Protokoll der Sitzung vom 16.09.2014

Herr Kollege Aiwanger, zu Ihren Aussagen bezüglich dieser Wahlrechtsverstöße in Geiselhöring möchte ich Sie fragen: Wissen Sie nicht, dass eine sechsköpfige Sonderkommission der Kriminalpolizei ermittelt und dass die Thematik sehr schwierig ist? Mehrere Sprachen sind im Spiel; Dolmetscher werden benötigt. Das ist eine ganz diffizile Geschichte. Da muss sehr genau ermittelt werden. Das möchte ich Ihnen hier einmal sagen. Nur wenn genau ermittelt wird, kann man hinterher auch feststellen, wo es Verstöße gab und welche Konsequenzen man zieht. Sie sollten hier nicht Dinge behaupten, die nicht stimmen. Der Sache wird sehr genau und konsequent nachgegangen.

(Beifall bei der CSU)

Lieber Kollege, hätten Sie genau hingehört, hätten Sie sich Ihre Frage erspart.

(Beifall der Abgeordneten Ulrike Müller (FREIE WÄHLER))

Ich habe gesagt: Abgesehen davon, dass wohl Betrügerei im Spiel war, was dem Ganzen noch die Krone aufsetzt, müsste das Innenministerium vorweg schon definieren können, ob Saisonarbeiter bei einer Kommunalwahl überhaupt wahlberechtigt sind; denn wenn man diesen Leuten Wahlbetrug nachweist, das Innenministerium aber grundsätzlich die Wahlberechtigung sieht, dann sind die bei der Wiederholungswahl in wenigen Wochen oder Monaten schlau genug, die Kreuzchen nicht mehr alle an derselben Stelle mit demselben Kugelschreiber zu machen. Dann füllen die ihre 500 Zettel vielleicht unter Anleitung aus, schreiben sogar darunter "Herr XY hat mir geholfen",

(Thomas Kreuzer (CSU): Wenn sie das darunter schreiben, sind die Wahlzettel ungültig!)

und dann sind diese 500 Leute wahlberechtigt, oder wie? – Genau diese Frage muss ein Innenministerium beantworten, weil wir sonst bei der nächsten Kommunalwahl einen Wandertourismus von Saisonarbeitern durchs Land haben: Wenn jemand sagt "Bei mir wird’s etwas knapp, ich bräuchte noch 300 Stimmen; leih mir mal deine 300 Spargelstecher!" und die füllen schön die Zettel aus und schreiben darunter "Der Huberbauer hat mich beraten" – das darf er ja dann –, wird der Bürgermeister gekippt. – Anstatt hier so zynisch zu lachen, Herr Zellmeier, sollten Sie an dieser Stelle die Gefahr für die Demokratie erkennen und einsehen, dass das für Geiselhöring alles andere als ein Ruhmesblatt ist, zumindest für die CSU-Kreise in Ihrem Gebiet.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Zurufe von der CSU)

Nein, nein, Herr Zellmeier, Sie würden sich wundern, wie einfach es wäre, wenn die FREIEN WÄHLER hinter dieser Aktion stehen würden. – Danke schön.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Jetzt darf ich Frau Kollegin Gote für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort erteilen. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Kolleginnen und Kollegen von der CSU, ich weiß nicht, wie es Ihnen in den letzten Wochen und Monaten ging. Aber es war schon peinlich, hochnotpeinlich, kaum zu ertragen, wie immer mehr widerliche und unappetitliche Details der Modellbau-Affäre bekannt und öffentlich wurden. Ich weiß nicht, wie es Ihnen dabei ging. Aber das ist auch an Ihnen sicher nicht spurlos vorbeigegangen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bayern war doch in den letzten Wochen – und da ist es gut, wenn man sich mal außerhalb Bayerns aufhält; denn dann kriegt man mit, wie außerhalb Bayerns über die Bayern geredet, gedacht und – in dem Fall auch: – gelacht wird – im Sommerloch die skurrile Lachnummer der ganzen Nation, die sich gefragt haben muss: Wie geht das, dass so was möglich ist, dass so was so lange läuft, dass da niemand einschreitet? – Aber wahrscheinlich ist das in Bayern normal, und es wundert auch niemanden mehr. – Mich hat das geärgert, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, und es ärgert mich noch.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wie ging es Ihnen dabei? – Schließlich ging es doch um eine der Ihren. Das müssen doch auch für Sie quälende Wochen gewesen sein. Warum haben Sie, Sie alle, dem denn nicht ein Ende gesetzt? Waren Sie so, indem Sie das nicht getan haben, gute Kolleginnen und Kollegen für die Frau Staatsministerin Haderthauer? Waren Sie verantwortungsvolle Politiker und Politikerinnen dieses Freistaats? – Dieser Skandal, die Modellauto-Affäre, wird in die Geschichte eingehen und ewig an Bayern hängenbleiben.

