Protokoll der Sitzung vom 23.10.2014

- Herr Kollege Aiwanger, es geht um die Zukunft unserer Schülerinnen und Schüler.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Genau! Deswegen wollen wir Wahlfreiheit!)

Dazu gehört die gesamte Bildung und nicht nur eine Schulart. Deswegen gilt mein Fazit: Auch heute sind die FREIEN WÄHLER mit der Aktuellen Stunde genauso wie bei dem Volksbegehren grandios gescheitert.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Professor Waschler. Herr Minister Spaenle hat sich zu Wort gemeldet. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Hohes Haus! Wir erleben heute in diesem Hause eine Sternstunde der literarischen Tiefenkenntnis. Wir haben von Homer bis Harry Potter und einer Sprachkreatur alles erlebt. Lassen Sie mich dem noch eines hinzufügen. Zu dieser

Stunde kann man mit Shakespeare sagen: "Much ado about nothing" – Viel Lärm um nichts.

(Beifall bei der CSU – Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Das Gymnasium ist nicht nichts! Wie geht es am Gymnasium weiter? Das ist die Frage!)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir haben gemeinsam einen Dialogprozess zur Zukunft des bayerischen Gymnasiums initiiert. Dieser Dialogprozess geht weiter. Wir haben von den Dialogforen, die über den Sommer hinweg stattgefunden haben, den Auftrag bekommen, Eckpunkte zu entwickeln und gemeinsam mit der Regierungsfraktion zu konkretisieren. Diesen Auftrag haben wir erfüllt. Wir haben der Öffentlichkeit die Eckpunkte vorgelegt. Das Kultusministerium und die politische Spitze wissen immer, was wo geschieht und was sie tun. Insofern haben wir schlicht und einfach die gesamte Dialogstrategie, gerade aus Respekt vor diesem Haus, den Schulen auf Nachfrage deutlich gemacht und dargelegt. Wir werden den Weg des Dialogs konsequent fortsetzen. Wir werden den Weg, die Schulen in diesen Prozess einzubinden, konsequent fortsetzen. Die Entwicklung des Gymnasiums beruht auf einer pädagogischen Analyse. Leider sind Sie nicht auf der Höhe der Zeit; ich will das nicht anders qualifizieren. Wir gehen von der pädagogischen Bedingtheit und den Rahmenbedingungen des bayerischen Gymnasiums aus. Sie haben sich durch den hohen Zuspruch für das bayerische Gymnasium mit einem Anteil von jetzt 40 % deutlich verändert. Wir hatten noch nie einen so hohen Anteil an jungen Menschen am bayerischen Gymnasium zu verzeichnen. Dabei handelt es sich um viele junge Menschen, die nicht aus Familien mit gymnasialem oder akademischem Bildungshintergrund stammen. Sehr viele junge Menschen am bayerischen Gymnasium kommen aus Familien mit Zuwanderungshintergrund. Das bayerische Gymnasium wird von 40 % der jungen Menschen eines Jahrgangs nachgefragt. Dadurch gibt es einen so hohen Anteil an der Begabungsnormalverteilung am Gymnasium wie noch nie zuvor. Aufgrund dieser Lage haben wir uns entschlossen, gemeinsam mit Ihnen – so habe ich es verstanden – eine grundlegende Analyse der Situation des bayerischen Gymnasiums vorzunehmen und von einem pädagogischen Zugang aus die relevanten Fragen zu beantworten, und zwar mit der gymnasialen Schulfamilie und nicht über sie hinweg oder gegen sie. Das ist unsere Strategie.

(Beifall bei der CSU)

Wir sprechen darüber, was gelernt wird. Das größte Unternehmen für eine neue Lehrplangeneration, das es in Bayern seit Jahrzehnten gab, befindet sich in

der Phase der Umsetzung. Momentan ist das bei der Grundschule der Fall. Diese neuen Lehrpläne wird es auch an den allgemeinbildenden weiterführenden Schulen geben. Was wird gelernt? – Wir befinden uns in einem Prozess, in dem wir darüber reflektieren, wie wir Kompetenzorientierung mit der entsprechenden inhaltlichen Sättigung auf den Weg bringen. Wie wird gelernt und gelehrt? Wie gelingt es, die gymnasiale Pädagogik auf der Höhe der Zeit fortzuentwickeln, und zwar auf der Grundlage dessen, was MODUS21 als Prozess erbracht hat? – Wichtig ist es, die Dinge so zu entwickeln, dass wir auf die starke Heterogenität, auf unterschiedliche Anforderungen zwischen städtischen Standorten und ländlichen Räumen Antwort geben können und ebenso auf die Fragen, wie wir mit jungen Menschen umgehen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, und mit jungen Menschen, die über besondere Begabungen verfügen und dafür die angemessene Zuwendung brauchen.

