Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wurde schon erwähnt: Gestern fand eine Demo für Verbesserungen in der Pflege mit über 2.500 Teilnehmern statt. Frau Sonnenholzner, das Motto hieß: "Uns! Reicht’s! Jetzt!" Das ist genau die Situation, die ich Ihnen in meiner letzten Rede als Antwort auf die Regierungserklärung
von Frau Huml dargestellt habe. Natürlich werden entscheidende Maßnahmen in der Pflege- und Gesundheitspolitik in Berlin entschieden. Was wir in Bayern machen könnten, machen wir aber gar nicht oder nur zögerlich oder viel zu spät. Dazu gehört eindeutig die Entscheidung zur Einrichtung einer bayerischen Pflegekammer.
Ich sage Ihnen: Diejenigen, die gestern dabei waren, müssen das starke Signal verstanden haben, das von den Demonstranten ausgesandt wurde. Würden Sie heute eine Umfrage zur Pflegekammer machen, würde eine noch größere Anzahl Pflegekräfte für eine Kammer stimmen; davon bin ich zutiefst überzeugt. Im Übrigen sind wir GRÜNE im Bayerischen Landtag von Anfang an für diese Pflegekammer eingetreten und sind heute noch dafür.
Ich habe mich gestern auf der Demonstration gewundert, dass nicht der Herr Imhof oder der Herr Baumgärtner gesprochen hat, die sich bei der Abstimmung öffentlich zur Pflegekammer bekannt haben – dafür spreche ich Ihnen meinen Respekt aus -, sondern der Herr Goppel, der damals den Raum verlassen hat. Das hat mich doch sehr gewundert.
Die Argumente, die gegen eine Pflegekammer geäußert wurden, sind weitgehend verhallt. Die Pflegekammer mischt sich eben nicht in die Tarifautonomie der Tarifpartner ein. Sie mischt sich nicht in die Pflegesatzverhandlungen der Träger ein. Sie ist also nicht gegen die Gewerkschaften und Träger gerichtet. Als einziger großer Kritikpunkt bleiben die Pflichtmitgliedschaft und die Beiträge. Für die Bewerbung des Pflegerings geben wir aktuell 86.000 Euro aus. Die Zahl wurde schon genannt. Daraus schließe ich, dass uns die Einrichtung dieses Pflegerings schon jetzt mehr Geld kostet als der Beginn der Einrichtung einer Pflegekammer, weil eine Ermittlung der Zahl der Mitglieder einer Pflegekammer in einer einfachen Abfrage über die Träger hätte erfolgen können.
50 % der Pflegerinnen und Pfleger haben "Ja" gesagt, obwohl sie um die Pflichtmitgliedschaft und die damit verbundene Beitragsverpflichtung wussten. Sie, meine Damen und Herren von der CSU, wären froh, wenn Sie 50 % hätten. Wenn ich richtig informiert bin
(Thomas Kreuzer (CSU): Sie auch! – Kerstin Schreyer-Stäblein (CSU): Da wären Sie ganz froh! – Weitere Zurufe von der CSU)
- Ich auch, ja. Aber lassen Sie mich weiterreden. Wenn ich richtig informiert bin, treffen Sie mit 47,7 % weitgehend alle Entscheidungen und begründen damit Ihre alleinige Handlungsfähigkeit. Eben dies sollten Sie den Pflegekräften auch zugestehen, meine Damen und Herren.
Der Vergleich einer Vertretung der hochdifferenzierten Pflege mit dem Bayerischen Jugendring, der ehrenamtliche Jugendarbeit fördert, ist schlicht absurd. Selbst die bayerische Dekanatskonferenz zum Thema Pflege zweifelt massiv an Ihrem Pflegering. Die Arbeitgeberverbände haben natürlich kein Interesse an der Pflegekammer, weil sie um ihren Einfluss auf die Gesetzgebung, auf die Ausbildung und auf weitere Maßnahmen fürchten, die man auf dem Gebiet der Pflege dann selbst in die Hand nehmen würde. Ich sage Ihnen: Früher oder später, hoffentlich früher, werden wir in Bayern doch noch eine Pflegekammer bekommen.
Meine Damen und Herren im Bayerischen Landtag, Sie können davon ausgehen, dass wir die Pflegekräfte in ihrem Anliegen weiter unterstützen werden. Heute ist vermutlich für längere Zeit die letzte Gelegenheit für die Kollegen von der CSU, diese falsche Entscheidung für den Pflegering zu revidieren.
