Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 40. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.
Am 1. März verstarb im Alter von 71 Jahren Herr Dr. Dietmar Zierer. Herr Dr. Zierer gehörte dem Landtag von 1978 bis 1990 an und vertrat für die SPDFraktion zunächst den Wahlkreis Oberpfalz und ab 1986 den Stimmkreis Schwandorf. Während seiner Zugehörigkeit zum Bayerischen Landtag war er Mitglied im Ausschuss für Grenzlandfragen, im Ausschuss für kulturpolitische Fragen sowie im Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Kommunalfragen. Der Bayerische Landtag trauert mit den Angehörigen und wird dem Verstorbenen ein ehrendes Gedenken bewahren. - Sie haben sich von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.
Bevor wir nun in die Tagesordnung eintreten, darf ich noch einen Geburtstagsglückwunsch aussprechen. Am 9. März feierte Frau Kollegin Rosi Steinberger einen halbrunden Geburtstag.
Ich wünsche ihr im Namen des gesamten Hauses und persönlich alles Gute und viel Erfolg für ihre parlamentarische Arbeit.
Gesetzentwurf der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Prof. Dr. Michael Piazolo u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) zur Änderung des Gesetzes über die Hochschulzulassung in Bayern (Drs. 17/4314) - Zweite Lesung
Ich eröffne die Aussprache. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt entsprechend der Vereinbarung im Ältestenrat 24 Minuten. Die Redezeit der Staatsregierung orientiert sich an der Redezeit der stärksten Fraktion. Das bedeutet: CSU 8 Minuten, SPD 6 Minuten, FREIE WÄHLER und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN jeweils 5 Minuten und die Staatsregierung 8 Minuten. – Erster Redner ist Herr Kollege Dr. Piazolo. Bitte sehr.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Aufgerufen ist eine Zweite Lesung. Ich habe mir unwillkürlich die Frage gestellt, wann wir in den letzten 60 Jahren einmal – da müssten wir wahrscheinlich in die Archive gehen – eine Zweite Lesung hatten, in der die CSU noch ihre Meinung geändert hat. Das wäre wahrscheinlich wirklich eine spannende Frage.
Der Ministerpräsident ist noch nicht so lang im Hohen Haus und konnte nicht die vollen 60 Jahre miterleben. Insofern gilt das nicht direkt für ihn.
Worum geht es uns? - Es geht um die Grundfrage: Wollen wir in zulassungsbeschränkten Fächern bei der Zulassung die praktische Erfahrung und das soziale Engagement etwas höher bewerten als im Moment? Wer diese Frage mit Ja beantwortet, muss unserem Gesetzentwurf zustimmen. Das ist der zentrale Ansatz. Es geht nicht, lieber Kollege Kränzle, lieber Bernd, um verfassungsrechtliche Fragen. Diese sind geklärt. Über sie brauchen wir also nachher auch nicht zu sprechen. Streichen Sie diese Passage einfach!
Natürlich könnt ihr reden, worüber ihr wollt; aber das führt eben am Ziel vorbei, und das wäre schade; denn verfassungsrechtlich ist die Angelegenheit geklärt. So etwas gibt es auch in zehn anderen Bundesländern, und es ist praktikabel.
Was sind die Einzelheiten? - Es geht um Folgendes. Wir sprechen mit unserem Gesetzentwurf diejenigen an, die in NC-Fächern studieren oder die vorhaben, Fächer zu studieren, die eine hochschulinterne Zulassungsbeschränkung haben. Wenn wir sie als 100 % nehmen, werden die ersten 40 % ohnehin nach der Abiturnote bewertet. Das sind die Studierenden in NC-Fächern oder in Fächern mit beschränkten Zulassungen. 10 % fallen unter die Härteregelung. Das heißt, der Gesetzentwurf, den wir vorlegen, greift bei den restlichen 50 %.
Für diese 50 % gibt es ein Eignungsverfahren, das sich aus verschiedenen Komponenten zusammensetzt, normalerweise aus einschlägiger Vorerfahrung, aus Tests, vielleicht auch aus einem Gespräch und aus der Abiturnote. Die Abiturnote zählt also noch einmal, nämlich nicht nur bei den zuerst genannten 50 %, sondern auch bei diesen 50 %. In Bayern zählt sie sogar überwiegend.
Das bedeutet, dass die 50 % mit NC ohnehin nach der Abiturnote bewertet werden und die restlichen 50 %, über die wir hier reden, in Bayern noch einmal überwiegend nach der Abiturnote ausgewählt werden. Insofern stellt sich die Frage, warum man dann überhaupt einen Unterschied macht.