(Widerspruch und Lachen bei der CSU)

Unterschätzen Sie das nicht; daran wird sich jeder erinnern, jeder!

(Erwin Huber (CSU): Ach geh!)

Ich erinnere daran: Vor knapp eineinhalb Jahren lagen schon genug Fakten auf dem Tisch, die einen Rücktritt nötig gemacht hätten und offenbarten, dass Frau Haderthauer die für eine Ministerin notwendige moralische Eignung fehlt. Der Kern war damals und ist es auch heute:

(Ministerpräsident Seehofer spricht am Abgeord- netenplatz mit anderen Abgeordneten)

Herr Seehofer hält seine Reden jetzt im Plenum; ich denke, ihm ist die Regierungsbank zu heiß geworden. Er flieht die Regierungsbank schon! – Sie würden besser zuhören, Herr Ministerpräsident, und dort die Verantwortung übernehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN – Josef Zellmeier (CSU): Er schaut Ihnen so gern in die Augen!)

Das ist der Kern des Skandals, und der hätte zum Rücktritt gereicht: Das Ehepaar Haderthauer machte über viele Jahre hinweg private Geschäfte mit der Arbeit eines Dreifachmörders, der in der Forensik untergebracht war und mit anderen Untergebrachten in einer sogenannten Arbeitstherapie Modellautos baute. Motivation für diese Geschäfte war eine Gewinnerzielungsabsicht. Man wollte schnell viel Geld verdienen, nichts anderes. Das belegt mittlerweile auch ein Dokument, das Frau Haderthauer selbst an einen Geschäftspartner geschrieben hat. Ein solches Geschäftsmodell konnte nur zustandekommen, weil Herr Haderthauer als Mediziner im Dienst des Freistaats Bayern Zugang zu dem Straftäter hatte und so seine dienstlichen Kontakte für private Zwecke ausnutzen konnte. Das funktionierte nur wegen der extrem niedrigen Produktionskosten aufgrund der geringen Löhne für die Forensikinsassen. Nur so konnten hohe Gewinnspannen beim Verkauf der Modellautos erzielt werden. Das ist der Kern des Skandals; das hätte schon zum Rücktritt gereicht.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

"Ein von Idealismus geprägtes Engagement finanzieller Art" nannte das Ihre Ministerin. Was für ein Hohn! Es war alles andere als das. – Dieses Geschäftsmodell allein, verbunden mit der Tatsache seiner Rechtfertigung, über Monate, über mehr als ein Jahr hinweg wäre Grund genug gewesen für einen Rücktritt. Haben Sie – ich meine Sie alle hier auf der rechten Seite des Parlaments – denn nicht erkannt, dass so etwas für eine Ministerin und übrigens auch für einen Mediziner im Dienst des Freistaats Bayern nicht zu tolerieren ist?

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Im Übrigen werden sicherlich auch die weiteren Umstände der dienstlichen Vergehen des Herrn Dr. Haderthauer an anderer Stelle thematisiert werden müssen wie auch die Frage, wie es in diesem Zusammenhang zu Verjährungen von finanziellen Rückforderungen des Freistaats gegenüber Haderthauer kommen konnte, wie wir erst kürzlich erfahren haben.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Sie haben mich in der Plenarsitzung vom 18. Juli 2013 in ganz unüblicher Weise in meiner Rede unterbrochen und mich gefragt, ob ich in diesem Stile weitermachen wolle.

(Dr. Florian Herrmann (CSU): Völlig zu Recht!)

