Protokoll der Sitzung vom 04.06.2014

Herr Staatsminister, bitte bleiben Sie am Rednerpult, Frau Kollegin Kamm hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. Bitte schön, Frau Kollegin.

Danke schön. - Sehr geehrter Herr Innenminister, man muss nach Ihren Ausführungen doch einiges zurechtrücken.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Erstens. Die kommunale Bauleitplanung war den Gemeinden schon bisher möglich, und das Verfahren haben sie auch genutzt. Es ist nicht erforderlich, dass ihnen dies ermöglicht werden soll.

In Bayern sind einige Windräder gebaut worden. Ich war mit meinem Mann am letzten Wochenende in Friesenried im Allgäu. Dort wurden gerade zwei V-126-Anlagen, also relativ hohe Anlagen, fertiggestellt und in Betrieb genommen. Diese sind deswegen möglich gewesen, weil vor vielen Jahren ein Vorranggebiet ausgewiesen worden ist und die Gemeinde von einer Höhenbegrenzung Abstand genommen hat. Seit aber Herr Seehofer die neue Initiative gegen die Windenergie geritten hat, haben alle möglichen Regionalen Planungsverbände einen Planungsstopp und tun nichts mehr. Es werden auch keine Vorranggebiete neu ausgewiesen. Sie, Herr Minister, profitieren letztendlich von dem, was vor Ihrem Windenergiestopp in die Wege geleitet worden ist. Den Windenergiestopp werden Sie, falls Sie ihn tatsächlich durchsetzen wollen, noch bitter bereuen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Problem ist, dass Sie quasi in Abstimmung mit einigen Windkraftgegnern und Atomenergiebefürwortern eine Aktion durchführen, während viele CSU-Abgeordnete vor Ort auch für die Windenergie sind.

(Zuruf von der CSU: Weil die Bürger dafür waren!)

Beim Besuch der neuen Windkraftanlagen in Friesenried letztes Wochenende traf ich meine Kollegin Angelika Schorer. Wir haben nur Leute getroffen, die von dieser Anlage überzeugt und begeistert waren. Ich möchte noch etwas zu der bayerischen Hochnäsigkeit ausführen,

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

immer zu sagen: Wir machen es am besten. Schleswig-Holstein ist kurz davor, sich zumindest rechnerisch zu 100 % selbst zu versorgen. Auch in anderen Bundesländern geht einiges voran. Sie bremsen je

doch aus. Das ist unverantwortlich, Herr Minister. Ich bitte Sie, davon in Zukunft abzusehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Staatsminister, Sie haben das Wort.

Liebe Frau Kollegin Kamm, daran, dass alle Küstenländer an Nord- und Ostsee in der Windkraftnutzung sowohl Bayern als auch Baden-Württemberg hinsichtlich der installierten Leistung weit voraus sind, kann kein Zweifel bestehen.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Ich stelle noch einmal fest: Erstens. Auch in den letzten drei, vier Jahren ist in Baden-Württemberg weniger Windkraft als in Bayern zugebaut worden. Das ist Realität. Dafür tragen Ihre Kollegen jetzt die Verantwortung.

Zweitens will ich noch einmal ausdrücklich unterstreichen: Diese Staatsregierung führt keinen Ritt gegen die Windkraft durch. Wir stehen vielmehr dafür, dass auf die Wohnbevölkerung Rücksicht genommen werden soll.

(Beifall bei der CSU)

Dazu stehen wir. Nur darum geht es.

Für mich ist es schon bemerkenswert, dass ausgerechnet die grüne Partei mit ihrem sonstigen Anspruch in Sachen Bürgerrechte und dergleichen einen Feldzug dagegen führt, dass wir mehr Rücksichtnahme auf Bürger wollen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU)

Das werden Sie den Menschen noch erklären müssen. Wir stehen dazu: Wir wollen die Energiewende mit den Bürgern in unserem Lande; und so werden wir auch weiter verfahren.

