Protokoll der Sitzung vom 29.01.2015

ihre Arbeit machen können. Diese Möglichkeiten gibt es schon. Sie müssen die Behörden vor Ort und die Polizei unterstützen. Um das umzusetzen, brauchen Sie keinen Terroristenpersonalausweis.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir nehmen die Gefahr terroristischer Anschläge sehr ernst. Wir sind der Überzeugung, dass weitere Verschärfungen des Strafrechts nicht hilfreich sind. Wir haben doch in Deutschland nach dem 11. September 2001 einen umfassenden, zum Teil überbordenden Katalog von Strafrechtsverschärfungen umgesetzt. Zum Teil ist er nicht einmal evaluiert. Wir haben noch nicht einmal ausgewertet,

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

ob das tatsächlich alles so sinnvoll und hilfreich war, was damals ins Werk gesetzt wurde. Noch bevor das gemacht wurde, rufen Sie schon nach weiteren Strafrechtsverschärfungen.

Ich glaube, es ist wichtig, dass wir die Polizei, die Sicherheitsbehörden unterstützen, wo sie wirklich Unterstützung brauchen. Sie brauchen nämlich IT-Spezialistinnen und -Spezialisten, die sie vor Ort zum Teil nicht haben; sie brauchen Expertinnen und Experten für den Bereich des gewaltbereiten Islamismus. In diesem Bereich brauchen sie Unterstützung. Sie brauchen aber keine verfassungsgefährdenden Strafrechtsverschärfungen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ganz zentral – und da ist in Bayern bisher leider Fehlanzeige – ist der Bereich der Prävention. Wir brauchen in der Tat – das kann man auch nicht so lustig machen, wie Sie das gemacht haben, Herr Herrmann – mehr Prävention. In Bayern haben Sie bisher versagt; Sie haben nichts zuwege gebracht. Uns muss doch umtreiben, warum junge Männer in Deutschland, in unserer Gesellschaft anfällig sind, warum sie sich radikalisieren, warum sie durch das Internet oder wie auch immer zu radikalen Islamisten werden, warum sie ausreisen wollen; da müssen wir doch nachfragen. Wo haben wir versagt? Wo haben wir Alarmmelder, wenn so etwas in der Schule sichtbar wird? Wohin können sich Lehrer und Eltern wenden, wenn sie merken, dass ein junger Mensch in diese Richtung abdriftet? – In Bayern haben wir da kein Hilfsangebot. In anderen Bundesländern gibt es das.

(Dr. Florian Herrmann (CSU): Das stimmt doch gar nicht!)

Wir brauchen deshalb sehr viel mehr Kreativität, sehr viel mehr Hirnschmalz, sehr viel mehr Energie und

Geld für eine wirklich sinnvolle Präventionsarbeit, umfassende Präventionsprojekte und

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Deradikalisierungsprojekte. Außer ein paar dürren Zeilen in Ihrem Antrag ist dazu von Ihnen nichts zu hören.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf des Abgeord- neten Oliver Jörg (CSU))

Wir müssen mit einer klaren Haltung gegen jede Form von Antisemitismus, von Islamfeindlichkeit, von Rassismus deutlich machen, dass menschenverachtende Parolen und Hassreden auf unseren entschiedenen Widerstand stoßen.

