Protokoll der Sitzung vom 28.10.2015

(Allgemeine Heiterkeit)

Lassen Sie mich eine zweite Frage anschließen: Wer von Ihnen hat Drogenerfahrungen, abgesehen von Alkohol? – Da meldet sich natürlich keiner, weil der Justizminister da ist. Da traut sich keiner. Ich will das nicht vertiefen. Ich weiß aber, dass hier viele Kolleginnen und Kollegen von Dingen reden, die sie selbst nicht erfahren haben, wobei ich ausdrücklich feststelle: Cannabis ist eine Droge wie andere Drogen auch. Jede Droge im Übermaß kann natürlich zu Schäden führen, also auch Cannabis.

Aber, liebe Kollegen und Kolleginnen, weltweit gibt es keinen einzigen Fall, bei dem der Cannabis-Missbrauch zum Tod geführt hätte. Sehen wir uns die bayerischen Zahlen an: In München gab es in diesem Jahr schon 51 Drogentote. In Frankfurt, einer unserer Drogenhauptstädte, gab es im letzten Jahr 23 Tote. Wir haben bereits 51. Im Jahr 2014 gab es in Bayern 252 Drogentote, das ist der höchste Wert in Deutschland. Bei diesen Zahlen ist doch irgendetwas an unserer Drogenpolitik falsch. Da kann doch irgendetwas nicht stimmen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Liebe Kollegen und Kolleginnen, ich widerspreche der These, dass Cannabis eine Einstiegsdroge wäre. Wer sich wirklich mit diesem Thema beschäftigt, weiß, dass es in der Szene ganz anders läuft. Wir haben NPS, die Neuen Psychoaktiven Substanzen. Das sind die Drogen, die heute auf Partys, deshalb Partydrogen, oder als Badesalz vertrieben werden. Sie können diese Drogen per Internet bestellen. Sie werden anonym geliefert, und sie sind straffrei. Dabei sind diese Drogen wesentlich gefährlicher.

Wenn wir es schaffen, das Strafrecht wegen dieser Drogen zu ändern, ändern die Hersteller einen Baustein in der Chemie, und dann sind diese Drogen wieder legal. Ich will damit sagen: Heute werden den Jugendlichen solche Drogen verkauft als legale Drogen, obwohl sie wesentlich gefährlicher als alle anderen Drogen zusammen sind.

Wir werden Ihrem Dringlichkeitsantrag nicht zustimmen. Was Cannabis betrifft, hat ein gesellschaftlicher

Wandel stattgefunden. Sehen Sie sich einmal die Zahlen an: Es ist nachgewiesen, dass 25 % der Deutschen schon einmal Cannabis konsumiert haben. Über 20 Millionen Deutsche haben schon einmal Cannabis zu sich genommen. Ich kann aber nicht feststellen, dass Deutschland ein Drogenland geworden wäre oder dass diese Leute süchtig oder auffällig geworden wären.

Ich möchte gar nicht auf Ihre Argumente im Einzelnen eingehen. Ich sehe dieses Thema aus gesellschaftlicher Sicht. Auf der letzten Abgeordnetenkonferenz der National Conference of State Legislatures, der größten Abgeordnetenkonferenz in den USA, an der etwa 5.000 State Legislators teilgenommen haben, wurde nicht mehr darüber gesprochen, wie schrecklich und gesundheitsschädlich Cannabis wäre. Nein, es hat sich herausgestellt, dass bereits fünf amerikanische Staaten Cannabis legalisiert haben, also nicht nur Washington und Colorado, sondern jetzt auch Oregon, Hawaii und Alaska. 50 % der auf dieser Konferenz anwesenden Abgeordneten haben erklärt, dass sich ihre Staaten auf demselben Weg befänden.

In 22 Staaten der USA kann Cannabis bereits aufgrund eines ärztlichen Rezepts bezogen werden. Nehmen wir an, Sie gehen in Kalifornien zum Arzt und sagen: Herr Doktor, mir tut der Rücken weh, ich habe gehört, Cannabis könnte mir helfen. In diesem Fall bekommen Sie ohne Weiteres Cannabis auf Rezept. Das bedeutet, die USA, dieses Urprohibitionsland, sind schon einen Schritt weiter gegangen und sind dabei, Cannabis zu legalisieren, allerdings unter starker staatlicher Kontrolle.