(Beifall bei der CSU)

Als nächste hat Frau Kollegin Kohnen von der SPD das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Herrmann, immerhin haben Sie keinen Vergleich zu Rheinland-Pfalz gezogen – dort regiert Rot. Dort weht der Wind, und er wird genutzt. Ich habe nicht verstanden, warum Sie sich an Baden-Württemberg abarbei

ten, statt zu erläutern, was Sie eigentlich in Bayern wollen.

(Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Die Begründung ist verdammt kurz ausgefallen. Es ist bemerkenswert, dass wir heute eine Debatte unter Aushebelung der Gesetzesverfahren führen. Das ist wirklich bemerkenswert. Ich sage ganz ehrlich, dass mich wundert, dass Sie als Verfassungsminister im Prinzip eine Bundesratsentscheidung mit Füßen treten und sagen: Der Föderalismus ist mir egal. Die Bundesländer haben sich gegen die Länderöffnungsklausel ausgesprochen. Das sollten Sie berücksichtigen und respektieren. Deswegen bedauere ich zutiefst, wie Sie hier aufgetreten sind.

(Beifall bei der SPD)

Wir diskutieren schon einmal vorauseilend "auf Halde" über Ihren Gesetzentwurf. Was steht denn in Ihrem Gesetzentwurf? Wir sollen festlegen, ob Windräder den zehnfachen Abstand ihrer Höhe zur nächsten Wohnbebauung einhalten müssen. Ich frage Sie: Welche Kriterien liegen denn dieser 10-H-Regelung zugrunde? Frau Aigner, haben Sie diesem Abstand objektive, messbare Kriterien zugrunde gelegt? Ich kann in Ihrem Gesetzentwurf, Herr Herrmann, keine finden. Sie begründen Ihr Gesetz damit, dass Windkraft keine optisch bedrängende Wirkung haben soll. Sie haben aber gerade gesagt, dass die Bürgerinitiativen damit leben können. Ist das ein objektives, messbares Kriterium? Ich frage Sie, Frau Aigner: Wie ist denn die Wirkung bei 6-fachem oder 8-fachem Abstand? Was ist denn dazu Ihr Bauchgefühl? – Ich sage Ihnen eines: Die 10-H-Regelung ist in meinen Augen reine Willkür. Der Ministerpräsident hat sie übrigens vor fast einem Jahr plötzlich gefordert, um einen Frontalangriff auf die Windenergie in Bayern zu starten.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Bei einer 10-H-Regelung bleiben nämlich exakt noch 0,86 % der Flächen in Bayern für Windkraft übrig, und davon liegen die meisten Flächen in Naturschutzgebieten. Das heißt, Sie eröffnen auch einen Krieg gegen die Naturschutzverbände; denn diese wollen nicht die Vernichtung der Naturschutzgebiete, genauso wenig wie das andere wollen. Wir hatten bei der Windkraft einen Frieden, den Sie jetzt ohne Sinn und Verstand aufgekündigt haben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Herr Herrmann, mich verblüfft, dass Sie sagen: Hoppla, heute sind die Windkrafträder so viel höher. Das waren sie vor drei Jahren auch schon. Damals waren

sie auch schon 200 Meter hoch. Vor drei Jahren hat die Staatsregierung aber genau das Gegenteil von dem getan, was sie heute macht. Vor drei Jahren haben Sie mit allen anderen Parteien im Landtag ein Energiekonzept entwickelt. Damals wollten Sie das Ausbauziel 6 % bis 10 % der Stromerzeugung aus Windkraft bis 2021 erreichen. Das war richtig; das war zielführend, und dem haben wir zugestimmt.