Wir können die Anträge der SPD und der FREIEN WÄHLER nicht unterstützen, weil wir auch darin verfassungsrechtlich bedenkliche Gesetzesverschärfungen sehen. Wir GRÜNE stehen für einen Dreiklang aus Demokratiestärkung, Gewaltvorbeugung und Schutz von Bürgerrechten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Kollegin Bause, bleiben Sie bitte am Rednerpult; Kollege Reichhart hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. – Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Frau Kollegin Bause, Sie haben hier interessante Ausführungen zum Staatsbürgerschaftsrecht gemacht. Nachdem Sie sich nach Ihren Ausführungen im Staatsbürgerschaftsrecht sicherlich sehr gut auskennen, wollte ich Sie nur eines fragen: Wir haben derzeit im Staatsbürgerschaftsrecht die Regelung, dass die doppelte Staatsangehörigkeit aberkannt werden kann, wenn ein Kämpfer eines fremden Landes gegen Deutschland und unsere Werte kämpft. Insoweit würde mich interessieren, wie Sie rechtfertigen, dass wir einem Kämpfer, der für einen fremden Staat kämpft, die Staatsangehörigkeit entziehen können, dass Sie aber gleichzeitig einem Terroristen, der mit menschenverachtenden Mitteln gegen Frauen, Kinder und Angehörige anderer Religionen kämpft, die Staatsangehörigkeit nicht entziehen sollen. Mich würde interessieren, wie Sie diese Unterscheidung, diese Privilegierung eines Terroristen, rechtfertigen wollen und warum Sie sich einer Regelung verschließen.

(Beifall bei der CSU)

Frau Kollegin Bause, Sie haben das Wort.

Ich will Ihnen eine Gegenfrage stellen:

(Lebhafter Widerspruch bei der CSU)

Haben wir, wenn wir die Staatsangehörigkeit entziehen, irgendetwas getan, um diesen Menschen daran zu hindern, gewalttätig zu werden? Haben wir dann irgendetwas getan, um Gewalt zu verhindern und seine Beteiligung an Terrorattentaten zu verhindern? – Das haben wir nicht. Darum muss es gehen.

(Widerspruch bei der CSU – Dr. Hans Reichhart (CSU): Das ist keine Antwort! – Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Wir brauchen keine symbolischen Handlungen; wir brauchen wirklich sinnvolle Handlungen, um zu verhindern, dass dieser Mensch gewalttätig wird, dass er sich an Terror beteiligt. Sie haben mit Ihrer Einlassung wiederum unter Beweis gestellt, dass es Ihnen offenbar nicht darum geht, sondern um symbolische Handlungen.

(Beifall bei den GRÜNEN – Widerspruch der Ab- geordneten Kerstin Schreyer-Stäblein (CSU))

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Letzter hat nun Staatsminister Joachim Herrmann das Wort.

Herr Präsident, Hohes Haus, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der brutale Anschlag in Paris auf das Satiremagazin "Charlie Hebdo" sowie die Folgetaten mit der Ermordung von insgesamt 17 Menschen haben uns sicherlich alle tief erschüttert. Wenige Tage später hat nach Medienberichten die al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel in einer Videoveröffentlichung die Verantwortung für die Operation der Kouachi-Brüder in Paris explizit übernommen. Die Meldungen in den folgenden Tagen aus Belgien oder auch aus dem syrischen Bürgerkrieg zeigen, dass ein Großteil unserer Welt aktuell durch islamistischen Terror bedroht ist.

Die bayerischen Sicherheitsbehörden bewerten in Abstimmung mit den Bundessicherheitsbehörden und den Sicherheitsbehörden anderer Länder alle eingehenden Hinweise zur einer möglichen Gefährdung mit größtmöglicher Sorgfalt und gehen jedem ernst zu nehmenden Anhaltspunkt mit Hochdruck nach. In der Tat besteht in unserem Land ein Grund zur Sorge und zur Vorsorge. Ein Grund zur Panik besteht nicht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das bayerische Kabinett hat unmittelbar auf die Anschläge reagiert und sich in seiner Sitzung am 13. Januar mit den Ge

schehnissen befasst. Wir haben beschlossen, den Kampf gegen den internationalen Terrorismus mit einem Fünf-Punkte-Programm weiter zu verstärken. Dieses Fünf-Punkte-Programm deckt im Wesentlichen die Forderungen des zugrunde liegenden Antrags ab. Ich kann mich allen Punkten, die Herr Kollege Dr. Florian Herrmann vorgetragen hat, voll anschließen und brauche diese nicht zu wiederholen.

