Protokoll der Sitzung vom 11.02.2015

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Staatsminister. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit schließe ich die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung.

Der Abstimmung zugrunde liegt der Initiativgesetzentwurf auf der Drucksache 17/1576. Der federführende Ausschuss für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen empfiehlt die Ablehnung des Gesetzentwurfs. Wer dagegen dem Gesetzentwurf zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die SPD-Fraktion und die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Das ist die CSU

Fraktion. Enthaltungen? – FREIE WÄHLER. Damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 7 auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Christine Kamm u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) eines Gesetzes über die Aufnahme ausländischer Flüchtlinge sowie deren Versorgung mit Wohnraum (Drs. 17/3180) - Zweite Lesung

Ich eröffne die Aussprache. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt entsprechend der Vereinbarung im Ältestenrat 24 Minuten. Die Redezeit der Staatsregierung orientiert sich dabei an der Redezeit der stärksten Fraktion. Die erste Rednerin ist Frau Kollegin Kamm. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir schlagen Ihnen heute mit dem Gesetzentwurf vor, die Unterbringung der Asylsuchenden in Bayern endlich und deutlich zu verbessern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir haben in Bayern erhebliche Probleme bei der Unterbringung und Verteilung der Flüchtlinge in Erstaufnahmeeinrichtungen. Zum Teil wird auch rückgespiegelt, dass es Zirndorf, die Bayern-Kaserne und andere leichter hätten, wenn die Flüchtlinge von dort schneller in weitere Aufnahmeeinrichtungen weiterverteilt werden könnten. Unser Gesetzentwurf zeigt Ihnen auf, wie diese Zielsetzung erreicht, aber auch wie die Lebenssituation der Asylsuchenden deutlich verbessert werden kann, indem wir das Bayerische Unterbringungsgesetz ändern.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, es ist nicht nachvollziehbar, warum Asylsuchende in Bayern wesentlich länger als in allen anderen Bundesländern in sogenannten Gemeinschaftsunterkünften oder Sammellagern leben sollen. - Gestern traf ich eine junge deutsche Frau, die mit elf Jahren als Asylsuchende zusammen mit ihrer Mutter und ihrem Bruder zu uns kam. Sechs Jahre lang musste sie in einer bayerischen Gemeinschaftsunterkunft wohnen. Sechs Jahre erzählte sie ihren Freundinnen auf dem Schulweg nicht, wo sie wohnt. Sie sagte, sie wohne dort drüben, bog dann irgendwann in einem unbeobachteten Moment um die Ecke und verschwieg letztendlich, in welcher Unterkunft sie leben muss. Ihr Vater kam etwas später nach. Er kam über Niedersachsen. Er konnte sehr viel schneller in einer Wohnung leben und bekam auch sehr viel schneller das Asyl zuerkannt. – Ich denke, dieses Beispiel zeigt auf, dass manche

Asylbewerber schon das Gefühl haben, woanders funktioniere das Ganze besser.

Es wäre in unser aller Interesse, Asylsuchende, die zu uns kommen, schneller in Wohnungen unterzubringen; denn dies erleichtert ihre Integration. Dies erleichtert die Teilhabe. Dies erleichtert ihre Mitwirkungsmöglichkeiten im öffentlichen Leben, ihre Bildungschancen und ihre Chance auf Arbeit. Ich sage Ihnen eines: Wohnungen sind nicht teurer als Gemeinschaftsunterkünfte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Gemeinschaftsunterkünfte sind häufig in einem unguten Zustand. Ich muss es Ihnen wahrscheinlich doch noch einmal sagen: Zum Teil müssen 60 Personen gemeinsam sanitäre Einrichtungen und die Küchen benützen. Dort gibt es Vier- bis Sechsbettzimmer. Es gibt keinen Rückzugsraum, keine Privatsphäre. Die Heizsituation ist schlecht. Bisweilen sind die Unterkünfte schimmelig. Sie liegen ab und zu abseits der Wohngebiete; beispielsweise sind die Menschen in Containern irgendwo auf einem Acker untergebracht.

Wir wollen, dass wir uns in der Praxis vom Gedanken der Abschottung der Flüchtlinge verabschieden, die unser Asylrecht so lange geprägt hat. Wir wollen, dass Flüchtlinge früher in Wohnungen untergebracht werden können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir wollen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, die Flüchtlingen gerne ein sauberes Zimmer und ein Bett zur Verfügung stellen, dies ermöglichen. Dazu gibt es beispielsweise den Artikel 6 in unserem Gesetzentwurf.

