Das Letzte, was wir brauchen können, ist eine Verständigung auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Die Länder haben eigene Qualitätssysteme entwickelt. In den Ländern gibt es eine Vielfalt von Qualitätssystemen. Über diese kann man nicht ohne Weiteres eine bundesweite Einheitshülle stülpen. Wir wollen auch hier keinen Zentralismus und keinen Eingriff in die Länderhoheit.
Bundeseinheitliche Regelungen bringen mehr Bürokratie mit sich. Die brauchen unsere pädagogischen Kräfte mit Sicherheit nicht. Wir haben im BayKiBiG hohe Qualitätsstandards gesetzt. Ich möchte nur einige Beispiele nennen: In Bayern haben wir unsere staatliche Förderung verpflichtend an Qualitätsvorgaben orientiert, die deutlich über denen anderer Länder liegen. Wir haben den förderrelevanten Anstellungsschlüssel im Jahr 2008 von 1 : 12,5 auf 1 : 11,5 und im Jahr 2012 von 1 : 11,5 auf 1 : 11 verbessert. Damit sind wir mit weitem Abstand vorne dran, weit vor Mecklenburg-Vorpommern, wie meine Kollegin Schreyer-Stäblein vorhin gesagt hat.
Wir haben die Finanzierung mit dem Bildungsfinanzierungsgesetz aufgestockt. Für Kinder unter drei Jahren stellen wir zusätzlich 30 Millionen Euro zur Verfügung. Das Finanzvolumen für Familienleistungen erreicht inzwischen insgesamt 3 Milliarden Euro. Ab 1. Januar 2015 werden wir bis zu 63 Millionen Euro für Qualitätsverbesserungen in der Kinderbetreuung bereitstellen. Die Kommunen sollen noch einmal den gleichen Betrag beisteuern. Das sind bis zu 126 Millionen Euro mehr, die den Kindern in Bayern zugutekommen.
Wir richten den Blick auf die pädagogischen Prozesse in den Einrichtungen. Nur den Personal-Kind-Schlüssel als Allheilmittel zu sehen, ist aus meiner Sicht zu einfach. Ich möchte auch nicht, dass der PersonalKind-Schlüssel bundesweit festgelegt wird. Wir werden daher die Fachkräfte bei pädagogischen Fragestellungen gezielter unterstützen, insbesondere auch durch unseren Modellversuch zum Aufbau von Qualitätsnetzwerken. Pädagogische Qualitätsbegleiter sollen dabei den Fachkräften als Ansprechpartner zur Verfügung stehen und sie beraten und begleiten. Der Modellversuch ist zunächst auf vier Jahre ausgelegt. Der Freistaat finanziert hierfür bis zu 60 Qualitätsbegleiter. Sie sehen, dass wir unsere Hausaufgaben machen. Dazu brauchen wir keine bundeseinheitlichen Regelungen, die unsere Qualitätsstandards nicht verbessern, sondern verwässern. Bayern wird
auch in Zukunft in seine Kinder, in den Ausbau und in die Qualität seiner Kinderbetreuung investieren.
Frau Staatsministerin, bleiben Sie bitte noch am Redepult. Ich sehe jetzt zwei Wortmeldungen zu einer Zwischenbemerkung. Die erste Meldung kommt von Frau Rauscher. Frau Rauscher, bitte schön.
Ich wollte noch eine Zwischenbemerkung loswerden, Frau Ministerin; denn ich finde es schon ein bisschen irreführend, wenn jetzt von bundeseinheitlichen Regelungen gesprochen wird, die zu einer Einheitshülle oder einem Zentralismus führen würden. Dem ist doch nicht so. Es geht um ein Mindestmaß an Regelungen, ein Mindestmaß für einen erforderlichen Anstellungsschlüssel, ein Mindestmaß an erforderlichen Qualitätskriterien, ein Mindestmaß einer erforderlichen Fachkraftquote und um ein Mindestmaß für einen erforderlichen bedarfsgerechten Ausbau der Kindertagesbetreuung, bei der Bayern mit 28 % noch lange nicht bei dem Wert angekommen ist, den das Deutsche Jugendinstitut mit 42 % festgelegt hat. Mit dem Angebot ist der Bedarf weiter nach oben gegangen. Das heißt doch nicht, dass Bayern alles schlecht macht. Fühlen Sie sich doch nicht angegriffen!