Ich will ausdrücklich sagen, dass ich sehr dankbar bin, dass der Ministerrat auf meinen Vorschlag hin beschlossen hat, 100 zusätzliche Stellen zur Verfügung zu stellen. Dies ist für einen Teil unserer Sicherheitsarbeit besonders wichtig. Wir können mit zusätzlichem Personal insbesondere die Observation gewaltbereiter Islamisten verstärken. Wir können die Aufdeckung terroristischer Netzwerke mitsamt ihrer Kommunikationswege und Geldflüssen verbessern. Die bayerische Polizei erhält 80 und das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz 20 dieser Stellen.

In den letzten Tagen hat sich gezeigt, dass wir damit ein Signal innerhalb der Bundesrepublik Deutschland gesetzt haben. Wenige Tage später hat die Landesregierung von Baden-Württemberg beschlossen, ebenfalls 100 zusätzliche Stellen zu bewilligen. NordrheinWestfalen hat inzwischen ähnliche Signale ausgesandt. Damit haben wir deutlich gemacht, dass wir unsere Sicherheitsbehörden in einer solchen Situation stärken müssen.

An dieser Stelle möchte ich unumwunden einmal mehr klar sagen: Es gibt kein Patentrezept, das jeden Terroranschlag in unserem Land ausschließen könnte. Das gibt es nicht, weder in Deutschland noch in Europa. Dessen müssen wir uns bewusst sein. Wir können jedoch daran arbeiten, das Risiko von Terroranschlägen zu reduzieren. Wie können wir noch besser vorbeugen? Wie können wir uns in der Prävention verbessern? Wie können wir in der Polizeiarbeit besser werden? Wie können wir die Risiken weiter senken? - Daran zu arbeiten, ist richtig und wichtig.

In unserem Ministerratsbeschluss haben wir festgehalten, dass der Auftrag des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom September letzten Jahres vollumfänglich umgesetzt werden muss. Ich bedauere, dass in der heutigen Diskussion nur der Punkt über die Verhinderung der Ausreise in das Bürgerkriegsgebiet, über den wir uns bereits im vergangenen Jahr unterhalten haben, intensiv beraten wird. Diesen Punkt halte ich für vollumfänglich richtig. Andere Themen des Sicherheitsratsbeschlusses werden jedoch bislang nicht thematisiert. Dazu zählt die Bestrafung von Terroristen, die aus einem Land ausreisen, um Anschläge zu planen, zu begehen, andere Terroristen auszubilden oder sich selber ausbilden zu lassen. Al

leine diese Absicht soll unter Strafe gestellt werden. Bis zu dem schlimmen Anschlag in Paris hat der Bundesjustizminister – Entschuldigung – keinen Finger krumm gemacht, um diesen Teil der UN-Resolution umzusetzen.

(Beifall bei der CSU)

Lieber Herr Kollege Ritter, Sie haben hierzu einige wichtige Dinge angesprochen. Ich hoffe, dass bald Vorschläge vom Bundesjustizminister vorgelegt werden.

