Protokoll der Sitzung vom 07.05.2015

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bayern steht ohne Wenn und Aber zum Mindestlohn von 8,50 Euro. Wir haben das nach den Verhandlungen über den Koalitionsvertrag so beschlossen. Wir stehen zum Koalitionsvertrag. Ich möchte aber auch sagen, dass die Ausführungsbestimmungen die hauptsächlichen Probleme verursachen.

(Beifall bei der CSU)

An deren Erarbeitung waren die Länder nicht beteiligt; das sage ich ganz deutlich. Frau Nahles weiß das auch. Sie weiß sehr genau, dass die Regelungen in der Praxis nicht vollziehbar sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, schauen Sie sich doch die Situation an. Frau Nahles kennt die Probleme. Sie zieht es allerdings vor, zu kontrollieren anstatt zu vertrauen; sie zieht es vor, unsere Unternehmen unter Generalverdacht zu stellen, anstatt pragmatische Lösungen zu finden.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Ich möchte nur einige Beispiele nennen. Die Kollegen und Kolleginnen haben das vorhin auch schon getan. Mir ist wichtig zu betonen: Die Dokumentationspflichten bis zu einer Gehaltsobergrenze von 2.958 Euro pro Monat in den Branchen nach dem Schwarzarbeitergesetz sind ohne Augenmaß. Um diese Gehaltsobergrenze bei einem Stundenlohn von 8,50 Euro zu erreichen, müsste ein Arbeitnehmer 80 Stunden pro Woche arbeiten. Das ist fern jeglicher Realität.

(Beifall bei der CSU)

Es geht noch weiter. Betrachten wir die Generalunternehmerhaftung. Vergibt ein Arbeitgeber einen Auftrag

an einen Subunternehmer oder einen Sub-Subunternehmer, dann haftet er dafür,

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

dass dort ebenso der Mindestlohn bezahlt wird. Ich bin der Auffassung: Frau Nahles darf Unternehmer nicht als Aushilfskontrolleure des Staates missbrauchen.

So genau, wie Frau Nahles es zum Beispiel mit der Dokumentation nimmt, so ungenau bleibt sie in anderen Dingen. Ich erwähne nur das Ehrenamt und den Mindestlohn. Selbst die Gewerkschaft ist hier der Auffassung, dass man nachbessern muss. Der zitierte Herr Jena ist der Auffassung, dass man hier etwas klären muss. Wir sind auch dieser Ansicht. Viele Vereine sind nach wie vor verunsichert und fragen sich: Was ist ein Ehrenamtler? Müssen wir für ihn Mindestlohn bezahlen? Müssen wir für Hilfskräfte Mindestlohn bezahlen? – Hier kommt Frau Nahles ihrer Verantwortung nicht nach und bleibt die Antwort schuldig. Die Reihe der Beispiele könnte ich jetzt fortführen.

Die Staatsregierung hat sich frühzeitig mit den Vollzugsproblemen befasst. Wir haben von den Verbänden in einer Umfrage erfahren wollen, wie das Mindestlohngesetz umgesetzt wird und welche Probleme vor Ort auftreten. Fazit war: Die Unternehmen fühlen sich gegängelt; die Unternehmen fühlen sich behindert; die Unternehmen fühlen sich überwacht. 70 % aller Problemanzeigen verdeutlichen uns, dass die Dokumentationspflichten übertrieben sind. Das geht so weit, dass mancher Kleinbetrieb oder Mittelständler ernsthaft an eine Betriebsaufgabe denkt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wollen den Erhalt der Arbeitsplätze. Wir dürfen unsere hochwertigen und sicheren Arbeitsplätze nicht wegdokumentieren. Die Bundesarbeitsministerin Nahles kennt die Probleme. Ich habe bereits im März die Schwierigkeiten und Nöte der bayerischen Unternehmen dargelegt und geschildert. Allerdings schließt sie eine Veränderung aus. Sie verschließt sich den Tatsachen, und sie verschließt sich im Hinblick auf eine Kompromissbereitschaft. Das ist der falsche Weg. Wir sollten staatliche Kontrollen auf ein Minimum begrenzen. Die Rechte der Arbeitnehmer schützen wir jedenfalls nicht, indem wir die Arbeitgeber mit überbordenden Kontrollen belasten.

(Beifall bei der CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, was wir auf der Landesebene tun können, das tun wir. Das gilt auch im Hinblick auf das Arbeitszeitgesetz. Mit den Schaustellern und den Volksfestwirten haben wir einvernehmliche Lösungen vereinbart. Die Gewerbeaufsicht steht

seit Jahren für eine maßvolle Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes. Wir nutzen alle Spielräume,

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

damit bei kleinen und mittleren Unternehmen vernünftig gearbeitet und fair bezahlt werden kann, ohne dass alle in Bürokratie ersticken. Doch die wichtigsten Probleme sind nur auf Bundesebene und im Bundesrecht zu lösen. Unsere Ziele sind bekannt: Wir wollen den bürokratischen Wildwuchs auf das notwendige Maß zurückstutzen. Unsere wichtigsten Korrekturforderungen bleiben bestehen. Sie werden nicht dadurch falsch, dass sie auf unserer Internetseite stehen.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Besser als nichts; aber besser hättet ihr es nicht unterschrieben!)

Wir fordern nach wie vor keine Dokumentationspflichten bei den Minijobs. Die Gehaltsschwelle von 2.958 Euro, unterhalb deren dokumentiert wird, muss wesentlich gesenkt werden. Wir wollen keine Haftung von Auftraggebern für ihre Subunternehmer und SubSubunternehmer.