Frau Präsidentin, nach allem, was wir jetzt wissen und was sich damals schon andeutete, hätten Sie diese Frage mal besser an die damalige Ministerin gerichtet.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Der Maßstab der Modellautos, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, mag klar definiert gewesen sein. Ihr moralischer Maßstab war es wahrlich nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Damals vor über einem Jahr hätten Sie alle handeln müssen, und Sie haben es nicht getan. Sie haben Aufklärung verweigert. Ich erinnere daran, dass Sie unsere Dringlichkeitsanträge – Berichtsanträge, Kolleginnen und Kollegen! – zu diesem Skandal abgelehnt haben. Sie haben hier im Parlament schon vor über einem Jahr die Aufklärung verweigert, und Sie haben es in dieser Legislaturperiode erneut getan. Sie haben Aufklärung verhindert.

(Jürgen W. Heike (CSU): Was ist dann mit dem heutigen Dringlichkeitsantrag?)

Und wenn schon aus wahltaktischen Gründen vor der letzten Landtagswahl kein Rücktritt mehr erfolgte, so hätten Sie doch wenigstens die erneute Berufung der Frau Haderthauer ins Kabinett und dann auch noch in die Staatskanzlei verhindern müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Ich erinnere daran, dass es, abgesehen von der Modellauto-Affäre, noch weitere Hinweise darauf gab, dass Frau Haderthauer nicht ministrabel ist: Erstens wollte sie einen Mitarbeiter des ehemaligen Fraktionsvorsitzenden und, wie wir jetzt wissen, größten Abzockers bei der Verwandtenbeschäftigung Georg Schmid in ihrem Ministerium unterbringen. – Zweitens erinnern wir uns an den Versuch, den Posten der Prä

sidentin des Landesarbeitsgerichts an allen üblichen Verfahren vorbei zu besetzen. Das musste sogar gerichtlich gestoppt werden. – Und zuletzt – und das beschämt uns eigentlich auch jetzt noch in der Situation, die wir mit den Flüchtlingen im Land gerade erleben – ist uns ihr unsäglicher Umgang als damalige Sozialministerin mit den Flüchtlingen ebenfalls noch in schlechter Erinnerung. Frau Haderthauer trägt ein gut Stück Verantwortung für die prekäre Lage, die wir in der Asylpolitik und bei der Situation der Flüchtlinge hier im Land heute vorfinden.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Damals haben Sie uns entgegengehalten, die Modellauto-Geschäfte lägen doch vor 2008 und seien rechtzeitig mit Eintritt ins Kabinett beendet worden. Wir wissen heute, dass das erstens gar nichts zur Sache tut,

(Jürgen W. Heike (CSU): Ach?)

ja – siehe das Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, der ganz klar festgestellt hat, dass auch Tätigkeiten, die vor dem Eintritt in die Regierung und dem Ministeramt ausgeübt wurden, geeignet sind, die moralische Eignung einer Ministerin infrage zu stellen.

(Jürgen W. Heike (CSU): Ausgerechnet Sie reden von Moral!)

Viel besser kann man es – so passend auf Frau Haderthauer – gar nicht formulieren, als es da geschrieben ist.

Zweitens wissen wir heute auch, dass das gar nicht wahr war. Das Engagement von Frau Haderthauer in der Modellauto-Firma war nämlich 2008 nicht zu Ende. – Frau Stewens, Ihre Übergangsfraktionsvorsitzende nach dem unrühmlichen Abgang von Georg Schmid, hat damals meiner Kollegin Renate Ackermann vorgeworfen, sie glaube einem Dreifachmörder mehr als einer bayerischen Ministerin – ein aparter Gedanke nach allem, was wir heute wissen, und in Anbetracht der Tatsache, dass Frau Haderthauer jahrelang lieber Geschäfte mit einem Dreifachmörder als mit einem seriösen, moralisch einwandfreien Geschäftsmodell gemacht hat.

(Jürgen W. Heike (CSU): Wie können Sie das denn beurteilen?)

Damit komme ich zum nächsten Komplex der Haderthauerschen Modellauto-Affäre, nämlich zum Aufklärungswillen der Frau Haderthauer, den sie ja öffentlich so gerne betont. Er besteht in weiten Teilen aus der Nichtbeantwortung unserer Anfragen, aus einer Salamitaktik bei der Einräumung problematischer Sach

verhalte, aus Falschauskünften, aus Halbwahrheiten und aus Lügen.

Ich nenne Beispiele, damit Sie nicht wieder fragen, woher ich das wisse, Herr Heike. Erstes Beispiel. Frau Haderthauer behauptet, die Geschäftsanteile seien auf ihren Mann übertragen worden. Das ist eine Verschleierung und eine Halbwahrheit.