Protokoll der Sitzung vom 07.05.2015

Zu mir kommen die Mittelständler und Landwirte und sagen: Das kann doch nicht euer Ernst sein, das ist doch Spaß. – So ist die DDR in Grund und Boden gewirtschaftet worden, und so werden wir die Bundesrepublik in Grund und Boden wirtschaften.

(Widerspruch bei der SPD)

Ich bitte doch um etwas Ruhe.

Wenn der Landwirt den Mindestlohn zahlen muss, wenn der Bauernsohn nach acht oder zehn Stunden die Schaufel fallen lassen muss, dann haben wir in zehn Jahren nur noch Großbetriebe, die einem Investor gehören

und dessen Mitglieder in einer Gewerkschaft organisiert werden müssen, damit sie etwas zu essen bekommen. Da wollen Sie scheinbar hin, damit Sie an die mittelständische Klientel herankommen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Heiterkeit bei Abgeordneten der CSU)

Danke schön. – Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Deshalb schreiten wir jetzt zur Abstimmung. Dazu werden die Anträge wieder getrennt.

(Unruhe)

- Ich bitte um etwas Ruhe, damit Sie auch wissen, worüber wir abstimmen. – Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/6434 – das ist der Antrag der FREIEN WÄHLER – seine Zustimmung geben will, den bitte ich um sein Handzeichen. – Das ist die Fraktion der FREIEN WÄHLER. Ich bitte, Gegenstimmen anzuzeigen. – Das sind die Fraktionen der CSU, der SPD und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

(Zuruf von der SPD: Zu Recht!)

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/6452. Das ist der Antrag der CSU-Fraktion. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um sein Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der CSU und der FREIEN WÄHLER. Gegenstimmen! – Die Fraktionen der SPD und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltung. Damit ist dieser Dringlichkeitsantrag angenommen.

Ich komme jetzt zum Tagesordnungspunkt 8 zurück. Es folgen die namentlichen Abstimmungen, die wir vorhin zurückgestellt haben. Die Anträge werden jetzt natürlich wieder getrennt; das ist ganz klar. - Ich rufe zunächst den Antrag der GRÜNEN auf, den wir in einfacher Abstimmung durchziehen können. Das ist der Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/6450. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. – SPD, FREIE WÄHLER, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Ich bitte, Gegenstimmen anzuzeigen. – Das ist die CSU. Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltung. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Wir stimmen nun über den Dringlichkeitsantrag auf der Drucksache 17/6433 ab. Das ist der Antrag der SPD-Fraktion. Die Abstimmung erfolgt namentlich. Wir haben fünf Minuten Zeit. Den zweiten Dringlichkeitsantrag werde ich nachziehen. Nach den nächsten

fünf Minuten haben wir dafür weitere drei Minuten. – Fünf Minuten. Die Abstimmung beginnt jetzt.

(Namentliche Abstimmung von 14.42 bis 14.47 Uhr)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir zählen jetzt außerhalb des Sitzungssaals aus. Die Abstimmung ist beendet.

(Unruhe)

Ich bitte einen Moment um Ihre Aufmerksamkeit, damit wir in der Tagesordnung fortfahren können. Ich lasse jetzt über den Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/6451 abstimmen. Das ist der Antrag der CSU-Fraktion. Ich eröffne jetzt die Abstimmung. Drei Minuten.

(Namentliche Abstimmung von 14.47 bis 14.50 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Abstimmung ist geschlossen. Wir zählen außerhalb des Plenarsaals aus. Ich darf Sie jetzt bitten, wieder Platz zu nehmen. Wenn Sie sich unterhalten möchten, können Sie das draußen tun. Bitte nehmen Sie jetzt wieder Platz.

Ich rufe zur gemeinsamen Beratung auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Martin Stümpfig u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ökologisches Landesentwicklungsprogramm für Bayern auf den Weg bringen (Drs. 17/6435)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Annette Karl, Natascha Kohnen u. a. und Fraktion (SPD) Landesentwicklung und Landesentwicklungsprogramm zukunftsfähig gestalten im Dialog mit Bürgern und Verbänden (Drs. 17/6453)

Ich eröffne nun die gemeinsame Aussprache. Ich bitte den ersten Redner, Herrn Kollegen Stümpfig, an das Rednerpult.

Sehr geehrte Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! In über 1.800 Städten und Gemeinden in Bayern gibt es unbebaute Gewerbeflächen. Das sind mehr als 4.000 Gewerbeflächen und fast 10.000 Hektar ansiedlungsbereite unbebaute Flächen. Das sind die Gewerbeflächen, die in Bayern zur Verfügung stehen. Die Unternehmen können aus einem Blumenstrauß an Gewerbegebieten wählen. Für die Firmen sind durch

aus Vorteile vorhanden. Die Kommunen profitieren jedoch selten von den Gewerbeflächen. Oftmals stellen diese einen Nachteil dar. Das enorme Angebot an Gewerbeflächen senkt den Preis. Bei uns in Westmit

telfranken liegt er mittlerweile bei 30 Euro/m2. Das ist ein sehr niedriger Preis. Investitionen, die die Gemeinden in der Vergangenheit getätigt haben, werden sich in vielen Fällen nicht auszahlen. Das Kapital war nicht nur über viele Jahre gebunden, sondern es fehlt über viele Jahre. Man weiß nicht, ob es sich einmal auszahlt.