Leider haben Sie sich unserem Gesetzentwurf in den Beratungen nicht anschließen wollen. Ich muss Ihnen aber sagen: Ihre Gegenargumente sind nicht stichhaltig. Herr Vogel, Sie haben gesagt, unser Gesetzentwurf stehe mit höherrangigem Bundesrecht in Konflikt. Aber dann müssen Sie mir einmal erklären, warum in anderen Bundesländern möglich ist, was in Bayern angeblich nicht möglich ist. - Frau Kollegin Weikert und auch die Kolleginnen und Kollegen von den FREIEN WÄHLERN sprachen das Problem der Wohnraumnot an. Dazu muss ich sagen: Wenn ich Gemeinschaftsunterkünfte bauen kann, dann kann ich auch Wohnungen bauen. Das kostet in der Regel weniger. - Sie haben auch gesagt, dass die Kommunen zusätzlich belastet würden. Aber was haben wir denn momentan für eine Situation?

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, nachher. - Momentan erzählt mir jeder Landrat, dass er nächste Woche 24 oder 30 Flüchtlinge unterzubringen hat. An der Arbeitsbelastung der Kommunen ändert sich eigentlich nichts. – Bezüglich der Kostenregelung sieht unser Gesetzentwurf vor, dass dies letztendlich weiterhin zulasten des Freistaates gehen soll.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank für den Redebeitrag. – Jetzt haben wir eine Zwischenbemerkung vom Kollegen Steiner. Bitte schön.

Frau Kollegin, wir erleben derzeit eine Explosion der Flüchtlingszahlen, zum Beispiel aus dem Balkan, Kosovo und Albanien mit tausend Flüchtlingen pro Tag. Die wollen Sie alle mit Wohnungen versorgen?

(Claudia Stamm (GRÜNE): Hören Sie eigentlich auch zu, Herr Kollege Steiner?)

- Jetzt haben Sie mal ein bisschen Sendepause. Sie haben immer die Klappe offen.

(Widerspruch bei den GRÜNEN)

Glauben Sie nicht, dass Sie mit Ihrer Flüchtlingspolitik genau die falschen Anreize setzen? – Ihr Vorschlag führt nämlich zu den Flüchtlingsströmen aus dem Kosovo und auch dazu, dass wir irgendwann keinen Platz und keine Gelegenheit mehr haben, echte Flüchtlinge, Asylbewerber, Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien und aus afrikanischen Ländern gut unterzubringen. Glauben Sie nicht, dass Sie dem mit Ihrer Politik Vorschub leisten, dass dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet wird und dass irgendwann die Akzeptanz in der Bevölkerung sinkt, wirkliche Flüchtlinge aufzunehmen? Glauben Sie nicht, dass es gerade Ihre Politik ist, die die Leute in die Fänge von Organisationen wie Pegida oder Sonstigen treibt?

(Beifall bei der CSU)

Lieber Herr Kollege, ich glaube, die Leute geraten in die Fänge von Pegida, wenn Sie weiterhin mit derart falschen Zahlen um sich werfen.

(Beifall bei den GRÜNEN – Widerspruch bei der CSU)

Sie haben gerade gesagt, täglich würden 1.000 Flüchtlinge aus dem Balkan zu uns kommen. Das ist nicht wahr.

(Lachen bei der CSU)

Das ist nicht wahr. Lesen Sie die Statistiken genau. Zwar verlassen 1.000 -

(Zuruf von der CSU: Wo sind sie denn nur?)

Daran sehen Sie, wie falsch und unzureichend Sie informiert sind. Dort fängt es schon an.

(Widerspruch bei der CSU – Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, das Allererste ist, dass man bei der Wahrheit bleiben muss

(Beifall bei den GRÜNEN - demonstrativer Beifall bei der CSU)

und dass man der Bevölkerung die Dinge richtig erzählen muss und nicht einfach einen solchen Unsinn behaupten darf.

