Protokoll der Sitzung vom 11.07.2018

gleiche Mühe bei der Beurteilung des Hitlerputsches gegeben und die Entlassung Adolf Hitlers wegen guter Führung aus der Festungshaft schon nach sechs Monaten angeordnet. Ich will ausdrücklich sagen: Das ist Geschichte.

Zum Gesetzentwurf darf ich auf meine Ausführungen in der Ersten Lesung und auf die Kritik an der völlig überraschenden und mit keinem sachlichen Argument zu begründenden Abschaffung des Gerichts durch die CSU-Mehrheit im Jahr 2004 verweisen. Ich bedaure, dass die Staatsregierung jetzt, 14 Jahre später, nicht die Größe hat, die damalige Abschaffung des Gerichts als Fehler einzugestehen, sondern einfach nur nach vorne schauen will. Ich weise darauf hin, dass die plötzliche Wiedererrichtung – darum geht es ja – eines Bayerischen Obersten Landesgerichts kurz vor einer Landtagswahl natürlich einen gewissen Geschmack hat. So geht man nicht mit einem Gericht um.

(Beifall bei der SPD)

Kurz nach einer Wahl wurde dieses Gericht wegen angeblicher fiskalischer Zwänge ohne Not einfach mal abgeschafft, um es dann kurz vor einer anderen Wahl plötzlich wieder aus dem Hut zu zaubern, ohne zuzugeben, dass dies eine Wiedererrichtung nach einer Abschaffung ist.

Meine Damen und Herren, ich erinnere daran, dass Sie in der Begründung selbst schreiben, dass mit der erneuten Errichtung, also nicht der Wiedererrichtung, die Rechtskultur Bayerns gestärkt werde. Wohl wahr. Ebenso wahr ist, dass mit der Abschaffung des Bayerischen Obersten die Rechtskultur Bayerns geschwächt worden ist, was wir damals heftig kritisiert haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, jetzt kommen Sie daher und glauben allen Ernstes, wir sollten all das, was war, wieder vergessen und sollten Ihnen applaudieren, weil Sie gerade einen politischen Knaller brauchen und die Laune haben, ein Bayerisches Oberstes Landesgerichts wieder und nicht neu zu errichten.

Wir haben den Gesetzentwurf im Rechtsausschuss ausführlich und im Einzelnen beraten und sowohl dem Gesetzentwurf als auch dem Änderungsantrag der CSU-Fraktion trotz Kritik im Einzelnen einstimmig zugestimmt. Die Kritik im Einzelnen bezieht sich zum Beispiel auf die Art und Weise, wie der neue Präsident oder die neue Präsidentin dieses Obersten Landesgerichts ausgewählt werden soll, nämlich so, wie Sie es schon immer gemacht haben, klammheimlich und intransparent, ohne Ausschreibung. Die Kritik richtet sich auch dagegen, dass bei dem neuen Baye

rischen Obersten Landesgericht keine eigene Staatsanwaltschaft vorgesehen ist.

Das neue Bayerische Oberste Landesgericht kann nicht mehr die gleichen Zuständigkeiten wie das alte haben, weil in den letzten Jahren im Bundesrecht viele Änderungen in Kraft getreten sind. Die vorgesehene Struktur, in Bamberg und Nürnberg jeweils zwei Außensenate zu errichten, ist nachvollziehbar, weil an den Oberlandesgerichten in Bamberg und Nürnberg schon seit der Abschaffung des alten Bayerischen Obersten Aufgaben des damaligen Gerichts erledigt werden. Dies führt aber dazu, dass sich auf absehbare Zeit kein eigenständiger Gerichtskörper herausbilden kann, zumal noch nicht einmal geklärt ist, welche Aufgaben die Senate in München haben werden und wie viele Senatsvorsitzende es in München überhaupt geben kann und wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wissen sehr wohl, dass die bayerische Justiz größere und andere Sorgen als die erneute Errichtung eines Bayerischen Obersten Landesgerichts hat, zumal ausweislich der neuesten PEBB§Y-Zahlen immer noch mehr als 400 Stellen für Richter und Staatsanwälte fehlen, es auch an Rechtspflegern und nichtrichterlichem Personal fehlt, und die Aufgaben des früheren Bayerischen Obersten Landesgerichts auch nach dessen Abschaffung von den Oberlandesgerichten sehr gut erledigt worden sind.

