Protokoll der Sitzung vom 15.10.2015

Es liegt auch in Ihrer Verantwortung, darauf zu schauen, dass die Dinge nicht völlig aus dem Ruder laufen, so wie es dort geschehen ist. In diesem Zusammenhang passt es gut, dass dem StaatsbedienstetenWohnungsbau über fünf Jahre 100 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden sollen – also fünf Mal 20 Millionen Euro – mit dem Ziel, damit 1.000 Wohnungen zu bauen. Das lässt sich leicht rechnen, das wären nämlich 100.000 Euro pro Wohnung. Wenn es dann so zugeht, wie wir es zuletzt im Zusammenhang mit den Kosten staatlich verantworteten Bauens erlebt haben, werden wir da wohl keine 1.000 Staatsbediensteten-Wohnungen bekommen. Ich lasse mich jedoch gerne eines Besseren belehren.

Ich komme jetzt zu den unbegleiteten Jugendlichen. Herr Staatsminister Söder hat darüber schon gesprochen, aber ich will es noch einmal genau beleuchten. Der Haushaltsansatz für die Betreuung der unbegleiteten Jugendlichen beträgt 632 Millionen Euro. Wir haben derzeit in Bayern etwa 14.000 unbegleitete Jugendliche. Das entspricht einem Satz von 45.000 Euro pro unbegleiteten Jugendlichen für die Unterbringung und Betreuung.

Wenn man annimmt – darüber wird derzeit mit den Bezirken verhandelt –, dass der Freistaat nicht alle übernimmt und nur etwa 11.000 unbegleitete Jugendliche unterbringen oder die Finanzierung dafür übernehmen will, würde das pro Kopf einen Anteil von 57.000 Euro bedeuten. Hier sind Anstrengungen notwendig, um diese Kosten im Interesse der Kommunen, aber natürlich auch des Freistaates selbst zu reduzieren. Es wird nicht bezweifelt, dass wir alle Jugendlichen angemessen unterbringen. Mir ist auch bewusst, dass ein Teil der Jugendlichen eine intensive Betreuung benötigt. Dieses System, das wir aber haben, ist im Schnitt eine völlige unnötige Überversorgung, ist mehr, als diese unbegleiteten Jugendlichen wirklich an Hilfe benötigen.

Der Präsident des Bezirkstags von Niederbayern sagte mir, bei der jetzigen Regelung müsste die Bezirksumlage in Niederbayern für das kommende Jahr um 3 % steigen, wenn die Bezirke weiterhin, wie zuletzt verhandelt, zumindest die Unterbringung derjenigen unbegleiteten Jugendlichen, die über 18 Jahre alt sind, oder auch die Fehlbeleger finanzieren müssen. Das wird an die Landkreise -

(Staatsminister Dr. Markus Söder: Dann sind es keine Minderjährigen mehr, wenn sie über 18 Jahre sind!)

- Sehr geehrter Herr Finanzminister, ich habe zehn Jahre lang als Jurist am Landratsamt in Straubing Jugendhilferecht bearbeitet und später dann auch als Landrat in Freyung-Grafenau. Ich habe mich damit intensiv befasst und darf Ihnen sagen, dass es auch Jugendhilfemaßnahmen gibt, die über das 18. Lebensjahr hinaus reichen müssen. Das sind die Dinge, die dann auch zu bewältigen sind, man kann nicht sagen, bei jedem, der über 18 Jahre alt ist, sollten die Bezirke selber machen.

Was gilt denn jetzt – das, was der Herr Ministerpräsident versprochen hat, oder was Sie im Nachgang für angemessen halten? – Die 632 Millionen Euro können jedenfalls helfen, die Gesamtmaßnahmen zu finanzieren. Ich fordere auch ein - und darauf werden wir im Haushaltsausschuss achten -, dass der Freistaat Bayern die Gesamtkosten übernimmt, um die Kommunen um das notwendige Maß zu entlasten. 3 % Bezirksumlage sind 3 % Kreisumlage bei den Landkreisen. Das ist in vielen Bereichen nicht zu verkraften und würde elementare Basisleistungen in den Kommunen in Frage stellen.

