Protokoll der Sitzung vom 01.07.2014

der es schwer macht, alles nur sachlich zu betrachten, worum ich mich aber bemühen werde. Die Vorwürfe wiegen schwer, weil sie beinhalten, dass die Staatsanwaltschaft gerade nicht das getan hat, was ihre Aufgabe ist, nämlich nach Gesetz und Recht zu entscheiden, sondern aus ganz anderen Motiven entschieden hat. Deshalb müssen die Vorwürfe aufgeklärt werden.

Zwar gab es bereits mehrere Anfragen an die Staatsregierung und entsprechende Antworten liegen vor, und wir haben am 22. Mai im Rechtsausschuss einen umfänglichen Bericht des Justizministeriums zu den Vorwürfen entgegengenommen, in dem alle Vorwürfe zurückgewiesen worden sind und zur Begründung darauf verwiesen worden ist, dass nach früher herrschender Meinung der Tatbestand des Betrugs nicht erfüllt gewesen und es im Übrigen an einem konkreten Schaden gefehlt haben soll. Aber trotz des, wie ich einräume, umfänglichen und sehr detaillierten Berichts sind Fragen offengeblieben und sind neue Fragen erst durch den Bericht entstanden, die wir jetzt in einem umfangreichen Fragenkatalog zusammengestellt haben und die nur in einem Untersuchungsausschuss geklärt werden können.

Das sonstige Instrumentarium des Landtags, nämlich Anfragen und Anträge zu stellen, ist erschöpft. Es gibt nur noch das Instrument eines Untersuchungsausschusses mit der Möglichkeit, Zeugen zu vernehmen und Akten einzusehen, um auf den Grund der Wahrheit zu kommen. Ich danke deshalb den anderen Fraktionen für die Kooperation bei der Formulierung des Untersuchungsauftrags und des Fragenkatalogs und hoffe, dass die vielen Fragen nach Sichtung der Akten und Vernehmung von Zeugen eindeutig beantwortet werden können.

Es geht in der Tat, wie es in diesen Tagen, ich glaube, in der "Süddeutschen Zeitung" geheißen hat, um die Frage der Ehre der bayerischen Justiz. Es geht um die Frage, ob die Vorwürfe tatsächlich zutreffen oder nicht. Das ist eine ganz wichtige Frage, der wir nicht ausweichen können und auch nicht wollen. Im Übrigen geht es neben der Frage, was bei den Staatsanwaltschaften möglicherweise falsch entschieden worden ist, aus welchen Motiven auch immer, auch um die Frage der politischen Verantwortung, darum, wer von der politischen Spitze in Kenntnis gesetzt worden ist und gar mitgeredet hat und aus welchen Motiven. Das gilt es aufzuklären. Ich hoffe, dass uns das gelingt.

Bekanntermaßen hat die CSU-Fraktion das Vorschlagsrecht für die Position des Vorsitzenden. Das respektieren wir selbstverständlich.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Kollege Streibl.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Wir entscheiden heute über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum sogenannten Fall Schottdorf. Die Einsetzung eines solchen Ausschusses gilt im Grunde als die schärfste Waffe der Opposition. In meinen Augen ist es ein Gebot der politischen Klugheit, dieses Instrument sparsam einzusetzen und nicht bei jeder Gelegenheit anzuwenden. Aber es gibt Fälle, in denen die Einsetzung notwendig wird. Das ist immer dann der Fall, wenn die herkömmlichen Mittel wie Anfragen oder Berichte zur Aufklärung nicht ausreichen.

Wir haben uns nach reiflicher Überlegung entschlossen, zu diesem Mittel zu greifen, und zuerst mit der Fraktion der GRÜNEN, dann auch mit der SPD verhandelt. Nolens volens hat sich auch die CSU angeschlossen und ihren Willen zur Aufklärung bekundet. Wir haben einen umfassenden Fragenkatalog erarbeitet. Die CSU trägt den Fragenkatalog mit. Dabei hatte die CSU zuerst immer gesagt, ein Untersuchungsausschuss sei hier nicht notwendig, da die sogenannte allumfassende Darstellung im Rechtsausschuss am 22. Mai ausgereicht habe.

Sie, Frau Guttenberger, haben in Ihrer Pressemitteilung am 29. Juni gesagt, es sei nicht nachvollziehbar, zu welchen zusätzlichen Erkenntnissen ein Verfahren im Untersuchungsausschuss führen sollte. Schließlich sei in der Sitzung des Verfassungsausschusses alles gesagt worden.