Natürlich gibt es auch Bereiche, in denen Bayern anderen Ländern als Vorbild dienen kann. Es geht um den gemeinsamen Prozess und darum, gemeinsam für ein Mindestmaß an Qualitätsstandards zu sorgen. Luft nach oben besteht. Bayern kann bei der Qualitätsentwicklung und beim Ausbau der Kindertagesbetreuung besser als andere Bundesländer aktiv werden. Mir ist es schon wichtig, das noch einmal zu betonen.
Darum geht es auch Ministerin Schwesig nicht. Sie hat als Bundesministerin die Verantwortung dafür übernommen, sich gemeinsam mit den Landesministern inhaltlich auseinanderzusetzen und sich gemeinsam auf den Weg zu machen. Das darf man wirklich nicht kleinreden. Wenn man die Inhalte dieses Papiers genau durchgeht, sieht man: Es gibt auch Bereiche, in denen Bayern noch nicht Vorbild ist. Wenn Sie sich davon abkoppeln und eine Gegenposition einnehmen wollen, ist das nicht nachvollziehbar. Die Sonderstellung Bayerns finde ich aus diesem Anlass nicht angemessen. Das ist für mich nicht nachvollziehbar, zumal Sie auch immer betonen, dass Ihnen die Qualitätsentwicklung auch wichtig ist. Unser Anliegen ist, dass Sie sich als Ministerin in Bayern von dieser Entwicklung nicht abkoppeln.
Zunächst möchte ich betonen, dass wir nicht wollen, dass sich der Bund in unsere hoheitlichen Aufgaben einmischt. Wir haben ein föderales System und Gott sei Dank überall eine Vielfalt an Qualitätssystemen. Wir arbeiten aber gerne an den Qualitätsstandards mit, wenn man sie verbessern kann. Ich möchte nicht, dass uns einheitliche Standards übergestülpt werden. Ich möchte, dass wir in den Ländern selber darüber entscheiden können, wie die Qualitätsstandards ausschauen. Dabei sind wir ziemlich gut aufgestellt.
Mir ist nicht verständlich, dass Sie durch die Formulierung von Qualitätsstandards und dieses Neun-Punkte-Programms irgendwo daran gehindert wären, in Bayern eine möglichst gute Qualität darzustellen. Das ist mir nicht verständlich. Ich stelle vielmehr fest, dass offenbar das PersonalKind-Verhältnis in den bayerischen Kindertagesstätten nach Ihrer Meinung so bleiben soll, wie es derzeit ist. Trifft das zu? Gibt es hier keine Verbesserung?
Das Zweite: Nur mit Qualitätsverbesserern und Qualitätsberatern wird es nicht getan sein. Ich glaube, wir brauchen auch mehr Menschen.
Einen Moment noch, bitte. Kolleginnen und Kollegen, könnten Sie bitte wieder etwas ruhiger werden! Auch die Zwischenbemerkungen sollen die Aufmerksamkeit aller Kolleginnen und Kollegen bekommen. – Bitte schön, Frau Staatsministerin.
Frau Kamm, wir haben in den letzten Jahren in Bayern den Anstellungsschlüssel verbessert. Das ist auch für die Zukunft nicht ausgeschlossen.
Zum zweiten Punkt: Wir investieren jetzt auch Geld in den Basiswert, um die Qualität zu verbessern. Das ist ebenfalls ein Ansatzpunkt. Ich möchte mir nicht – und da sage ich: Wehret den Anfängen – irgendetwas vom Bund überstülpen lassen, obwohl wir unsere Entscheidungen vor Ort eigenverantwortlich selber treffen können. Das ist mein Ziel. Ich kann nur sagen: Wir haben eine gute Qualität in unseren Kinderbetreu
Vielen Dank, Frau Staatsministerin. Da die notwendige Frist nach Beantragung der namentlichen Abstimmungen noch nicht abgelaufen ist, werden wir die Abstimmungen nach dem nächsten Dringlichkeitsantrag durchführen.