Außerdem haben wir die Frage zu beantworten, wie das bayerische Gymnasium das Prinzip der bayerischen Bildungspolitik einhalten kann, dass nämlich die Schulen selbst für die jungen Menschen aus den Gründen, die für den Einzelnen oder die jeweilige Gruppe, die sich auf den Weg macht, zutreffend sind, Wege mit unterschiedlicher Lerndauer anbieten können. Das haben wir von der flexiblen Grundschule bis zur Einführungsklasse in den letzten sechs, sieben Jahren im gesamten differenzierten bayerischen Bildungswesen umgesetzt. Dieses Thema ist nun mit dem Instrument des Flexibilisierungsjahrs als einer Ausprägung Realität. Wir stehen jetzt vor der Aufgabe, das vom bayerischen Gymnasium gemachte Angebot unterschiedlicher Lernzeiten fortzuentwickeln.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Na also!)

Wir haben eine zentrale These. Der Gegenentwurf ist im Rahmen der Volksgesetzgebung in diesem Sommer nahezu ohne Zustimmung geblieben. Wir wollen ein bayerisches Gymnasium von der Rhön bis zum Bodensee. Wir wollen einbayerisches Gymnasium mit einem verlässlichen pädagogischen Konzept und einem Lehrplan. Dieser Lehrplan fußt auf einem Stoffumfang für acht Schuljahre. Dazu kenne ich auch aus diesem Hohen Haus keine andere relevante Stimme. Das ist unsere Überlegung für das bayerische Gymnasium.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Auch unsere!)

Im Rahmen genau dieses Gedankens, dass das bayerische Gymnasium eine hohe Verlässlichkeit und ein pädagogisches Konzept aufweist, das grundsätz

lich auf acht Jahre ausgerichtet ist, wollen wir die Weiterentwicklung auf der Höhe der Zeit gestalten.

Sie sind doch sonst so schlau und der Zeit voraus. Warum fallen Sie dann auf die alte strukturelle Debatte herein, die in anderen Ländern geführt wird? Dabei geht es um Modelle wie in Baden-Württemberg. Dort streitet der Kultusminister mit seinem Fraktionsvorsitzenden öffentlich darüber, wie viele Gymnasien grundständig als G 9 bzw. G 8 gestaltet werden dürfen.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): In BadenWürttemberg gilt inzwischen Wahlfreiheit!)

Das ist sträflich, weil die Eltern dort in Panik versetzt werden und Torschlussmentalität herrscht. So geht man mit bildungspolitischen Grundsatzfragen nicht um.

(Beifall bei der CSU)

Wir gehen mit diesem Thema verantwortungsvoll um. Wir gehen auf die Schulen zu. Wir werden die notwendigen Veränderungen durchführen und das Thema der neun Zeitjahre am bayerischen Gymnasium für die Schüler umsetzen, die, übrigens aus ganz unterschiedlichen pädagogischen Gründen, mehr Zeit brauchen.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Sagen Sie dazu einen Satz! Was ist pädagogischer Bedarf?)

Ich halte es für eine schwere bildungspolitische Sünde, mit Blick auf junge Menschen mit ganz unterschiedlichen Bedarfen von einer Sitzenbleiberklasse zu sprechen. Diese jungen Menschen brauchen vielleicht Unterstützung, verfügen über besondere Begabungen und Stärken oder wollen einen Aufenthalt im Ausland, wofür sie zusätzliche Lernzeit am Gymnasium brauchen.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Was ist der pädagogische Bedarf?)

Sie beleidigen Schüler am bayerischen Gymnasium. Das ist die Wahrheit in dieser Debatte. Das ist der Unterschied.

