Protokoll der Sitzung vom 10.12.2014

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Dettenhöfer. Bevor ich unserem nächsten Redner, Herrn Professor Dr. Peter Paul Gantzer, das Wort erteile, gebe ich noch formal bekannt, dass auch zu den beiden Einzelplänen, also zu den Tagesordnungspunkten 8 und 10, namentliche Abstimmung beantragt wurde. - Bitte schön.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Der Haushalt des Bay

erischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr beschäftigt sich am meisten mit der inneren Sicherheit. Dass Bayern das sicherste Land ist, machen die Kriminologen an der Zahl der Kriminalitätshäufigkeit, also daran, wie viele Straftaten pro 100.000 Einwohner begangen werden, und an der Aufklärungsquote fest. Bei der Kriminalitätshäufigkeit stehen wir in Deutschland einzigartig da; die Zahl der Kriminalitätshäufigkeit ist die niedrigste und die Aufklärungsquote die höchste in Deutschland.

(Beifall bei der CSU)

Das bedeutet, die Sicherheitslage ist sehr gut. Bitte klatschen Sie jetzt mit: Das ist wirklich die Arbeit unserer Polizei.

(Beifall bei der SPD, der CSU und den GRÜNEN)

Dieser müssen wir alle für die hervorragende Arbeit danken.

Wer gute Arbeit leistet, sollte entsprechend ent- und belohnt sowie ausgestattet werden. Ich nenne nur drei Beispiele, die zeigen, dass dem nicht so ist. Es gäbe noch viel mehr Beispiele. Wir haben jedoch nicht genug Zeit, das zu beleuchten. Wir haben immer wieder darüber diskutiert, dass die Ballungsraumzulage für die niedrigen Einkommensklassen bei der Polizei erhöht wird. Sie haben die Erhöhung immer wieder abgelehnt. Seit 1998 ist die Ballungsraumzulage nicht erhöht worden. Wer weiß, was in diesen 16 Jahren in München hinsichtlich der Entwicklung des Einkommens, der Mieten und der Grundstückspreise passiert ist, weiß, dass das sozial nicht angemessen ist. Sie haben an dieser Stelle nichts getan.

Wir haben 100 neue Planstellen für mobile Reserven gefordert. Bei der Polizei haben wir immer mehr Frauen, was auch gut ist. Das heißt aber auch, dass es immer mehr schwangere Polizeibeamtinnen gibt. Immer mehr Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte gehen in Elternzeit. Das heißt, wir haben einen großen Nachholbedarf. Da wird nicht nachgesteuert. Eigentlich fordern wir dasselbe, was bei den Lehrern in der mobilen Reserve gang und gäbe ist. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist bei Ihnen nur ein Schlagwort. Tatsächlich tut sich nichts. Den Worten sollten Taten folgen. Leider ist das nicht der Fall.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das dritte Beispiel, das ich nennen möchte, erzürnt mich wirklich, weil ich das seit Beginn meiner Tätigkeit für die Polizei immer wieder fordere. Darin zeigt sich Ihre beschränkte soziale Kompetenz – ich will nicht soziale Inkompetenz sagen. Wir fordern Mittel für Vorsorgekuren für Schichtdienstbeamte. Gerade gibt es

wieder eine ganz neue Untersuchung zum Schichtdienst. Darin wird festgestellt, dass, wer ständig Schichtdienst leisten muss, ab dem 45. Lebensjahr gesundheitliche Beeinträchtigungen hat. Unsere eigenen Zahlen bei der Polizei zeigen, dass 70 % aller Polizeibeamten, die vorzeitig in den Ruhestand gehen, Schichtdienst geleistet haben. Der Haushalt böte eine gute Möglichkeit, das zu verhindern. Ich sage einfach mal flapsig: Das Geld, das wir in die Sicherheitswacht stecken, wäre besser für Vorsorgekuren aufgehoben. Damit hätten wir nämlich mehr gesunde Polizeibeamte in den Dienststellen und bräuchten die Sicherheitswachtler nicht.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

In diesem Zusammenhang ist die missglückte Polizeireform zu erwähnen. Das bedeutet eine Belastung für die Polizei.