Wir wollen die Gewichtung der Abiturnote etwas herunternehmen, sodass nicht mehr 50 %, sondern nur noch 33 % betroffen sind. Das ist auch das Einzige, was nach Bundesrecht geht. Das Bundesrecht schreibt vor: Die Abiturnote muss auch im Eignungsverfahren eine maßgebliche Bedeutung haben. Bayern hat wieder einmal nachgebessert und "überwiegend" gesagt. Genau darum geht es. Wir wollen "überwiegend" gestrichen und durch "relativ stärkste" ersetzt haben. Das heißt, wir möchten einen Schritt in die richtige Richtung tun. Die Abiturnote ist weiterhin wichtig; aber sie verliert bei den 50 % der Studierenden, die über den Eignungstest gehen, ein klein wenig an Bedeutung.
Alle Berufsverbände finden das gut und haben uns sehr ermuntert, nicht nur Ärzte, sondern auch Leute aus dem pharmazeutischen Bereich und aus vielen anderen Bereichen. Sie sagen: Wir wollen mehr Praktiker, wir brauchen mehr Praxis, es sollte nicht nur die Abiturnote zählen.
Die Sorge, die in der Ersten Lesung gerade von Kollegen Kränzle geäußert wurde, dass dann schlechte Schüler und nicht mehr die guten kommen, ist völlig unberechtigt, weil die Abiturnote ja weiter stark gewichtet werden soll. Es geht vielleicht nur um den Korridor der Studierenden, die ein "Gut" oder 1,8 haben, während der NC bei 1,2 liegt. Auch sie sollen die Chance haben zu studieren.
Die GRÜNEN haben angedeutet, dass sie das Vorhaben zumindest als richtigen Schritt empfinden. Die Berufsverbände, die Studierendenverbände, sie alle finden das vernünftig und richtig. Es entspricht auch so sehe ich es - dem gesunden Menschenverstand. Wir wollen mehr Praktiker und mehr Leute, die schon vor dem Studium gesagt haben: Ich möchte das unbedingt studieren, ich möchte mich weiter qualifizieren, das liegt mir am Herzen, ich habe aber nicht die notwendige Note. Wir wollen in diesem Bereich Chancengerechtigkeit. Unser Vorschlag bedeutet eine zutiefst gerechte Regelung. Folgen Sie uns!
Danke schön, Herr Kollege Dr. Piazolo. – Nächste Wortmeldung für die CSU-Fraktion: Frau Kollegin Kaniber, bitte sehr.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Wahl des richtigen Berufes oder Studienfaches ist, wie wir uns alle sicher noch erinnern können, eine der mit Abstand schwierigsten Entscheidungen für unser Leben. Daher beschäftigt genau das junge Menschen immer sehr. Das gilt erst recht, wenn das gewählte Lieblingsfach einer Zulassungsbeschränkung unterliegt, weil es leider so beliebt ist, dass es mehr Bewerberinnen und Bewerber als Studienplätze gibt. Bestes Beispiel ist die Medizin. Die Frage, nach welchen Kriterien der Staat oder die Hochschulen die für ein bestimmtes Studium am besten geeigneten Bewerberinnen und Bewerber auswählen sollen, wurde bereits in der Vergangenheit immer wieder diskutiert. Das zeigt ein Blick ins Internet zu den verschiedensten Lösungsansätzen ganz klar.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf präsentieren die FREIEN WÄHLER einen weiteren Lösungsansatz für zulassungsbeschränkte Studiengänge. Der Gesetzentwurf sieht im Wesentlichen vor, die Bedeutung der Abiturnote in Relation zu anderen Auswahlkriterien abzuschwächen. Dazu muss man wissen, dass eines der wichtigsten Ziele der Reform des Bayerischen Hochschulzulassungsgesetzes und des Staatsvertrages aus den Jahren 2008 und 2009 die Stärkung des Auswahlrechts der Hochschulen war, um von der damals praktizierten, aber schwer kritisierten reinen Vergabe nach Noten wegzukommen.
Deshalb werden seit damals die Studienplätze zulassungsbeschränkter Studiengänge zu lediglich 20 % rein nach der Abiturnote vergeben – das ist jetzt noch so – und zu 20 % nach der Wartezeitquote, aber zu 60 % durch die von den Hochschulen festgelegten Auswahlverfahren vergeben.
