Protokoll der Sitzung vom 12.11.2014

Vielen Dank, Frau Kollegin. Bitte sehr, Frau Rauscher.

Frau Kollegin, lenken Sie doch nicht von den Problemen vor unserer eigenen Haustür ab!

(Kerstin Schreyer-Stäblein (CSU): Muss ich nicht!)

Ich weiß nicht, wann Sie das letzte Mal in einer Kindertageseinrichtung waren.

(Kerstin Schreyer-Stäblein (CSU): Letzte Woche!)

Ich war die letzten zehn Jahre als Trägerin zuständig und verantwortlich für einige Kindertageseinrichtungen hier in unserem Land. Die Realität sieht doch anders aus.

(Kerstin Schreyer-Stäblein (CSU): 14,9!)

Frau Schreyer-Stäblein, lassen Sie mich ausreden! Ich weiß nicht, ob wir die gleiche NUBBEK-Studie gelesen haben, und ich weiß auch nicht, ob wir die gleiche Bertelsmann-Studie gelesen haben.

Sie haben auf die hohen Investitionskosten und Gelder verwiesen, die Bayern im Bereich der Kindertageseinrichtungen ausgegeben hat. Damit mögen Sie recht haben. Nur, Bayern war auch einmal Schlusslicht und hatte die rote Laterne beim Ausbau der Kindertagesbetreuung.

(Kerstin Schreyer-Stäblein (CSU): Das habe ich nicht bestritten!)

Das ist mit ein Grund, warum hohe Investitionen nötig waren, um einigermaßen auf den Stand anderer Bundesländer zu kommen.

(Zuruf der Abgeordneten Kerstin Schreyer-Stäb- lein (CSU))

Das hat noch nichts mit Qualitätsentwicklung zu tun. Wenn Sie der Meinung sind, dass die Qualität in Bayern so gut ist, dann gehen Sie hinaus, fragen Sie die Leitungen, die pädagogischen Fachkräfte. Sie leiden und legen täglich einen Spagat hin, weil sie nicht mehr wissen, wie die Kinder vor allem auch in den Randzeiten ausreichend betreut werden können, weil

gerade im Krippenbereich der Anstellungsschlüssel nicht adäquat ist. Wir haben erst vor Kurzem im Plenum darüber debattiert und festgestellt, dass die gesunde emotionale Entwicklung der Kinder durchaus in Gefahr ist.

Ich möchte nochmals betonen: Wir reden hier nicht über die Verabschiedung eines Gesetzes, wir reden über eine gemeinsame Vereinbarung, die zunächst einmal getroffen wurde. Ich kann nicht verstehen, warum die, bundesweit betrachtet, kleine CSU aus einem Bundesland auf Landesebene gegen eine gemeinsame Vereinbarung aller Bundesländer – Klammer auf, mit einer Enthaltung, Klammer zu – auf Bundesebene wettert, und dies mit einem Automatismus, warum Sie, nur weil ein Vorschlag und eine gute Initiative von einer SPD-Bundesministerin kommt, diese Initiative schlechtreden müssen und sich somit auf Bundesebene nicht für eine Chancengleichheit in der frühkindlichen Bildung einsetzen möchten.

Kommen Sie bitte zum Schluss!

Wir sehen über den Tellerrand, wir sehen auch über Bayern hinaus und halten die Initiative von Manuela Schwesig für außerordentlich gerechtfertigt und sinnvoll.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Frau Kollegin Rauscher. - Unser nächster Redner ist Professor Dr. Piazolo. Bitte sehr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich brauche die fünf Minuten Redezeit wohl nicht auszuschöpfen; denn vorhin ist von der Kollegin Rauscher vieles schon richtig angemerkt worden. Aber mir schien zu Anfang etwas befremdlich. Wenn ich Frau Schreyer-Stäblein richtig verstanden habe, so hat sie eben zum CSU-Antrag gesagt, man habe die Vorschläge von Frau Schwesig und dass es eine entsprechende Konferenz gebe, aus der Presse erfahren. Auf der anderen Seite war doch Bayern, wenn ich das richtig verstanden habe, bei dieser Konferenz vertreten. Entweder hat also der Dialog zwischen Staatsministerium und Fraktion oder der Dialog innerhalb der Großen Koalition nicht ganz funktioniert.