Herr Herrmann, ich frage Sie – da können Sie mit so vielen Megawattzahlen um sich werfen, wie Sie wollen –: Wie groß ist denn der Windkraftanteil in Bayern heute, im Jahr 2014? – 1,6 %. Das ist nicht viel. Das wird niemals reichen, wenn wir in Bayern eine wirkliche Energiewende wollen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Deswegen, Frau Aigner, müssen wir alle Kraft in den Windenergieausbau stecken. Das sagt Ihnen auch der gesunde Menschenverstand. Ich frage Sie ganz ehrlich: Sind denn mit der 10-H-Regelung noch 6 % bis 10 % Windkraftanteil erreichbar? Wissen Sie das? Haben Sie das denn geprüft, bevor Sie ein solches Gesetz vorlegen? Ist das mit einer 10-H-Regelung erreichbar? Zu einer vertrauenswürdigen Politik gehört doch, dass man das vorher macht. Sie schreiben in Ihrem Gesetzentwurf, dass man in fünf Jahren sehen wolle, ob der Windkraftausbau geklappt hat. Da hätten wir dann das Jahr 2019. Aber bereits im Jahre 2021 geht das letzte Atomkraftwerk vom Netz. Heute haben wir noch 47 % Atomstrom, den wir bis dahin kompensieren müssen. Und Sie wollen schauen, ob es in fünf Jahren mit dem Windkraftausbau geklappt hat. Was ist das für eine Politik?

(Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Entweder Sie, Frau Ministerin Aigner, oder Sie, Herr Minister Herrmann, müssen uns die Frage beantworten, wie die Windkraft ersetzt werden soll, wenn sie nicht weiter in der bisherigen Form ausgebaut wird. Das weiß niemand. Sie forderten noch vor einem Jahr in Berlin Stromtrassen, die die Stromlücken beseitigen sollten; im Februar sagte Herr Seehofer aber dann, er wolle keine solchen Stromtrassen haben. Wie wollen Sie das kompensieren, was Sie durch den Ausbaustopp bei der Windkraft zunichtemachen?

Sie können doch die dezentrale Energieversorgung nicht in der Weise vernichten, wie es mit Ihrem Gesetz geschehen würde. Sie wollen keine Stromtrassen. Dieses Thema werden wir heute auch noch debattieren. Ich frage Sie, wie es weitergehen soll.

Ich kann Ihr Gesäusel gegenüber den Kommunen nicht mehr hören. Sie sagen immer, die Kommunen

hätten noch alle Möglichkeiten, sie könnten noch alles tun. Konnten sie das bisher denn nicht? Glauben Sie denn allen Ernstes, dass bisher eine Kommune gegen den Willen der Bürger eine Windkraftanlage gebaut hätte? Das tun die Kommunen nicht; denn die Kommunen arbeiten mit den Menschen.

(Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Ich sage Ihnen noch eines. Die 10-H-Regelung greift massiv in die Planungshoheit der Kommunen ein. Was Sie hier vorhaben, ist die Schädigung der Wirtschaftskraft der Kommunen. Denn die kommunalen Energieversorger werden dann auf dem Strommarkt nicht mehr wettbewerbsfähig sein, da sie die Windkraft als die wirtschaftlichste Energieform nicht mehr ausbauen dürfen, wie sie es zuvor getan haben. Mit der 10-H-Regel läuten Sie im Grunde die Totenglocke für die Windkraft. Die Windkraft wird sterben.

(Zurufe von der CSU: Oh, oh!)

- Da brauchen Sie nicht "Oh" zu sagen. Sie werden sehen, dass die Energiewende ohne Windkraft nicht funktionieren kann und wird. Ich bitte Sie, endlich zu Sinn und Verstand zu kommen. Es darf nicht sein, dass ein einziger Mann hier in Bayern die Energiepolitik bestimmt. Ich kann der CSU-Fraktion nur empfehlen: Widersetzen Sie sich! Schneiden Sie alte Zöpfe ab! Herr Huber, machen wir doch einmal Politik für die Zukunft.

(Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin. Als nächster Redner hat Kollege Dr. Otmar Bernhard von der CSU das Wort. Bitte sehr.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, es ist wichtig, das Thema zu debattieren.