Protokoll der Sitzung vom 16.09.2014

Ich nenne Beispiele, damit Sie nicht wieder fragen, woher ich das wisse, Herr Heike. Erstes Beispiel. Frau Haderthauer behauptet, die Geschäftsanteile seien auf ihren Mann übertragen worden. Das ist eine Verschleierung und eine Halbwahrheit.

(Zuruf des Abgeordneten Erwin Huber (CSU))

Wir wissen nämlich dank der Rechtsgutachten der SPD mittlerweile, dass das gar nicht möglich war. Diese Verschleierung und diese Halbwahrheit wurden auch noch mit einer Argumentationshilfe der Staatskanzlei unterfüttert.

(Erwin Huber (CSU): Das ist eine Verleumdung! – Weitere Zurufe von der CSU)

Sie können sich doch nachher zu Wort melden; dann müssen Sie nicht so von hinten brüllen.

Das Weitere sind Auskünfte zum Treuhandkonto. Da habe ich mehrmals nachgefragt. Es gab keine Antwort. Ich gehe davon aus, dass das Treuhandkonto der Firma Sapor Modelltechnik immer noch auf Frau Haderthauer läuft.

(Zuruf von der CSU: Das ist Spekulation! – Jür- gen W. Heike (CSU): Woher wissen Sie das? – Weitere Zurufe von der CSU)

Ich habe ja gesagt: Es gab keine Antwort. Ich nenne ein Beispiel dafür, dass uns Frau Haderthauer keine Antwort gegeben hat. Auf meine konkrete Frage hat sie die Antwort schriftlich verweigert. – Die Beschreibung ihrer geschäftsführenden Tätigkeiten für die Modellauto-Firma ist ein Beispiel für Salamitaktik und Halbwahrheiten, wiederum mit einer Argumentationshilfe der Staatskanzlei; denn diese hat uns in einer Antwort ellenlang ausgeführt, was denn geschäftsführende Tätigkeiten sind und was nicht.

(Jürgen W. Heike (CSU): Sie haben also eine Antwort bekommen!)

Wir wissen mittlerweile längst, dass sie geschäftsführend tätig war. Weiterhin sind die Aussagen zur Internet-Domain, deren Eigentümerin sie bis weit in ihre Ministerinnenzeit war, wieder ein Beispiel für: keine Antwort gegeben.

(Erwin Huber (CSU): Lächerlich!)

Das geht hin bis zur Lüge. Hier dann einmal die Nummer: Ach, ich armes kleines Dummchen wusste gar nicht, dass mir diese Internet-Domain noch gehört; ich habe gedacht, sie wäre automatisch an den Käufer

übergegangen. – Was für eine blöde Aussage für eine Juristin und Staatskanzlei-Chefin, sich so zu dieser Sache zu äußern!

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Weiterhin die Verweigerung von Auskünften zu Geschäftsbeziehungen zwischen privaten Unternehmen und Einrichtungen der Forensik allgemein: Diese Auskünfte hat sie noch als Sozialministerin verweigert, und in dieser Legislaturperiode wurden sie uns noch einmal verweigert. Trotz Nachfrage und mit Berufung auf die neueste Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs haben wir hier keine Auskünfte bekommen.

Auf die Frage nach der Kenntnis der Staatsregierung von persönlichen Treffen zwischen Herrn Haderthauer und dem Straftäter Roland S. antwortete die damalige Sozialministerin Haderthauer: Nein, sie hat davon keine Kenntnis. – Eine glatte Lüge, Kolleginnen und Kollegen, und zudem eine lächerliche Lüge! Mittlerweile hat sie eingeräumt, dass er sogar bei ihnen zu Hause zu Besuch war. Uns allen ist auch das schöne Foto zweier entspannt wirkender Weintrinker vor Augen, das Herrn Haderthauer und Roland S. zeigt.

(Jürgen W. Heike (CSU): Und wo war Frau Haderthauer? – Hubert Aiwanger (FREIE WÄH- LER): Sie hat vielleicht bedient und den Wein gebracht!)