(Widerspruch bei der CSU)

Wir wissen ganz genau, wann das eingeführt worden ist. Das steht in Analogie zur Bildungspolitik. In der Bildungspolitik wurde aus Spargründen aus G 9 ein G 8 gemacht. Jedenfalls wurde es versucht. Genauso wurde bei der Polizei aus P4 ein P3 gemacht. Die Polizei hatte vier Führungsebenen. Eine Ebene, die Direktionsebene, wurde komplett gestrichen. Es gab nur noch P3. Ich habe den Vorteil, dass ich nicht verdächtigt werde, jemanden nicht zu befördern, wenn er die Wahrheit sagt. Ich kann nur sagen: Wenn ich in den Polizeidienststellen bin und mit den Leitern spreche und man sich in den Polizeipräsidien außerhalb der Tagesordnung unterhält, kommt man bei all den durchgeführten Evaluierungen mit den ganzen Gutachten – das war reine Augenwischerei – zu dem Ergebnis: Es ist nichts gespart worden. Das steht auf jeden Fall fest. Das sieht man am Haushalt. Es ist nichts gespart worden. Wir haben nicht mehr Polizeibeamte auf der Straße. Stattdessen haben wir mehr Arbeit bei den Inspektionsleitern. Die Aufgaben der Polizeidirektionen sind nicht einfach verschwunden. Die Aufgaben wurden aufgeteilt und zum großen Teil auf die Basis verschoben, die jetzt mehr Arbeit hat.

(Staatsminister Joachim Herrmann: Wir brauchen mehr Beamte!)

- Das stimmt eben nicht. Lieber Herr Minister, wir haben nicht mehr Beamte auf der Straße. – Jetzt spreche ich etwas an, wovon ich weiß, dass Sie etwas davon verstehen. Das wäre so, als würden wir bei der Bundeswehr eine Reform machen und würden die Bataillone abschaffen. Dann würde einfach eine Ebene wegfallen. Das würde auch nicht funktionieren. Deswegen sage ich nur: Sehr geehrter Herr Minister, haben Sie einfach Mut zur Reform der Reform. Füh

ren Sie wieder die P 4 ein. Ich glaube, dann haben wir wirklich ein besseres Modell. Bis jetzt haben wir dadurch mehr Arbeitsbelastung bei der Polizei.

(Beifall bei der SPD)

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Sollstärkenberechnung. Diese entspricht nicht mehr den heutigen Verhältnissen. Sie ist schon Jahrzehnte alt. Wenn ich im Ministerium nachfrage, wie die Sollstärke berechnet wird – ich schaue den Landespolizeipräsidenten an –, kann mir das im Grunde keiner genau erklären. Man kann mir nicht sagen, ob die Sollstärke angemessen oder nicht angemessen ist. Die ist total unterschiedlich. Bei allen Besuchen von Polizeidienststellen stellen Sie fest, dass die Dienststellen selber nicht mehr wissen, warum ihre Sollstärke so oder so ist. Die rechnen auch nicht mehr mit der Iststärke, sondern nur noch mit der Dienststärke, weil die die wahren Verhältnisse wiedergibt. Die Sollstärke entspricht nicht der Arbeitsbelastung, die die Polizeibeamten an bestimmten Polizeidienststellen haben. Die Sollstärkenberechnung, die wir heute haben, entspricht nicht mehr den vor Jahrzehnten festgelegten Kriterien. Wir haben bayernweit einen sehr großen Bevölkerungszuwachs. Wir haben innerhalb von Bayern eine sehr große Bevölkerungsverschiebung, vor allem zum Süden hin. Wir haben neue Kriminalitätsformen, die damals gar nicht berücksichtigt werden konnten, etwa Cybercrime oder den Terrorismus, der sehr stark angestiegen ist. Damals ist bei der Sollstärkenberechnung auch nicht berücksichtigt worden, dass wir viel mehr und viel größere Großeinsätze habe. Das ist nicht nur der G-7-Gipfel, der uns nur einmal herausfordert; es sind die Fußballspiele mit dem stark zunehmenden Rowdytum bei den sogenannten Fußballfans. Das, was da stattfindet, sind Herausforderungen für die Polizei, die wir damals nicht berücksichtigen konnten. Hinzu kommt die veränderte Frauenlage; denn mehr Frauen bei der Polizei bedeuten auch mehr Schwangerschaften und Elternzeit. Alles das ist damals nicht berücksichtigt worden.