(Zurufe von den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Der entscheidende Punkt ist: Wir wollen keine Verknüpfung der MindestlohndokumentationspflichtenVerordnung mit dem Arbeitszeitgesetz, damit Doppelkontrollen entfallen. Jetzt werden unsere Arbeitgeber durch den Zoll und die Gewerbeaufsicht zweimal kontrolliert.

(Zuruf von der SPD)

Ich sage: Das kann nicht funktionieren. Das bereitet Probleme. Deshalb brauchen wir da Änderungen. Wir brauchen die Verbesserung auch für Zeitungszusteller im Minijob. Das ist ein Unfug: Wenn jemand im ländlichen Raum wohnt, will er die Zeitung und die Broschüre. Wir können doch nicht differenzieren zwischen den Zeitungsausträgern und denen, die noch einen Werbeprospekt mit dabei haben.

(Markus Rinderspacher (SPD): Das ist doch an der Union gescheitert! Sie wissen doch ganz genau, dass wir schon eine Lösung hatten!)

Ich finde, das ist Unfug. Deshalb muss man unbedingt eine Veränderung herbeiführen.

(Beifall bei der CSU)

Wir brauchen die Klarstellung beim Ehrenamt. Ich habe es vorhin gesagt: Das sehen selbst die SPD und die Gewerkschaft so. Da brauchen wir eine Nachbes

serung. Wir brauchen zudem eine Nachbesserung im Hinblick auf die Anrechnung von Kost und Logis auf den Mindestlohn. Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei allen Punkten haben wir pragmatische Lösungen vorgelegt. Die Bundesarbeitsministerin muss jetzt nachsteuern. Schauen wir uns doch mal unsere Situation an: Es ist gerade einmal zehn Jahre her, als Deutschland der kranke Mann in Europa war.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Der werden wir wieder, wenn wir so weitermachen! Da brauchen wir keine zehn Jahre mehr!)

Mit Arbeitsmarktreformen haben wir uns an die Spitze hochgearbeitet. Wir müssen jetzt alles dafür tun, uns nicht wieder zurückzukatapultieren. Deshalb muss die Bundesarbeitsministerin im Mindestlohngesetz und den dazu gehörenden Verordnungen die notwendigen Änderungen auf den Weg bringen.

(Beifall bei der CSU)

Wir wollen Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze erhalten. Wir wollen keine überbordende Bürokratie. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin. Kolleginnen und Kollegen, damit ist die Aktuelle Stunde beendet. Bevor ich in der Tagesordnung fortfahre, darf ich Herrn Staatsminister a. D. Siegfried Schneider, Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien, der auf der Ehrentribüne Platz genommen hat, sehr herzlich begrüßen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Regierungserklärung der Staatsministerin für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie "BAYERN DIGITAL"

Das Wort hat Frau Staatsministerin Aigner. Bitte schön, Frau Staatsministerin.

(Unruhe)

Ich bitte, die Unterhaltungen einzustellen!

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bis zum Jahr 2000 hatte die Welt eine Datenmenge von zwei Exabyte gesammelt. Das sind zwei Milliarden Gigabyte. Meine Damen und Herren, heute werden an einem Tag mehr Daten erzeugt, an einem einzigen Tag. Die Digitalisierung revolutioniert unser Leben und unsere Arbeit in einer unglaublichen Geschwindigkeit. Das ist die vierte Stufe der industriellen Revolution. Erst gab es die Dampfmaschine, dann die

Fabriken mit Fließband und Massenproduktion, dann den Computer, und jetzt Industrie 4.0, das Internet der Dinge.

Wir befinden uns mitten in einem historischen Umbruch. Neue Daten werden gewonnen, gefiltert und verwertet. Das bringt neue Geschäftsmodelle wie Uber oder Airbnb auf den Plan, die auf bloßer Vernetzung basieren. Sie sind an der Börse mittlerweile mehr wert als manches industrielle Unternehmen. Das bringt ganze Branchen zum Wackeln. In fünf Jahren werden 50 Milliarden Geräte weltweit digital vernetzt sein. Maschinen werden in der Produktion miteinander kommunizieren und dabei Fehler und Risiken minimieren, Energie sparen und mehr Wertschöpfung möglich machen. Folgende Fragen werden sich stellen: Bauen zukünftig BMW und Audi oder Google und Apple die Autos? Werden Bankgeschäfte über Raiffeisenbanken und Sparkassen abgewickelt oder über Facebook und PayPal? - Das sind Herausforderungen für die Arbeits- und Lebenswelt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir in Bayern nehmen diese Herausforderung an.

(Beifall bei der CSU)

Der BDI rechnet in den nächsten zehn Jahren deutschlandweit mit einem Plus von 425 Milliarden Euro im Bereich der Digitalisierung. Das wären umgerechnet auf Bayern 75 Milliarden Euro. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen und werden diese Chancen in Bayern nutzen und können es auch. Bayern zählt heute zu den Top-3-Industriestandorten der Welt. Die Region München ist heute in Europa bei der Informations- und Kommunikationstechnologie vor London und Paris die Nummer 1.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Wir haben heute die niedrigste Arbeitslosenquote in Deutschland. Das sind die Kennzahlen des Wirtschaftsstandorts Bayern. Wir sind stolz darauf und wollen auch in Zukunft stolz darauf sein können.

(Beifall bei der CSU)

Deshalb ist es unsere Schlüsselaufgabe, unser Land für die Digitalisierung fit zu machen. Lieber Thomas Kreuzer, die CSU-Fraktion hat das mit ihrer Woche der Digitalisierung deutlich gemacht; denn wir sollten nicht fragen, was die Digitalisierung mit uns macht, sondern wie wir die Digitalisierung gestalten.

(Beifall bei der CSU – Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Sondern was kannst du für dein Land tun?)