In dieses Auswahlverfahren können folgende vier Auswahlkriterien einfließen: erstens, die Einzelnoten der Hochschulzugangsberechtigung, die über die fachspezifische Eignung besonderen Aufschluss geben. Auch hier ist also der Abiturdurchschnitt nicht zwingend anzurechnen. Zweitens kann das Ergebnis eines fachspezifischen Studienfähigkeitstestes einfließen, drittens das Ergebnis eines von der Hochschule durchgeführten Auswahlgesprächs und viertens eine für das Studium relevante Berufsausbildung, praktische und außerschulische Tätigkeiten und Qualifikationen. Das ist ganz wichtig. Ich finde das ein wunderbares Beispiel für die Durchlässigkeit unseres Bildungssystems, das Chancengerechtigkeit ganz klar ermöglicht.
Wir von der CSU begrüßen genau diese berufliche Komponente beim Auswahlverfahren ausdrücklich. In diesem Zusammenhang darf ich daran erinnern, dass wir es waren, die für Meister und für diejenigen, die eine gleichgestellte berufliche Fortbildungsprüfung bestanden oder eine Fachschule bzw. Fachakademie absolviert haben, den allgemeinen Hochschulzugang ermöglicht haben.
Wir sind daher der Auffassung, dass die Hochschulen bereits mit den genannten vier Auswahlkriterien ein wirksames Instrument zur Hand haben, um die für ein Studium am besten geeigneten Studentinnen und Studenten auszuwählen. Der Spielraum ist hier klar gegeben. Er muss von den Hochschulen optimal genutzt werden. Allerdings – das ist uns sehr wichtig – muss auch in diesen hochschuleigenen Auswahlverfahren der Abiturnote eine überwiegende Bedeutung beigemessen werden. Warum? - Für den Staat und für die Hochschulen handelt es sich um eine Entscheidung, die vor den Gerichten standhalten muss. Darauf hat mein Kollege Bernd Kränzle in der letzten Plenardebatte zu Recht ausführlich hingewiesen; denn viele abgelehnte Bewerber beschreiten den Klageweg, sodass vor den Verwaltungsgerichten eine Fülle von Verfahren anhängig ist. Wir haben daher berechtigterweise erhebliche Zweifel daran, dass die Regelung im Gesetzentwurf der FREIEN WÄHLER vor den Gerichten Bestand haben würde.
Zu diesen juristischen Bedenken kommt von unserer Seite hinzu, dass die Abiturnote nach allen Erfahrungen in der Vergangenheit ein besonders aussagekräftiger Prognosefaktor für den Studienerfolg ist. Das sollte man auf keinen Fall abwerten.
Ich darf auch darauf hinweisen, dass der Freistaat Bayern große Anstrengungen unternimmt, um angesichts der steigenden Studierendenzahl eine ausreichende Zahl an Studienplätzen zu schaffen. Die Bayerische Staatsregierung hat in den letzten Jahren an den bayerischen Hochschulen rund 50.000 zusätzliche Studienplätze eingerichtet, etwa 3.800 neue Stellen geschaffen und praktisch an allen Standorten Baumaßnahmen realisiert, um den Absolventinnen und Absolventen beste Chancen für ihre berufliche Karriere und somit für ihr Leben zu bieten.
Wir sind deshalb der Auffassung, dass sich das bisherige Auswahlverfahren in Bayern perfekt bewährt hat. Dieses Auswahlverfahren leistet genau das, was wir uns davon erwarten, nämlich hervorragenden und geeigneten Studentinnen und Studenten den Weg aufzuzeigen. Wir sehen daher überhaupt keinen Grund, bewährte Verfahren zugunsten eines auch juristisch
fragwürdigen neuen Verfahrens zu ändern. Wir lehnen deshalb diesen Gesetzentwurf der FREIEN WÄHLER ab.
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Keine Zwischenbemerkung? – Frau Kollegin Zacharias darf noch einen Moment warten, weil ich noch bekannt gebe, dass die CSU-Fraktion namentliche Abstimmung beantragt hat. – Frau Kollegin Zacharias, Sie haben nun das Wort, bitte schön.