Deswegen bin ich gerne bereit, zu helfen und es Ihnen vorzurechnen. Natürlich müssen dabei die örtlichen Besonderheiten berücksichtigt werden. Man braucht aber grundsätzlich nur zwei Zahlen zugrunde zu legen, und das weiß jeder Experte bei der Polizei. Das sind die Zahlen der polizeilichen Kriminalstatistik und die Zahlen der Verkehrsdelikte. Wenn ich die ins Verhältnis zur Bevölkerungszahl setze, würde ich zu einer sehr guten Sollstärkenberechnung kommen. Dabei ist natürlich München mit seinen Großveranstaltungen gesondert zu berechnen.

(Dr. Florian Herrmann (CSU): Freising!)

- Herr Herrmann, bei Ihnen in Freising brauche ich nicht lange nachzurechnen. In München ist es aber anders.

(Dr. Florian Herrmann (CSU): Oberfranken!)

Da ist dringend etwas zu tun, weil die Polizei im Augenblick über Bayern sehr ungerecht verteilt ist. Ich stelle fest, dass in den nördlichen Regierungsbezirken viel mehr Polizeibeamte bei viel geringerer Kriminalität sind, während bei uns im Süden viel weniger Polizeibeamte sind. Ich kann Ihnen das genau vorrechnen. Ich kann Ihnen die Zahlen geben, Herr Minister. Schauen Sie mich nicht so an.

(Manfred Ländner (CSU): Nehmen Sie nicht den Norden, nehmen Sie den Osten!)

Welchen Osten meinen Sie da?

(Manfred Ländner (CSU): Den bayerischen!)

Ich fasse zusammen: Wir haben eine hervorragende Sicherheitslage in Bayern.

(Beifall bei der CSU)

Jetzt kommt aber die Frage an Sie, vor allem an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU, die Sie gerade geklatscht haben: Welche Sicherheit haben Polizeibeamte? - Sicher ist, dass der Polizeibeamte einen hoch riskanten Beruf ausübt. Das ist unbestritten. Sicher ist auch, dass der Polizeibeamte wegen seines Berufes Leib und Leben einsetzt. Das ist bei den anderen Beamten nicht der Fall. Der Polizeibeamte ist einem erhöhten Gesundheitsrisiko ausgesetzt, und das schon allein aufgrund des Schichtdienstes. Der Polizeibeamte ist, nachdem die Gewalt gegen Polizeibeamte immer mehr zunimmt, auch diesem Risiko ausgesetzt.

Sicher ist, dass wir immer wieder einen Beförderungsstau haben. Einmal hatten wir den Obermeisterbauch, dann hatten wir den Hauptmeisterbauch, jetzt haben wir den OK-Bauch. Wir haben immer wieder Beförderungsstaus. Sicher ist, dass die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten nicht entsprechend ihrem Hochrisikoberuf, den damit verbundenen Risiken und beruflichen Anforderungen und Gefährdungen und entsprechend den Ergebnissen ihrer sehr, sehr guten Arbeit bezahlt werden. Ihre Arbeit wird nicht angemessen honoriert.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen sage ich: Das Problem bei uns ist nicht die Sicherheitslage. Das Problem ist die soziale Lage der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, auf deren Rü

cken der gute Sicherheitsstandard gewährleistet wird. Sehr geehrter Herr Minister, tun Sie deswegen etwas! Helfen Sie unseren Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten!

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Gantzer. Nächste Rednerin ist die Kollegin Gottstein.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir warten alle auf den Schnee, oder zumindest viele von uns. Auf jeden Fall ist Winter. Es ist Winterwetter, wenn auch ohne die schönen Kristalle. Wir bewegen uns recht komfortabel in diesem Haus und können hier angemessen unsere Arbeit verrichten. In Passau sitzen die Polizeibeamtinnen und -beamten und die Angestellten ebenfalls bei ihrer Arbeit, um diese Uhrzeit ganz sicher. 250 Männer und Frauen arbeiten dort in der Nibelungenstraße unter Bedingungen, die kaum mehr zumutbar sind. Kollege Rinderspacher, glaube ich, hat gestern diese unzumutbaren Arbeitsbedingungen auch erwähnt.

Der Neubau ist dort seit zehn Jahren geplant. Er wird immer wieder verschoben. Wir könnten es heute mit unseren Änderungsanträgen ändern und den Startschuss für die Modernisierung geben. Ohne dem Abstimmungsergebnis vorgreifen zu wollen, werden wir es wahrscheinlich nicht tun, da diejenigen, die diese Änderungen wollen, die endlich zumutbare Arbeitsbedingungen für die Polizistinnen und Polizisten in Passau wollen, hier in der Minderheit sind. Die CSU lehnt es ab, das Geld sei angeblich nicht da.