Wir brauchen aber gar nicht so weit zu gehen. Sehen wir uns einmal unser Nachbarland Holland an. – Herr Minister, hören Sie zu, ich komme jetzt zum Strafrecht. – Mein Sohn hat fünf Jahre lang in Holland studiert und sein Studium gerade abgeschlossen. Ich habe also eine fünfjährige holländische Erfahrung. Ich kann nicht sagen, dass ich süchtig geworden wäre.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sehen Sie sich das holländische Tagesgeschäft an. Das Einzige, was ich festgestellt habe: dass die Holländer nicht mehr so gut Fußball spielen.

(Allgemeine Heiterkeit - Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das Land Portugal hat Cannabis ebenfalls legalisiert, wiederum unter scharfer staatlicher Kontrolle. Ich möchte deshalb zusammenfassen: Auf keinen Fall wollen wir eine Freigabe, eine Legalisierung von Cannabis. Wir wollen aber eine Entkriminalisierung unter scharfer staatlicher Kontrolle. Wir wollen, dass ge

setzliche Qualitätsanforderungen für die Plantagen und für den Vertrieb festgelegt werden. Wir wollen, dass der THC-Gehalt genau festgelegt wird. Und schließlich, das ist ganz wichtig, müssen Altersgrenzen festgelegt werden. Aufgrund der Erfahrungen in Amerika bin ich der Ansicht, dass wir Cannabis bis zum 21. Lebensjahr nicht freigeben sollten, sondern erst ab dem 21. Lebensjahr, und das staatlich kontrolliert.

Liebe Kollegen und Kolleginnen, mit anderen Worten: Cannabis ist kein Teufelszeug, bloß weil wir sagen, dass es kulturell nicht unsere Droge ist. Ich weiß, dass Sie immer damit argumentieren, dass es bei den alten Germanen Met, aber kein Cannabis gegeben habe und deshalb Cannabis schlecht sei. Das stimmt nicht. Die gesellschaftliche Einstellung hat sich geändert. Nehmen Sie darauf Rücksicht.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Danke. – Jetzt hat Herr Kollege Dr. Vetter das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Dieses Thema emotionalisiert. Ich weiß nicht, ob das gut oder schlecht ist. Ich habe heute aus der Debatte, vor allem von den GRÜNEN, herausgehört, dass immer der Vergleich mit dem Alkohol gesucht wird. Die Begründung lautet mehr oder weniger: Wir können doch Alkohol trinken, warum dürfen wir dann kein Cannabis zu uns nehmen? - Kolleginnen und Kollegen, Alkohol und Cannabis sind Drogen, und beide sind schädlich, um das einmal festzuhalten.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Alkoholschäden sind besser erfasst. Man spricht von einem volkswirtschaftlichen Schaden in Höhe von 30 Milliarden Euro pro Jahr. Cannabis verursacht bei regelmäßigem Konsum massive Gesundheitsschäden. Experten sprechen von einem regelmäßigen Konsum bei einem Gramm pro Tag.

Der volkswirtschaftliche Schaden von Alkohol wurde erkannt. Hier drücken wir auf die Bremse. Sie wissen, dass wir im Gesundheitsausschuss über die Schäden durch den Alkohol und über die Prävention sprechen. Kolleginnen und Kollegen, ich verstehe nicht, dass Sie bei der Legalisierung von Cannabis Vollgas geben wollen, wenn wir beim Thema Alkohol auf die Bremse drücken.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der CSU)

Herr Professor Dr. Gantzer, ich schätze Sie sehr. Das wissen Sie auch. Ich möchte zu Ihrer Argumentation sagen: Uruguay hat Cannabis freigegeben, in den Niederlanden wurde es freigegeben und außerdem in fünf Staaten der USA. In 45 Staaten Amerikas ist Cannabis nicht freigegeben. 45 Staaten in Amerika machen es also nicht. Gerade das Gegenteil ist der Fall.

(Prof. Dr. Peter Paul Gantzer (SPD): Noch nicht!)

Das sagen Sie. In den USA machen es 45 Staaten nicht. Die USA sind hier überhaupt kein gutes Beispiel.

Wir FREIEN WÄHLER wollen Cannabis nicht als Genussmittel freigeben, als Medikament ja. Dazu haben wir im Ausschuss auch schon gesprochen. Schwerstkranke und chronisch Kranke sollen nach ärztlicher Verordnung Zugang erhalten. Die Krankheiten müssen aus meiner Sicht dabei definiert werden. Wichtig ist auch, dass man auf Therapiesicherheit und die Qualität achtet. Deshalb kommt für mich auch der Selbstanbau hier nicht infrage.