Ich frage mich, ob es richtig ist, dieses Thema in dieser Form im Bayerischen Landtag zu behandeln, wenn Sie in Berlin in einer Großen Koalition sitzen und dort gemeinsam beschließen: Wir machen eine Kommission, alle Fachminister setzen sich zusammen und reden. Nun kommen wir über diese Schiene und

wollen das Ergebnis dieses Prozesses schon vorher feststellen. Das ist mir nicht ganz klar. Wir haben heute im Bereich der Energie auch über Dialogprozesse geredet. Ich halte sie grundsätzlich für sehr sinnvoll, aber ich halte es nicht für sinnvoll, schon von Anfang an zu sagen "In diese Richtung wollen wir gar nicht!", und das dann auch noch in der Öffentlichkeit oder in einem solchen Dringlichkeitsantrag.

Ich verstehe einerseits Sorgen um Qualitätsstandards. Das ist sicherlich ein richtiger Ansatz. Auf der anderen Seite bezweifle ich, dass Frau Schwesig und die Familienministerin wirklich Qualitätsstandards senken wollen. Das ist doch nirgendwo in der Diskussion. Die Idee ist doch vielmehr, wenn ich es richtig verstanden habe, gemeinsam Qualitätsstandards festzulegen, auf die man dann in Bayern auch draufsatteln kann. Das heißt, es geht um Mindeststandards. Diese Idee leuchtet mir – ich sage ganz offen: mir als Nichtexperten – ein. Mir leuchtet ein, dass man sagt, man wolle Mindeststandards haben, auch damit es leichter ist, von einem Bundesland ins andere zu wechseln. Dann ist doch für Bayern die Möglichkeit gegeben draufzusatteln, wenn es so ist, wie Sie sagen, dass Bayern einen höheren Qualitätsstandard hat.

Eine solche Kommission würde auch einmal die Möglichkeit eröffnen, unterschiedliche Zahlenkonstrukte und unterschiedliche Berechnungsweisen offenzulegen, sodass wir dann auch prüfen: Ist es denn wirklich so weit her mit den Qualitätsstandards in Bayern? Sind sie wirklich so viel besser, oder gibt es nur unterschiedliche Rechenmethoden? Insofern, glaube ich, ist es sehr sinnvoll, sich gemeinsam über Qualitätsstandards zu unterhalten.

Es ist auch sehr sinnvoll, dass Bayern teilnimmt. Zwar hat nicht die Fachministerin teilgenommen – sie hat im Moment sicher andere Themenkomplexe zu bearbeiten -, aber jemand aus dem Ministerium war dabei, soweit ich es auf dem versandten Bild erkennen konnte. Insofern rege ich an, diesen Prozess weiter intensiv zu verfolgen und sich nicht vorher festzulegen.

Zuletzt komme ich auf eine Frage des Stils zu sprechen. Mich hat die Schärfe der Pressemitteilung der CSU geärgert. Vielleicht muss man bei Pressemitteilungen manchmal ein bisschen draufhauen, damit man Gehör findet. Trotzdem stellt sich die Frage, wie man miteinander umgeht. – Weil wir den Antrag der SPD für sehr nachvollziehbar halten, werden wir ihm zustimmen; dem der CSU werden wir nicht zustimmen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der SPD)

