Protokoll der Sitzung vom 23.06.2015

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kol legen von der CSU, es ist auch ein klarer Handlungs auftrag für Sie, in den Haushaltsverhandlungen end lich einmal Farbe zu bekennen. Es wird immer wieder von den berühmten 100 Lehrerstellen pro Jahr gere det. Wenn wir aber ehrlich sind, dann müssen wir zu geben: Das ist unter dem Strich nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir kommen hier nicht wirklich wei ter.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Viele Lehrkräfte wollen die Inklusion, aber sie haben inzwischen berechtigte Zweifel, ob sie wirklich gelingt. Es steht nicht zum Besten damit. Fakt ist, die Fortbil

dungsmaßnahmen haben oberflächlich Qualität, es fehlt aber an echter Unterstützung vor Ort. Fakt ist, dass die Stunden für die Mobilen Sonderpädagogi schen Dienste – MSD – fehlen. Fakt ist, dass die Un terrichtsversorgung viel zu knapp ist, dass mobile Re serven fehlen. Fakt ist auch, dass die Lehrkräfte in den Kooperationsklassen keine Anrechnungsstunden bekommen. Fakt ist auch, dass wir festgelegt haben, dass die halben sonderpädagogischen Stellen min destens 13 Stunden haben und nicht bei 13 Stunden enden. Auch über die TandemKlassen wird viel zu spät im Jahresverlauf entschieden, sodass die Schul leiter bis zuletzt in der Luft hängen. Das kann doch nicht sein. Wir brauchen deshalb zusätzliche Res sourcen, damit die Inklusion nicht zum Stehen kommt. Wir wollen doch auch an den Regelschulen weiter kommen, und ich sage bewusst: an allen Regelschu len. Wir brauchen dort multiprofessionelle Teams, die der Aufgabe gewachsen sind. Wir brauchen multipro fessionelle Teams aus Regelschullehrkräften, Sonder pädagogen und Heilpädagogen. Wir brauchen endlich auch die Finanzierung und die Neuausrichtung in der Schulbegleitung.

Wir haben das massive Problem das haben wir vor hin schon gehört , ausreichend Absolventen für das Lehramt Sonderpädagogik zu finden. Hier gilt es, end lich Anreize zu schaffen und Lösungen zu finden. In der Lehrerausbildung brauchen wir unbedingt eine vertieftere Einbindung der Inklusion für alle Lehrämter.

Meine Damen und Herren, es wäre noch viel zu sagen. Mit Blick auf meine Redezeit möchte ich aber zum Ende kommen. Wir FREIEN WÄHLER werden beiden Anträgen zustimmen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön. Für die Staatsregierung erteile ich Herrn Staatssekre tär Eisenreich das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kolle gen! 2006 wurde die UNBehindertenrechtskonven tion beschlossen, 2009 hat sie der Bundestag beschlossen. Wir in Bayern können sagen: Die Baye rische Staatsregierung und der Bayerische Landtag bekennen sich zur Umsetzung der UNBehinderten rechtskonvention. Uns allen ist die Umsetzung ein wichtiges Anliegen, für uns ist die Inklusion ein ganz wichtiges Ziel.

Wir haben damals den Weg beschritten, gemeinsam Grundlagen zu schaffen, und zwar durch eine inter fraktionelle Arbeitsgruppe, die ganz untypisch einen Gesetzentwurf erarbeitet hat. Sie hat sich nicht nur einen Gesetzentwurf vorlegen lassen, sondern diese

Arbeitsgruppe hat selbst einen Gesetzentwurf erarbei tet und geschrieben. Dieser Gesetzentwurf ist heute Grundlage für die Umsetzung der UNBehinderten rechtskonvention in Bayern. An dieser Stelle möchte ich noch einmal allen Mitgliedern der interfraktionellen Arbeitsgruppe herzlich danken. Das war ein wichtiges gemeinsames Signal an die Bevölkerung, an alle. Das ist deshalb so wichtig, weil das Wichtigste bei der In klusion eine Bewusstseinsänderung ist. Streit bringt uns deshalb nicht voran. Dieses gemeinsame Signal hat deshalb sicher sehr geholfen.