Ich komme noch einmal zu dem entscheidenden Punkt. Bei einer Freigabe müssen wir, Kolleginnen und Kollegen, immer auch an die Kinder und an die Jugendlichen denken. Unsere Kinder und unsere Jugendlichen sollen wissen: Cannabis ist ein illegales Suchtmittel mit erheblichem Risiko. Es ist einfach so: Wo die Verfügbarkeit größer ist, steigt die Nachfrage.

Zu Ihren steigenden Zahlen bei Cannabis: Die Zahlen steigen bei den Unter-Achtzehnjährigen stark. Der Alkohol geht bei den Jugendlichen unter 18 Jahren zurück. Das Einstiegsalter bei Cannabis ist mittlerweile 16 Jahre. Kann es denn nicht sein, dass die steigenden Zahlen bei Kindern und Jugendlichen auch auf die Werbekampagnen – auch von den GRÜNEN – zurückzuführen sind, die es in den letzten Monaten und Jahren immer wieder gab? Ich meine, darüber sollte man einmal nachdenken.

Im Vordergrund steht für mich – das sage ich als Mediziner – der Gesundheitsschutz. Ich kenne auch Polizisten, Eltern, Lehrer und Vertreter der Suchthilfe, die vor einer Freigabe warnen. Wir haben in Cham das Problem mit Crystal Meth. In meiner Bürgersprechstunde waren vier, fünf Mütter – komischerweise waren es nur Mütter – von Kindern, die von Crystal Meth abhängig sind. Wenn ich gefragt habe, hat sich herausgestellt, dass immer Alkohol eine Einstiegsdroge war. Es ist geraucht worden, und Cannabis war dabei.

Es ist einfach nicht richtig, wenn gesagt wird, Cannabis ist nicht schädlich. Es gibt ja auch einen Misch

konsum. Cannabis ist bei tödlichen Zwischenfällen sehr häufig dabei, wenn etwas mit Mischkonsum passiert. Cannabis ist als Einstiegsdroge selbstverständlich eine große Gefahr für unsere Kinder und für unsere Jugendlichen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Aufweichen des Verbots kommt für uns FREIE WÄHLER nicht infrage, weil Aufweichen Verharmlosung bedeutet. Verharmlosung bedeutet mehr Konsum und letztendlich mehr Gesundheitsschäden aufgrund von Drogenabhängigkeit. Als FREIER WÄHLER sage ich noch einmal: Wir dürfen oder sollten Cannabis nicht verharmlosen. Wir sind weiter für eine generalpräventive Wirkung des Verbotes und lehnen deshalb den Antrag der GRÜNEN ab, in dem es mehr um die Grenze der Straffreiheit geht. Ich glaube, die 6 Gramm genügen beim ersten Mal. Beim zweiten Mal wird das in Bayern, soweit ich es mitbekommen habe, auch nicht oder nicht immer verfolgt. Ich glaube, das genügt. Deswegen besteht kein Handlungsbedarf in dieser Richtung. Dem Antrag der CSU stimmen wir zu.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Herr Kollege. Bleiben Sie bitte kurz da. Wir haben noch eine Zwischenbemerkung von Kollegen Leiner. Bitte schön.

Kollege Vetter, ich bin ja froh, dass Sie zum Schluss noch auf unseren Antrag eingegangen sind; denn Ihre Rede hatte nichts mit unserem Antrag zu tun. Wir reden nicht über die Legalisierung von Cannabis. Das können wir hier im Bayerischen Landtag gar nicht; denn das ist ein Bundesgesetz, und darüber wird im Bund entschieden. Dort haben wir einen Antrag laufen, der auch in bestimmter Weise mit allen möglichen Einschränkungen einen leichteren Zugang zu dieser Droge ermöglicht.

Zum Zweiten kann ich Ihrer Logik gar nicht folgen. Wenn wir Alkohol akzeptieren und Cannabis nicht akzeptieren, ist das eindeutig ein Ungleichgewicht. Wenn wir dieses Ungleichgewicht beheben wollen, gibt es genau zwei Möglichkeiten. Entweder erlauben wir einen, wie wir meinen, maßvollen Genuss von Cannabis, oder wir verbieten den Alkohol. Da möchte ich Sie fragen, was möglich ist und was Ihnen lieber ist.

Herr Leiner, Sie wissen ganz genau, dass das Verbot von Alkohol keine Option ist.