Meine weitere Anmerkung dazu ist ebenfalls sehr wichtig: Wir brauchen nicht jeden unbegleiteten Jugendlichen im Heim unterzubringen. Das ist völlig überzogen. Ich bin gar nicht sicher, ob wir diesbezüglich überhaupt eine Gesetzesänderung in Berlin benötigen. Ich denke, dass es bei vielen Jugendlichen – Frau Bause hatte ja auch davon gesprochen – nach anfänglichen Schwierigkeiten auch relativ schnell leuchtende Augen gibt, wenn sie sich gut aufgehoben fühlen. Das gilt sicherlich für den familiären Verbund, aber auch für die unbegleiteten Jugendlichen, wenn sie sonst gut aufgehoben sind, und das ist nicht zwangsläufig im Heim. Es wären auch Pflegefamilien vorstellbar oder betreutes Wohnen, und das ist alles erheblich günstiger.

Ich erlaube mir auch die Bemerkung, dass es in diesem Zusammenhang viele Kriegsgewinnler und Sozialkonzerne gibt, die an dieser Aufgabe durchaus viel Geld verdienen. Das gehört unterbunden und korrigiert, damit wir mit den Millionen, die wir einsetzen müssen, auch die Dinge tun können, die wir tun wollen, und nicht irgendjemanden alimentieren.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Das ist jetzt auch eine zentrale Aufgabe; im Finanzministerium sind jetzt doch noch ein paar Springerstellen vorgesehen. Helfen Sie auch den Kommunen und den Jugendämtern, diejenigen, die wirklich dieser engen Betreuung bedürfen, weil sie traumatisiert sind, von den vielen anderen zu unterscheiden – das ist sicherlich mehr als die Hälfte –, die diese enge Betreu

ung nicht benötigen und bei denen sie völlig überzogen ist. Damit wäre allen erheblich geholfen. Zusätzlich würde dann auch Geld für andere wichtige Aufgaben zur Verfügung stehen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Herr Kollege, achten Sie bitte auf die Zeit.

Ich achte auf die Zeit und muss leider vieles von dem, was ich noch sagen wollte, dann im Haushaltsauschuss sagen, lieber Kollege Peter Winter.

(Peter Winter (CSU): Wenn du es jetzt gesagt hättest, wäre es mir lieber gewesen!)

- Ja, die Präsidentin hat mich schon gemahnt; deswegen müssen wir es lassen. – Ich will noch sagen: Schwerpunkt unserer Aufgaben ist für diesen Nachtragshaushalt, das ist unsere Überzeugung: Wir müssen Wohnungen bauen, und zwar sehr viel mehr, als die Staatsregierung vorgesehen hat. Hier steckt Sprengstoff drin. Eine Verdrängungssituation in den Ballungsräumen zugunsten von Asylbewerbern und Flüchtlingen können und wollen wir nicht haben.

Sie kommen bitte aber jetzt wirklich zum Schluss.

Da muss sehr viel mehr Geld zur Verfügung stehen. Zuletzt wollen wir auch im Sinne eines Ausgleichs zwischen dieser Aufgabe und anderen natürlich nicht vergessen, die Infrastruktur, die kommunale Finanzausstattung und die RZWas als einen wichtigen Bestandteil

Herr Kollege Muthmann, bitte!

- mit den notwendigen Geldern auszustatten. – Alles, was ich jetzt nicht mehr sagen kann, Frau Präsidentin, erfahren Sie dann anschließend über Peter Winter.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Vielen Dank, Herr Kollege Muthmann. – Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Stamm. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen! Über was sprechen wir heute? - Ja, richtig, über einen Nachtragshaushalt, der offenbar auf richtig großes Interesse im Bayerischen Kabinett stößt. Ich finde es sehr spannend, wie die Bänke gefüllt sind. Wir sprechen auch nicht über einen normalen Nachtrags

haushalt, sondern über einen, der ständig und immer wieder nachgebessert wurde und zu dem wir bis heute keine endgültigen Zahlen und verlässlichen Daten haben.

Aber was passiert seit Monaten, und was passiert auch heute wieder? - Die Gelder für bedürftige Menschen sind gegeneinander ausgespielt worden. Fakt ist aber, Sie können nicht solide haushalten. Wir sehen, wie Sie Geld ausgeben können – man hat es rund um den G-7-Gipfel gesehen, der hat es sogar bis in das Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler geschafft –, ohne darauf zu achten, ob ein Projekt überhaupt das Kriterium erfüllt, nachhaltig zu sein, wie Sie Geld ausgeben können, sodass wir jetzt eine Steigerung des Staatshaushalts in der "Ära Seehofer" – in Anführungszeichen – um sage und schreibe 35 % haben.