Mit den gemeinsamen Grundlagen haben wir einiges geregelt. Ich möchte nur zwei Punkte herausgreifen, weil sie für die Anträge wichtig sind. Das eine ist: Wir haben klar festgelegt, dass die inklusive Schulent wicklung eine Aufgabe für alle Schulen ist, und zwar wirklich ausnahmslos für alle Schulen. Da gibt es auch kein Wahlrecht, ob man Inklusion will oder nicht. Es ist eine Aufgabe für alle Schulen. Darauf komme ich gleich noch einmal zu sprechen.

Der zweite Punkt: Neben den bewährten Möglichkei ten, die es in Bayern gab und gibt, haben wir neue Möglichkeiten für inklusives Lernen und inklusive An gebote geschaffen. Mit das Wichtigste ist die Einzelin klusion. Darüber hinaus haben wir das Profil "Inklu sion" für Schulen geschaffen. Heute haben wir 164 Schulen, die das Profil "Inklusion" erworben haben. Der Hauptteil sind Grund und Mittelschulen. Insgesamt gesehen ist diese Zahl ein durchaus stol zes Zwischenergebnis.

Nun komme ich zu dem SPDAntrag, den ich inhalt lich verstehe. Ich habe deshalb auch gesagt, dass die meisten Schulen Grund und Mittelschulen sind. Na türlich möchte man, wenn man an der Grundschule ist, ein Angebot an den weiterführenden Schulen haben.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Es ist aber so: Es gibt keine Pflicht, das Profil "Inklu sion" zu beantragen. Wir können das auch nicht vor geben. Das sind freiwillige Entscheidungen. Die Schu len entscheiden, ob sie dieses Profil beantragen. Der Antrag der SPD hilft deshalb nicht weiter. Es hilft auch nicht weiter, wenn wir hier die Kriterien verändern. Es ist vielmehr wichtig, dass wir noch mehr Schulen von der Idee begeistern. Es ist wichtig, dass wir mehr wei terführende Schulen, insbesondere die Realschulen und die Gymnasien, von dieser Aufgabe begeistern. Deshalb halte ich das, was wir in der letzten Sitzung der interfraktionellen Arbeitsgruppe besprochen haben, für viel sinnvoller, dass wir nämlich jetzt den Blick über die einzelne Schule hinaus auf die Region lenken, damit in der Region die weiterführenden

Schulen gemeinsam Konzepte erarbeiten und es dann durchgängige inklusive Angebote gibt. Der vor liegende Antrag hilft hier leider nicht weiter.

Auch der Antrag der GRÜNEN ist verständlich. Es geht um das große Ziel, dass es mehr Unterstützung gibt. Das verstehe ich, aber wir tun auch in diesem Bereich einiges. Ich möchte betonen, dass wir seit 2011 jährlich 100 zusätzliche Lehrerstellen zur Verfü gung stellen. Das tun wir auch in diesem Jahr, und wir tun es auch im nächsten Jahr wieder. Am Ende die ses Doppelhaushaltes werden wir 600 zusätzliche Lehrerstellen allein für die Inklusion geschaffen haben. Das ist ein deutliches Zeichen, dass wir uns zum Ziel der Inklusion bekennen, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CSU)

Wir setzen diese Lehrkräfte auch ein, um durch eine zweite Kraft zusätzlich Unterstützung in die Schulen zu bringen, durch den MSD und durch zusätzliche Ressourcen für die Schulen mit dem Profil "Inklusive Schule". Dort gibt es mindestens eine halbe Sonder pädagogenstelle und mindestens zehn Lehrerwo chenstunden zusätzlich. Wir haben sogar besondere Klassen mit dem ZweiLehrerPrinzip, die Tandem Klassen. Darüber hinaus haben wir die Förderlehr kräfte, die Schulpsychologen und die Beratungslehr kräfte. Das Ziel der zusätzlichen Unterstützung sehen wir also. Wir unternehmen auch wirklich viele Schritte, um voranzukommen. Wenn die Wünsche nach wie vor größer sind, ist das verständlich, das kann ich gut nachvollziehen. Ich glaube aber, man sieht hier, dass wir wirklich guten Willens sind und nicht nur reden, sondern handeln und Geld zur Verfügung stellen. An dieser Stelle an den Landtag meinen herzlichen Dank!

