Protokoll der Sitzung vom 22.07.2015

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Was wollen wir? – Wir wollen die rechtsstaatlichen Grundsätze unseres Asylsystems wahren und achten, auch im Hinblick auf verfolgte Roma und andere Minderheiten. Wir wollen gemeinsam handeln, um die Not vieler Flüchtlinge zu lindern und diesen zu helfen. Hierüber sind wir uns mit unendlich vielen Menschen in den Helferkreisen, mit unendlich vielen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern und mit sehr vielen engagierten Menschen in den Bezirksregierungen einig. Ein ganz herzliches Dankeschön all ihnen für diese engagierte Arbeit; denn nur gemeinsam können wir die Herausforderungen bewältigen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was wir auch alle gemeinsam wollen, sind schnellere Verfahren nach rechtsstaatlichen Grundsätzen. Was brauchen wir dafür? – Dafür brauchen wir auch endlich ein geordnetes Erstaufnahmesystem und geordnete Asylankunftszentren. Wie sieht die Situation aus? - 2009 haben wir beantragt, die beiden Einrichtungen Zirndorf und München zu entlasten. Seit letztem Jahr heißt es Gott sei Dank, dass wir in allen Regierungsbezirken eine geordnete Erstaufnahmeeinrichtung bekommen müssen. Deggendorf ist jetzt endlich in Betrieb gegangen, und Schweinfurt wird wohl, wie es heißt, im September ordnungsgemäß in Betrieb gehen. An anderen Standorten gibt es ein ewiges Hin und Her, ein ewiges Umplanen. Erst wollten die Kommunen vorangehen. Beispielsweise sind Vertreter der Stadt Augsburg sofort nachdem der Beschluss vorlag, dass in Schwaben eine Erstaufnahmeeinrichtung her soll, nach Zirndorf gefahren und haben sich gemeinsam mit der Sozialverwaltung und der Bauverwaltung usw. informiert, was getan werden muss, und wollten anfangen zu planen. Dann hieß es: Nein, die Stadt soll nicht pla

nen; die Regierung soll planen. Bis heute sieht man keinen Bagger.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch in Bayreuth gibt es ein ewiges Hin und Her und ein ewiges Umplanen. Dort, wo man handeln und Aufnahmezentren schaffen müsste, wird nach Strich und Faden Zeit vertrödelt und verzögert.

Die Kommunalpolitiker vor Ort sind ärgerlich darüber. Die Folge davon, dass Sie die Erstaufnahmeeinrichtungen nicht auf den Weg bringen, spüren natürlich die Kommunen. So gibt es zahllose Umnutzungen vorhandener Gemeinschaftseinrichtungen zu provisorischen Bettenlagern für das Erstaufnahmesystem.

Hier gilt es zu handeln. Sie aber lenken mit Ihren Anträgen davon ab, Sie verzögern, und Sie handeln nicht rechtzeitig. Sie sagen vielmehr: Wir brauchen jetzt neue Lager an den Außengrenzen. – Das ist nicht in Ordnung. Sie sollten handeln, Sie sollten Ihren Job richtig machen und nicht versuchen, Ressentiments zu schüren. Sie sollten nicht Minderheiten ausgrenzen und stigmatisieren, um von Ihren Handlungsdefiziten abzulenken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Kolleginnen und Kollegen auf der rechten Seite des Hauses, wir müssen alle gemeinsam alles dafür tun, um Brandstiftern keinen Vorschub zu leisten. Wir dürfen den Grundkonsens in unserer Gesellschaft, Flüchtlingen helfen zu wollen und Not lindern zu wollen, nicht durch diese Debatten gefährden.

Wenn man das Problem, das in der Tat da ist, nämlich dass relativ viele Menschen aus den Balkanländern zu uns kommen, lösen möchte, dann muss man natürlich nach den Ursachen für die Flucht fragen. Man muss überlegen, warum auf einmal so viele Menschen aus den Balkanstaaten kommen. Um das herauszufinden, könnte man sich einfach einmal mit den Flüchtlingen unterhalten.

