Protokoll der Sitzung vom 30.09.2014

Vielen Dank, Herr Staatsminister.

Nach § 148 der Geschäftsordnung sind beide Gesetzentwürfe dem Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 c auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes und anderer Rechtsvorschriften (Drs. 17/2820) - Erste Lesung

Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Staatsregierung durch Herrn Staatssekretär Eck begründet. Bitte schön.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem Gesetzentwurf wollen wir die Möglichkeit der Bürgerbeteiligung in Bayern mit Blick auf die großen Infrastrukturvorhaben schlicht und ergreifend weiter stärken. Wir wollen, dass die Menschen über Inhalt und Ziele, Umsetzung und voraussichtliche Auswirkungen von Großvorhaben künftig frühzeitiger informiert werden.

Dem dient das Instrument der früheren Öffentlichkeitsbeteiligung, auf die die zuständige Behörde nach dem Gesetzentwurf schon vor der förmlichen Antragsstellung hinzuwirken hat. Die Bürger sollen dabei nicht

nur über die Planungen informiert werden, sondern auch Gelegenheit zur Äußerung und Erörterung erhalten und sich damit selbst letztlich einbringen können.

Eine Unterrichtung über das Ergebnis der Öffentlichkeitsbeteiligung soll ebenfalls erfolgen. Die frühzeitige breite Bürgerbeteiligung schafft somit – davon sind wir überzeugt – wesentlich mehr Transparenz. Dadurch kann Konfliktpotenzial verringert werden. Die Genehmigungsverfahren werden entlastet. Auch die Rechtsstreitigkeiten, so meinen wir, können reduziert werden.

Die Regelung zur Veröffentlichung von rechtlich vorgeschriebenen öffentlichen und ortsüblichen Bekanntmachungen im Internet ist auch eine weitere Stärkung der Bürgerbeteiligung. Zusätzlich zu der Veröffentlichung auf herkömmlichem Weg sollen die Behörden danach beispielsweise Planunterlagen in Planfeststellungsverfahren auch im Internet zugänglich machen. Damit erhalten die Bürger die Möglichkeit, die Unterlagen auch außerhalb der Geschäftszeiten der Behörden zu Hause am eigenen PC anzuschauen und sich zu informieren. Auf diese Weise wird der Zugang der Öffentlichkeit zu amtlichen Informationen erheblich erleichtert.

Mit dem Instrument der Internetveröffentlichung, liebe Kolleginnen und Kollegen, leisten wir so auch einen Beitrag zum Abbau von Barrieren für Menschen mit Behinderung beim Zugang zu amtlichen Informationen. Auf die Internetveröffentlichungen werden zudem auch die Vorschriften zum barrierefreien Informationszugang Anwendung finden. Da wir allerdings nicht davon ausgehen können, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass heute bereits jeder über die entsprechenden technischen Möglichkeiten verfügt, rückt die Internetveröffentlichung natürlich nur neben, nicht aber an die Stelle der bisherigen Form der Bekanntmachung.

Mit dem Gesetz wollen wir weiter dafür sorgen, dass verfahrensvereinfachende und -beschleunigende Regelungen zum Planfeststellungsverfahren aus dem Fachrecht des Bundes in das Verwaltungsverfahrensgesetz übernommen werden und so für bayerische Behörden dauerhaft anwendbar bleiben. Planfeststellungsverfahren werden dadurch beschleunigt und entlastet, so etwa durch die Einführung verbindlicher Fristen für die Durchführung der Anhörungsverfahren.

Schließlich entlastet der Gesetzentwurf Bürger, die etwa im Rahmen der Rückführung von Subventionen Zinsen zu leisten haben. Der bei Entlastungsansprüchen geltende Zinssatz wird abgesenkt und darüber hinaus durch eine Anknüpfung an den jeweiligen Basiszinssatz dynamisiert. Dies ermöglicht eine Orientierung der Zinshöhe an den aktuellen Bindungen des

Finanzmarkts, meine sehr verehrten Damen und Herren. - Insgesamt wollen wir die bayerische Verwaltung mit dem Gesetzentwurf moderner und vor allen Dingen auch bürgerfreundlicher machen. Ich bitte bei der Beratung um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Staatssekretär. – Ich eröffne die Aussprache. Der erste Redner ist der Kollege Franz Schindler. Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Staatssekretär, wir hätten auf die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt unserer Ansicht nach verzichten können; denn so richtig bedeutend ist das, was hier vorgelegt wird, gewiss nicht. Dennoch, da die Aussprache nun stattfindet, einige wenige Anmerkungen.