Sie waren es, die das Gericht im Jahr 2004 abgeschafft haben. Jetzt stehen Sie in der Verpflichtung, Buße zu tun und Wiedergutmachung zu leisten, nicht wir. Wir stimmen dennoch aus Überzeugung sowohl dem Gesetzentwurf als auch dem Änderungsantrag der CSU zu, weil es hier um ein Stück bayerischer Rechtskultur geht. Wir sind gespannt, was die Staatsregierung aus dem Freibrief, den sie damit erhält, machen wird. Es geht darum, wieder ein Bayerisches Oberstes Landesgericht zu schaffen, das dieses Namens auch würdig ist. In diesem Sinne stimmen wir zu.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat Herr Kollege Meyer von den FREIEN WÄHLERN das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In den vergangenen Wochen wurde viel über die Motivlage diskutiert. Liebe Frau Kollegin Guttenberger, Sie sind mit den Worten "funktionierender, starker Rechtsstaat" sehr hoch eingestiegen.

(Bernd Kränzle (CSU): Das muss man ja!)

Die passende Antwort darauf kam von Herrn Kollegen Schindler. Deswegen kann ich mir nähere Ausführungen ersparen. Ich möchte es vereinfacht darstellen: Wenn mit der Wiedereinführung des Bayerischen Obersten erst wieder ein funktionierender, starker Rechtsstaat installiert wird, dann bedeutet das: Wir von der CSU lösen die Probleme, die wir ohne uns gar nicht hätten.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Die Betonung der Rechtssicherheit aufgrund der Vereinheitlichung der obergerichtlichen Rechtsprechung mag ja im Ergebnis richtig sein, aber das hatten wir schon früher. Sie von der CSU haben das damals mutwillig aufgegeben, wenn auch einige von Ihnen mit der geballten Faust in der Tasche.

Liebe Frau Kollegin Guttenberger, eines wurde mehrfach im Ausschuss angesprochen. Herr Kollege Schindler und ich haben es bereits in der Ersten Lesung gesagt: Wenn die CSU in diesem Kontext von der Verfolgung der Heimatstrategie spricht, dann ist das nur von hinten her gedacht; denn im Ergebnis bleiben die Richter in Nürnberg und Bamberg sitzen. Nachdem die Aufgaben vom Bayerischen Obersten Landesgericht auf die Oberlandesgerichte übergegangen waren, übernahmen diese Gerichte die Aufgaben. Das machen sie weiterhin, wenn auch unter anderem Dienstsiegel. Nichts ist es mit der Heimatstrategie! Diese gab es zum Zeitpunkt der Verlagerung nämlich noch nicht.

Selbst die Wiedereinrichtung ist nur Wunschdenken – auch das hat Kollege Schindler schon ausgeführt –; denn die Bundesgesetzgebung hat in den vergangenen Jahren keine Rücksicht mehr auf ein in Bayern bestehendes Oberstes Landesgericht nehmen müssen. Deswegen hat man sich dann gewisse Klauseln, die man früher gebraucht hatte, erspart.

Lieber Herr Staatsminister, Sie selbst sprechen davon, dass die Zuständigkeiten des Bayerischen Obersten Landesgerichts auf Bundesebene erst noch geschaffen werden müssten. Das lassen wir jetzt so stehen. Über das Klima in der Koalition müssen wir hier nicht diskutieren.

Zum Gesetzentwurf selbst möchte ich noch anmerken, dass wir diesem natürlich zustimmen. Auch die fachliche Richtigkeit der Wiedereinführung des Bayerischen Obersten Landesgerichts haben wir stets betont. In der federführenden Beratung haben wir dem Umstand, dass eine Ausschreibung der Stelle der Präsidentin oder des Präsidenten vor deren oder des

sen Ernennung nicht vorgesehen ist, keine weitere Beachtung geschenkt. Wir sind zwar mit der SPD und den GRÜNEN der Auffassung, dass die Spitzenpositionen der Obergerichte auszuschreiben sind. Wir selbst haben bereits entsprechende Initiativen in diesem Haus gestartet, aber immer betont, dass die nicht erfolgte Ausschreibung bisher nicht zu Fehlbesetzungen geführt hat. Da die isolierte Einführung einer Ausschreibung für die Besetzung des Bayerischen Obersten Landesgerichts mit diesem Gesetzentwurf keinen Sinn ergibt, haben wir die Formulierung in diesem Kontext in der Einzelabstimmung im Ausschuss mitgetragen und nicht wie die SPD dagegen gestimmt. Die Besetzung der Spitzenämter wird eines Tages an anderer Stelle zu klären sein.