(Jürgen W. Heike (CSU): Was glauben Sie denn, was wir tun?)

Dann wird man feststellen, dass diese Menschen über die Zustände in ihrem Land außerordentlich verzweifelt sind und dass sie sehr viel Korruption erleben. Wenn sie versuchen, ein kleines Unternehmen zu gründen, müssen sie sofort Schutzgeldzahlungen leisten. Das Justiz- und Polizeisystem funktioniert nicht. Wir müssen wesentlich mehr als in der Vergangenheit tun, um zu erreichen, dass in allen europäischen Ländern endlich rechtsstaatliche Minimalstandards gel

ten, die die Menschen schützen. Darüber hinaus muss wirtschaftliche Aufbauhilfe geleistet werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir hatten einen wunderbaren Antrag von der SPD in der letzten Sitzung des Europaausschusses, in dem es hieß, Bayern solle mit einem Land der Balkanstaaten engere Wirtschaftsbeziehungen knüpfen, und zwar mit der Zielsetzung, die wirtschaftliche Entwicklung dort voranzubringen. Solche Ansätze sind weiterzuverfolgen, in dieser Hinsicht müssen wir etwas tun.

Es ist allerdings noch mehr zu tun. So könnte durch Bayern eine Bildungsoffensive in diesen Ländern initiiert werden. Niemand hindert uns daran, so etwas zu tun. Das wären richtige Schritte, um den Menschen in diesen Ländern mehr Hoffnung zu geben. Es wäre wichtig, die Ausbildung von jungen Menschen in diesen Ländern zu fördern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Ministerpräsident, hören Sie zu! Auch Sie waren gestern auf dem wunderbaren Empfang in Schleißheim. Was erzählen mir dort Ehrenamtliche? – Sie erzählen mir, dass ein junger Mann aus dem Kosovo einen Ausbildungsplatz hat, er aber wegen der Ausweitung Ihrer Drittstaatenregelung und Ihrer Arbeitsverbotspolitik diese Ausbildungsstelle nicht antreten kann. Wie dumm ist das denn? Wir müssen erreichen, dass die jungen Leute anständig ausgebildet werden, um diese Länder voranzubringen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie werden niemanden davon überzeugen können, dass er bloß deshalb, weil er im Kosovo, in Albanien oder in Mazedonien geboren ist, mit einem Leben unterhalb des Existenzminimums zurechtkommen muss. Die Menschen werden immer wieder kommen, egal wie oft Sie sie abschieben.

(Beifall bei den GRÜNEN – Widerspruch des Ab- geordneten Jürgen W. Heike (CSU))

Ich finde, man kann durchaus auch von den Roma, die zu uns kommen, einiges lernen. Sie haben nämlich sehr viel Familiensinn und kümmern sich sehr um ihre Familien. Das, was die jungen Leute wollen, ist im Wesentlichen, ihre Familien zu unterstützen. Sie wollen mit ihrer Arbeit etwas leisten. Das würden sie gerne machen. Ein Bürgermeister aus Mindelheim sagte: Es spricht nichts dagegen, jedes Jahr ein bestimmtes Kontingent an Einwanderern aus den Balkanstaaten aufzunehmen.

(Jürgen W. Heike (CSU): Wie viele nimmt er denn?)