Ich muss Ihnen ein Zweites sagen: Auch Syrerinnen und Syrer, die Sie angeblich schützen wollen, stecken Sie genauso in dreckige Gemeinschaftsunterkünfte. Das ist außerordentlich ärgerlich. Menschen sind aus tiefster Not zu uns gekommen. Sie haben wirklich einen Anspruch darauf, bei uns eine gute Chance zur Integration wahrnehmen zu können. Das ist Ihnen aber egal. Ich habe Ihnen gesagt, was beispielsweise sechs Jahre in einer Gemeinschaftsunterkunft für ein Schulkind bedeuten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. – Die nächste Wortmeldung für die CSU-Fraktion stammt vom Kollegen Vogel. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Innerhalb der letzten fünf Jahre liegt dieser Gesetzentwurf mittlerweile schon zum vierten Mal in leicht abgewandelter Form vor. Es bleibt aber dabei: Er ist zum einen falsch gedacht und zum anderen auch schlecht gemacht. Der Gesetzentwurf geht zum einen politisch in die völlig falsche Richtung, und zum anderen enthält er auch eine Fülle von handwerklichen Fehlern, weshalb uns gar nichts anderes übrig bleibt, als ihn abzulehnen. Lassen Sie mich das anhand der Normen, anhand des Gesetzes darlegen.

In Artikel 1 steht: "Dieses Gesetz gilt für die Aufnahme und landesinterne Verteilung ausländischer Flüchtlinge...". In Absatz 2 heißt es: "Ausländische Flüchtlinge... sind Personen, die leistungsberechtigt sind nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes …". Meine sehr geehrten Damen und Herren, nach § 1 Asylbe

werberleistungsgesetz sind ausländische Flüchtlinge eben gerade nicht nach Asylbewerberleistungsgesetz leistungsberechtigt, sondern Flüchtlinge sind Personen, deren Status als Flüchtlinge von einer nationalen Regierung anerkannt wurde. Diese erhalten dann nicht Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, sondern sie erhalten Sozialleistungen nach dem SGB II oder nach dem SGB XII. Schon allein dieser Kontext in Ihrem Gesetzentwurf ist nicht richtig.

Ihr Gesetzentwurf ignoriert völlig das Aufenthaltsgesetz des Bundes, er ignoriert völlig das Asylverfahrensgesetz und er ignoriert völlig die Genfer Flüchtlingskonvention. Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Definition von abgelehnten Asylbewerbern als Flüchtlinge ist nach unserer Überzeugung politisch ein völlig falsches Signal.

Nächster Punkt. Nach Artikel 1 Absatz 1 Satz 2 des Gesetzentwurfs soll für Kinder, Jugendliche und Heranwachsende das SGB VIII vorranging zu beachten sein. Der Bund hat aber bereits den Anwendungsbereich des SGB VIII und anderer Vorschriften abschließend geregelt. Wir als Freistaat Bayern haben also überhaupt keine Regelungskompetenz mehr, da es um den Anwendungsbereich von Bundesrecht geht. Ihr Gesetzentwurf missachtet damit höherrangiges Bundesrecht, ist rechtswidrig und muss deshalb auch abgelehnt werden.

Artikel 2 Ihres Gesetzentwurfs lautet – ich zitiere –: "Leistungsberechtigte... sind berechtigt, in Wohnungen zu leben...". Diese Norm steht in eklatantem Widerspruch zu § 53 Absatz 1 Asylverfahrensgesetz, einer Bundesregelung: "Ausländer, die einen Asylantrag gestellt haben und nicht oder nicht mehr verpflichtet sind, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, sollen in der Regel in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden." Damit regelt der Bund ganz klar, dass Asylbewerber im Regelfall in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden sollen. Ihr Gesetzentwurf steht auch bei diesem Punkt in klarem Widerspruch zur bundesrechtlichen Regelung. Wir als Freistaat Bayern haben in diesem Bereich überhaupt keine Regelungskompetenz.

Lesen wir § 53 des Asylverfahrensgesetzes weiter: "Eine Verpflichtung, in einer Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen, endet, wenn das Bundesamt einen Ausländer als Asylberechtigten anerkannt hat oder ein Gericht das Bundesamt zur Anerkennung verpflichtet hat...". Was heißt das? – Wir brauchen schnellere Verfahren. Wir brauchen nicht 1.800 Zöllner oder Zollbeamte, die unsere mittelständischen Betriebe kontrollieren, sondern wir brauchen mehr Personal im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge,

(Beifall bei der CSU)