(Lachen bei den GRÜNEN – Zuruf von den GRÜ- NEN: Warum? – Weitere Zurufe von den GRÜ- NEN)

Es ist im Moment keine Option. Fragen Sie mich da nicht nach meiner persönlichen Meinung. Da das aber keine Option ist, kann nicht gesagt werden: Weil wir die Droge Alkohol nicht verbieten können, sind wir im Umkehrschluss für die Freigabe von Cannabis. Dieser Logik kann ich nicht folgen. Sie ist einfach nicht richtig.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der CSU)

Vielen Dank, Kollege Dr. Vetter. – Die nächste Wortmeldung ist die von Kollegen Dr. Rieger. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir sind alle froh, dass Herr Professor Gantzer in den Niederlanden nicht cannabisabhängig wurde. Aber das ist heute nicht der Maßstab. Maßstab ist auch nicht, wie wir im internationalen Vergleich stehen und ob 45 der 50 amerikanischen Bundesstaaten das Verbot aufrechterhalten. Maßstab ist etwas anderes, nämlich das, was wir in Bayern für richtig halten.

Kollege Seidenath hat ja soeben eindrucksvoll geschildert: Cannabis bringt große gesundheitsschädliche Gefahren mit sich, und Cannabis hat ein hohes Abhängigkeitspotenzial. Deshalb gilt es zu Recht, gerade unsere Jugendlichen vor dieser gefährlichen Einstiegsdroge zu schützen. Unsere Jugendlichen – da sind Sie nicht mehr so dabei, Herr Professor Gantzer – stehen deshalb im Vordergrund unseres Schutzes.

Wir lehnen deshalb – das sage ich ganz klar – das Ansinnen der GRÜNEN – das ist genau Inhalt des Antrags, den Sie gestellt haben – ab, Cannabis bis zu 6 Gramm generell, das heißt ohne Differenzierung und ohne Berücksichtigung des Einzelfalls, von der Strafe freizustellen und den Konsum zu legalisieren. Es gibt auch nicht den geringsten Grund, die in Bayern seit über 20 Jahren geltende und auf der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung beruhende Rechtspraxis abzuändern. Nach der grundlegenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vor 20 Jahren haben die drei bayerischen Generalstaatsanwaltschaften ein Rundschreiben verfasst, dass der Besitz unterhalb der 6-Gramm-Grenze des § 31a des Betäubungsmittelgesetzes straffrei bleibt, aber immer unter Berücksichtigung des Einzelfalls. Diesen Einzelfall wollen wir in Betracht ziehen.

Ich sage noch einmal: Der Unterschied zwischen Bayern und den meisten übrigen Bundesländern besteht

im Wesentlichen darin, dass die 6-Gramm-Grenze beim Eigenverbrauch in der Regel zu Straffreiheit führt, aber nur für Ersttäter und nicht pauschal für alle Täter gilt. Selbst beim ersten Wiederholungsfall sind wir nachsichtig und stellen in der Regel ein. Beim zweiten Wiederholungsfall beginnt in der Regel die strafrechtliche Verfolgung. Deshalb ist auch die Begründung im Antrag der GRÜNEN falsch, in Bayern finde ein Absehen von der Strafverfolgung nach § 31a des Betäubungsmittelgesetzes nicht statt.

In Bayern gibt es in Wirklichkeit jährlich 5.000 Fälle, in denen § 31a des Betäubungsmittelgesetzes angewendet wird und in denen der Täter straffrei gestellt wird, dabei meistens natürlich der Ersttäter. Außerdem wird – ich habe es schon erwähnt – bei einer großen Anzahl von Zweittätern eingestellt.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir wollen in Bayern keine Zustände, bei denen Dealer bewusst kleine Mengen bei sich führen und damit Handel betreiben, weil sie wissen, dass sie auch im xten Wiederholungsfall straffrei ausgehen. Wir wollen keine Zustände wie im Görlitzer Park in Berlin, wo die Stadt Berlin – das ist der größte Umschlagsplatz für Drogen – die Situation nicht mehr in den Griff bekommen kann und eine Null-Toleranz-Grenze festgesetzt hat, obwohl in Berlin die 15-Gramm-Grenze gilt. Wir wollen keine Regelung, die den Einzelfall beiseiteschiebt und nicht danach fragt, ob ein Wiederholungsfall vorliegt, ob eine Fremdgefährdung im Raum steht und ob der Konsument in Wirklichkeit nicht vielleicht Dealer ist. Mit einem Satz: Wir wollen kein Pauschalrecht und keine pauschale Straffreistellung. Was wir wollen, ist eine Beibehaltung unserer seit Jahrzehnten bewährten Rechtspraxis mit einer Prüfung des Einzelfalles in der festen Überzeugung, dass wir damit gerade auch zum Schutz unserer Jugend unserer rechtspolitischen Verantwortung gerecht werden; denn wir meinen, Cannabis ist eine gefährliche Einstiegsdroge.

(Beifall bei der CSU)