Unsere Region braucht Arbeitskräfte, gerne auch aus dem Kosovo.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nur wenn wir das Problem lösen und diesen Menschen eine Zukunft eröffnen, die Möglichkeit eröffnen, Geld in ihrem Land zu verdienen, nur wenn wir ihnen durch eine partielle Einwanderungslösung weiterhelfen, nur dann werden wir sie aus unserem Asylsystem herausbekommen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Kollegin, bleiben Sie bitte am Rednerpult. Herr Kollege Hofmann hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

(Vom Redner nicht autori- siert) Frau Kollegin Kamm, es eint uns der Gedanke, dass wir Menschen, die Asylbewerber sind bzw. unter das Asylgesetz fallen, bestmöglich betreuen und schützen müssen. Ich habe aber eine Frage im Zusammenhang mit den Menschen, die aus bestimmten Ländern kommen und sich nicht auf Asyl und Flüchtlingsschutz berufen können. Sie haben konkret den Balkan angesprochen. Sie haben erzählt, dass die Menschen erklären, sie würden unter Korruption leiden. Stellen Sie sich tatsächlich vor, dass die Bundesrepublik Deutschland oder die Europäische Union in der Lage sind, die Korruption in den einzelnen Ländern zu beenden? Wie stellen Sie sich konkrete Maßnahmen vor? Stellen Sie sich vor, dass die Bundesrepublik Deutschland zum Beispiel Polizisten in andere Länder schickt?

(Verena Osgyan (GRÜNE): Das ist doch europäische Politik!)

- Moment, Frau Kollegin. - Der entscheidende Punkt ist: Ich höre immer nur Überschriften, mich interessiert aber das Kleingedruckte in diesem Zusammenhang.

(Zurufe von den GRÜNEN: Oh! – Unruhe – Glo- cke des Präsidenten)

Lassen Sie bitte den Kollegen ausreden.

(Vom Redner nicht autori- siert) Sie sprechen davon, dass wir ein bestimmtes Kontingent aufnehmen sollen. Auch das haben wir immer wieder angesprochen. Nennen Sie doch bitte

einmal Zahlen und Fakten. Was genau möchten Sie tun? Wann wollen Sie Flüchtlinge aus dem Kosovo nicht mehr aufnehmen? Wenn die Zahl von 10.000, 15.000 oder 20.000 Flüchtlingen überschritten ist? Wie bewerten wir dann letzten Endes die einzelnen Schicksale? Geht es nach dem Motto: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst? Oder geht es danach, wer das schlimmere Schicksal hat? Sie sind mir leider Gottes zu wenig konkret.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Danke schön, Herr Kollege. – Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Ich möchte auf zwei Punkte antworten. Der eine Punkt betrifft die Verbesserung des Polizei- und Justizsystems in den Ländern, die alle EU-Beitrittskandidaten sind. Dazu kann Ihnen sicherlich unsere Europaministerin einiges erzählen. Es gibt Bemühungen seitens der Europäischen Union, Verbesserungen zu bewirken, die aber leider überhaupt nicht ausreichend sind. Da muss wirklich wesentlich mehr gemacht werden.

(Beifall bei den GRÜNEN – Michael Hofmann (CSU): Was ist denn ausreichend?)

- Ausreichende Bemühungen bedeutet, dass die Korruption deutlich eingedämmt wird. Leider ist das momentan nicht der Fall.

(Zuruf von der CSU: Wie denn?)

Ausreichende Bemühungen bedeutet, dass jemand, der ein kleines Geschäft errichtet, nicht damit rechnen muss, dass es sofort abgefackelt wird.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf des Abgeord- neten Michael Hofmann (CSU))

Herr Kollege, wir halten hier keine Zwiesprache. Frau Kollegin Kamm hat das Wort.

Man kann sich über Maßnahmen sehr lange unterhalten, aber ich glaube, das geht über den Rahmen dieser Debatte hinaus.

(Zuruf der Abgeordneten Ulrike Gote (GRÜNE))

Das können wir gerne tun. Das können wir demnächst im Europaausschuss intensivieren.

Der zweite Punkt ist: Wie viele Kosovaren, Albaner oder Roma sollen zu uns kommen dürfen? Wenn Sie der Meinung sind, dass wir ein Einwanderungsgesetz brauchen und eines vorlegen wollen, dann sollten wir

uns gemeinsam auch mit den Wirtschaftskammern darüber unterhalten, welche Größenordnung die Einwanderung haben sollte.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)