Werte Kollegin, lassen Sie mich sagen, dass ich das deutlich anders sehe. Es ist keineswegs ein politischer Übereifer, der uns zur Beantragung eines Untersuchungsausschusses bewogen hat. Es geht uns auch nicht um ein politisches Spektakel, wie Sie uns in der Pressemeldung unterstellt haben. Nein, uns geht es darum, Licht in einen Fall zu bringen, der bereits seit Jahrzehnten die öffentliche Wahrnehmung prägt und immer wieder in den Medien hochgespielt wird.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Nach wie vor sind viele Fragen offen. Für mich steht seit den Veröffentlichungen im "Handelsblatt" fest, dass wir diesen Fall nur mit den Mitteln eines Unter

suchungsausschusses aufklären können. Ich nenne Ihnen dafür zwei Gründe. Zum einen ist es die Komplexität des Falles, der bis in die 1980er-Jahre zurückreicht. Zum anderen ist es die Schwere der Vorwürfe, die hier im Raum stehen.

Bereits seit dem Jahr 2011 habe ich zahlreiche Anfragen zu den Ermittlungen im Zusammenhang mit der Soko Labor gestellt. Angesichts der medialen Berichterstattung stellt sich für mich nun mehr und mehr die Frage, ob die Anfragen tatsächlich alle wahrheitsgemäß beantwortet worden sind. Mir reicht es nicht, dass auf schriftliche Anfragen zum Teil weichgespülte, nicht aussagekräftige Antworten geliefert werden.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ich habe aufgrund dieser Berichterstattung große Zweifel an dem Willen der Staatsregierung zur objektiven Aufklärung. Diese Zweifel haben mich stark veranlasst, einen Untersuchungsausschuss zu fordern; denn nur ein Untersuchungsausschuss bietet uns Abgeordneten die Möglichkeit, unabhängig und selbstständig die im Raum stehenden Vorwürfe zu prüfen. Ich will selber die betreffenden Akten lesen und selber die entsprechenden Zeugen hören, um mir ein Bild machen zu können.

Der Bericht vom 22. Mai im Rechtsausschuss war zwar umfangreich, dennoch hat er mir keine ausreichende Aufklärung dafür geliefert, warum man trotz des sogenannten Pilotverfahrens die Verfahren in den übrigen mehr als hundert Fällen eingestellt hat. War es wirklich zwingend, dass diese Verfahren von der Staatsanwaltschaft München I nach Augsburg abgegeben wurden? Wie kann es sein, dass bei einem derart wichtigen Verfahren keine verjährungsunterbrechenden Maßnahmen ergriffen wurden? Da wurde eine Sonderkommission mit ursprünglich 17 Beamten eingesetzt. Dann wurde Personal reduziert, bis eine effiziente Arbeit kaum mehr möglich war. Da kann man nur sagen: In dem Fall ist man als bayerischer Löwe gesprungen und als Bettvorleger gelandet.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ich möchte gerne wissen, welche Beweggründe es für dieses Vorgehen gab. Meine Damen und Herren von der CSU, Sie haben uns einerseits vorgeworfen, dass wir das Ergebnis des Untersuchungsausschusses bereits vorwegnehmen würden, weil wir zum Beispiel die Einsetzung angekündigt hätten, ohne den Bericht abzuwarten. Andererseits scheint die CSU von vornherein zu wissen, dass der Fall Schottdorf keine politische Dimension hat. Das jedenfalls haben Sie in Ihrer Pressemitteilung verlauten lassen. Dazu kann ich nur sagen: Nur deswegen, weil Ihnen dieses Ergebnis vielleicht genehm wäre, muss es noch lange nicht der

Wahrheit entsprechen. Daher fordere ich dazu auf, dass wir versuchen, die Vorgänge in einem Untersuchungsausschuss, in dem wir die notwendige Zeit haben, sachlich und neutral aufzuklären.

Ich sage ganz deutlich: Wir machen uns die erhobenen Vorwürfe nicht zu eigen. Aber es stehen nun einmal zahlreiche Vorwürfe im Raum, die sehr schwer wiegen. Deshalb müssen wir die Vorgänge aufklären. Wenn diese Vorwürfe zutreffen würden, wären sie aus meiner Sicht ungeheuerlich.