Dazu kommen Versuche, Berichterstattung zu manipulieren und zu unterdrücken, und Einschüchterungsversuche gegenüber den Medien. Ich sage hier ganz klar: Mit unserem presserechtlichen Gutachten zu dem sogenannten presserechtlichen Informationsschreiben der Haderthauer-Anwälte haben wir dem Einhalt geboten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Erst danach haben die Medien wieder berichtet und weiter recherchiert. Das war auch gut so. Aber auch in diesem Zusammenhang hat die Ministerin gelogen. Sie hat die Einflussnahme auf die Medien glatt abgestritten, obwohl entsprechende Faxe aus der Staatskanzlei nachweislich und später eingeräumt versendet worden waren.

Kolleginnen und Kollegen, die Menschen in Bayern und wir als Parlament haben die Pflicht, im Zusammenhang mit der Haderthauerschen Modellauto-Affäre alles aufzuklären, alle Fakten im Zusammenhang mit der Modellauto-Arbeitstherapie, alles das, wo verschleiert und gelogen wurde, und vor allen Dingen auch die Frage, wie so etwas überhaupt möglich war.

Dies ist der dritte Komplex der Affäre. Es geht um die Situation der Forensik in Bayern. Geschäftsbeziehungen in der Forensik und den Justizvollzugsanstalten müssen beleuchtet und überprüft werden. Wir brauchen hier mehr Transparenz und klare Regeln. Prüf-, Aufsichts- und Kontrollmechanismen müssen unter die Lupe genommen werden, und vor allen Dingen müssen wirtschaftliche Aspekte untersucht werden. Wir wollen wissen, wo hier ein privater Nutzen auf Kosten der Allgemeinheit möglich ist; denn genau so sieht es hier aus. Deshalb brauchen wir den Untersuchungsausschuss, und deshalb brauchen wir auch heute diese Sitzung. Vorhaltungen, es gehe heute wie in der Vergangenheit um eine Vorverurteilung der Ministerin und es gelte die Unschuldsvermutung – sie gilt natürlich –, laufen ins Leere und sind unredlich.

(Zurufe von der CSU)

Aber das, was ich heute dargelegt habe,

(Erwin Huber (CSU): - war Unsinn!)

ist alles lange bekannt und mit Dokumenten belegt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nichts davon wurde von der Frau Ministerin Haderthauer in eineinhalb Jahren widerlegt. Die im Raum stehenden Betrugsvorwürfe, der Verdacht des Steuerbetrugs, die Dienstvergehen von Herrn Haderthauer und die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen in diesem Zusammenhang stehen ja heute gar nicht zur Debatte. Sie, Herr Ministerpräsident – jetzt ist er, glaube ich, ganz weg, oder er hat sich irgendwo versteckt –,

(Zuruf von der SPD: Er schwätzt!)

hätten die Chance des letztendlichen Rücktritts von Frau Haderthauer dazu nutzen sollen – das hat Herr Rinderspacher schon ausgeführt –, die Zahl der Ministerinnen und Minister in der Staatskanzlei zu reduzieren. Wir hatten ja schon fast Mitleid, mit anzusehen, wie schwer Sie sich mit der Nachbesetzung der Posten getan haben. Offensichtlich findet sich nicht mehr viel ministrables Personal. Mit einer Reduzierung der Gesamtzahl der Ministerinnen und Minister hätten Sie sich, auch wenn es nur ein statistischer Trick gewesen wäre, bei der Frauenquote leichter getan. Außerdem funktioniert es in den meisten Bundesländern auch mit weniger Ministerposten ganz gut.

Es bleibt zusammenzufassen, und wir halten heute fest, dass wir wohl mit der Modellauto-Affäre und den Skandalen der Staatskanzleiministerin ein besonders unrühmliches Kapitel der CSU-Regierungspolitik erlebt haben. Frau Haderthauer hat dem Freistaat

Schaden zugefügt. Sie hat ganz Bayern zum Gespött der Nation gemacht.

(Beifall bei den GRÜNEN – Widerspruch bei Ab- geordneten der CSU)

Konsequenzen hat sie bisher nur halbherzig gezogen. Auch die Erklärung zum Rücktritt ließ wenig Einsicht und wenig Demut erkennen. Nur durch unseren beharrlichen, starken und gemeinsamen Druck in der Opposition – –

(Jürgen W. Heike (CSU): Ach, schön!)