(Beifall bei der CSU)

Jetzt kehren wir wieder zu dem Niveau zurück, das wir gewohnt sind, nämlich nicht zu dem Ihren. – Wir wollen gemeinsam mit den Schulen in einem zweijährigen Pilotprozess diese notwendigen pädagogischen Veränderungen und die Weiterentwicklung mit der Erfahrung, der Expertise und unter Berücksichtigung der jeweiligen Standortsituation diskutieren. Aufgrund un

seres grundlegenden Verständnisses von Bildungsgerechtigkeit wollen und werden wir das bayerische Gymnasium in ländlichen Räumen mit denselben Chancen wie in Ballungsräumen anbieten. Ich hoffe, dass wir dann in dem, wie ich ihn kennengelernt habe, zielorientierten Dialog im Bildungsausschuss des Bayerischen Landtags gemeinsam zu Entscheidungen gelangen. Diesen Weg gehen wir.

Ich bin der Regierungsfraktion sehr dankbar dafür, dass Sie sich auf diesen neuen Zugang, pädagogisch über Fragen zu diskutieren und alte Strukturfragen hintanzustellen, eingelassen hat. Wir gehen diesen Weg gemeinsam. Das bayerische Gymnasium ist eine leistungsstarke, zukunftssichernde und im nationalen Vergleich nachgefragte Schulart. Ich bin mir sicher, dass wir diese Schulart, die die Menschen in diesem Land so stark wie noch nie nachfragen, in eine gute Zukunft führen.

(Beifall bei der CSU – Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Sie tragen schon die FREIE-WÄHLER-Krawatte!)

Danke schön, Herr Staatsminister. Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Regierungserklärung der Staatsministerin für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie "Energie für Bayern - sicher, bezahlbar, sauber"

Das Wort hat Frau Staatsministerin Aigner. Bitte schön, Frau Aigner.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zukunft unserer Energieversorgung treibt die Menschen um – zu Recht. Das ist keine Frage. Eine sichere, bezahlbare und saubere Energieversorgung ist entscheidend für unseren Lebensstandard, unseren Wohlstand und auch für eine intakte Umwelt und unsere Heimat.

Gemeinsam haben wir im Juni 2011 den beschleunigten Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen. Das war die richtige Entscheidung, zu der wir auch heute noch stehen. Die Energiewende hat jedoch schon beim Umbau des Energieversorgungssystems von fossilen Trägern hin zu erneuerbaren Energien aufgrund des Klimaschutzes begonnen. Bayern war und ist Vorreiter der Energiewende. Wir haben die Leitentscheidungen nicht nur in Bayern, sondern auch in Berlin geprägt. Bayern setzt die Energiewende vor Ort um.

Meine Damen und Herren, Energiewende bedeutet mehr als den Ausbau erneuerbarer Energien und die Vernetzung mit Leitungen. Energiewende heißt auch Wärmewende. Energiewende bedeutet, Energiesparen und Energieeffizienz voranzubringen. Die Energiewende erfordert auch Energiespeicherung. Die Energiewende benötigt vor allem Versorgungssicherheit, da sie sonst scheitert.

Dreieinhalb Jahre nach Fukushima müssen wir feststellen: Wir haben zwar viel erledigt, aber viele Aufgaben müssen noch erledigt werden. Deshalb ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um den Standort neu zu bestimmen und Lösungen im Konsens zu erarbeiten. Meine Damen und Herren, Politik besteht nicht darin, Ideologien durchzusetzen, sondern darin, wirklich gute Lösungen herauszuarbeiten. Wir reden jetzt über Leitentscheidungen für das nächste und übernächste Jahrzehnt. Die Zeit dafür haben wir. Die Bundesnetzagentur hat bestätigt, dass wir selbst nach der Abschaltung der Kernkraftwerke Grafenrheinfeld und Gundremmingen in den nächsten Jahren gesicherte Energie haben werden.