(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Eines müssen wir heute feststellen, wie auch Kollege Dr. Piazolo bei der Ersten Lesung des Gesetzentwurfs der FREIEN WÄHLER gesagt hat –: Wer hat hier die Note 1,2 in seinem Abitur? - Das hätten wir in der Tat abfragen sollen. Bildungspolitiker wie Herr Dr. Piazolo, andere hier im Raum und meine Wenigkeit müssen konstatieren: Bitter ist, dass Noten über das Wohl und Wehe eines Menschen entscheiden. Die Abschlussnote der Grundschule entscheidet, auf welche weiterführende Schule man kommt. Die Abiturnote entscheidet, was, wo und wie man studiert; sie entscheidet somit über das Lebenseinkommen eines Menschen. Ich persönlich finde das nicht richtig; denn Noten sind nicht vergleichbar. Wissenschaftliche Studien haben eindeutig belegt, dass eine in Schwabing erzielte Abiturnote nicht mit einer Note in Milbertshofen, Grünwald oder Neuperlach vergleichbar ist. Eine solche Note ist willkürlich und hat mit der Zusammensetzung der Klasse und der Objektivität oder NichtObjektivität einer Lehrkraft zu tun. Ich glaube, darin sind wir uns alle einig. Es ist schwierig, hier Noten als Grundlage zu nehmen.
Wenn ihr mir etwas sagen wollt, dann tretet ans Mikrofon und sprecht mit mir. Das habe ich viel lieber.
Herr Kollege Dr. Piazolo hat richtig ausgeführt: Je 40 % sind Abiturnote und soziale Kompetenzen, 10 % sind Härtefallregelung. Und da wir über soziale Kompetenzen, über die Veterinär- und Humanmedizin reden: Das sind die Menschen, die uns weniger gute Botschaften und mehr schlechte Nachrichten bringen müssen. Da sind soziale Kompetenz und Herz gefragt. Herz finde ich übrigens nicht in der Abiturnote. Sei’s drum, der Vorschlag ist interessant. Ich habe mich mit NRW-Kollegen lange auseinandergesetzt. Die sagen mir: Praktisch nehmen die Hochschulen und Universitäten in NRW trotzdem nur die Noten, weil sie die rechtliche Absicherung nicht gewährleisten können und auf Nummer sicher gehen.
Ich wiederhole meinen Appell aus der Ersten Lesung: Universitäten und Hochschulen, ihr könnt es doch machen. Durch eure Grundordnung könnt ihr hier noch viel mehr Mut zeigen. Wir müssen das nicht grundsätzlich im Gesetz festlegen.
Ich sage übrigens klipp und klar: Ich glaube nicht, dass immer die Richtigen zugelassen werden; sonst würden alle zu 100 % den Abschluss in dem Studiengang machen, den sie angefangen haben. Kollegin Osgyan hat ausgeführt, dass unsere Studienabbrecherquoten in einigen Disziplinen bei 80 % liegen. Was ist denn mit den 80 %, die eine Abiturnote vorgelegt haben? Wo ist denn da der Zusammenhang? Da muss doch irgendetwas nicht richtig laufen.
Wir brauchen andere Auswahlkriterien, die festlegen, wann ein Mensch der Richtige ist, um ein Studium A, B oder C aufzunehmen. Eine bestimmte Abiturnote für das Studium der Veterinärmedizin zum Beispiel – da sagt mir mal, wo da die Zusammenhänge sind. Zwischen der Veterinärmedizin mit ihren Fächern und dem Abitur in Deutsch, Mathematik und Englisch – das ist bei uns grundsätzlich Voraussetzung – sehe ich keinen Zusammenhang. Wir müssen da grundsätzlich herangehen, Kolleginnen und Kollegen. Ich sehe den Gesetzentwurf der FREIEN WÄHLER sehr wohl auf dem richtigen Weg.
Aber der Vorschlag der FREIEN WÄHLER wird demjenigen, der ein schlechteres Abitur macht, sagen wir mal mit der Note 2,8, nicht helfen, um ein Medizinstudium aufnehmen zu können, zumal das ein Bundesauswahlverfahren ist und wir als Landtag dafür gar keine Zuständigkeit haben. Wir brauchen andere Instrumente.
Abschließend darf ich feststellen, dass die Zugangsberechtigungen, die Zugänge an Universitäten und Hochschulen in Bayern dramatisch verengt wurden. Verfahren für NC-Fächer, hochschulzulassungsinterne Verfahren, waren früher ausgewogen. 50 % kamen frei an die Universitäten. Das haben wir kaum noch. Diese Quote ist auf unter 10 % gefallen. Kolleginnen und Kollegen, das dürfen wir nicht zulassen. Jeder, der ein bestimmtes Fach studieren möchte, muss das dürfen.
Wir dürfen die sehr unterschiedlichen Auswahlverfahren überhaupt nicht politisch wollen, sondern wir müssen den, der studieren möchte, dazu in die Lage versetzen. Da helfen uns möglicherweise solche Wege, aber grundsätzlich würde ich gerne andere Wege gehen wollen. Insofern müssen wir uns bei aller Zuversicht der Stimme enthalten.