Ich bin sehr dankbar, dass Kollege Dr. Florian Herrmann das so deutlich angesprochen hat. Das möchte ich meinerseits noch einmal unterstreichen: Wir brauchen eine Mindestspeicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten. Das ist offenkundig. Das vertreten wir seit Langem. Die Bundeskanzlerin hat in den letzten Wochen nachdrücklich deutlich gemacht, dass sie voll dahintersteht. Ich bedauere sehr, dass der Bundesjustizminister dies immer noch ablehnt. Liebe Kollegen der SPD, in Ihrem Antrag wird eine Mindestspeicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten ebenfalls explizit abgelehnt. In Ihrem Antrag lese ich: "Der nur geringe Zugewinn an Ermittlungsmöglichkeiten rechtfertigt es nicht, die Telekommunikationsverbindungsdaten aller Bürgerinnen und Bürger ohne Anlass zu erfassen und zu speichern, zumal hierdurch auch intensiv in die Grundrechte von Berufsgeheimnisträgern und in die Pressefreiheit eingegriffen würde." Leider geht diese Forderung an den aktuellen Herausforderungen völlig vorbei. Selbstverständlich können wir für Berufsgeheimnisträger, Pressevertreter und dergleichen jede Menge Ausnahmen zulassen. Darum geht es mir jedoch nicht. Mir geht es darum, die Speicherung von Telekommunikationsdaten im Kern zuzulassen, um entsprechenden Hinweisen und Verdachtsmomenten weiter nachgehen zu können, um überhaupt erst eine Spur von Terroristen zu erhalten. Nach dem Anschlag hatten die französischen Behörden wenigstens die Möglichkeit, festzustellen, mit wem die Terroristen in den Wochen vor dem Anschlag in Kontakt standen – national und international. Mit wem haben sie Kontakt gehalten? Wer ist deshalb möglicherweise verdächtig, einem Netzwerk anzugehören?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, am 15. Januar – darüber habe ich mich sehr gefreut – konnte ich in der "Süddeutschen Zeitung" lesen, dass SPD-Chef Sigmar Gabriel sich unter bestimmten Bedingungen offen für die Einführung der Vorratsdatenspeicherung gezeigt hat. Sigmar Gabriel wird dort wörtlich zitiert: "Die SPD hat durch die Beschlüsse ihres Bundesparteitags und ihrer Bundestagsfraktion klar beschrieben, unter welchen engen verfassungsrechtlichen Voraussetzun

gen die Vorratsdatenspeicherung ein geeignetes und verhältnismäßiges Instrument zur Strafverfolgung sein kann." Das hat der Herr Vizekanzler wörtlich so gesagt. Ich bedauere sehr, dass die SPD-Landtagsfraktion sich heute voll gegen ihren eigenen SPD-Parteivorsitzenden stellt.

(Anhaltender Beifall bei der CSU – Zurufe von der CSU: Bravo!)

Frau Kollegin Bause, im Hinblick auf Ihre Ausführungen möchte ich abschließend Folgendes sagen: Sie haben angesprochen, dass wir für Menschen, die in unserem Land leben, Verantwortung tragen. Wir müssen uns darum kümmern, dass sie nicht auf solche Irrwege kommen. In der Zielbeschreibung sind wir uns völlig einig. Leider bleiben Ihre konkreten Vorschläge weit hinter den Notwendigkeiten zurück. Die Diskussionen, die in den Medien geführt werden, zeigen, dass wir bestimmte Dinge offensichtlich noch immer nicht endgültig hinter uns gelassen haben. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Der Multikulti-Wahn, der über Jahre hinweg von den GRÜNEN vertreten wurde, war ein Anti-Integrationsprogramm in unserem Land. Das war das Schlechteste, was man überhaupt vertreten konnte.

(Beifall bei der CSU – Widerspruch bei den GRÜ- NEN)

Wir brauchen eine Gesellschaft, in der nicht nebeneinanderher gelebt wird. Integration heißt, dass Menschen in unsere Gesellschaft und Rechtsordnung integriert werden und nicht nach irgendwelchen anderen Grundsätzen nebeneinanderher leben. Am Schluss sind die Konflikte vorprogrammiert.

(Beifall bei der CSU)

Aufgrund der aktuellen Lage der inneren Sicherheit gibt es in Paris, Lyon und vielen anderen Städten Ortsteile, über die die französische Polizei sagt, dass sie sich dort nachts nicht mehr hineintraue. Das will ich für Frankreich nicht näher kommentieren. Ich stelle nur fest: In Bayern gibt es so etwas nicht, und so etwas wird es auch in Zukunft nicht geben.

(Beifall bei der CSU)

Die Prävention hat auch etwas damit zu tun, welches rechtsstaatliche Verständnis wir insgesamt in unserem Land haben. Ich begrüße den Antrag der CSUFraktion nachdrücklich und bitte Sie um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei der CSU)