Danke schön, Herr Kollege Piazolo. Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Kamm.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Letzte Woche haben sich die Länder und die Bundesebene endlich einmal zu einer Aussprache zum Thema Qualitätsstandards in Kindertagesstätten getroffen. Dabei haben sie ein relativ unverbindliches, schwaches Neun-Punkte-Papier verabschiedet. Sie schießen heute gegen diese dort getroffenen unverbindlichen, sachten Absprachen. Ich sehe, dass Sie an besseren Qualitätsstandards in den Kindertagesstätten wenig interessiert sind. Das hat mir zum einen Ihre Rede gezeigt, zum anderen die Ablehnung sämtlicher Anträge zum Thema Verbesserung der Qualität in den Kindertagesstätten, die von den Oppositionsfraktionen im Fachausschuss gestellt worden sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Unsere Anträge wurden samt und sonders heruntergebügelt; insbesondere wurden die Anträge auf Verbesserung der Fachkräftequote abgelehnt. Nur mit besserer Qualifizierung der Fachkräfte, wie Sie sie vorschlagen, wird es freilich nicht getan sein.

Meine Kolleginnen und Kollegen von der CSU, Ihr Antrag weist keine Ansätze zur Verbesserung der Qualität auf, sondern erschöpft sich in sattsam bekannter Selbstzufriedenheit. Ihr Antrag bedeutet zudem eine Irreführung der Öffentlichkeit auf dreifache Art und Weise.

So wollen Sie suggerieren, dass das BayKiBiG ausreichend hohe Qualitätsstandards garantiert. Das ist jedoch überhaupt nicht der Fall. Andere Bundesländer streben eine Fachkraft-Kind-Quote von 1 : 4 für UnterDreijährige und von 1 : 10 für Über-Dreijährige an. Diese Verhältnisse liegen weit über den bayerischen, die 1 : 5,5 bzw. 1 : 11 betragen.

Einen weiteren Versuch der Irreführung der Bevölkerung unternehmen Sie mit Ihrer Falschaussage, dass die bundesrechtlichen Qualitätsvorgaben das in Bayern Erreichte gefährden könnten. Das ist natürlich falsch; denn bei den Bundesvereinbarungen handelt es sich um Mindeststandards, über die jedes Bundesland nach oben hinausgehen kann. Mindeststandards für eine gute Fachkraftquote wären durchaus sinnvoll. Das hat sogar Ihre Ausführung, Frau Schreyer-Stäblein, gezeigt, in der Sie sich mit den Verhältnissen in Mecklenburg-Vorpommern sehr genau beschäftigt haben. Eine gegenüber den Mindestvorgaben bessere Qualitätsausstattung ist in den Bundesländern weiterhin möglich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ihr Antrag führt auch dadurch in die Irre, dass Sie suggerieren, hier würden Eingriffe in die Bildungshoheit der Länder geplant. Wir entgegnen: Wir haben durch die Kooperation von Bund und Ländern beim Ausbau der Kindertagesstätten sehr profitieren können. Wir sind für eine Aufhebung des Kooperationsverbots im Bildungsbereich und dafür, dass wir gemeinsam versuchen, bessere Standards auf Bundesebene zu vereinbaren. Bedauerlich ist jedoch, dass die Initiative von Frau Schwesig mit relativ geringen Mitteln des Bundesfinanzministers ausgestattet worden ist. Es wäre viel sinnvoller, sich dafür einzusetzen, dass diese Initiative nicht nur eine schöne Vision bleibt, sondern dass tatsächlich Mittel zur Verfügung stehen, um wesentlich mehr für die Qualität zu tun.

Frühkindliche Bildung ist der Schlüssel für eine gute Bildungsperspektive. Wer hier weiter sparen will, zahlt später doppelt und dreifach. Eine deutliche Verbesserung der Qualität ist gerade auch bei der Fachkraftquote sinnvoll und anzustreben. Daher wollen wir ein Kindertagesstätten-Qualitätsgesetz. Dieses liegt freilich noch insbesondere aufgrund der Bremsversuche von CDU und CSU auf Bundesebene in weiter Ferne. Umso erfreulicher ist es, dass die Länder wenigstens bereit waren, über gemeinsame Standards zu reden. Wir sollten den Prozess vorantreiben und nicht von Anfang an ausbremsen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Kamm. Ich gebe bekannt, dass zu beiden Anträgen namentliche Abstimmung beantragt ist.

