Protokoll der Sitzung vom 28.10.2015

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Kollege Dr. Rieger. – Jetzt hat Professor Dr. Bausback das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Schulze, Sie haben mich tief beeindruckt – nicht durch Ihre Argumente, sondern durch Ihre Sprechgeschwindigkeit. Allen Respekt dafür!

Zu Ihren Argumenten: Ihr Vortag und der Antrag Ihrer Fraktion machen sehr deutlich: Bei den GRÜNEN besteht eine Fehlvorstellung sowohl über die herrschende Rechtslage als auch über die Praxis von Verfah

renseinstellungen in Bayern. In aller Kürze nur einige Erläuterungen: Nach § 29 Absatz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes ist, vereinfacht formuliert, jeglicher Umgang mit Betäubungsmitteln unter Strafe gestellt. Straffrei ist lediglich der Konsum von Betäubungsmitteln, soweit nicht zugleich ein Erwerbs- oder Besitztatbestand begründet ist. Eine absolut geltende Straffreiheitsgrenze gibt es nicht.

§ 31a BtMG sieht vor, dass von Strafe abgesehen werden kann, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind – und zwar kumulativ, Herr Kollege Gantzer –: Erstens muss die Schuld des Täters als gering anzusehen sein. Zweitens darf kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bestehen. Drittens darf der Täter die Betäubungsmittel "lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge" anbauen, herstellen, besitzen usw.

(Zuruf des Abgeordneten Prof. Dr. Peter Paul Gantzer (SPD))

Daran wird deutlich, dass das Absehen von Strafe nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist; die "geringe Menge" ist nur eine davon. Diese Tatsache wird von Ihnen, Kollegen der GRÜNEN, aber auch von anderen, zum Beispiel von Ihnen, Herr Kollege Gantzer, in der Diskussion oft unterschlagen.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 9. März 1994 – nur zur Wahrung des Übermaßverbotes! – dazu aufgefordert, in diesem Bereich für eine im Wesentlichen einheitliche Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaften zu sorgen. Dem haben wir Rechnung getragen. Die drei bayerischen Generalstaatsanwälte haben gemeinsam festgelegt – Kollege Rieger hat es schon gesagt –, dass der Grenzwert, bis zu dem noch von einer "geringen Menge" ausgegangen wird, bei 6 Gramm Cannabis liegen soll. Bayern befindet sich mit dem Grenzwert von 6 Gramm Cannabis übrigens in guter Gesellschaft. Diesen Grenzwert haben insgesamt 13 Länder bestimmt.

Herr Kollege Gantzer, auch der Bundesjustizkollege Maas, der auf viele unsinnige Gedanken kommt,

(Beifall bei der CSU – Inge Aures (SPD): Sagen Sie ihm das auch persönlich?)

ist jedenfalls zu einer Legalisierung bislang nicht bereit.

Die bayerischen Staatsanwälte wenden den Grenzwert für die "geringe Menge" – 6 Gramm – konsequent an. Zur Veranschaulichung nur eine Zahl aus der Justizstatistik: Im Jahr 2014 gab es 4.875 Einstellungen nach § 31a Absatz 1 des Betäubungsmittelgesetzes. Wenn die GRÜNEN also behaupten, eine Ver

fahrenseinstellung nach § 31a BtMG komme in Bayern praktisch nicht vor, dann ist dies eindeutig dem Bereich der Legendenbildung zuzuordnen. Dasselbe gilt für die Behauptung, es bestehe hinsichtlich der Straffreiheitsgrenze Handlungsbedarf.

Der Antrag ist abzulehnen; ich denke, das ist deutlich geworden.

Ebenso klar ist aus meiner Sicht: Die Legalisierung von Cannabis wäre ein Irrweg. Die Herausforderungen, die Tabakkonsum und Alkoholmissbrauch – Herr Kollege Vetter hat dies eindrucksvoll dargelegt; vielen Dank – mit sich bringen, sind wirklich mehr als ausreichend. Bedarf an einem weiteren legalisierten Suchtmittel sehe ich daher nicht.