Beim Ausbau der erneuerbaren Energien ist Bayern nach wir vor spitze. Bayern deckt bereits über ein Drittel des Stromverbrauchs mit erneuerbaren Energien. Im Bundesdurchschnitt liegen wir noch bei einem Viertel. Bayern belegt den Spitzenplatz unter den Ländern bei Photovoltaik, Wasserkraft und Geothermie. Zudem legt die Windkraft in Bayern kräftig zu. Von 2009 bis 2013 hat sich die Windstromerzeugung bei uns fast verdreifacht. Wir bauen weiter aus. Ich nenne einmal die Vergleichszahlen: Im Jahr 2013 sind in Bayern 98 Windkraftanlagen ans Netz gegangen, in Baden-Württemberg 51. Im ersten Halbjahr des Jahres 2014 sind in Bayern weitere 51 Anlagen ans Netz gegangen, in Baden-Württemberg eine Anlage.

(Markus Rinderspacher (SPD): Sie wollten mal 150 Anlagen im Jahr bauen! In Rheinland-Pfalz gibt es dreimal so viele Anlagen!)

Meine Damen und Herren, wir werden diesen erfolgreichen Weg fortsetzen.

(Beifall bei der CSU)

Wir werden den Weg mit den Bürgern gehen. Deshalb haben wir eine vernünftige und gute Regelung zu den Abstandsflächen erarbeitet, die Entscheidungen vor Ort zulässt. Die Entscheidungen vor Ort können immer noch am besten mit den Bürgern getroffen werden. Ich möchte mich bei der Arbeitsgruppe der CSUFraktion ausdrücklich bedanken, weil sie unseren Vorschlag noch verbessert hat. Deshalb werden es gute Entscheidungen sein – herzlichen Dank dafür.

(Beifall bei der CSU)

Eines kann ich Ihnen sagen: Wir werden unser Ziel, den Stromverbrauch bis zum Jahr 2021 zu 50 % aus erneuerbaren Energien zu decken, erreichen. Wir liegen gut im Zeitplan. Deshalb bin ich sehr zuversichtlich.

Allerdings geht es nicht nur um die Menge des Ausbaus, sondern auch um die Qualität und die Wirtschaftlichkeit. Aus diesem Grund war es im ersten Halbjahr dringend erforderlich, eine Neuaufstellung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes auf den Weg zu bringen und dieses zu verabschieden. Meine Damen und Herren, wir brauchen mehr Markt und mehr Wettbewerb. Wir haben festgeschrieben, dass die EEG-Umlage nicht über sieben Cent pro Kilowattstunde steigen darf. Wir haben mehr Markt in das System gebracht, indem wir die größeren Anlagen direkt an den Markt anbinden. Ab dem Jahr 2017 gilt generell eine Ausschreibungspflicht. Nicht mehr der Staat diktiert den Preis, sondern eine Ausschreibung, also der Markt. Wir haben außerdem die Industrieermäßigungen für die energieintensive Industrie gerade in Bayern geschützt. Davon hängen 100.000 Arbeitsplätze ab.

(Beifall bei der CSU)

Nicht zuletzt ging es um die Eigenstromversorgung. Wir haben einen ausgewogenen Kompromiss auf den Weg gebracht. Die von den Stadtwerken befürchtete Flucht aus der EEG-Umlage, die dann wenige zahlen müssen, ist gestoppt worden. Dennoch werden weiterhin sinnvolle Investitionen in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen ermöglicht. Für diejenigen, die schon investiert haben, besteht Vertrauensschutz, damit sie in Zukunft ihre Erlöse erzielen. Das ist der Kern des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes. Das war ein Verdienst – das sage ich ausdrücklich – von Sigmar Gabriel. Wir dürfen jedoch nicht auf halber Strecke stehen bleiben. Es gibt noch einige Punkte, die wir zu erledigen haben.

Ich war bei den Koalitionsverhandlungen dabei. Franz Josef Pschierer hat Bayern in der Arbeitsgruppe Energie vertreten. Ich selbst habe die Arbeitsgruppe Wirtschaft geleitet. Der Ministerpräsident und die Parteivorsitzenden waren dabei. Der Koalitionsvertrag trägt ganz wesentlich die bayerische Handschrift. Deshalb legen wir großen Wert darauf, dass nicht nur der erste Teil realisiert wird, sondern alle Teile des Koalitionsvertrags umgesetzt werden. Das ist wichtig.