Im letzten Augenblick kommt noch die Meldung zu einer Zwischenbemerkung vom Kollegen Piazolo. Bitte schön.
Liebe Frau Kollegin Zacharias, wenn wir uns im Ziel einig sind, dass wir die Abiturnote weniger gewichten wollen – es ist ja gerade gesagt worden, dass die FREIEN WÄHLER in die richtige Richtung gehen –, aber das Ganze noch nicht weit genug ist, und wenn wir als Landesgesetzgeber nicht weiter gehen können, dann haben wir zwar eine Chance über den Bund – da bin ich gespannt, ob die Große Koalition etwas macht –, aber warum machen wir dann nicht wenigstens einmal diesen kleinen Schritt? - Ich verstehe die Logik nicht zu sagen, wir wollen den großen Wurf, und deshalb lehnen wir den kleinen Schritt ganz ab. Warum macht man nicht erst einmal den kleinen Wurf? - Dann hat man schon zumindest ein bisschen etwas als SPD, und dann geht man in die Richtung zum großen Wurf.
(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Erstens gebe ich mich mit kleinen Schritten nicht zufrieden, sondern möchte einen echten Wurf, der den jungen Menschen, die studieren wollen, tatsächlich eine Perspektive gibt. Das ist das eine.
Zweitens, das sage ich sehr ernsthaft: Es hat nichts mit Unlogik zu tun, sondern das ist eine Frage der inneren Überzeugung. Ich habe mir die Wiener Universität genau angeschaut. Die haben 100.000 Studierende. Die haben übrigens keine Zulassungsbeschränkung. In Wien kann jeder das studieren, was er studieren möchte. 50.000 sind dort in keiner prüfungsähnlichen Situation, die anderen 50.000, grob geschätzt, sind in prüfungsähnlichen Situationen. Alle, die studieren wollen, dürfen das. In Bayern machen wir das sehr restriktiv nach Noten. Die Wahrheit wird irgendwo in der Mitte sein.
Selbst wenn wir diesen Schritt der FREIEN WÄHLER gehen, wird das nicht dazu verhelfen, die enorme Studienabbrecherquote zu senken. Wir brauchen in den Schulen früh Beratungssysteme, wir brauchen Beratungssysteme in den Universitäten. Darum brauchen wir eine echte Auseinandersetzung. Die SPD ist im Bund mit der Großen Koalition, und da werden wir das angehen.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass wir schon zum zweiten Mal darüber reden, wie wir jungen Menschen den Zugang zu Hochschulen vereinfachen können; denn das ist, glaube ich, unser aller Ziel.
Ich freue mich auch, dass die Debatte mittlerweile schon etwas differenzierter geworden ist als bei der Ersten Lesung.
Im vergangenen Jahr haben Sie, Herr Kränzle, geschildert, dass die Abiturnote lediglich eine Zusammenstellung der Leistungen über zwei Jahre hinweg sei und diese prognostiziere einen entsprechenden Abschluss. Das führt aber wiederum nur zu dem Schluss, dass letztlich alles andere verhältnismäßig irrelevant ist, nämlich welche weitere Vorbildung der Bewerber oder die Bewerberin hat und ob er oder sie sich mit dem Studiengang wirklich gut identifizieren kann. Abinote "gut" ist gleich Studienabschluss "gut"; das trifft heute einfach nicht mehr. Ich glaube, das ist eine Milchmädchenrechnung, und die ist genauso überholt wie das bayerische "Grundschulabitur".
Wir haben schon mehrfach über Studienabbrecherquoten geredet. Deren Reduzierung ist mir auch ein Anliegen. Freilich, dieser Gesetzentwurf ist nicht das Allheilmittel. Da werden wir noch ganz andere Maßnahmen brauchen. Aber das eine zu tun, heißt ja nicht, das andere zu lassen.
Auch die Diskussion, ob die Regelung gerichtsfest ist, kann ich nicht nachvollziehen; denn im Prinzip ist es Bundesrecht. Wir vollziehen eine Regelung nach, die viele andere Bundesländer bisher haben. Auch wenn man auf Bundesebene noch viel mehr tun könnte, sollten wir uns die Möglichkeit, die wir hier im Landtag haben, nicht nehmen lassen, um da, wo es möglich ist, etwas zu verbessern,
und zwar zugunsten von Menschen, die mit großem Elan ein Studienfach ergreifen, den Willen dazu haben, aber denen einfach nur eine niedrige Ziffer nach dem Komma fehlt. Es geht nicht nur, aber vor allem auch um medizinische Berufe. Ich glaube, eine gute Ärztin, ein guter Tierarzt, eine gute Psychologin
brauchen Soft Skills. Sie brauchen Empathie und Menschenkenntnis. Da kann das Einserabitur nicht das einzige Kriterium sein.
Wir haben hier schon sehr oft vom Fachkräftemangel gesprochen. Wir haben die Situation, dass gut ausgebildete Ärztinnen und Ärzte in die Schweiz abwandern, während hier gerade auf dem Land Ärztinnen und Ärzte fehlen. Ich glaube, es ist ein Fehler, sich an Noten festzubeißen. Die Argumentationslinie kann ich daher nicht nachvollziehen. Da werden wir unseren eigenen Ansprüchen nicht gerecht.