Nach dem übereinstimmenden Fazit deutscher und europäischer Experten ist Cannabiskonsum mit dem hohen Risiko verbunden, Schäden zu erleiden, die teilweise irreversibel sind. Dazu gehören sowohl psychische als auch körperliche Erkrankungen. Aber auch die sozialen Folgen, zum Beispiel Schulversagen, sind gravierend. Zudem wird, gerade wenn es sich um junge Konsumenten handelt, später eine erhöhte Drogenaffinität beobachtet. Das sind längst nicht alle Folgen.

Dazu kommt, dass in den vergangenen Jahren die Wirkstoffgehalte bestimmter Cannabisprodukte erheblich zugenommen haben. Von den Staatsanwaltschaften wird mir berichtet, dass angesichts der Erfahrungen aus der Praxis durchaus von 20 bis 30 % zu sprechen ist.

Die Befürworter der Legalisierung unterschlagen gern, dass beispielsweise in Colorado der Cannabiskonsum – nach Legalisierung der Droge, Herr Kollege Gantzer! – deutlich zugenommen hat.

Es besteht also absolut kein Anlass, von der bisherigen Haltung der Bayerischen Staatsregierung abzuweichen, nämlich die Freigabe von Cannabis als Genussmittel klar abzulehnen. Von der Verwendung von Cannabis zu medizinischen bzw. therapeutischen Zwecken spreche ich hier nicht.

Cannabis ist kein harmloses Genussmittel, sondern eine Substanz mit erheblichem Suchtpotenzial und hohen Risiken. Das Letzte, was wir brauchen, ist eine Verharmlosung dieser Risiken.

Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, den Antrag der GRÜNEN abzulehnen.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. – Moment, es gibt noch zwei Zwischenbemerkungen.

Herr Professor Gantzer, Sie sind noch nicht dran.

(Allgemeine Heiterkeit)

Herr Kollege Leiner hat sich zuerst gemeldet. Bitte schön, Herr Leiner.

Herr Minister, Ihnen dürfte erstens bekannt sein, dass die deutschen Strafrechtsprofessoren die deutsche Strafrechtspraxis im Umgang mit Drogenmissbrauch massiv ablehnen. Sie sagen: So, wie gegenwärtig vorgegangen wird, ist das falsch; wir brauchen eine neue Rechtsprechung zum gesamten Bereich der Drogen bzw. zu deren Gebrauch. – Das müsste Ihnen bekannt sein.

Das Zweite: Manchmal frage ich mich, wo Sie leben. Ich wohne im Allgäu. Wenn ich von Isny nach Kempten fahre, von Baden-Württemberg nach Bayern, stelle ich fest, dass ich in den beiden Ländern völlig unterschiedlich behandelt werde, wenn ich 1 Gramm Cannabisprodukte dabei habe.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Wir können es nicht hinnehmen, dass die Menschen bei uns in Bayern für dasselbe Handeln in höherem Maße kriminalisiert werden als in anderen Bundesländern, wo es eine Kriminalisierung bei Weitem nicht in diesem Maße gibt. Es geht letztlich um eine Vereinheitlichung. Genau darauf zielt unser Antrag.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege, ich lebe – genauso wie Sie – in Bayern, allerdings im unterfränkischen Raum.

Wenn es in Baden-Württemberg eine abweichende Praxis gibt, dann geht von hier das klare Signal an die Kolleginnen und Kollegen in Baden-Württemberg aus, sich der Mehrheitspraxis der deutschen Länder anzuschließen und dem bayerischen Weg zu folgen. Das wäre eine richtige Vereinheitlichung. Die Argumente dafür habe nicht nur ich, sondern haben auch die Kollegen Vetter, Rieger und andere genannt. Die Vereinheitlichung kann nicht in Richtung einer Liberalisierung oder Legalisierung gehen. Was nach der Legalisierung eintreten kann, habe ich Ihnen am Beispiel Colorados erläutert.