Kolleginnen und Kollegen, ich unterbreche für kurze Zeit die Beratung.

(Zuruf von der CSU: Moment, die Ministerin!)

- Den Grund erkläre ich gerade. Ich unterbreche für kurze Zeit die Beratung zu diesem Tagesordnungspunkt. Weil die bayerische Öffentlichkeit offensichtlich ein großes Interesse an dem Ergebnis der letzten namentlichen Abstimmung hat und wir unaufhaltsam auf die Redaktionsschlüsse verschiedener Zeitungen zusteuern, komme ich zurück auf den Tagesordnungspunkt 4 und gebe das Ergebnis der hierzu vorher durchgeführten Schlussabstimmung in namentlicher Form bekannt. Mit Ja haben 92, mit Nein haben 63 Abgeordnete gestimmt. Ihrer Stimme enthalten haben sich keine Abgeordneten.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 1)

Das Gesetz ist damit so angenommen. Es hat den Titel: "Gesetz zur Änderung der Bayerischen Bauordnung und des Gesetzes über die behördliche Organisation des Bauwesens, des Wohnungswesens und der Wasserwirtschaft".

Mit der Annahme des Gesetzentwurfs in der soeben beschlossenen Fassung haben die Änderungsanträge auf den Drucksachen 17/3415, 17/3416 und 17/3417 ihre Erledigung gefunden. Damit ist der Tagesordnungspunkt 4 erledigt.

Ich komme zurück zu Tagesordnungspunkt 7 und zur Beratung des ersten Dringlichkeitsantrags und darf nun die Frau Staatsministerin ans Redepult bitten. Bitte schön, Frau Müller.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Freistaat hat in den letzten Jahren massiv in den Kita-Ausbau investiert. Frau Kollegin Schreyer-Stäblein hat vorhin den Betrag von 1,38 Milliarden Euro an Landes- und Bundesmitteln erwähnt. Ich möchte mich bei den Kommunen bedanken, zu deren Aufgaben es gehört, für die Kinderbetreuung zuständig zu sein. Wir haben die Kommunen dabei unterstützt. Heute erreichen wir mit 110.000 Kita-Plätzen für die unter-Dreijährigen einen Deckungsgrad von 52 % bei den Ein- und Zweijährigen. Ich finde, hier ist in den letzten Jahren eine gewaltige Leistung vollbracht worden.

Die Verbesserung der Qualität und die Qualitätssicherung in der Kinderbetreuung bedeuten uns allen ein großes Anliegen. Sie ist für die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit der Kinder wichtig und für die Entwicklung ihrer Interessen sowie ihrer Fähigkeiten dringend erforderlich. Deshalb erwarten die Eltern von uns Qualität und Zuverlässigkeit bei der Kinderbetreuung. Bayern bringt sich in den länderübergreifenden Gremien konstruktiv ein. Wir waren selbstverständlich in Berlin dabei, als die Bund-Länder-Diskussionen um die Qualität und um Qualitätssysteme stattfanden. Wir werden in der Arbeitsgruppe Qualität dabei sein und sind bereits in der Steuerungsrunde für das Bundesprogramm "Frühe Chancen – Schwerpunkt-Kitas Sprache & Integration" vertreten und haben uns für das Kommuniqué mit eingesetzt. Wir wollen, dass Qualität definiert wird.

Gleichzeitig muss ich aber sagen: Bundeseinheitliche oder sogar bundesgesetzliche Regelungen sind aus vielerlei Gründen abzulehnen. Ich will nicht, dass dieses Kommuniqué irgendwann in eine bundesgesetzliche Regelung mündet. Darüber habe ich auch mit Bundesministerin Schwesig diskutiert und es im Vor

feld besprochen. Ich kann nur sagen: Wehret den Anfängen. Wir haben auch schon anderes erlebt.

(Beifall bei der CSU)