Besser werden die Einnahmen aber nicht mehr. Für die Menschen, die in Passau arbeiten, haben wir die Verantwortung. Wir nehmen sie leider nicht wahr. Der Freistaat ist Arbeitgeber dieser Leute. Hier wird immer mit dem ausgeglichenen Haushalt argumentiert. Das ist eine Milchmädchenrechnung. Dazu komme ich nachher noch. Die, die nicht mehr wissen, was eine Milchmädchenrechnung ist, können es inzwischen bei Google nachschlagen.

(Prof. Dr. Peter Paul Gantzer (SPD): Wo ist das Milchmädchen?)

- Das kommt schon noch. Das hat nichts mit dem BDM, dem Bundesverband Deutscher Milchviehhalter zu tun. – Ich möchte bei der Verantwortung des Freistaates für die innere Sicherheit bleiben. Unsere Polizei ist momentan stark überlastet.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ich gebe dem Kollegen Gantzer recht. Auch ich bin viel bei den Polizeistationen und bei den Präsidien unterwegs. Man hört es überall, vor allem in inoffiziellen Gesprächen. Aber auch wenn man nur die Augen im normalen Leben auf unseren Straßen aufmacht und die Polizei im Hauptbahnhof oder die Polizei, die Streife fahren muss, beobachtet, dann bekommt man das mit. Man bekommt es nicht mit, aber man kann es aus den Statistiken ersehen, dass uns außerdem bei der Polizei eine ungeheure Pensionierungswelle bevorsteht. Deswegen müssen jetzt junge Leute eingestellt werden. Natürlich werden junge Leute eingestellt. Wir bräuchten aber 500 mehr. Das beantragen wir auch. Diese Forderung wird wahrscheinlich auch wieder abgelehnt werden, obwohl gerade die jungen Leute händeringend benötigt werden, damit rechtzeitig ein Austausch von Jung gegen Alt stattfindet. Wenn ich dann ganz abrupt junge Leute habe, dann können die nicht mehr auf die Erfahrungen der älteren Generation zurückgreifen. Wie gesagt, wir haben noch die Gelegenheit dazu. Sie können noch zustimmen. Wir befürchten aber, dass es nicht passieren wird.

Wir werden weitere Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge haben. Auch das ist wieder mit vermehrter Arbeitsbelastung für unsere Polizei verbunden. Damit kein falscher Zungenschlag hineinkommt, sage ich: Die Arbeitsbelastung nimmt nicht deswegen zu, weil die Flüchtlinge direkt an der Steigerung der Kriminalität beteiligt sind. Wir brauchen Identitätsfeststellungen, wir müssen nach wie vor Fahndungen durchführen, wir brauchen Sicherheit und Ordnung, und hierfür brauchen wir Personal. Diese Aufgaben wollen wir nicht an private Sicherheitsdienste abgeben. Wir brauchen dafür unsere Polizei, die originär für diese Aufgaben zuständig ist. Wir müssen unsere Polizei entsprechend ausstatten. Aufgrund der Redezeiten werden heute noch genügend Redner der CSU sprechen. Wir werden dann hören: Wir haben jetzt so viel Polizei wie noch nie zuvor. Das haben wir im Zusammenhang mit der Bildung auch über die Lehrerinnen und Lehrer gehört. Man muss diese Aussage hinterfragen. Sie stimmt zwar, aber es sind immer noch zu wenige. Das Aufgabengebiet der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten hat sich vergrößert. Wir haben keine 42-Stunden-Woche mehr. Wir haben wieder eine 40-Stunden-Woche. Deshalb brauchen wir mehr Personal.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Im Zusammenhang mit der Bildung haben wir gehört, wie gut wir in Bayern sind. Rechnen Sie einmal nach. Wenn Sie die Arbeitszeit von 42 Stunden auf 40 Stun

den reduzieren, brauchen Sie mehr Leute. Tatsächlich haben wir aber nicht mehr Leute.

(Peter Winter (CSU): Jawohl, Frau Lehrerin! – Dr. Florian Herrmann (CSU): Wir stellen 2.000 Beamtinnen und Beamte neu ein!)