Genauso tragen wir den Änderungsantrag der CSU mit. Die Kolleginnen und Kollegen – es war hauptsächlich eine Kollegin – von den GRÜNEN äußerten einen gewissen Verdacht, was es mit der vorgezogenen Ernennung auf sich haben könnte. Ich sehe das nicht gar so eng. Mit der jetzt zu beschließenden Änderung geht die Ernennungszuständigkeit halt zum 18. Juli 2018 – ich nehme an, das hängt mit der letzten Kabinettssitzung vor der Sommerpause zusammen – auf die Staatsregierung über. Dann möge ab dem 18. Juli eine Ernennungsurkunde gefertigt werden. Auch in dieser kann aber als frühestes Datum der Wirksamkeit der 15. September stehen, da das Gericht erst ab diesem Zeitpunkt existieren wird. Die Probleme, die manche insoweit sehen, sehe ich nicht. Deshalb können wir auch dem Änderungsantrag zustimmen.

Wir stimmen, wie immer angekündigt, dem Gesetzentwurf aus rein fachlichen Gründen zu.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat Herr Kollege Dr. Runge von der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Das Bayerische Oberste Landesgericht war und ist für uns eine wichtige Instanz. Wir erinnern uns – auch Sie erinnern sich –: Wir, in persona vor allem der Kollegin Christine Stahl, standen an der Spitze des Widerstands gegen die Abschaffung. Wir werden, wie wir es schon im Ausschuss signalisiert haben, der Wiederrichtung zustimmen, wiewohl uns bewusst ist – Herr Kollege Schindler hat es heute nochmals ausgeführt –, dass wir nur noch ein etwas beschnittenes Bayerisches Oberstes Landesgericht vorfinden werden, weil manche Kompetenzen erst auf Bundesebene zu regeln sind.

Wir haben aber wie schon in den vorherigen Sitzungen massive Kritik an dem Verfahren und der Begleitmusik zu üben. Zur Begleitmusik: Das Stichwort "Heimatstrategie" ist angesprochen worden. All Ihre schönen Ausführungen – "starkes Zeichen für den Rechtsstaat", "Stärkung der Justiz", "mehr Rechtssicherheit" – bedeuten im Umkehrschluss nichts anderes, als dass Sie bei der Abschaffung ein schlechtes Zeichen für den Rechtsstaat gesetzt, die Justiz geschwächt und die Rechtssicherheit ausgedünnt haben. Etwas anderes kann es nicht bedeuten, wenn Sie jetzt die Baustellen, die ich genannt habe, aufmörteln wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das jetzige Verfahren ist ebenso unwürdig wie das Verfahren im Jahr 2003. Damals wie heute gab es keinerlei solide Aufgabenkritik. Ein ergebnisoffener Diskussionsprozess fand nicht statt. Alles vollzog sich im Schnellverfahren. Wir sagen ganz klar: Das ist dem Thema nicht angemessen.

Es gab die Regierungserklärung des neuen Ministerpräsidenten. Dann wurde das Ganze durchgehudelt, Herr Minister; anders kann man es nicht benennen. Ein Indiz ist der jüngst nachgeschobene Änderungsantrag auf der Drucksache 17/22902, in dem es um das Inkrafttreten des Gesetzes geht. Herr Kollege Meyer hat dazu schon ausgeführt, das Inkrafttreten soll zum 15. September 2018 wirksam werden. § 5 Nummer 1 – hier geht es um die Ernennung des Präsidenten – soll aber schon zum 18. Juli 2018 in Kraft treten.

Mein Vorredner hat von dem "Verdacht" unserer Fraktion gesprochen. So gravierend ist das gar nicht. Aber dieser Änderungsantrag dient der Inszenierung. Deswegen stimmen wir ihm nicht zu.

An dieser Stelle ist noch einmal anzumerken – ich verweise auf die Redebeiträge im federführenden Ausschuss und im Plenum –, dass die Abschaffung durch Stoiber in den Jahren 2003 und 2004 mit pekuniären Aspekten begründet wurde. Dazu sagen wir: Eine Justiz nach Kassenlage darf es nicht geben. Unser gesamtes Hohes Haus sollte darauf hinwirken, dass es dazu nicht mehr kommt.