In diesem Untersuchungsausschuss gilt es dem schwerwiegenden Verdacht nachzugehen, ob staatliche Stellen ihre Fürsorgepflicht gegenüber ermittelnden Beamten zugunsten politischer Einflussnahme vernachlässigt haben. Meine Damen und Herren, die Frage, wie der Freistaat Bayern mit seinen Polizeibeamten umgeht, geht uns alle an. Mich interessiert deshalb auch, ob die ermittelnden Beamten Vorwürfen ausgesetzt waren und ob etwas von dem Vorwurf, dass die Ermittlungen behindert worden sind, zutrifft. – Ein Ermittlungsbeamter hielt 600.000 sichergestellte Laborkarten aus einem Labor in Bochum für essenziell. In der Soko Labor hat das anscheinend für großen Ärger gesorgt. Mich interessiert, ob etwas von diesem Vorwurf zutrifft. - Mich interessiert, warum diese Laborkarten kurz nach ihrer Sicherstellung von der Staatsanwaltschaft Augsburg wieder freigegeben und danach vernichtet wurden. Wer hat das veranlasst und warum? - Mich interessiert, ob den polizeilichen Ermittlern tatsächlich von den Vorgesetzten verboten wurde, auf Fehler in der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Augsburg hinzuweisen.

(Wortmeldung des Abgeordneten Jürgen W. Heike (CSU))

- Nachher.

Ich muss also nicht mehr nachfragen, die Zwischenbemerkung folgt nachher.

Mich würde weiter interessieren, ob wirklich diffamierende Äußerungen gegenüber diesem ermittelnden Beamten gemacht wurden.

Wir sehen, hier werden viele Punkte vorgebracht. Wir müssen hier also umfangreich aufklären. Es entspricht auch unserer Pflicht als Landtag, unsere Kontrollfunktion in einem Untersuchungsausschuss wahrzunehmen. Wir sind hier gefordert.

Der chinesische Philosoph Konfuzius hat einmal gesagt: Wer fragt, ist ein Narr für eine Minute. Wer nicht fragt, ist ein Narr sein Leben lang. – Meine Damen

und Herren, lassen Sie uns in diesem Sinne die Fragen stellen, die im Untersuchungsausschuss geklärt werden müssen, damit wir keine Narren sind und damit nicht die Öffentlichkeit und die bayerischen Bürgerinnen und Bürger zum Narren gehalten werden.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN, der SPD und den GRÜNEN)

Nun folgt eine Zwischenbemerkung. Bitte, Herr Kollege Heike.

Herr Kollege Streibl, was Sie uns hier vorgetragen haben, ist ja wunderschön. Ich hätte gerne von Ihnen gewusst, ob Sie die Fragen, die Sie nun stellen, im Ausschuss, in dem wir stundenlang Zeit hatten, nicht gestellt haben, und falls nicht, warum Sie sie nicht gestellt haben. Es fällt schon auf, dass Sie jetzt Fragen vortragen, die schon lange beantwortet sind beziehungsweise die Sie nie gestellt haben. Das spricht nicht für die Glaubwürdigkeit Ihrer Fragen.

(Beifall bei der CSU)

