Protokoll der Sitzung vom 27.09.2018

(Beifall bei der SPD)

Wenn ein Bundesinnenminister, der in Bayern zugleich CSU-Vorsitzender ist, die Migration als "Mutter aller Probleme" bezeichnet, dann legt er die Axt an die Grundlage unserer Gesellschaft.

(Unruhe bei der CSU)

Migration und Vielfalt sind ein Teil unserer bayerischen Identität. Oder wollen Sie das etwa bestreiten?

(Beifall bei der SPD)

Jetzt denken die einen oder anderen von Ihnen vielleicht: Die macht hier nur Wahlkampf. – Nein, das mache ich nicht.

(Unruhe und Lachen bei der CSU)

Wissen Sie, warum? – Da können Sie gerne lachen. – Meine Mutter kommt aus Irland. Ich bin Migrantin. Mich haben Sie aber wahrscheinlich nicht gemeint. Ja, so ist das.

(Zuruf von der CSU: Meine kommt aus Nord- rhein-Westfalen!)

Sie kommt aus Nordrhein-Westfalen? – Zu dem Umgang mit den anderen Bundesländern komme ich gleich noch. Das haben Sie hier gerade selbst hören können.

Der Punkt ist deshalb so ernsthaft, weil es um den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft geht, um nicht weniger und nicht mehr. Es geht darum, was eine stabile Gesellschaft ausmacht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht mir nicht nur um den Zusammenhalt in Bayern, es geht mir auch um den Zusammenhalt außerhalb Bayerns. Wenn ich mit Menschen aus anderen Bundesländern zusammenkomme, dann be

gegnen mir immer zwei Bilder: Da ist zum einen das starke, das wirtschaftlich erfolgreiche Bayern, das Bewunderung erfährt. Mir begegnet aber noch ein zweites Bild, und das ist das arrogante, das überhebliche Bayern, das allen auf die Nerven geht, das aber auch unglaublich viele Menschen verletzt. Dann sage ich: Das erste Bayern, das sind wir tatsächlich. Das arrogante, das überhebliche Bayern, das sind wir nicht, nein, das ist die Regierungspartei, niemand anderes.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Wenn der Ministerpräsident eines Landes, und er ist derzeit der Ministerpräsident unseres Landes, Berlin als "Resterampe der Republik" bezeichnet,

(Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

wenn er Bayern das Penthouse der Republik nennt, dann ist das verächtlich.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das ist zynisch!)

Dann ist das unanständig und respektlos.

(Beifall bei der SPD)

Das sind Politiker, die grundsätzlich allen anderen Bundesländern erklären müssen, dass Bayern besser sei. Heute haben Sie das in aller Ausführlichkeit getan. Das ist die CSU, die einerseits in Berlin Regierungsämter besetzen will, die andererseits aber jede Gelegenheit nutzt, um die Regierung an den Rand des Zusammenbruchs zu bringen. Wer sich aber so verhält, der baut keine Brücken, sondern der reißt sie ein. Das ist das, was Sie tun.

(Beifall bei der SPD – Jürgen W. Heike (CSU): Elf Milliarden Euro pro Jahr, das sind die Brücken!)

Damit wollen Sie neuerdings nichts mehr zu tun haben. Das haben Sie auch heute wieder gesagt. Bei unserem Duell bei den "Nürnberger Nachrichten" haben Sie, Herr Söder, letzte Woche sinngemäß gesagt: Jetzt sollen die da oben in Berlin endlich mal ordentlich regieren. – Als ob Sie mit der CSU-Landesgruppe nur eine sehr entfernte Bekanntschaft verbindet.

(Beifall bei der SPD – Volkmar Halbleib (SPD): Die kennt er gar nicht!)

Als ob Horst Seehofer nicht immer noch Ihr Parteivorsitzender wäre.

(Unruhe bei der CSU)

Sie haben das alles mit angefacht. Sie alle haben das mit zu verantworten.

(Beifall bei der SPD)

Mag sein – –

(Ingrid Heckner (CSU): Sie sind stellvertretende Bundesvorsitzende!)

Ihr Kollege ist Bundesinnenminister.

(Ingrid Heckner (CSU): Das haben wir nicht zu verantworten!)

Das ist aber müde. Okay. – Mag sein, wenn Sie jetzt gleich auf die SPD zeigen, dass Ihnen das Verhalten von Horst Seehofer nicht mehr in die neue Strategie passt. Aber mal ganz ehrlich, da kommen Sie nicht mehr heraus. Das wäre politische Fahrerflucht und nichts anderes.

(Beifall bei der SPD)

Wie gesagt, Herr Ministerpräsident, uns unterscheidet vieles. Drei Dinge aber unterscheiden uns ganz besonders. In den wesentlichen Punkten setzen Sie noch immer darauf, dass der freie Markt die Dinge in Bayern regeln wird.

Ich sage: Erstens. Das Bayern für alle, das schaffen wir nur, wenn der Freistaat eingreift, wenn er sich um die Bedürfnisse der Menschen, und zwar aller Menschen, kümmert. Das leistet der Markt eben nicht.

Zweitens. Sie machen Politik ohne Werte und ohne Überzeugungen.

(Beifall bei der SPD)

Sie setzen auf politische Taktik, und Sie setzen immer auf das, was kurzfristig politischen Gewinn verspricht. Das tun Sie ohne Rücksicht darauf, welche Auswirkungen das auf die Demokratie in Bayern hat. Ich mache Politik tatsächlich deshalb, weil ich sehr grundsätzliche Überzeugungen habe. Die stehen nicht zur Disposition; denn Politik braucht klare Haltung und Anstand.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Sie stehen für ein Bayern, das gegenüber dem Rest der Republik großmäulig, arrogant und besserwisserisch auftritt.

(Beifall bei der SPD – Unruhe bei der CSU)

Oh doch! – Ich sage Ihnen etwas: Ich will ein Bayern,

(Thomas Kreuzer (CSU): Das so schwach ist wie die anderen!)

das aus seiner Stärke heraus solidarisch ist und an Lösungen mitarbeitet, statt immer wieder Konflikte anzuheizen. Vor diesen Alternativen steht Bayern: reines Vertrauen auf den Markt oder starker Staat für alle,

(Beifall bei der SPD)

politische Taktiererei oder Politik mit Haltung. Ich sage Ihnen eines, krachlederne Arroganz oder Solidarität in Deutschland, das ist die Wahl, die Bayern hat, die Wahl, die Bayern treffen muss.

(Beifall bei der SPD)

Glauben Sie mir – denn Sie schütteln den Kopf –, gehen Sie in sich, wenn Sie die Worte Respekt, Anstand und Haltung in den Mund nehmen.

(Lang anhaltender Beifall bei der SPD – Zurufe von der SPD: Bravo!)

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächster hat nun Herr Kollege Kreuzer von der CSU das Wort. Bitte schön, Herr Fraktionsvorsitzender.

(Der Abgeordnete Thomas Kreuzer (CSU) begibt sich auf Krücken zum Rednerpult, wo ein Stuhl für ihn bereitsteht)