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Margit Wild, Angelika Weikert u. a. und Fraktion (SPD) Bildungsangebote für alle Flüchtlinge ausbauen (Drs. 17/4174)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Thomas Gehring u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Integration von Flüchtlingen und Asylbewerberinnen bzw. -bewerbern - eine bildungspolitische Daueraufgabe (Drs. 17/4187)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Günther Felbinger u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Bildungs-Notprogramm für alle Flüchtlinge auf den Weg bringen (Drs. 17/4188)
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Nachdem es in der vergangenen Debatte kaum Konsens gegeben hat, versuche ich, Formulierungen zu finden, die zu einem Konsens führen könnten. Ich glaube, ich bekomme eine breite Zustimmung, wenn ich sage, dass Erziehungs-, Bildungs- und Qualifikationssysteme für den langfristigen Erfolg in der gesellschaftlichen Integration eine entscheidende Rolle spielen. Sicher erreiche ich dafür Konsens. Mit Sicherheit besteht Konsens darüber, dass der schnelle und gründliche Erwerb von Sprache außerordentlich wichtig ist und eine Schlüsselqualifikation darstellt. Dafür werde ich auch Ihre Zustimmung bekommen.
Zumindest vernehme ich keinen Zwischenruf, keine Unruhe oder emotionale Erregung. Ich fahre fort und versuche, einen weiteren Konsens herbeizuführen.
Als Konsequenz aus den Formulierungen, die ich gerade vorgetragen habe, stelle ich die Forderung, der Verantwortung gegenüber den Menschen, die in allerhöchster Not und Verzweiflung zu uns flüchten und vielfach Grausamstes erlebt haben, gerecht zu werden.
Frau Kollegin, das stimmt! Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, die Gespräche draußen zu führen. Das gilt sowohl für diejenigen, die vorne stehen, als auch für diejenigen, die hinten stehen. Es ist tatsächlich sehr laut und schwierig für die Rednerin, durch die Gespräche durchzudringen. Ich bitte Sie alle, sich für den verbleibenden Abend noch zu konzentrieren – umso schneller sind wir fertig.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich sage es einfach noch einmal. Es ist unheimlich wichtig, dass wir der Verantwortung gegenüber den Menschen, die in allerhöchster Not und Verzweiflung zu uns flüchten, die Grausamstes erlebt haben, schwer traumatisiert und depressiv sind und sich vielfach mit Selbstmordgedanken beschäftigen, gerecht werden. Ich will Sie mitnehmen, wenn ich weiter formuliere: Diesen jungen Menschen, die zu uns kommen, die schulpflichtig sind und das Recht auf einen Kindertagesstättenplatz haben, müssen wir neben der menschenwürdigen Unterbringung, der Versorgung mit Essen und Trinken und der medizinischen Versorgung ebenfalls ausreichend, rasch und qualifiziert Bildungsmöglichkeiten zukommen lassen.
Damit meine ich das Recht von Kindern – das habe ich eben schon einmal angesprochen -, eine Kindertagesstätte zu besuchen. Dort sollen sie von ausgebildeten und gut qualifizierten Pädagogen eine gute Unterstützung und Förderung erhalten. Die Elternarbeit ist auch nicht zu vernachlässigen. Eltern, die die deutsche Sprache nicht beherrschen, haben ein Recht darauf, in Form von einfachen Informationsblättern zu erfahren, was passiert. Ihnen soll Hilfe angeboten werden. Die Kindertagesstätten brauchen Dolmetscher.
Die Beschulung in den Übergangsklassen spielt eine wahnsinnig wichtige Rolle. Die Zahl der Übergangsklassen hat rasant zugenommen. Vor drei oder vier Jahren hatten wir noch 60 Übergangsklassen. Aktuell verfügen wir über circa 309 Übergangsklassen. Diese reichen nicht aus und werden nicht ausreichen. Wir können denjenigen Schülerinnen und Schülern nicht gerecht werden, die nicht das Glück haben, in einer
größeren Stadt zu wohnen, sondern möglicherweise auf dem flachen Land untergebracht werden. In diesem Fall werden sie in einfache Regelklassen gesteckt und haben große Mühe, dem Unterricht zu folgen, wenn das überhaupt möglich ist.