- Ja, das ist wirklich schön. Nur durch unseren beharrlichen, starken und gemeinsamen Druck in der Opposition, durch unser unbeirrtes Nachfragen und Nachbohren, durch die konsequente Recherchearbeit der Medien, die sich durch die Haderthauer-Anwälte nicht mehr haben einschüchtern lassen, und letztlich durch unsere Initiative für die heutige Sitzung haben wir Frau Haderthauer zum Rücktritt und Sie, Herr Ministerpräsident, zum Handeln gezwungen. Bis zum heutigen Tag jedoch fehlt eine aktive Rolle der CSU-Fraktion komplett. Bis zum heutigen Tag hat sich die CSU als komplett handlungsunfähig erwiesen. Ihre Fähigkeit zu Selbstreinigung und Kurskorrektur, liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU, besteht nicht einmal mehr im Maßstab 1 : 8, sondern sie ist null.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie alle, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, tragen Verantwortung für den Schaden, der entstanden ist, allen voran der Ministerpräsident. Das war ein Versagen auf ganzer Linie und über alle Ebenen hinweg, das sich nie wiederholen sollte. Dafür, Kolleginnen und Kollegen, werden wir sorgen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Für die CSU-Fraktion darf ich jetzt Herrn Kollegen Kreuzer das Wort erteilen. – Bitte schön.

Frau Präsidentin, Herr Ministerpräsident, Hohes Haus! Ich bin seit 1994 Mitglied des Bayerischen Landtags. Politik ist ein stetes Auf und Ab, und man lernt immer wieder etwas Neues dazu. Heute habe ich eine Rednerin erlebt, deren Redezeit just, als sie zum Tagesordnungspunkt "Berufung eines neuen Kabinettsmitglieds" sprechen wollte, zu Ende gewesen ist. Somit konnte sie keine Ausführungen mehr dazu machen. Das klingt im ersten Moment lustig; es ist aber nicht lustig, meine Damen und Herren. Dass hier nicht zur Sache gesprochen wurde, sondern eine politische Generalabrechnung vorge

nommen worden ist, geschah nur deswegen, um im Fernsehen zu erscheinen, Frau Bause.

(Beifall bei der CSU – Lachen bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abgeord- neten Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER))

Wenn man nicht mehr zu den Dingen spricht, die auf der Tagesordnung stehen, dann ist das ein Verfall parlamentarischer Sitten und eine Missachtung des Parlaments.

(Beifall bei der CSU – Lachen bei den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Da brauchen Sie nicht zu lachen; überlegen Sie sich das lieber noch einmal.

Meine Damen und Herren, ich habe in dieser langen Zeit auch nicht erlebt, dass jemand so öffentlich an den Pranger gestellt wurde wie Staatsministerin a. D. Christine Haderthauer. Sie setzen dies in dieser Plenarsitzung nahtlos fort, in einer Sondersitzung des Bayerischen Landtags – ich glaube, sie ist die erste, an die ich mich in dieser Zeit erinnern kann. Der Grund für die Sondersitzung ist entfallen: Die Aufforderung an den Ministerpräsidenten, die Entlassung vorzunehmen, ist durch den Rücktritt hinfällig geworden. Trotzdem haben Sie auf der Sondersitzung bestanden. Sie haben drei Tage gebraucht, um irgendetwas zusammenzubasteln, was immer noch nicht Hand und Fuß hat.

(Beifall bei der CSU – Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Ein Schmarrn! Völliger Schmarrn! Ein Schmarrn sondergleichen!)

Nachdem der Grund weggefallen ist, fragt man sich: Was wollen Sie erreichen? Sie wollen den Sachverhalt aufklären, sagen Sie, zur Aufklärung beitragen.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Ja!)

Sind Sie der Auffassung, dass eine Plenardebatte dazu geeignet ist? Warum beantragen Sie dann noch einen Untersuchungsausschuss, der ein Jahr lang die Aufklärungsarbeit vornehmen will?