Wir haben im Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes schon oft über die Gleichwertigkeit beruflicher Abschlüsse gesprochen. Dahin müssen wir auch noch kommen, damit wir diesen Absolventen und Absolventinnen einfacher die Möglichkeit geben, ein Studium aufzunehmen.
Die Zusammensetzung der Studierenden hat sich glücklicherweise in den letzten zehn Jahren stark geändert; sie ist vielfältiger geworden. Viele sind jünger durch das G 8. Sie brauchen mehr Orientierung. Andere haben einen beruflichen Bildungshintergrund und viele Soft Skills, aber vielleicht gerade deswegen nicht den Notenschnitt, den man hat, wenn man die Schullaufbahn gerade durchläuft. Angesichts dieser Entwicklung kann ich nicht nachvollziehen, warum wir uns nicht die Möglichkeit geben sollten, ein bisschen zu flexibilisieren.
Der Gesetzentwurf der FW-Fraktion zielt auf Ergänzung des örtlichen Auswahlverfahrens ab. Auch mit dieser Änderung wird der Notendurchschnitt immer noch das gewichtigste Kriterium sein. Aber die Nadel zeigt ein bisschen in die andere Richtung, und das finde ich richtig; denn wie wir schon gehört haben, praktizieren das viele andere Bundesländer erfolgreich. Sicherlich müssen sich die Hochschulen auch bewegen. Sicherlich schöpfen viele Hochschulen den Spielraum, den sie haben, nicht aus. Abiturnote ist gleich Studium, Ja oder Nein, das ist ein relativ einfaches Verfahren.
Wir kennen die Beharrungskräfte, die im System liegen. Wenn man ein neues System einführt, könnte das heißen, dass die alten Verfahren falsch waren. Anstatt den Hochschulen den Schwarzen Peter zuzuschieben, sollte man sie bestärken, die bestehenden Möglichkeiten zu nutzen, aber den Spielraum noch ein bisschen weiter fassen.
Unter diesen Gesichtspunkten ist der Gesetzentwurf zumindest eine kleine Verbesserung, die wir jetzt unterstützen könnten. Dazu möchte ich Sie ermutigen.
Wir müssen sicherlich auf sehr viel mehr Baustellen aktiv werden, um ein Zugangssystem zu schaffen, das gerechter ist und die große Vielfalt der Bewerberinnen und Bewerber besser berücksichtigt. Dazu gehören Vorbereitungs- und Brückenkurse sowie ein gutes Informations- und Beratungsangebot für Studienanfängerinnen und Studienanfänger, aber auch für Studierende in fortgeschrittenen Phasen des Studiums. Es bedarf jedoch auch fachspezifischer Angebote, die den Übergang von der Schule oder dem Beruf bzw. vom Handwerk an die Hochschulen erleichtern. Nur dann können wir dem Fachkräftemangel dauerhaft wirksam begegnen.
Die Stärkung der sozialen – auch der psychosozialen – Infrastruktur, zum Beispiel der Studierendenwerke, ist besonders wichtig.
Dem akademischen Personal, insbesondere dem akademischen Mittelbau, müssen endlich verlässliche, feste Verträge angeboten werden, um die Lehre qualitativ weiter zu stärken.
All das müssen wir erreichen. Da der Gesetzentwurf ein erster Schritt in diese Richtung ist, stimmen wir ihm zu.
Vielen Dank für Ihren Redebeitrag, Frau Kollegin. – Einen kleinen Moment noch! Kollege Dr. Goppel hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet.
Frau Kollegin, ich beobachte schon sehr lange, ob sich das, was Sie und die Frau Kollegin von der SPD seit Jahren behaupten, in der Realität an bayerischen Schulen widerspiegelt. Ich bestreite nicht, dass es Schüler gibt, die man besser nicht in die Abiturstufe geschickt hätte, und dass es andere gibt, die das Abitur durchaus bestehen würden. Den jungen Leuten stehen viele Laufbahnen offen; das war schon immer so. Jeder hat sein Modell. Nachdem ich aber alle Modelle, die in Deutschland und darüber hinaus Anwendung finden, verglichen habe, stehe ich vor der Frage: Wie viele Schüler eines Jahrgangs erwerben einen vernünftigen Berufsabschluss? Wie viele stehen also nicht auf der Straße?
Wenn auch Sie sich diese Frage stellen, werden Sie feststellen, dass die Ausfallquote in unserem System – ob Sie es im Einzelnen mögen, spielt dabei keine Rolle – die niedrigste in ganz Europa ist.
Dieses Ergebnis stellt sich deshalb ein, weil wir junge Leute in allen Berufen gut qualifizieren. Sie dagegen reden immer nur vom Abitur, von der hohen Prüfung, und fordern, noch mehr junge Leute müssten das Abitur erwerben. Diese Meinung kann man zwar vertreten, aber ich kann Ihnen nur sagen, was mein Ziel ist: Die Schüler sollen das für sie individuell bestmögliche Ergebnis erreichen und in dem Beruf landen, der ihnen Spaß macht.
