Protokoll der Sitzung vom 11.07.2018

(Beifall bei der CSU)

Es geht schlichtweg um die Sicherheit an der bayerischen Grenze. Es geht um die Sicherheit für die Menschen und den Schutz vor Straftaten. Es geht auch darum, in der Schleierfahndung intensiver und koordiniert gegen Schleuser, Drogenschmuggler und Waffenhändler vorgehen zu können. Die Errichtung der Bayerischen Grenzpolizei wird weder personell noch finanziell zulasten der Polizei im Übrigen gehen. Das ist eine wichtige Aussage für die Polizeibeamtinnen und -beamten in Bayern. Die Bayerische Grenzpolizei wird personell on top ausgestattet. Zudem werden die Einsatzkräfte ein gemeinsames Verbandsabzeichen tragen. Sie tragen einen gemeinsamen Namen, nämlich Bayerische Grenzpolizei. Das ist ein Name, der natürlich Tradition hat. Aber die Einheit ist neu und für die Sicherheit im Land notwendig.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Diese Einheit bringen wir mit dem heutigen Beschluss auf den Weg. Wir wünschen dieser Einheit alles Gute und viel Erfolg. Sie wird im Interesse der Sicherheit unserer Menschen tätig sein.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat Prof. Dr. Gantzer von der SPD das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Juristen prüfen vor der Begründetheit immer noch die Zulässigkeit. Was hier geschehen ist, ist parlamentarisch unzulässig. Wir verabschieden heute, vermutlich mit Ihrer Mehrheit, das Gesetz über die Grenzpolizei. Ich muss

nun der Presse entnehmen, dass Sie – Herr Ländner, Sie waren auch dabei – am 1. Juli in Passau – – Heute ist der 11. Juli.

(Manfred Ländner (CSU): Das war am 2. Juli, und ich war nicht dabei!)

Ich nehme zurück, dass Sie dabei waren. Am 2. Juli hat in Passau ein richtiges Festival mit Festzelt und großer Musikkapelle stattgefunden. Dort wurde die Grenzpolizei eingeweiht, obwohl das Gesetz von diesem Parlament noch nicht beschlossen worden war.

(Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN – Katharina Schulze (GRÜNE): Wahnsinn! Das war noch gar nicht beschlossen!)

Ich spreche nun auch den Fraktionsvorsitzenden Kreuzer direkt an, den ich als rechtschaffenen Abgeordneten kennengelernt habe.

(Lachen bei den GRÜNEN)

Ich habe es in den letzten Jahrzehnten noch nie erlebt, dass eine Sache schon eingeweiht wurde, bevor ein Gesetz überhaupt in Kraft getreten ist.

(Zuruf von der SPD: Doch!)

In Passau wurden sogar der Leiter und die Beamten eingesetzt. Wo sind wir denn? – Wenn wir so weitermachen, werden wir zum Parlament einer Bananenrepublik.

(Beifall bei der SPD – Ingrid Heckner (CSU): Schon wieder!)

Ich merke jetzt ausdrücklich an, dass ich diese Vorgehensweise nicht gutheiße. Ich gehe davon aus, dass sich der Staatssekretär später noch dazu äußern wird. Genau solche Vorgehensweisen tragen dazu bei, das Vertrauen der Bevölkerung in den Parlamentarismus schwinden zu lassen. Das sollte nicht sein, nicht einmal als Ausnahme. Sie von der Regierungspartei sollten das auch wissen.

Jetzt komme ich zur Begründetheit. Lieber Kollege Ländner, liebe Staatsregierung und liebes Innenministerium, was ist die ursprüngliche Begründetheit für den Gesetzentwurf? – Es ist das, was Sie eben wiederholt haben und auch im Innenausschuss gesagt haben: Der Schutz der EU-Außengrenzen sei nicht ausreichend gewährleistet. Daher seien polizeiliche Maßnahmen an den bayerischen Grenzen unumgänglich.

(Manfred Ländner (CSU): Nein!)

Das haben Sie so gesagt. Das steht wörtlich im Protokoll.

(Manfred Ländner (CSU): Nein!)