Herr Kollege Schindler, in der vorherigen Beratung darüber im Plenum haben Sie den Kollegen von der CSU angeraten, sich zu schämen bzw. der Kollegin Guttenberger sich zumindest fremdzuschämen; sie war ja damals noch nicht dabei.

Ich habe etwas weniger Lautsprechertum und etwas weniger – ich sage es heute noch einmal – Großmäu

ligkeit anempfohlen. Diesbezüglich haben Sie sich in den Beratungen tatsächlich zurückgenommen.

Frau Guttenberger, Sie haben ausgeführt, Sie hätten ein gutes Gefühl. Das gönnen wir Ihnen. Trotzdem gehe ich noch einmal in die Geschichte zurück. Peter Meyer hat gesagt, einige CSU-Abgeordnete hätten damals nur mit der Faust in der Tasche der Abschaffung zugestimmt. Ja, es gab viele, die protestiert haben. Sie sagten, sie würden bei der Abschaffung nicht mitmachen. Am Schluss haben aber nur noch wenige dagegengehalten. Angesichts dessen wären der CSU-Fraktion mehr Selbstbewusstsein und weniger Unterwürfigkeit – ich könnte auch sagen: Duckmäusertum – gegenüber der Exekutive, der Staatsregierung, anzuempfehlen.

(Beifall bei den GRÜNEN – Ingrid Heckner (CSU): Ach Gott!)

Das galt damals, und das gilt heute. Wie gesagt, viele hatten protestiert; dann machten doch fast alle mit. So erleben wir es auch bei vielen Entscheidungen, die heute anstehen.

(Tobias Reiß (CSU): Wir sind auf Augenhöhe!)

Was? Aktionseinheit auf Augenhöhe?

(Ingrid Heckner (CSU): Wir sind auf Augenhöhe!)

Die Augenhöhe vermag ich bisher nicht zu erkennen. Vielleicht schaffen Sie es noch, sie herzustellen.

Dem Gesetzentwurf werden wir zustimmen, dem Änderungsantrag aus den genannten Gründen nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat Herr Staatsminister Prof. Bausback das Wort. Bitte schön, Herr Staatsminister.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Die erneute Errichtung des Bayerischen Obersten Landesgerichts ist für die bayerische Justiz und den Rechtsstaat Bayern ein besonders wichtiges Projekt. Liebe Petra Guttenberger, verehrter Herr Vorsitzender des Ausschusses Schindler, lieber Kollege Meyer, sehr geehrter Herr Runge, insoweit bedanke ich mich ausdrücklich für die breite Zustimmung, die Sie als Vorredner für dieses Projekt signalisiert haben.

Es ist in der Tat ein besonders wichtiges Projekt, das aber in eine Vielzahl von anderen Strukturverbesserungen eingebunden ist. Herr Kollege Schindler hat gesagt, die bayerische Justiz habe wahrlich andere

Probleme. Auch Kollege Güller hat in der Haushaltsdebatte heute Morgen angedeutet, es gebe durchaus andere Dinge, die man vorantreiben müsse. Ich möchte den Gesamtzusammenhang darstellen. Wir haben seit Verabschiedung des Doppelhaushalts 2013/2014 rund 2.000 neue Stellen in der Justiz, auch im Justizvollzug, geschaffen. Wir haben die Strukturen verändert. Bei der Generalstaatsanwaltschaft München haben wir eine zentrale Stelle für Extremismusbekämpfung und bei der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg eine zentrale Stelle für die Bekämpfung von Cyberkriminalität eingerichtet. Zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen haben wir Schwerpunktstaatsanwaltschaften gebildet.

Ja, zu den Strukturveränderungen und -stärkungen in dieser Zeit gehört auch das neue Bayerische Oberste Landesgericht. Dessen Einrichtung erfordert netto zehn Stellen mehr. Die übrigen Stellen kommen aus der bisherigen Verwendung an den Oberlandesgerichten. Von rund 2.000 neuen Stellen werden zehn für das Bayerische Oberste Landesgericht vorgesehen, eine Einrichtung, die – das hat Kollegin Guttenberger sehr treffend ausgeführt – für die Rechtseinheitlichkeit in Bayern besonderen Stellenwert hat.