Hilfe und Unterstützung sollte auch denjenigen zukommen, die in eine berufliche Schule gehen müssen. Sie haben ein Recht auf Unterstützung und Betreuung, was den Ausbildungsplatz betrifft. Von den differenzierten Sprachförderangeboten, den Sprachkursen oder Alphabetisierungskursen will ich an dieser Stelle gar nicht reden.
Die Herausforderungen für die Pädagoginnen und Pädagogen kann ich nur ganz grob anreißen. Was bedeutet das für die Pädagoginnen und Pädagogen vor Ort? Das ist eine gewaltige Herausforderung, vor der sie stehen. Das liegt vor allem an der wahnsinnig großen Heterogenität. In den Klassen und Gruppen sitzen kognitiv sehr fitte Kinder und Jugendliche neben Analphabeten, solchen Kindern und Jugendlichen, die kaum eine Schule gesehen haben. Dort sitzen Kinder und Jugendliche aus unseren europäischen Nachbarländern neben Kindern aus Kriegsgebieten, die ganz Schreckliches erlebt haben.
Angesichts der Zeitungsberichte der letzten Tage oder Wochen muss ich ein dickes Lob an unsere Medien aussprechen, die sich die Mühe gemacht haben, die Pädagogen zum Beispiel in den Übergangsklassen zu begleiten und sich ein Bild vor Ort zu machen. Die erwähnten und zitierten Lehrkräfte, die Frauen und Männer, arbeiten sehr engagiert und kommen dieser schweren Aufgabe nach. Das sind weitaus mehr. Nicht alle werden in den Berichten genannt.
Man muss jedoch konstatieren, dass dem Ganzen Grenzen gesetzt sind. Trotz aller Empathie und trotz aller Geduld wird es oftmals nicht gelingen, diesen Kindern und Jugendlichen gerecht zu werden. Das hat viele verschiedene Gründe. Es ist eine absolut vordringliche und notwendige Aufgabe, unsere Bildungseinrichtungen, egal auf welcher Ebene, ob es sich um Kindertagesstätten, Schulen oder berufliche Schulen handelt, zu unterstützen. Dort wird Professionalität benötigt, vor allem hinsichtlich der Krisenbewältigung. Eben habe ich die Traumatisierung der Kinder und Jugendlichen erwähnt. Man muss wissen, wie man damit umgeht. Man muss über Wissen verfügen; Sensibilität allein reicht hierfür nicht aus. Unsere Pädagoginnen und Pädagogen sind dafür nicht geschult. Das muss kein wochenlanger Kurs sein. Eine Fachfrau hat mir gesagt, dass ein Vormittagskurs, der in die Thematik einführt und Hilfestellungen vermittelt, wie man reagieren oder möglicherweise nicht reagie
Ich bin der Meinung, es wäre von großer Bedeutung, die bürokratischen Hürden und die hohen Standards genau anzusehen. Man sollte flexibel und manchmal auch unkonventionell reagieren. Die SPD hat immer wieder gefordert, Deutsch als Zweitsprache endlich fest in der Lehrerausbildung zu verankern.
Derzeit haben wir lediglich 450 Lehrkräfte, die über diese Ausbildung verfügen. Es gibt immer noch Übergangsklassen mit weit über 20 Schülerinnen und Schülern, obwohl der Schnitt bei 16 liegt. Selbst wenn vorgesehen ist, während des Schuljahres weitere Übergangsklassen zu errichten, passiert das oft überhaupt nicht. Wir müssen rasch handeln. Wir brauchen weitere Übergangsklassen. Wir brauchen sie überall und nicht nur in den größeren Städten.
Im Sinne der Unterstützung aller Kinder, die sich in den Übergangsklassen befinden, ist es mir wichtig, eine Zweitkraft hineinzunehmen. Auf diese Weise kann man besser und stärker fördern, um die Probleme zu bewältigen. Wir müssen nicht bei null anfangen. Das werden Sie mir wahrscheinlich entgegenhalten. Ich weiß um die Vorkurse in Deutsch. Ich weiß um die Sprachförderung. Ich weiß um die Sprachkurse. Ich weiß um Alphabetisierungskurse. Das ist jedoch angesichts der aktuellen Situation zu wenig. Es werden noch mehr Kinder und Jugendliche zu uns kommen. Die Prognosen sprechen dafür. Wir müssen jetzt und schnell reagieren.