Herr Kollege Heike, wenn Sie den Fragenkatalog zum Untersuchungsausschuss durchgelesen hätten, hätten Sie bemerkt, dass die Fülle und Breite dieser Fragen den Rahmen eines Berichts im Ausschuss bei Weitem gesprengt hätten. Damals sind durchaus Fragen gestellt worden. Allerdings muss ich hinzufügen, dass die Antworten zum Teil unzureichend waren. Daher müssen wir nachhaken und können die Vorgänge nicht so im Raum stehen lassen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN, der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank. Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Kollegen Dr. Dürr. – Herr Staatssekretär, auch der Geburtstag nützt nichts. Hier geht es weiter. Sie können ja bei uns noch feiern. - Herr Kollege, bitte.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Die Arbeit von Gerichten und Staatsanwaltschaften hat etwas mit der Leistung der Schiedsrichter bei der Fußballweltmeisterschaft gemeinsam: Sie ist dann gut, wenn sie nicht zum Thema wird. Wenn die Öffentlichkeit immer häufiger über die fehlende Qualität dieser Arbeit diskutiert statt über das, was auf dem Platz, im Gerichtssaal oder vorher ausgetragen wird, läuft etwas grundsätzlich falsch.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dann geht es nicht mehr nur um einzelne Justizirrtümer, sondern der Vertrauensverlust der Justiz wird dadurch verursacht, dass das System selbst nicht mehr rund läuft.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In Bayern passieren derzeit zu viele Systemfehler in der Justiz. Dazu gehört leider auch die Affäre Schottdorf. Alle Landtagsfraktionen in diesem Haus haben am 7. Mai die Regierung, insbesondere Justizminister Bausback, aufgefordert, diese Vorgänge aufzuklären. Aber die Vertreter der Regierung, Kollege Heike, sind dieser Verpflichtung nur unzureichend nachgekommen. Sie waren vielleicht in einer anderen Sitzung. In der Sitzung des Verfassungsausschusses am 22. Mai, an der ich teilgenommen habe, haben die Vertreter der Regierung lediglich eingeräumt, dass die strafrechtlichen Ergebnisse der umfangreichen Ermittlungen – nun folgt ein schöner Ausdruck – höchst unbefriedigend seien. Was dort passiert ist, sei höchst unbefriedigend. So kann man es ausdrücken. Sogar die CSU hat danach Kritik geübt, wobei sie ziemlich herumgedruckst hat. Ich gebe wörtlich wieder, weil es gar so nett formuliert ist. Den Satz versteht man wahrscheinlich beim ersten Hören nicht, das ist auch so gewollt: Im Rückblick, aus heutiger Sicht und insbesondere im Lichte der später vom Bundesgerichtshof geäußerten - jetzt folgt ein sehr schönes Wort – Rechtsmeinung - - Der Bundesgerichtshof hat eine "Rechtsmeinung"!

(Dr. Florian Herrmann (CSU): Was denn sonst? Lächerlich! – Petra Guttenberger (CSU): Was soll er denn sonst haben als eine Rechtsmeinung?)

So sieht es offensichtlich auch Herr Kollege Heike. Ich fahre fort: Im Lichte der vom Bundesgerichtshof geäußerten Rechtsmeinung sei der Verzicht darauf, konsequent sicherzustellen, dass die Vorwürfe bis zur höchstrichterlichen Entscheidung der umstrittenen Rechtsfragen jedenfalls nicht verjähren konnten, allerdings der falsche Schritt gewesen.

Es gab also einen falschen Schritt. Aber warum die Staatsanwaltschaft diesen falschen Schritt getan hat, warum sie den Erfolg des ausdrücklich von ihr so genannten Pilotverfahrens nicht abgewartet hat, warum sie nach dem Landgerichtsurteil von 2010 nichts getan hat, all das hat die Regierung in dieser Sitzung nicht erklären können. Genauso wenig hat sie den Vorwurf widerlegt, dass die bayerischen Behörden mit zweierlei Maß messen, und zwar dann, wenn sie eine mögliche Strafverfolgung abwägen, wobei einerseits Tausende von möglicherweise betrügerischen Ärzten und andererseits einzelne Kritiker ihres Nichthandelns einander gegenüberstehen. Hier wird mit zweierlei

Maß gemessen. Schnell und entschlossen handelt die Staatsanwaltschaft offenbar nur, wenn es gegen ihre eigenen Kritiker geht. Dabei handelt sie sogar vorschnell.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Verfahren gegen den Journalisten D. und die Polizisten M. und S. lassen jedenfalls jede Verhältnismäßigkeit vermissen. Überhaupt keine Stellungnahme hat die Regierung zur Frage nach möglichen Versäumnissen der Rechtsaufsicht beziehungsweise zu ihren gesundheitspolitischen Tätigkeiten oder ihrer Untätigkeit in dieser Hinsicht abgegeben.

Deshalb brauchen wir wieder einmal einen Untersuchungsausschuss. Wir müssen ein multiples Versagen der Justizorgane und einen gesundheitspolitischen Skandal aufklären.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Erstens geht es um den nicht geahndeten Abrechnungsbetrug. Dazu haben die Kollegen schon einiges gesagt. Deshalb füge ich nur noch eines hinzu: Beunruhigend und außergewöhnlich ist nicht, dass auch Richter, Richterinnen und Staatsanwälte Fehler machen. Das kann jedem passieren. Beunruhigend ist, dass sie in Bayern offenbar Fehler besonders ungern zugeben und Fehler noch "ungerner" korrigieren. Das beunruhigt uns.