Lesen Sie doch im Protokoll nach. Wenn das wirklich so ist, dann ist doch nicht Bayern der Ansprechpartner. Ansprechpartner hierfür ist der Bund. Richtig wäre gewesen, einen Antrag zu formulieren, mit dem die Bayerische Staatsregierung aufgefordert wird, über den Bundesrat tätig zu werden, dass die Grenze in Bayern gesichert wird. Nach dem Gesetz ist das die richtige Vorgehensweise. Sie wissen das. Sie haben schon darauf hingewiesen, wie das vor dem 01.04.1998 war. Damals hatten wir eine Bayerische Grenzpolizei. Diese hatte grenzpolizeiliche Aufgaben zu erfüllen. Diese Aufgabe hat sie in Übereinstimmung mit dem Bund ausgeübt, da der Bund die Grenzsicherung in Bayern an unsere Grenzpolizei übertragen hatte. Als Schengen kam, wurde die Bayerische Grenzpolizei am 1. April 1998 aufgelöst. Wir hatten uns mit dem Bund geeinigt, dass nur noch der Bund für den Schutz der Grenzen zuständig ist. Das ist auch heute noch gesetzlich klar geregelt. In § 2 Absatz 1 des Bundespolizeigesetzes heißt es, dass der Grenzschutz der Bundespolizei obliegt. Das ist Gesetz. Sie wissen auch, dass Bundesrecht Landesrecht bricht. Es gibt also eine klare Regelung.

Wenn es eine andere Regelung geben soll, muss der Bund mit dem Freistaat ein Verwaltungsabkommen abschließen, wonach Bayern ganz oder teilweise zuständig ist. Es wird seit Tagen davon geredet, dass ein Übereinkommen in Frage steht. Sie selber haben dazu nichts gesagt. Ich gehe daher davon aus, dass Sie nicht wissen, ob etwas zustande gekommen ist. Das wäre aber für die Diskussion schon wichtig gewesen. Ich gehe erst mal davon aus, dass stimmt, was im "DER SPIEGEL" gestanden hat. Danach will der Bund nicht auf seine Kompetenz der Grenzsicherung verzichten. Wörtlich heißt es: Für dieselbe Aufgabe sollte es keine zwei verschiedenen Polizeibehörden geben.

Innenminister Herrmann hat gesagt, auch wenn es zu dem Abkommen kommen sollte, wird die Bundespolizei den Hut aufbehalten. Das ist eine klare Aussage. Damit komme ich zu dem, was mich als Kommandeur und nicht nur einfach Gedienter bei der Bundeswehr am meisten stört. Ich habe als Kommandeur in den Lehrgängen eine Menge gelernt. Der Innenminister ist leider nicht da, aber er ist aus einem Grund, den ich akzeptiere, entschuldigt. Der Staatssekretär Eck hat zwar gedient, aber er ist nur Obergefreiter.

(Katharina Schulze (GRÜNE): Aber das qualifiziert die Personen doch jetzt nicht wirklich!)

Auch der Ministerpräsident Söder hat Wehrdienst geleistet, aber er ist nur Obergefreiter und weiß daher nichts von Führung. Ich hätte gehofft, dass der Innenminister, der immerhin hochrangiger Reserveoffizier ist, Herrn Söder Einhalt gebietet. Was Söder nämlich plant, ist nur sehr, sehr schwierig zu führen. Eine Person, die etwas von Führung versteht oder auch einmal eine Truppe geführt hat, weiß ganz genau, dass es hier das totale Führungschaos geben wird. Es wird nämlich drei verschiedene Zuständigkeiten geben.

(Beifall bei der SPD)

Herr Ländner hat es eben selbst gesagt, und so steht das auch im Bericht des Innenministeriums vom 5. Juli 2018 zur Grenzpolizei. Da steht das wortwörtlich drin, was Sie eben auch gesagt haben: Die unmittelbare organisatorische Anbindung an die Landespolizeipräsidien bleibt erhalten. – Dann haben wir aber noch die Direktion Grenzpolizei, und dann haben wir noch die Bundespolizei. Das heißt, wir haben nicht nur eine doppelte Zuständigkeit, sondern wir haben eine dreifache Zuständigkeit. Die Tatsache, dass der Herr Staatssekretär jetzt so hektisch mit seinen Beamten redet, zeigt, dass ich hier irgendwie eine schwache Stelle getroffen habe. Es kann doch wohl nicht sein, dass für eine einzige Aufgabe drei verschiedene Zuständigkeiten eingerichtet werden. Ich kann nur sagen: Herr Eck, wenn Sie das tragen, dann werden Sie nie Minister.

(Beifall und Heiterkeit bei der SPD und den FREI- EN WÄHLERN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich fasse noch einmal zusammen: Erstens. Die Fachleute, die Polizeigewerkschaften einschließlich der DPolG – Deutsche Polizeigewerkschaft – sind der Meinung, dass es diese sogenannte Grenzpolizei nicht geben sollte. Sie haben das fachlich begründet, so wie ich das eben auch gemacht habe.

Zweitens. Die sogenannte Grenzpolizei ist nichts anderes als eine Ausweitung der Schleierfahndung. Das muss man doch einfach zur Kenntnis nehmen. Man hätte es also bei der Schleierfahndung belassen können. Sie ist ein Erfolgsmodell, wie wir beide wissen. Man hätte sagen können: Also gut, die Schleierfahndung bekommt personelle Unterstützung, sie wird auf 1.000 Beamte aufgestockt. Dann hätten wir genau dasselbe Ergebnis.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Paul Wengert (SPD))

Das heißt drittens – und das werden wir hoffentlich auch gleich bei der Rede des Staatssekretärs feststel

len –: Die sogenannte Grenzpolizei ist eine Polizei ohne grenzpolizeiliche Befugnisse.

