Verfahren dazu abgeschlossen ist. Ein rechtliches Verfahren ist mit der Zusendung eines Entscheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge noch nicht abgeschlossen,

sondern es gibt dann – so sieht es unser Rechtsstaat vor – viele Möglichkeiten, dagegen Einspruch zu erheben usw. Das Thema der Bleibeperspektive ist also ein Kunstgriff, der keiner rechtlichen Begrifflichkeit Stand hält. Dieser Kunstgriff wird von Ihnen benutzt, um sich letztlich abzuschotten. Er wird dazu angewandt, ausgerechnet Menschen – Kollegin Kamm hat dazu gerade noch einmal Beispiele erwähnt –, die hier Integrationsleistungen erbracht haben und solche nach unserer Meinung auch bekommen sollten, die hier schon viel Vorleistung gebracht haben, nicht in den gesellschaftspolitischen Prozess einzufügen.

Was ich in diesem Zusammenhang sehr bedauerlich finde und was Kollege Huber sogar positiv herausgearbeitet hat:

(Abgeordnete Angelika Weikert spricht den Ex- perten Hain (Bundesagentur für Arbeit) auf der Besuchertribüne an.)

Sie von der Bundesagentur für Arbeit sind noch da. Sie haben uns eindringlich geschildert, wie aufnahmefähig der bayerische Arbeitsmarkt ist und wie wichtig und notwendig es wäre, Handwerkskammern und IHK mehr Möglichkeiten zu geben, um junge Flüchtlinge als Auszubildende aufzunehmen. Damit könnten sie, wie schon betont worden ist, das Integrationsgesetz und die 3-plus-2-Regelung ausfüllen.

Zwei Gedanken noch: Der Streit zwischen CDU und CSU hat eine positive Seite. Wir haben uns entschieden und es ist festgeschrieben, dass es noch in diesem Jahr ein Einwanderungsgesetz geben wird. Sie sprechen vom Fachkräftenachholgesetz oder wie auch immer Sie es nennen. Ich kann mich hier nur der Kollegin Kamm anschließen: Bitte schaffen Sie Möglichkeiten, um diejenigen, die schon einige Zeit da sind, die gut integriert sind und gute schulische Leistungen erbringen, in das Fachkräftenachholgesetz zu integrieren. Bitte schließen Sie diese Menschen nicht aus!

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Frau Kollegin, darf ich Sie an die Zeit erinnern?

Ich weiß, aber ich habe am Anfang auch etwas zur Geschäftsordnung – – Okay, ich muss schließen, ich weiß.

Es steht Ihnen frei, wozu Sie reden.

Ich wollte das Zitat von Nida-Rümelin zurechtrücken. Ich verweise auf die

Seite 237. Dort kann jeder nachlesen, was Nida-Rümelin im Original gesagt hat.

Ich werde dem neuen Parlament im Herbst nicht mehr angehören. Ich wünsche uns eine gute Zusammensetzung des Parlaments und hoffe, dass man sich in der bevorstehenden Wahlkampfzeit an den Appell unseres Bundespräsidenten hält, an seinen Aufruf zur Vernunft.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Danke schön. – Als Nächster hat der Kollege Hanisch von den FREIEN WÄHLERN das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Dieser Integrationsbericht ist sicherlich ein ganz wesentliches Stück, an das sich der Landtag in Zukunft halten kann oder auch nicht. Hierin haben wir zumindest die Meinungen festgeschrieben. Eine erfreuliche Tatsache ist, dass in vielen Bereichen einheitliche Voten abgegeben worden sind.

Ich persönlich möchte mich auf den Bereich "Kommunales" konzentrieren. Das ist zwar nur ein Bereich von vielen, aber Sie sehen, dass die FREIEN WÄHLER diesem Bereich sehr viel Bedeutung einräumen.