Horst Seehofer ist auch nicht etwa schon seit Jahrzehnten an der Regierung, gleichwohl es einem bei den vielen Meinungen, die er als Ministerpräsidenten äußert, vielleicht manchmal so vorkommt, als wäre er seit Jahrzehnten an der Regierung. Er ist seit sieben Jahren Ministerpräsident. Das bedeutet eine Steigerung von 35 % in sieben Jahren. Das kann sich Bayern nur leisten, weil hier die Wirtschaft brummt. Wenn Sie sich jetzt rühmen, all die Dinge aus dem Sparbuch bezahlen zu können, dann doch eben nur, weil die Wirtschaft brummt. Ich finde, hier sollten Sie einen kleinen Moment innehalten. Wenn wir von einer globalen Wirtschaft profitieren und unsere Wirtschaft brummt, da wir Hauptexportland sind, sollten Sie auch, wenn es um globale Aufgaben geht, an das Stichwort Flüchtlinge denken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bayern steht also gut da. Die Wirtschaft brummt, und die Steuermehreinnahmen sprudeln Jahr um Jahr, weil sich die CSU zum Glück wie bei vielen anderen Projekten in Berlin nicht durchgesetzt hat. Es gab zum Glück keine nicht gegenfinanzierte Steuersenkung, und deswegen hat Bayern weiterhin die Erbschaftsteuer als Einnahmequelle. Dieser Entwurf des Nachtragshaushalts zeigt, wie wichtig es ist, dass wir die Erbschaftsteuer für den Staatshaushalt immer noch haben. Die Einnahmen durch die Erbschaftsteuer sollen nach Ihrem Entwurf gegenüber dem Stammhaushalt, also dem Doppelhaushalt 2015/16, noch einmal um 200 Millionen Euro steigen. Das heißt, in dem Doppelhaushalt 2015/16 haben wir insgesamt Einnahmen aus der Erbschaftsteuer, die um 30 % gestiegen sind. Wenn sich die CSU innerhalb der Großen Koalition durchgesetzt hätte, wären diese Einnahmen weg, und nach einem Jahr "Markus und Horst im Glück"

hätte Ihr neuer Haushaltsentwurf wieder einen negativen Finanzierungssaldo.

Dieser beträgt knappe 300 Millionen Euro. Mit der Nachschubliste rechnen wir mit 800 Millionen Euro. Wir wissen es noch nicht genau, weil die Zahlen noch nicht vorliegen. Gedeckt werden kann dieser Saldo mit Entnahmen aus der Rücklage. Das ist richtig. Das ist jedoch nur möglich, weil die Steuereinnahmen in den vergangenen Jahren unerwartet hoch waren. Das haben Sie nicht geplant, und das war auch keine Strategie der CSU-Staatsregierung. Das war keine vorausschauende Haushaltspolitik, sondern einfach Glück – das Glück der guten wirtschaftlichen Lage.

(Widerspruch bei der CSU)

Mit diesem negativen Finanzierungssaldo Ihres Haushaltentwurfs, dem Unterschied zwischen Einnahmen und Ausgaben, ist für nicht gegenfinanzierte Steuersenkungen jeder Art sowohl für den Länderhaushalt als auch für den Bundeshaushalt keine Luft.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sehr verehrter Herr Minister Söder, das ist hoffentlich auch bei Ihnen angekommen. Die Zeiten, in denen die CSU den Menschen das Blaue vom Himmel verspricht, sind hoffentlich erst einmal vorbei. Im vergangenen Jahr haben Sie sich für den positiven Saldo im Haushalt, mehr Einnahmen als Ausgaben, bei jeder Gelegenheit selbst gelobt. Das kennen wir hier im Plenum zur Genüge. Jetzt, nach nur einem Jahr, ist diese positive Entwicklung schon wieder vorbei. Das und eine Steigerung von 35 % innerhalb von sieben Jahren sprechen nicht für eine vorsorgende oder solide Haushaltspolitik.

(Peter Winter (CSU): Haben Sie auch die Zahlen von Herrn Kretschmann?)