(Beifall bei der CSU)

Jetzt Herr Professor Gantzer. Bitte schön.

Herr Minister, Sie sind der ersten Frage ausgewichen, nämlich der Frage nach dem Schildower Kreis.

Ach so?

Der Schildower Kreis, das sind immerhin 122 renommierteste deutsche Strafrechtsprofessoren, die in demselben Stand wie Sie sind und festgestellt haben – ich lese es vor –: "Die strafrechtliche Drogenprohibition ist gescheitert, sozialschädlich und unökonomisch." Ich hätte schon gern eine Einschätzung eines Juraprofessors gehört zu der Einschätzung von 121 anderen Juraprofessoren – sagen wir 122; ich zähle mich auch dazu –, die ja doch eine Meinung vertreten, die durchaus diskussionswürdig ist, wie wir an dem Papier sehen.

Die zweite Frage: Sie haben nicht von den neuen psychoaktiven Substanzen gesprochen. Das sind Rauschmittel. Warum sind die erlaubt? Warum dürfen die per Post verschickt werden? Dazu haben Sie gar nichts gesagt. Das steht irgendwie im Widerspruch zu dem, was Sie über Cannabis gesagt haben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Herr Professor Gantzer, in der Tat ist mir die Resolution der 122 Strafrechtskollegen bekannt. Die haben ihre Meinung. Die 5.500 Staatsanwälte und Richter habe ich nicht alle befragt; aber ich habe mit vielen Kolleginnen und Kollegen, die tagtäglich mit den Dingen umgehen, also Erfahrungen aus der Praxis haben, Kontakt.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Ich stelle fest, dass die Mehrheit unserer Praktiker des Strafrechts der Meinung ist, dass wir es bei der bisherigen Linie belassen sollten. Jedem ist eine Meinung in unserem freien Land erlaubt. Deshalb können sich auch die Strafrechtsprofessoren äußern. Aber ich würde in dem Fall unserer Praxis, weil sie überzeugender ist, den Vorrang geben.

Im Übrigen, die Debatte um die neuen psychoaktiven Substanzen verdient, glaube ich, einen anderen Diskussionsrahmen, als wir heute haben. Das Problem ist, dass sie deshalb nicht verboten sind, weil sie nach europäischer Rechtsprechung nicht dem Bereich der Arzneimittel unterfallen. Sie wissen auch, dass sich die Bundesregierung durchaus Gedanken macht, wie wir mit diesem Phänomen umgehen können. Insofern sollten wir diese Debatte gesondert führen und uns bemühen, auch da eine deutliche Bremse zu schaffen, ein deutliches Stopp zu sagen. Kolleginnen und

Kollegen, ich finde, eine konsequente Drogenpolitik ist richtig und wichtig. Es geht schließlich in allererster Linie um den Schutz unserer Kinder und Jugendlichen. Deshalb noch einmal der Wunsch: Bitte lehnen Sie den Antrag der GRÜNEN mit Entschiedenheit ab.

(Beifall bei der CSU – Zuruf von der CSU: Bravo!)

Danke schön, Herr Staatsminister. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Anträge wieder getrennt.

(Unruhe)

Ich bitte um ein bisschen Konzentration für die letzten fünf Minuten.

Ich lasse zunächst über den Tagesordnungspunkt 7 abstimmen. Das ist der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 17/5609. Der federführende Ausschuss für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen empfiehlt die Ablehnung des Antrags. Wer entgegen dem Ausschussvotum dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind eine Stimme aus der CSU, die SPD-Fraktion und die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Das sind die restliche CSU-Fraktion und die Fraktion der FREIEN WÄHLER. Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist der Antrag abgelehnt.