Meine Damen und Herren, als die Flüchtlingskrise auf dem Höhepunkt war und viele nicht mehr ein und aus wussten, wie die Probleme zu lösen sind und wie Integration überhaupt beginnen kann, haben die Kommunen in Bayern angepackt und ihre Aufgaben gesehen. Sie wussten, was zu tun ist, weil die kommunale Ebene seit Jahrzehnten Integration – gleich in welchem Umfang – betrieben hat. Die Bürgerinnen und Bürger und viele Organisationen haben gewusst, was zu tun ist, und haben den Bereich der Integration mit Leben erfüllt. Deshalb auch von unserer Fraktion ein herzliches Dankeschön an alle draußen an der Basis.

In der Einleitung zu diesem Bericht steht auch die Bedeutung der Kommunen. Aber spätestens dann, wenn man nachschaut, von wie vielen Handlungsempfehlungen die Kommunen betroffen sind, stellt man fest, dass es insgesamt 29 Handlungsempfehlungen sind. Nur bei sieben dieser Handlungsempfehlungen war man der gleichen Meinung, bei vier gab es Mehrheitsvoten der CSU, und bei 17 gab es Minderheitsvoten. Das zeigt eigentlich schon, dass hier sehr unterschiedliche Auffassungen bestehen, gerade dann, wenn es um diejenigen geht, die die Hauptaufgaben gemacht haben. Das stört mich ein bisschen an der ganzen Konstellation, weil ich meine, dass man hier der Verantwortung nicht gerecht geworden ist.

Bei Integration geht es auch darum, dass Geld fließt. Man hat die Kommunen lange allein gelassen. Erst nach und nach ist der Staat zu Hilfe geeilt, aber einige Bereiche sind heute nicht geregelt. Sie konnten auch in der Enquete-Kommission nicht geregelt werden. Eine sichere Finanzierung fehlt. Das Geld, das vom Bund an die Länder gegeben wird, wird gleichmäßig über den Finanzausgleich an die Kommunen verteilt, wohl wissend, dass es jede Menge Kommunen gibt, die keine Asylbewerber haben und die keine Flüchtlinge aufgenommen haben. Andere Kommunen hingegen haben jede Menge Flüchtlinge aufgenommen. Diesem Umstand wird man nicht gerecht. Wir fordern einen eigenen Topf, kein Geld aus den Mitteln des Finanzausgleichs, damit man all diesen verschiedenen Kriterien Rechnung tragen kann. Das geschieht leider Gottes nicht. Wir werden auch in der nächsten Legislaturperiode darum kämpfen müssen.

Personal- und Sachkosten der Kommunen werden derzeit den Kommunen überhaupt nicht erstattet. Das wird von den kommunalen Spitzenverbänden immer wieder gerügt. Das kann man nicht einfach im Raum stehenlassen. Auch da ist wieder diese Ungleichbehandlung von Kommunen, die eine Menge Leute aufgenommen haben, und anderer Kommunen, die niemanden aufgenommen haben. Das wird der Sache nicht gerecht. Für manche Kommunen, die wirtschaftlich nicht so gut gestellt sind, ist das wirklich ein ganz entscheidendes Problem.

Integration ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Diese Aufgabe muss auch gemeinschaftlich gelöst werden. Das Geld kann nicht nach dem Gießkannenprinzip verteilt werden. Es ist vielmehr dorthin zu verteilen, wo die Aufgaben anfallen. Wir, die FREIEN WÄHLER, sind der Auffassung, dass zumindest ein zweckgebundenes Budget für die Kommunen gebildet werden muss. Auch das ist in einem Minderheitenvotum angeschnitten worden. Da waren sich alle Oppositionsparteien einig, aber es handelt sich nur um ein Minderheitenvotum.