Erstens. Hintergrund ist der Umstand, dass mit dem Gesetz zur Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung und Vereinheitlichung von Planfeststellungsverfahren des Bundes vom Mai 2013 sogenannte verallgemeinerungsfähige Regelungen zu Planfeststellungsverfahren in diversen Fachgesetzen in das Bundesverwaltungsverfahrensgesetz übernommen worden sind. Dieses Bundesverwaltungsverfahrensgesetz gilt halt nun, wie der Name schon sagt, im Bund, aber nicht bei der Verwaltung in Bayern, sodass insoweit eine Lücke klaffen würde, wenn man sie jetzt nicht schließen würde durch das, was mit dem vorliegenden Gesetzentwurf vorgeschlagen wird. Das heißt, es gibt zunächst einmal keine materiellen Änderungen des Rechts, sondern es geht darum, das, was bislang in einzelnen Fachgesetzen stand und dann in das Bundesverwaltungsverfahrensgesetz übernommen worden ist, jetzt auch in das Bayerische Verwaltungsverfahrensgesetz hineinzuschreiben.

Aber, meine Damen und Herren, die materiellen Veränderungen, die schon mit dem Infrastrukturbeschleunigungsgesetz des Bundes von 2006 und später dann mit dem Vereinheitlichungsgesetz von 2013 vorgenommen worden sind, befriedigen natürlich nicht. Die Rechtslage ist unbefriedigend, weil mit diesen Bundesgesetzen bezweckt worden ist, Verwaltungsverfahren zu beschleunigen. Es ging nicht darum, die Beteiligungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger auszuweiten, sondern es ging darum, Großverfahren möglichst schnell abzuwickeln. Insofern befriedigt das nicht.

Zweitens. Bei der neuen Vorschrift über die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung, meine Damen und Herren, die jetzt in Artikel 25 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes hineingeschrieben werden soll, handelt

es sich um eine Mogelpackung. Es heißt ja ausdrücklich und mehrfach in Ihrem Vorschlag, dass die Behörden verpflichtet werden, beim Vorhabensträger auf eine frühere Öffentlichkeitsbeteiligung hinzuwirken. Sie sollen das machen; es ist aber keine Pflicht. Wenn sie sagen: "Das wollen wir nicht", dann wird man sie auch nicht zwingen können, das zu tun. Ich verstehe also nicht, wie man das als Ausweitung der Mitwirkungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger hier verkaufen kann. Es handelt sich ausschließlich um eine Sollvorschrift und um nichts anderes. Drittens. Was die zusätzliche öffentliche Bekanntmachung im Internet betrifft, dagegen kann man nichts haben. Wir sind selbstverständlich dafür. Wichtig ist auch, was Sie angesprochen haben, dass es sich um eine zusätzliche Möglichkeit handelt; denn es gibt noch immer Leute, die das Medium Internet nicht nutzen, aus welchen Gründen auch immer. Wir dürfen die Spaltung, die es schon jetzt in der Gesellschaft gibt, durch so etwas nicht noch vertiefen.

Viertens. Die Absenkung des Zinssatzes in Artikel 49 a Absatz 3 Satz 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes von bisher 6 % auf 3 % dynamisiert, abgestellt auf den Basiszinssatz, ist angesichts der Entwicklungen auf dem Finanzmarkt und der Nullzinspolitik sicherlich richtig. Dagegen kann man nichts haben.

Man kann auch nichts dagegen haben, dass eine redaktionelle Anpassung stattfindet, weil wir jetzt nicht mehr Rundfunkgebühren, sondern Rundfunkbeiträge haben.

"Affig" ist natürlich, sehr geehrter Herr Staatssekretär, dass Sie auch diesen eigentlich harmlosen Gesetzentwurf missbrauchen, um die sogenannte Paragrafenbremse umzusetzen, und willkürlich irgendwelche Vorschriften zusammenklauben, von denen Sie meinen, dass man sie nicht mehr braucht. Sie meinen, das kann man auch noch tun, das fällt keinem auf. Mit Verlaub, meine Damen und Herren, das kann man nur als "affig" bezeichnen.