Für die Zukunft: Wir dürfen hier selbstverständlich nicht stehen bleiben, das tun wir aber auch nicht. Wir gehen weiter. Wir gehen schrittweise weiter, aber kon sequent, um das Ziel zu erreichen. Ich möchte des halb kurz sagen, was wir tun: Wir investieren jedes Jahr 100 zusätzliche Lehrerstellen. Wir sind auch wei tergekommen bei der Lehrerfortbildung. Wir haben damit das Ziel der interfraktionellen Arbeitsgruppe umgesetzt, in den Sommerferien ein qualitativ hoch wertiges Fortbildungsangebot anzubieten. Wir sind auch bei der Elternberatung weitergekommen, indem wir vernetzte, interdisziplinäre Beratungsangebote schaffen. Wir werden dieses Angebot im nächsten Schuljahr weitgehend flächendeckend in Bayern ein gerichtet haben.

Wovon ich mir viel verspreche, das ist das Ziel der Modellregion. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, damit lenken wir den Blick über die einzelne Schule

hinaus auf die Region. Auf diese Weise können wir vernetzte Konzepte erarbeiten, wie die sonderpäda gogischen Förderzentren, die Grundschulen und die weiterführenden Schulen zusammenarbeiten können, um inklusive Bildungsangebote anzubieten, vom Ein tritt in die Schule bis zum Ende der Schullaufbahn. Wir werden im Herbst damit starten. Wir werden mit der Region Kempten beginnen, und ich meine, das ist der richtige Schritt.

Sie können sich darauf verlassen: Der Weg ist richtig, und, verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir gehen ihn konsequent weiter. Wir gehen ihn deswegen konse quent weiter, weil uns dieses Anliegen wichtig ist, weil wir die Aufgabe ernst nehmen. Ich bitte Sie, uns auf diesem Weg weiter zu unterstützen.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Staatssekretär. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung; die Anträge werden dazu wieder getrennt.

Ich lasse zunächst in einfacher Form über den Tages ordnungspunkt 7 abstimmen. Das ist der Antrag der Abgeordneten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ NEN auf Drucksache 17/3092. Der federführende Ausschuss für Bildung und Kultus empfiehlt die Ableh nung des Antrags. Wer entgegen dem Ausschussvo tum dem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Hand zeichen. – BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, FREIE WÄHLER. Gegenstimmen bitte! – Fraktion der CSU. Gibt es Enthaltungen? – Ich sehe keine. Damit ist die ser Antrag abgelehnt.

Jetzt kommen wir zur namentlichen Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 8. Das ist der Antrag der SPDFraktion auf Drucksache 17/3691. Der federfüh rende Ausschuss für Bildung und Kultus empfiehlt hier ebenfalls die Ablehnung des Antrags. Wir kommen zur Abstimmung; ich eröffne die namentliche Abstim mung. – Fünf Minuten!

(Namentliche Abstimmung von 16.52 bis 16.57 Uhr)

Meine Damen und Herren, ich schließe die Abstim mung. Das Ergebnis wird außerhalb des Sitzungs saals ermittelt und später bekannt gegeben. – Ich bitte, jetzt Platz zu nehmen oder die notwendigen Dis kussionen draußen weiterzuführen.

Ich rufe gemeinsam die Tagesordnungspunkt 9 und 10 auf:

Antrag der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Ulrich Leiner u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Kampf gegen Krankenhauskeime forcieren, Melde- und Dokumentationspflicht systematisieren und verbessern (Drs. 17/6198)

und

Antrag der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Ulrich Leiner u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Mehr Sensibilisierung im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen im Gesundheitswesen (Drs. 17/6201)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Die Rede zeit für alle Fraktionen beträgt insgesamt 24 Minuten; die Verteilung ist bekannt. Der erste Redner ist Herr Kollege Leiner. Bitte sehr.

Sehr geehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind Großver braucher, Großverbraucher von Antibiotika sowohl in der Humanmedizin als auch in der Tiermedizin und in der Tiermast. Deutschland setzt pro Tier viermal mehr Antibiotika ein als unser Nachbar Österreich. Der brei te Einsatz von Antibiotika und vor allem der Reserve antibiotika in der landwirtschaftlichen Tierhaltung und in der Humanmedizin führt zunehmend dazu, dass immer mehr Bakterien gefährlich werden und sich An tibiotikaresistenzen entwickeln.

Meine Damen und Herren, inzwischen sterben mehr Menschen an Infektionen mit multiresistenten Keimen als im Straßenverkehr. Nicht nur der inzwischen gut bekannte MRSAKeim, sondern vor allem die soge nannten multiresistenten und gramnegativen Keime sind eine ernste Bedrohung. Zu diesen gehört auch das Bakterium, das zu den Todesfällen im Universi tätsklinikum Kiel – das ging breit durch die Presse – in diesem Jahr führte. Diese Erreger sind sehr schwer zu behandeln, da sie oft gegen vier AntibiotikaStäm me resistent sind und damit eine noch größere He rausforderung als der bekannte MRSAKeim darstel len. Sie übertragen sich durch Luft oder durch indirekten oder direkten Kontakt.