Ich wünsche mir, dass die Integration auch in Zukunft in Bayern effektiv gestaltet werden kann und dass wir alle zusammen mithelfen. Dann ist das, glaube ich, eine dankbare Aufgabe, die mit Sicherheit bei einer vernünftigen Ausrichtung gelöst werden kann. Für die Zukunft ist es wichtig, dass wir uns dieser Aufgabe weiterhin widmen. Gut ist, dass wir jetzt Richtlinien haben, nach denen wir arbeiten können, und dass wir wissen, welche Meinungen die einzelnen Parteien vertreten haben. Wir müssen aber versuchen, in allen Bereichen, zu denen es Minderheitenvoten gibt, in der nächsten Legislaturperiode weiterzuarbeiten.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Herr Kollege. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Ich danke allen Beteiligten, die an der Erstellung dieses Berichts mitgewirkt haben. Im Übrigen ist alles gesagt. Damit ist der Tagesordnungspunkt erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Errichtung des Bayerischen Obersten Landesgerichts (Drs. 17/22094) - Zweite Lesung

hierzu:

Änderungsantrag der Abgeordneten Petra Guttenberger, Tobias Reiß, Helmut Brunner u. a. (CSU) (Drs. 17/22902)

Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt gemäß der Vereinbarung im Ältestenrat 24 Minuten. Die Redezeit der Staatsregierung orientiert sich dabei an der Redezeit der stärksten Fraktion.

Ich eröffne die Aussprache. Erste Rednerin ist Frau Kollegin Guttenberger von der CSU. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein funktionierender, ein starker Rechtsstaat – das ist die Basis für alles, was ein Gemeinwesen ausmacht. Nur dort, wo es Sicherheit gibt, nur dort, wo es Verlässlichkeit und ein effizientes Rechtssystem gibt, auf dessen Wirken sich der Bürger, die Bürgerin tatsächlich verlassen kann, werden Investitionen getätigt, nur dort kann sich Freiheit entwickeln, und letztendlich kann nur dort wirklich Entwicklung stattfinden, an der alle Mitglieder eines Gemeinwesens teilhaben.

Das Bayerische Oberste Landesgericht ist eine solche Institution, die es vermag, das Rechtssystem zusätzlich zu stärken.

(Zuruf von der SPD)

Mit seiner Zuständigkeit wird das Bayerische Oberste Landesgericht auch deutschlandweit Zeichen setzen. Das Bayerische Oberste Landesgericht soll zuständig sein für die Entscheidung über Revisionen und Rechtsbeschwerden

Zuruf von der SPD

in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, über Landesrecht – also all das, was sie im Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz – EGGVG finden –, für Revisionen und Rechtsbeschwerden in Bußgeld- und Strafsachen, bei denen die Amtsgerichte erstinstanzlich zuständig sind, bei der Anfechtung von Justizverwaltungsakten, die ebenfalls nach dem Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz erfolgen, und bei berufsgerichtlichen Verfahren für Heilberufe, Architekten, das Bauwesen und Ähnliches im zweiten Rechtszug.

Für die früheren FGG-Verfahren, für die es auch einmal eine Zuständigkeit eines Bayerischen Obersten Landesgerichtes gab, hat sich natürlich durch die Rechtsänderung auf Bundesebene keine Zuständigkeit mehr ergeben. Aber ich halte es für wichtig, dass wir in Zukunft versuchen, weitere Zuständigkeiten wieder zurück nach Bayern zu holen, damit hier in Bayern vor Ort entschieden werden kann. Das Bayerische Oberste Landesgericht soll kein Selbstzweck sein, sondern es soll vor allem eine Investition in die Einheitlichkeit der Rechtsprechung sein. Je einheitlicher, je verlässlicher die Rechtsprechung ist, umso mehr Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger kann sie an sich binden. Nur dann, wenn in einem Rechtsstaat Vertrauen herrscht, findet Entwicklung statt. Als besonders wichtig erachten wir auch, dass die Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts nicht nur in München – dort wird der Sitz sein – stattfindet, sondern auch via Außensenate in Bamberg und in Nürnberg; denn wir wollen, dass Entwicklung auch im juristischen und im justiziellen Bereich nicht nur in München, sondern auch in den übrigen Teilen Bayerns, nämlich in Bamberg und in Nürnberg, stattfindet.