Gleichzeitig steigt der Flächenverbrauch in Bayern. Wir sind, wie Ihnen allen bekannt ist, mit 18 Hektar pro Tag Spitzenreiter beim Flächenverbrauch. Beste Böden verschwinden unter dem Asphalt. Ich zitiere den Bayerischen Bauernverband recht selten. Aber an dieser Stelle zitiere ich ihn mit Fug und Recht: Allein in Bayern sind seit 1970 mehr als eine halbe Million Hektar der Landwirtschaft entzogen worden. Die Flächenfraßuhr tickt weiter, wie Vorstandssprecher Markus Peters betont. Die Pachtpreise sind laut der McKinsey-Studie seit 1970 um 190 % gestiegen. Und was passiert jetzt? Wie reagiert unser oberster Landesplaner Minister Söder? - Man sollte meinen, er versucht den Flächenverbrauch durch eine kluge Landesplanung zu begrenzen, die Innenentwicklung voranzutreiben und freie Gewerbegebiete sowie leerstehende Gebäude über ein Leerstandsmanagement zu vermarkten. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das ist weit gefehlt. Unser Minister Söder lockert das ohnehin lasche Landesentwicklungsprogramm noch weiter. Derzeit ist es bereits unwirksam und ineffektiv. Das durchlöcherte Landesentwicklungsprogramm ist es noch mehr.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Eines kann ich bereits vorwegnehmen: Dem nachgezogenen Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion stimmen wir zu. Mit diesem wird nochmals betont, dass das derzeitige Landesentwicklungsprogramm nicht zielführend ist.

Das Anbindegebot soll nun fallen. Die Eckpunkte sind zum Teil bekannt. Gewerbegebiete dürfen direkt an den Autobahnausfahrten und an vierspurigen Bundesstraßen gebaut werden. Für Unternehmen sind das zweifelsfrei interessante Standorte. Das ist in meiner Region auch der Fall. Direkt an der Autobahn und an gut befahrenen Straßen ist eine Firmenansiedlung sehr attraktiv. Es besteht eine gute Sichtbarkeit. Damit werden wir jedoch Westernstädte erhalten. Wir werden einen Abzug aus bestehenden alten Flächen verzeichnen. Die Firmen werden sich hin zu den neuen Gewerbeflächen verlagern. Damit entstehen eben keine neuen Arbeitsplätze. In die Röhre schau

en dann wieder einmal die Gemeinden. Die Bürgermeisterkonkurrenz, die wir oft als Kannibalisierung der Gemeinden untereinander bezeichnen, wird noch weiter verstärkt. Dem müssen wir einen Riegel vorschieben.

Für den Tourismus sind ebenfalls Lockerungen geplant, die genau in die falsche Richtung gehen. Durch diese Lockerungen, die die Entstehung von Wellnesshochburgen im Außenbereich, von Skianlagen und Golfplätzen fördern, werden wir unser Bayern eben nicht schöner machen. Das kann nicht das Ziel für unsere Freizeitregionen und unsere Alpendörfer sein. Für diese brauchen wir andere Konzepte, wie beispielsweise die Bergsteigerdörfer. Mit dieser Initiative zeigt der Alpenverein, wie es geht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Motto lautet: Anregung ohne Hektik, Belebtheit ohne Lärm, Genuss auf hohem Niveau und Bewegung aus eigener Kraft. So kann es gehen. Herr Söder, wenn Sie es nicht aus eigener Kraft schaffen, helfen wir gerne nach.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Landauf, landab stehen die Bürger auf gegen eine Betonierung der Heimat. Das ist nicht nur in meiner Region der Fall, die sich gegen das Projekt "InterFranken" gewendet hat. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat das Projekt umfassend abgelehnt. In meinem Landkreis Ansbach, aber auch in Schwaben, zum Beispiel in Röthenbach im Landkreis Lindau, sowie in Langenbach im Landkreis Freising stehen die Menschen auf und wehren sich gegen den Ausverkauf ihrer Heimat und gegen die Zersiedelung. Sie wollen keine amerikanischen Verhältnisse.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deshalb ist es verlogen, auf jedes Wahlplakat den Schutz der Heimat zu drucken. Unser sogenannter Heimatminister, Herr Söder, tut das sehr gern. Man sollte nicht Tag für Tag den Schutz der Heimat auf Wahlplakate drucken, um dann doch wieder Tag für Tag Entscheidungen zu treffen, die genau den Verlust dieser Heimat zementieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deshalb plädieren wir für ein ökologisches Landesentwicklungsprogramm. Wir brauchen einen effektiven Bodenschutz. Wir brauchen effektive Maßnahmen gegen den Flächenverbrauch. Wir brauchen eine nachhaltige Ortsentwicklung. Wir brauchen eine Innenentwicklung mit lebendigen Innenstädten anstatt Logistikzentren und Konsumtempel auf der großen