Herr Dr. Goppel, in Bezug auf das, was Sie in Ihrem letzten Satz gesagt haben, stimme ich Ihnen völlig zu. Auch wir möchten, dass die Schülerinnen und Schüler den für sie optimalen Beruf finden.
Es mag sein, dass wir mit dem gegenwärtigen Modell geringe Ausfallquoten haben. In die Statistik der Studienabbrecher gehen jedoch diejenigen nicht ein, die den Studiengang zum Beispiel deshalb wechseln, weil sie sich noch nicht ideal orientiert haben. Daher bleibe ich dabei, dass die Abiturnote nicht das Kriterium ist, das den Schülerinnen und Schüler tatsächlich eine verlässliche Orientierung bieten kann. Man muss alle Kennzahlen einbeziehen.
In dem Ziel sind wir uns alle einig. Aber mit dem gegenwärtigen System werden wir der Realität nicht mehr gerecht, weil wir zu enge Maßstäbe anlegen.
Uns geht es übrigens nicht darum, unbegrenzt vielen jungen Leuten die Möglichkeit zu einem Studium zu ermöglichen. Ich bin allerdings der Meinung, dass wir gerade in der Medizin mehr Studenten brauchen könnten. Wir haben das Ziel, allen jungen Leuten möglichst gute Chancen zu eröffnen, ein ihren Neigungen und Fähigkeiten entsprechendes Studium aufzunehmen.
Danke schön, Frau Kollegin Osgyan. – Bevor ich dem Herrn Staatsminister das Wort erteile, darf ich den Blick auf unsere Besuchertribüne lenken. Dort sitzt heute ein erfreulich junges Publikum; das Thema, um das es gerade geht, beschäftigt junge Leute auch ganz besonders. Ich begrüße Gäste von der Kolpingjugend und der Katholischen Landjugendbewegung Bayern, die im Rahmen von "Landtag live" vom 8. bis zum 13. März eine Praxiswoche im Landtag absolvieren. Die 16 Teilnehmenden begleiten in dieser Zeit eine gleich große Zahl von Abgeordneten. Herzlich willkommen!
Herr Präsident, Hohes Haus! Der Zugang zum Studium ist ein sehr hohes Gut. Das ist nicht nur in der öffentlichen Wahrnehmung so, sondern das wird auch an der engen juristischen Begleitung dieses Themas deutlich. Es gibt kaum einen anderen Bereich, in dem sich die höchstrichterliche, ja sogar die Verfassungsrechtsprechung damit beschäftigt, einen möglichst gerechten, am Grundsatz der Gleichbehandlung orientierten Zugang zu einem Studium auf hohem Niveau zu gewährleisten. Vor diesem Hintergrund sind die Maßstäbe für den Zugang zu einem Studium, für das es mehr Bewerber als Plätze gibt, auszugestalten.
Die Abiturdurchschnittsnote hat hohe Aussagekraft; sie ist eine der wenigen Möglichkeiten, um den Zugang zum akademischen Studium zu beschränken. Allerdings verfügen wir für das Medizinstudium über weitere, sehr differenzierte Auswahlkriterien. Dass bei uns in Bayern das Gewicht der Abiturdurchschnittsnote bei mehr als 50 % liegt - es war einer meiner Vorgänger, Hans Zehetmair, der das so ausgestaltet hat –, liegt an der hohen Prognosesicherheit dieser Note. Auch deren Einzelnoten haben eine hohe Prägewirkung; Kollegin Kaniber hat das präzise dargelegt. Daran hat sich nichts geändert.
Weitere Zulassungskriterien sind etwaige berufliche Zusatzqualifikationen, absolvierte Wartezeiten und bestandene Tests, die insbesondere die Studierfähigkeit für das Fach Medizin im Blick haben. Ich erinnere auch an die Möglichkeit, ein qualifiziertes Auswahlgespräch vorzunehmen. All das zeigt: In den vergangenen Jahren ist für diesen Studiengang, der zu den "harten" NC-Fächern zählt, ein umfangreiches Instrumentarium zur Regelung des Zugangs entwickelt worden. Es sind Quoten für bestimmte Gruppen reserviert. Ein weiterer Teil der Studienplätze wird nur nach Abiturnote vergeben. Ferner finden die von mir beschriebenen weiteren Kriterien Anwendung.
Wir sind sicherlich übereinstimmend der Auffassung, dass die jungen Menschen das für sie möglichst passgenaue Studium aufnehmen sollten. Dies gilt insbesondere für das rare Gut eines Studienplatzes im Fach Medizin.
Ich wiederhole: All die Regelungen des Zugangs zu den "harten" NC-Studiengängen sind schon einer intensiven gerichtlichen Prüfung unterzogen worden. Insofern bedarf es aus verfassungsrechtlicher Sicht keiner Veränderungen. Es geht hier vielmehr um die strategische Grundausrichtung. Bayern geht nach wie vor den beschriebenen Weg. Wir gehen von der hohen Prognosefähigkeit der Abiturdurchschnittsnote aus; zusätzlich können Eignungsfeststellungsverfah