Sie können sich auch vorstellen, was es für einen Eindruck macht, wenn Sie die Dringlichkeitsanträge herunterrechnen: 30 Minuten Redezeit pro Fraktion. Das heißt, auf die SPD-Fraktion entfallen 43 Sekunden pro Abgeordneten, auf die FREIEN WÄHLER 95, auf die GRÜNEN 100.
(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Weil ihr zu viele Abgeordnete habt! – Heiterkeit und Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN – Zurufe von der CSU: Das ist euer Niveau! Sie meinen zu viel Qualität! Sogar Aiwanger hat kapiert, wer die Mehrheit hat!)
- Diese Erkenntnis sei ihm vergönnt. Wissen Sie, Herr Kollege Aiwanger, das Volk irrt nicht. Das Volk hat uns diese Mehrheit gegeben; dann wird es auch so in Ordnung sein.
Auf einen CSU-Abgeordneten entfallen bei der Beratung von Dringlichkeitsanträgen knapp 18 Sekunden, genau 17,82 Sekunden. Sie lachen jetzt vielleicht, aber das heißt, die Redezeit für die GRÜNEN ist pro Abgeordneten fünfmal so lang, fast fünfmal so lang für die FREIEN WÄHLER und für die SPD immer noch gut das Doppelte.
Im Bundestag, das wissen Sie, werden die Redezeiten strikt nach der Fraktionsstärke verteilt. Wir haben hier 56,1 % der Abgeordneten, somit hätten wir 56,1% der Redezeit. Das wollen wir nicht. Wir wollen nur eine bescheidene Anhebung von einem Viertel auf ein Drittel. Im Übrigen – entweder ist Ihnen das noch nicht aufgefallen, oder Sie wollten es nicht sehen – enthält unser Vorschlag auch Verbesserungen für Sie von der Opposition.
Wir verzichten bei der Aktuellen Stunde auf einen Redner, nach dem Schema vier, zwei, eins, eins. Die Idee kam vom Kollegen Halbleib; wir haben sie aufgegriffen. Sie sehen, wir gehen auf Sie zu.
Wenn Sie aufmerksam waren, liebe Kollegen, haben Sie gesehen, dass in der Haushaltsdebatte die Redezeiten nicht gleich verteilt sind. Ich kann Ihnen verraten: Wenn man die Staatsregierung herausrechnet, liegt unser Anteil an den Redezeiten der Fraktionen aktuell bei 38,5 %. Das ist mehr, als wir künftig haben werden. Beim Haushalt verzichten wir also je nach Dauer auf fünf bis zehn Minuten Redezeit je Einzelplan.
Im Übrigen ändert sich für die SPD ja nichts. Für die FREIEN WÄHLER und die GRÜNEN wird es nur minimal anders. Die SPD-Fraktion schlägt vor, das Losverfahren abzuschaffen und durch Zuteilung an die stärkste Fraktion zu ersetzen, wenn beim Verteilen der Zähler der gleiche ist. Das ist ja ein Zeichen dafür, dass die Stärke der Fraktion auch für Sie eine gewisse Bedeutung hat. Auch diesen Vorschlag von Ihnen haben wir übrigens aufgegriffen; der wäre uns nicht eingefallen.
Ähnlich ist es beim Minderheitenrecht bezüglich Anhörungen im Ausschuss. Sie schmunzeln. Das Minderheitenrecht haben Sie doch missbraucht: Sie wollten eine zweite Anhörung, obwohl es schon eine gab.
- Natürlich, das ist ein Missbrauch des Minderheitenrechts, ganz klar. Deshalb werden wir diese Situation regeln, und wir werden dafür sorgen, dass Sie sich nicht mehr missbräuchlich verhalten müssen.
Im Übrigen: Wer Geschäftsordnungsregeln nur dazu verwendet, Gesetzesvorhaben zu verzögern, der fördert die Politikverdrossenheit und tut nichts für die Qualität des Parlamentarismus.
Weitere Änderungen, die wir vorschlagen, etwa zu Zwischenbemerkungen und bei Zugriffsverfahren, sind eigentlich Dinge, die weitgehend schon so praktiziert wurden und die nur noch klargestellt werden. Die Vorschläge der Opposition lehnen wir ab.
Es gibt einzelne Punkte, die wir übernommen haben, aber im Wesentlichen treten wir dem nicht näher, ob es ein Transparenzregister ist oder die Regierungsbefragung, die wir ja schon einmal hatten und die nichts gebracht hat.
Erfreulich, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist die Einigung auf einen interfraktionellen Antrag bei den Themen, bei denen es um den direkten Bezug zur Europäischen Union geht. Damit vollziehen wir die Verfassungsänderung nach, wir klären die Zuständigkeiten zwischen Verfassungs- und Europausschuss. Das ist eine gute Geschichte.
Ich möchte aus dem Kommentar von Lindner, Möstl und Wolff zitieren, einem bedeutenden Kommentar zur Bayerischen Verfassung. Dort steht: "Der Spielraum für derartige Sonderrechte der Opposition" – da geht es um die Minderheitenrechte der Opposition – "muss als sehr gering eingestuft werden."
Entscheidend ist vor allem eines – hören Sie gut zu –, nämlich, dass das Demokratieprinzip "Mehrheit entscheidet" gilt und dass Abgeordnete und Fraktionen im Wesentlichen gleich zu behandeln sind. Darum heißt es auch - und das ist der letzte Satz, den ich hier zitiere:
Sobald dagegen eine Ungleichheit der Beteiligungsrechte selbst in Rede steht, ist ein Bereich betreten, der grundsätzlich mit der Gleichheit der Abgeordneten und Fraktionen nicht mehr vereinbar ist. Nur in engen Grenzen sind Ausnahmen denkbar.
Diese engen Grenzen haben wir weit überschritten, weil wir Ihnen wesentlich mehr zugestehen, als nötig wäre. Wir tun das auch deshalb, weil wir auf gute Kooperation setzen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit das Ganze nicht so bitter ernst wird, greifen wir auch drei zentrale Anliegen von Ihnen auf. Die SPD-Fraktion ist in ihren Reden doch immer für Gerechtigkeit.
Seien Sie bei den Redezeiten doch einmal gerecht. Die FREIEN WÄHLER reden immer von unabhängigen Abgeordneten.
(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Wenn er nicht mehr reden darf! – Zuruf von den FREIEN WÄHLERN: Die CSU ist nicht unabhängig! – Unruhe)
Die GRÜNEN, liebe Kolleginnen und Kollegen, sprechen immer von Antirassismus und Antidiskriminierung.
Herr Kollege Zellmeier, vor allem nach der Plenarsitzung des heutigen Tages geben Sie mir sicher recht, dass es vielleicht sinnvoller wäre, in diesem Gesetzentwurf statt des Begriffs Redebeitrag das Wort Vorlesebeitrag zu verwenden.