Wiese. Wir wollen die zentralen Orte sinnvoll ausbauen, damit der ländliche Raum wirklich davon profitiert. Wir wollen einen zukunftssicheren, sanften und angepassten Tourismus. Das muss ein LEP leisten, und so muss es umgestaltet werden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. – Jetzt bitte ich Frau Kollegin Karl zum Rednerpult.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die gezielte Landesentwicklung ist in den Siebzigerjahren aus dem Ansatz heraus entstanden, Entwicklung nicht dem Zufall oder dem Markt zu überlassen, sondern gezielt zu steuern. Sicher hat man damals die Möglichkeiten dessen, was Planung leisten kann, etwas überschätzt. Ich denke jedoch, wir sind uns alle einig, dass die erfolgreiche Entwicklung Bayerns zu einem Top-Wirtschaftsstandort nicht zufällig geschehen ist, sondern dass sehr viel Steuerung und Planung erfolgt ist. Das Landesentwicklungsprogramm ist für die Landesentwicklung so etwas wie eine räumliche und gestalterische Vision für Bayern. Es regelt zum einen, wie man mit den Konflikten um die endliche Ressource Raum umgeht. Das Landesentwicklungsprogramm zieht dafür Leitplanken ein, innerhalb derer sich die Kommunen bewegen. Diese Leitplanken müssen auf der einen Seite so eng gestaltet sein, dass wir keinen Wildwuchs und keine Zubetonierung unserer Heimat haben, zum anderen müssen sie aber so weit gesteckt sein, dass die Kommunen in ihren Entwicklungsmöglichkeiten nicht behindert werden.

Das Landesentwicklungsprogramm soll aber auch die Grundlage für die Bewältigung der Herausforderungen Bayerns in der Zukunft sein. Davon gibt es zahlreiche. Wie halten wir zum Beispiel den Wirtschaftsstandort Bayern an der Spitze? Wie entwickeln wir Bayern gerade auch im Zuge der Energiewende klimagerecht? Wie können wir Bayern nachhaltig entwickeln? Wie können wir die Lebensqualität für alle überall sicherstellen? Eine ganz wichtige Frage ist: Wie gehen wir damit um, dass die Bevölkerung immer älter und geringer wird? Alle diese Fragen müssen in einem Landesentwicklungsprogramm enthalten sein.

Der Antrag der GRÜNEN ist uns aufgrund der vielen Punkte, die ich erwähnt habe, zu verengt. Er greift nicht alles auf, was wichtig ist, sondern konzentriert sich allein auf die Ökologie. Wir alle wissen, dass die Ökonomie für eine erfolgreiche Entwicklung genauso wichtig ist. Außerdem finden wir es ein bisschen zu einfach, die Staatsregierung nur aufzufordern, dass sie ein neues Konzept vorlegen soll. Wir alle wissen,

was bei der Staatsregierung herauskommt, wenn sie ein neues LEP vorlegt. Deswegen sind wir der Meinung, dass wir schon selber mitarbeiten müssen. Wir müssen die Bürgerbeteiligung endlich ernst nehmen und die Bürger in diesen Prozess einbeziehen. Wenn wir die Bürger an einem Dialogverfahren beteiligen, haben wir die Chance, dass wir uns gemeinsam auf Prioritäten einigen, dass wir gemeinsam mit den Bürgern Schwerpunkte bei der Infrastruktur setzen. Das hätte vielleicht den charmanten Nebeneffekt, dass es weniger Bürgerinitiativen gegen irgendwelche Projekte gibt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Region Hannover hat mit einem solchen Dialogprozess gute Erfahrungen gemacht. Dieser Dialogprozess hat noch unter einem CDU-Ministerpräsidenten stattgefunden, nur damit Sie nicht gleich wieder Probleme sehen. Wir möchten auch in Bayern einen Dialogprozess zum LEP in Gang setzen, weil das LEP sowieso in einigen Punkten geändert werden soll. Wir müssen deutlich machen, dass Minister Söder gerade momentan die Beteiligungsrechte der Verbände einschränkt, statt sie auszuweiten. Der Entwurf dazu befindet sich gerade in der Verbändeanhörung. Wir halten das für den genau falschen Weg. Wir brauchen mehr Beteiligung im Vorfeld, um nicht hinterher Probleme mit den Bürgern zu bekommen. In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. Beim Antrag der GRÜNEN werden wir uns aus den genannten Gründen enthalten.

(Beifall bei der SPD)