(Horst Arnold (SPD): So ist es! Und das ist das Entscheidende!)

Ich weiß nicht, ob heute wirklich ein Übereinkommen zustande gekommen ist. Aber das muss man sich einmal vorstellen. Diese Polizei heißt Grenzpolizei, Sie darf an der Grenze aber selbst nicht aktiv werden, weil dort die Bundespolizei zuständig ist.

(Dr. Paul Wengert (SPD): Ein Schmierentheater ist das!)

Das wiederum heißt viertens: Die sogenannte Grenzpolizei – man könnte auch einfach sagen "die Sogenannte"; denn das würde alles beinhalten –, also die Sogenannte ist eigentlich ein Etikettenschwindel. Es steht zwar "Grenze" drauf, aber sie darf an der Grenze nicht handeln. Was ist das? – Das ist ein Fall für den Verbraucherschutz, denn da wird Wählertäuschung betrieben. Der Wähler hört "Grenzpolizei" und denkt: Oh, wie schön. Jetzt bin ich wieder sicherer. – Das stimmt aber praktisch nicht.

Deshalb fünftens und letztens, das haben Sie schon vorweg genommen, aber ich stehe dazu, schließlich bin ich selbst lange genug dabei: Die sogenannte Grenzpolizei ist nichts anderes als ein CSU-Wahlkampfschlager.

(Tobias Reiß (CSU): Ah geh!)

Ich habe das schon so oft bei Ihnen erlebt. Sie wissen, dass die Bevölkerung ängstlich ist. Also machen Sie der Bevölkerung erst einmal richtig Angst. Dann aber sagen Sie: Wir haben die Musterlösung. Wir schützen euch, in diesem Fall durch die sogenannte Grenzpolizei. Ich muss sagen, das ist ein untaugliches Mittel. Das hätten Sie mit dem Bund aushandeln müssen, so wie ich es schon am Anfang gesagt habe. Sie hätten die Ängste, die Sie haben, mit dem Bund aushandeln müssen. Sie hätten sagen müssen: Bund, du bist für die Grenze zuständig. – Sie dagegen führen hier eine sogenannte Grenzpolizei ein. Damit sind Sie beim Bund auf starke Widerstände gestoßen, das wissen Sie.

Ich kann nur sagen: Wir lehnen diesen Gesetzentwurf aus guten Gründen ab. Wir werden es zwar nicht mehr schaffen, Ihre Mehrheit dieses Mal auszuhebeln, aber ich sage Ihnen gleich: Hier führen wir ein untaugliches Mittel ein. Ich bedaure sehr, dass Sie das auf eine Art und Weise getan haben, die dem Parlamentarismus nicht entspricht.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Prof. Dr. Gantzer. Frau Gottstein spricht jetzt für die FREIEN WÄHLER. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn dem Esel zu wohl wird, geht er aufs Eis. Oder: Hochmut kommt vor dem Fall. Das sind zwei Redensarten, die mir heute im Zusammenhang mit der Zweiten Lesung des Gesetzentwurfs der Staatsregierung zur Errichtung der Bayerischen Grenzpolizei einfallen. Warum? – Was heute hier stattfindet, zeigt in sechsfacher Hinsicht, wie sehr die Mehrheitsfraktion in diesem Hause wesentliche Grundpfeiler unserer Demokratie geringschätzt bzw. missachtet.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Beifall des Abgeordneten Prof. Dr. Peter Paul Gantzer (SPD))

Wir erleben heute erstens eine Missachtung des Parlaments, zweitens eine Missachtung unserer Sprache, drittens eine Missachtung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland, viertens eine Missachtung der bisherigen polizeilichen, und zwar erfolgreichen polizeilichen Praxis, fünftens eine Missachtung eines kostenbewussten Haushalts und sechstens eine Missachtung unserer bayerischen Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Zurufe von den FREIEN WÄHLERN: Bravo!)

Ich erkläre es Ihnen gerne. Erstens. Missachtung des Parlaments: Bei dem Festakt, der ein paar Tage zurückliegt, wie vorher schon erwähnt, ist ein Gesetz in Kraft getreten, das hier noch gar nicht verabschiedet wurde. Dass Sie uns nicht nötig haben, zeigen Sie uns in diesen fünf Jahren dauernd. Eine Opposition brauchen wir nicht, wir können alles.

(Ingrid Heckner (CSU): So ein Schmarrn!)