Meine Damen und Herren von der Bayerischen Staatsregierung, ich weiß nicht, worauf Sie eigentlich noch warten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ist Ihnen die Lage nicht ernst genug? Bis zu 30.000 Patientinnen und Patienten sterben jährlich an den Folgen multiresistenter Keime, 400.000 bis 600.000 erkranken an solchen Infektionen in deut

schen Kliniken – die Dunkelziffer lasse ich lieber außer Acht –, und Sie ergreifen keine entsprechenden Maßnahmen!

Ich beschreibe Ihnen jetzt die Situation. Erstens. Nur 40 % der Vollzeitstellen für Hygienefachkräfte sind in den bayerischen Kliniken besetzt. Ich frage Sie: Wie soll dann ein adäquates Hygienemanagement in den Kliniken gewährleistet werden?

Zweitens. Gemäß aktuellen Studien sind 30 % der Antibiotikaverordnungen mit Blick auf die Diagnose immer noch fragwürdig. 40 % der Menschen geben bei Befragungen an, dass sie über den Gebrauch der Antibiotika nicht genügend informiert sind.

Drittens. Wir haben keine aktuellen und verlässlichen Daten. Der letzte Bericht des Staatsministeriums ist zwar vom Herbst 2014, er liefert aber Daten von 2011. Auf gramnegative, multiresistente Keime, wie vorhin schon genannt, die derzeit das eigentliche Sorgenkind sind, haben damals weniger als die Hälfte der Kliniken getestet; bereits vor vier Jahren lag hier aber insbe sondere die Mehrheit dieser positiven Befunde. Vier tens. Die Empfehlungen der KRINKO und der LARE bezüglich Screening auf multiresistente Keime bei Ri sikopatienten werden nicht vollständig und vor allem nicht einheitlich in bayerischen Kliniken umgesetzt. Vor vier Jahren haben nur 9 % der Krankenhäuser in Bayern alle LAREEmpfehlungen zum Screening der Risikopatienten auf multiresistente Keime umgesetzt. An den Kosten, meine Damen und Herren, dürfte es nicht liegen. Die Kosten betragen zwischen 3 und 15 Euro, und Sie dürfen mir glauben, jede Übertra gung von MRSA auf einen weiteren Patienten ist doch deutlich teurer.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Fünftens. Es fehlen uns auch die verlässlichen Daten. Wir haben keinen Überblick über die MREInfektionen in den verschiedenen Abteilungen der Kliniken über Todesfälle. Die Meldepflicht lässt derzeit einen zu gro ßen Interpretationsspielraum zu. So kommen nur die nicht mehr zu vertuschenden Fälle im Prinzip an die Öffentlichkeit. Es fehlt an einheitlicher Dokumentation, aus der man entnehmen könnte, ob sich der Patient oder die Patientin in der Klinik oder schon vorher an gesteckt hat.

Wir brauchen dringend eine Öffentlichkeitskampagne zur Aufklärung zum Gebrauch von Antibiotika, wie sie in Frankreich erfolgt ist. Ich darf Ihnen sagen, in Frankreich hat diese Kampagne den Gebrauch von Antibiotika um 26 % gesenkt. Das wäre doch auch ein Ziel für die Bayerische Staatsregierung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich muss meine Kolleginnen und Kollegen von der CSU schon einmal fragen: Was haben Sie bisher getan? – Sie haben unsere Anträge abgelehnt: Antrag FREIE WÄHLER, "Missbrauch von Reserveantibiotika eindämmen" – abgelehnt. Antrag GRÜNE, "Mehr Sen sibilisierung im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen im Gesundheitswesen" – abgelehnt. Antrag GRÜNE, "Kampf gegen Krankenhauskeime forcieren, Melde und Dokumentationspflicht systematisieren und ver bessern" – abgelehnt.

Denken Sie bitte an die Zeit!

Antrag GRÜNE – noch einen Satz –, "Verbot des Einsatzes von Reserveanti biotika in der Tiermast" –, ebenfalls abgelehnt, meine Damen und Herren.