Der Ministerpräsident selbst bereitet die Öffentlichkeit schon einmal darauf vor, dass die Schuldenbremse nicht einzuhalten ist. Bevor die Schuldenbremse überhaupt in Kraft getreten ist, reden Sie schon von zusätzlichen neuen Ausgaben. Wenn wir uns erinnern, wie wichtig es Ihnen war, dass die Schuldenbremse in die Bayerische Verfassung kommt, entdeckt man schnell eine gewisse Scheinheiligkeit bei diesem Thema. Um das zu überdecken, verbreiten Sie seit Monaten Panik wegen der hohen Ausgaben für die Flüchtlinge. Letztendlich trägt all diese Panikmache kein bisschen zu irgendeiner Problemlösung bei.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, abgesehen davon fällt mir nur eine einzige Notmaßnahme in diesem

bayerischen Staatshaushalt in den letzten acht Jahren ein, nämlich die Rettung der Landesbank als Ausgeburt der Überheblichkeit und mangelnden Bodenhaftung der Christlich-Sozialen. Das Geld, das Sie jetzt einsetzen, wird nicht zur Rettung einer Bank, sondern zur Rettung von Menschen verwendet. Es handelt sich, wie heute bereits gesagt wurde, um ein Konjunkturpaket, das wiederum bayerischen Menschen hilft und dafür sorgt, dass endlich so etwas wie Wohnungsbau vorangetrieben wird – nichts anderes.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie haben tatsächlich alles, aber auch alles dafür getan, damit die Zahl der Flüchtlinge auf kommunaler Ebene zu einer massiven bis sehr extremen Strapaze geführt hat. Sie haben lange zu- und abgewartet, und Sie tun das zum Teil immer noch. Seit Jahren fordern wir mehr Erstaufnahmeeinrichtungen. Das hat Herr Kollege Halbleib schon gesagt. Wir fordern mehr Bearbeiterinnen und Bearbeiter im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Wenn Sie das jetzt auch ständig fordern, frage ich mich, wer Innenminister war, als wir dies gefordert haben. – Der Innenminister war ein CSU-Mensch. Der Innenminister hat auch einen Namen, nämlich Herr Friedrich. Wir haben das gefordert. Sie haben gesagt: Ja, vielleicht brauchen wir das. Jetzt stehen Sie hier im Landtag und stellen es als die Maßnahme schlechthin dar. Wir fordern das seit Jahren. Tun Sie endlich was!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Selbst wenn Sie es selber immer wieder negieren, sind Sie Teil der Großen Koalition. Tun Sie endlich was!

Seit Jahren fordern wir, dass das Eigentum von Bund und Land proaktiv zur Verfügung gestellt wird. Hier ist der Schlüssel, nutzt meine Immobilien – das sollten Sie Ihren Bürgermeistern und Landräten mitgeben. Diese haben gestern wieder im BR gesagt: Ich möchte vom Bund endlich alle Liegenschaften haben. Das war die Aussage von Landrat Bernreiter – wie armselig. Seit über einem Jahr fordern wir, dass Sie das endlich machen. Das Eigentum von Bund und Land soll den Kommunen zur Unterbringung von Flüchtlingen geöffnet werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Man könnte auch sagen, Sie haben alles für eine Eskalation auf kommunaler Ebene getan, um massive Verschärfungen im Asylrecht durchzusetzen und absurderen Forderungen den Boden zu bereiten. Ich verstehe die Nöte der Kommunen und der ehrenamtlichen Asylsozialarbeit. Hier übernehmen Ehrenamtliche schon lange die Aufgabe des Staates. Tun sie

endlich was! Lassen Sie sie nicht mehr im Regen stehen. Die Ehrenamtlichen verzweifeln an bürokratischen Hürden, die sie ständig daran hindern, Flüchtlinge in Arbeit, in Minijobs und in Ausbildung zu bringen, obwohl Arbeitgeber schon lange Vereinfachungen gefordert haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Politik der Großen Koalition hinkt definitiv der Wirtschaft und ihren Forderungen hinterher. Werden Sie endlich tätig, und machen Sie nicht nur im Handumdrehen und im Schnellverfahren ein Gesetz zur Asylverschärfung. Malen Sie nicht schwarz, sondern nehmen Sie sich ein Beispiel an der Zivilgesellschaft und packen Sie mit an. Es ist nur ein unlösbares Problem, wenn Sie das mit Ihren ewig gestrigen Aussagen wiederholen. Es ist eine Aufgabe – keine leichte Aufgabe –, die zu lösen ist, wenn Sie eben nicht zuwarten, bis es nicht mehr anders geht. Stattdessen sollten Sie mit gutem Beispiel vorangehen und die Dinge in die Wege leiten, die benötigt werden. Das geschieht teilweise mit diesem Nachtragshaushalt, mit dieser Nachschubliste: endlich Unterstützung von Ehrenamtlichen, genügend Asylsozialarbeit, schnelle Weiterreichung der Fördermittel für die Kommunen, genügend Wohnraum und mehr Lehrkräfte – aber ab sofort und nicht erst im September 2016.

(Beifall bei den GRÜNEN)