Was den Gesetzentwurf als solchen betrifft, handelt es sich im Wesentlichen um eine Mogelpackung. Wir behalten uns vor, im Ausschuss einen Änderungsantrag zu bringen, damit aus der Soll-Vorschrift eine Pflichtvorschrift wird. Dann kann man darüber reden. Wenn es dazu keine Bereitschaft gibt, dann werden wir uns unsere Zustimmung sicher ganz gut überlegen. Sie wird dann eher unwahrscheinlich sein.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege Schindler. Der nächste Redner ist Kollege Zellmeier. - Bitte schön, Herr Zellmeier.

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Ich teile die Ansicht des Kollegen Schindler, dass wir keine Aussprache gebraucht hätten. Deshalb werde ich mich kurz fassen und versuchen, auf das einzugehen, was vorher gesagt wurde.

Die Beschleunigung des Verwaltungsverfahrens und eine frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung schließen sich nicht aus. Das ist ein guter Kompromiss. Durch die Soll-Vorschrift ist das flexibel handhabbar. Wir begrüßen das. Es ist schließlich im Wesentlichen eine Folge von Änderungen auf Bundesebene.

Die öffentliche Bekanntmachung im Internet ist sinnvoll. Das wird auch von uns begrüßt.

Für besonders wichtig halte ich die dynamische Zinssatzregelung; denn in diesem Bereich hatten wir in der Vergangenheit viel Ärger bei Rückerstattungen von Zuschüssen, wenn zum Beispiel Förderrichtlinien nicht erfüllt waren. Gerade bei Vereinen und Verbänden gab es oft ein böses Erwachen, wenn der Zinssatz von 6 % angesetzt wurde. Wir begrüßen diese gute und sinnvolle Regelung außerordentlich und auch, dass die Ankündigung zügig umgesetzt wird.

Dass es jetzt "Rundfunkbeiträge" heißt, ist nur eine Folgeänderung. Insofern begrüßen wir diese Änderungen und halten sie für sinnvoll.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Kollege Zellmeier. Als Nächster hat sich Kollege Streibl zu Wort gemeldet. - Bitte schön, Herr Streibl.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Es geht um die Anpassung des Verwaltungsverfahrensgesetzes an die Regelungen auf Bundesebene. Man könnte sagen, dass dies eine reine Formsache ist und man diese Debatte nicht braucht.

Ich glaube, es ist dennoch wichtig, dass man darüber redet und eine Debatte führt; denn es handelt sich um ein sehr sensibles politisches Thema, nämlich um die Frage der Bürgerbeteiligung bei Großprojekten. Das ist keine Nebensache, über die man schnell hinweggehen kann, sondern da geht es um ganz fundamentale Dinge. Da geht es letztlich auch darum, wie sich der Wirtschaftsstandort Bayern in Zukunft darstellt. Von daher muss man dieses Thema genau anschauen.

Wir sind der Meinung, dass dieser Gesetzesvorschlag letztlich zu kurz gesprungen ist. Er stellt zwar auf den ersten Blick eine Verbesserung dar, bei genauem Hinschauen, wie es Kollege Schindler schon gesagt hat, ist er eine Mogelpackung, die mehr Bürgerbeteiligung nur vorspiegelt, letztlich aber nicht wirklich bringt; denn es wird keine Verpflichtung normiert, sondern im Grunde sollen die zuständigen Behörden lediglich darauf hinwirken, dass eine Einbindung der Öffentlichkeit stattfindet. Das ist ein ganz großes Manko. Man muss die Öffentlichkeit tatsächlich einbinden. Das muss verpflichtend sein. Der Gesetzesentwurf darf nicht nur darauf abzielen, dass die Bürger über Ziele, Mittel und Auswirkungen geplanter Projekte informiert werden, sondern es muss auch möglich sein, dass die Bürger Alternativen einbringen, dass sie Alternativen vorschlagen können und in einen Dialog einbezogen werden. Das heißt, den Bürger wirklich ernst zu nehmen und ihm nicht nur etwas vorzulegen, wovon er Kenntnis nehmen kann.