Wir haben zudem einen Änderungsantrag eingereicht. Mit dem soll erreicht werden, dass dann, wenn das Bayerische Oberste Landesgericht eingesetzt wird, nämlich zum 15. September 2018, gleichzeitig auch ein Präsident in seine Position gebracht wird, damit dieses Gericht ab diesem Zeitpunkt einen Ansprechpartner hat und handlungsfähig ist. Die Alternative – darüber wurde im Ausschuss diskutiert – wäre, dass zum 15. September ein neues Gericht errichtet wird und erst ab diesem Zeitpunkt damit angefangen wird, nach einem Präsidenten zu suchen. Das wollen wir nicht. Wir wollen, dass zu dem Zeitpunkt, an dem das Gericht eingesetzt wird, auch eine Führungsperson zur Verfügung steht. Ich persönlich halte es nicht für positiv, wenn diskutiert wird, ob es ein Fehler ist, Außensenate zu installieren. Wir sind der festen Überzeugung, dass Entwicklung in ganz Bayern stattfinden muss. Deshalb begrüßen wir diese Außensenate ausdrücklich.

Da wir die einzelnen Punkte dieses Gesetzentwurfs für wichtig und gut ansehen, um die Justiz zu stärken und das Rechtsgeschehen positiv zu beeinflussen, werden wir diesem Gesetzentwurf nebst dem Änderungsantrag zustimmen.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächster hat Herr Kollege Schindler von der SPD das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

(Vom Redner nicht autori- siert) Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, insbesondere liebe Frau Guttenberger! All das, was Sie gesagt haben, war natürlich auch in den Jahren 2003, 2004 und 2005 richtig.

(Beifall bei der SPD)

Nur, damals haben Sie es nicht beachtet. Meine Damen und Herren, zufälligerweise fällt die heutige Zweite Lesung zum Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Errichtung des Bayerischen Obersten Landesgerichts mit der Verkündung des Urteils des OLG München zum bereits seit fünf Jahren dauernden NSU-Prozess zusammen. Ich möchte deshalb die Gelegenheit nutzen und sagen, dass der NSU-Prozess trotz seiner langen Dauer zwar nicht alle Erwartungen erfüllen konnte, insbesondere nicht die der Angehörigen der Opfer, und nicht die Erwartung, dass auch die politischen Dimensionen des NSU-Verbrechens restlos aufgeklärt werden. Dennoch hat dieser Prozess Maßstäbe dafür gesetzt, wie ein freiheitlicher Rechtsstaat mit denen, die ihn bekämpft und bekriegt haben, umgeht.

(Beifall bei der SPD und den FREIEN WÄH- LERN)

Der Kritik an dem Aufwand, den das Gericht betrieben hat, um zu einem Urteil zu kommen, muss entgegengehalten werden, dass es keine Alternative zu dem akribischen Vorgehen des Gerichts geben konnte, die strafrechtlich relevante Schuld der Angeklagten nachzuweisen. Unsere Aufgabe und die Aufgabe anderer Landtage und des Bundestages bleibt es, den noch offenen Fragen weiterhin nachzugehen, zum Beispiel der Frage, ob es sich beim NSU tatsächlich nur um ein Trio gehandelt hat, wer die Unterstützer an den verschiedenen Tatorten waren und wie nahe V-Leute an den NSU-Tätern waren.

Meine Damen und Herren, hier gibt es einen Zusammenhang mit dem Bayerischen Obersten Landesgericht. Dieses Gericht hat sich in den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts leider bei Weitem nicht die

gleiche Mühe bei der Beurteilung des Hitlerputsches gegeben und die Entlassung Adolf Hitlers wegen guter Führung aus der Festungshaft schon nach sechs Monaten angeordnet. Ich will ausdrücklich sagen: Das ist Geschichte.