Es ist Kennzeichen einer vermeintlich alternativlosen Politik, dass man etwas hinnehmen muss. Meine Damen und Herren, eine Demokratie lebt nicht von Alternativlosigkeit, sondern sie lebt vom Dialog, vom Austausch der Meinungen der einzelnen Bürgerinnen und Bürger. Sie müssen in ein solches Verfahren einbezogen werden; denn sonst wird der Bürgerfrust immer größer. Der Bürger fühlt sich dann ohnmächtig gegenüber einer Administration. Von daher sind wir der Meinung, dass der Bürger mehr beteiligt werden muss.

Der Gesetzentwurf zur Verfahrensvereinfachung läuft eher darauf hinaus, dass die Öffentlichkeit noch weniger beteiligt wird. Damit erweist man Großprojekten, die eigentlich vorangebracht werden sollen, einen Bärendienst, weil sich der Bürger letztlich nicht eingebunden, sondern eher hinters Licht geführt fühlt und dann geneigt ist, Projekte abzulehnen.

Von daher sage ich: Wir müssen ganz von vorne anfangen und überlegen, wie wir den Bürger wirklich einbeziehen können. Wie können wir ihn ermuntern, eigene Vorschläge zu bringen, die er dann auch akzeptiert? Wir müssen überlegen, welche Auswirkungen die Vorhaben letztlich auf die Natur, aber auch auf den Bürger, auf die Gesellschaft generell haben. Da ist nach meiner Meinung etwas mehr Hirnschmalz erforderlich.

Wir werden das Ganze kritisch beobachten, begleiten und diskutieren. Wir regen an, das Ganze zu überdenken, um letztlich nicht eine Bremse für die Entwicklung in Bayern zu normieren, sondern etwas, wovon der Bürger und der Freistaat Bayern am Ende wirklich etwas haben.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Vielen Dank, Herr Kollege Streibl. Die nächste Rednerin ist Kollegin Katharina Schulze. – Bitte schön.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Kollegen von der SPD und der Fraktion der FREIEN WÄHLER haben schon viele Argumente genannt. Ich möchte auf eines noch besonders eingehen.

Wie schon bei dem Gesetzentwurf zur Volksbefragung kommt es der Staatsregierung bei der vorliegenden Änderung des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht auf eine wirksame Beteiligung und Mitsprache der Bürgerinnen und Bürger an, auch wenn die Gesetzesbegründung diesen Anschein erwecken möchte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es ist vielmehr ein weiteres Beispiel dafür, dass die Staatsregierung im Moment gerne Beteiligungsplacebos verschenkt und sich die CSU dann als große Bürgerbeteiligungspartei profilieren möchte.

Wenn man sich das genauer anschaut, sieht man ganz deutlich, dass gemäß dem sogenannten Planvereinheitlichungsgesetz auf Bundesebene vom Mai 2013 die Möglichkeit einer frühen Öffentlichkeitsbeteiligung ins Landesrecht übernommen werden soll. Was Sie aber nicht machen: Sie werfen vorher nicht die Frage auf, ob die bloße Möglichkeit einer vorgezogenen Bürgerbeteiligung bei Großprojekten nach dem Motto "jeder kann, aber niemand muss" dem zunehmenden Interesse der Bürgerinnen und Bürger, der gesellschaftlichen Gruppen und Verbände an Beteiligung und Mitsprache gerecht wird.

Ich finde es prinzipiell gut - da möchte ich auch mal loben -, dass der Bedarf an einer früheren Öffentlichkeitsbeteiligung grundsätzlich anerkannt wird. Aber dann, finde ich, sollte man das allumfassend klären und durchdenken;

(Beifall bei den GRÜNEN)

denn die bloße Möglichkeit zur frühen Öffentlichkeitsbeteiligung ohne Verpflichtung des Vorhabenträgers besteht nach geltendem Recht bereits, sodass es sich hier nur um eine symbolische Gesetzgebung handelt. Ich empfinde das so. Wir sind im Moment an einem Punkt, an dem wir uns als Bayerischer Landtag überlegen können, ob wir beim Thema Bürgerbeteiligung einen Kulturwandel vollziehen möchten. Möchten wir echte Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger? Wenn wir das möchten, dann muss es eine verpflich