Wenn Sie sich wirklich in der Pflegelandschaft bewegen und dort die Diskussionen über die Pflegekammer führen, werden auch Sie feststellen, dass die Zustimmung Stück für Stück, Woche für Woche, steigt. Deshalb bitte ich Sie, Ihre Entscheidung zu revidieren und dem Antrag der FREIEN WÄHLER heute zuzustimmen.
Vielen Dank. – Für die Staatsregierung hat Frau Staatsministerin Huml das Wort. Bitte schön, Frau Staatsministerin.
Werte Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, werte Gäste auf der Tribüne! Frau Dr. Biederbeck, Generaloberin Dürr und alle weiteren Mitstreiterinnen, ich darf Ihnen eines sagen: Wir diskutieren schon seit einigen Jahren über das Thema. Mir geht es darum, dass wir eine funktionsfähige Inte
Es ist vielfach von der Umfrage unter den Pflegekräften, die es gegeben hat, gesprochen worden. Korrekt ist: 50 % sprechen sich für eine Kammer aus. Geht man aber etwas tiefer – der Kollege Klaus Holetschek hat es dargelegt -, stellt man fest: 51 % bzw. 48 % sehen Pflichtbeiträge bzw. Pflichtmitgliedschaft als problematisch an und lehnen das ab. Das heißt, ich empfinde es als Auftrag, Ihnen hier im Bayerischen Landtag ein Gesetz vorzulegen, mit dem wir für die Pflegekräfte in Bayern eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, nicht irgendeinen eingetragenen Verein in loser Verbindung, nein, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts einrichten. Dabei führen wir aber die Nachteile für die Pflegekräfte, die mit einer klassischen Kammer verbunden wären, nicht ein. Das bedeutet: keinen Pflichtbeitrag, keine Pflichtmitgliedschaft.
Gleichzeitig ist wichtig, wie wir eine Datensammlung dazu schaffen können, wer bei uns in Bayern als Pflegekraft tätig ist. Ich bin gerade gemeinsam mit dem Datenschutzbeauftragten dabei, in irgendeiner Form eine Registrierung hinzubekommen, damit wir wirklich Daten dazu haben, wie viele Menschen in Bayern sich Tag und Nacht für Menschen einsetzen, die pflegebedürftig sind.
An dieser Stelle möchte ich ein herzliches Dankeschön an diejenigen sagen, die sich wirklich für die Menschen in diesem Land einsetzen. Diesen Menschen müssen wir eine Stimme geben. Bei diesem Punkt sind wir hier im Hohen Hause in meinen Augen nicht auseinander. Die Pflegekräfte in Bayern brauchen eine starke Interessenvertretung.
Warum brauchen sie diese Interessenvertretung? – Weil wir selbstverständlich die Diskussion haben, wie es mit Zeit für die Pflege, wie es mit Personal und wie es mit Nachwuchs aussieht. Wie sieht es mit der Finanzierung dieses Systems aus? Man darf aber bitte nicht verwechseln, was eine klassische Kammer einerseits kann, wenn es um Berufsordnung, Standesrecht und diese Dinge geht, und was wir andererseits insgesamt für die Pflegekräfte erreichen wollen. Wir können einer Körperschaft des öffentlichen Rechts sehr wohl wie einer klassischen Kammer die Dinge übertragen, wenn es um den Vollzug der Berufsordnung geht, wenn es um die Qualität geht und wenn es um Fort- und Weiterbildung geht. Das ist auch mir ein Anliegen. Wir brauchen Qualität in unseren Heimen. Wir brauchen die Möglichkeit zu Fort- und Weiterbil
dungen für Pflegekräfte, die sich vielfach so sehr engagieren, dass sie an ihre eigenen Grenzen kommen. Dafür werde ich mich einsetzen. Dementsprechend werde ich hier im Hohen Haus und im Ausschuss einen Gesetzentwurf vorlegen.
Ich bin zum Beispiel am Freitag bei der Mitgliederversammlung der Bayerischen Arbeitsgemeinschaft zur Förderung der Pflegekraft – Bay.Arge. Da möchte ich zur Mitarbeit einladen und die Argumente hören. Deswegen finde ich es fair, einen Gesetzentwurf erst danach in die Öffentlichkeit zu bringen, wenn wir mit einer Gründungskonferenz beginnen und wenn wir noch einmal gehört haben, was für die Pflegekräfte dringend und enorm wichtig ist.
Ich kann Ihnen noch eines sagen: Ständig wurde in der Diskussion gefragt: Wer wird denn bei euch Mitglied? – Die Pflegekräfte und die Pflegeverbände sollen Mitglieder werden. Es geht nicht darum, dass die Arbeitgeber die Bestimmer sind, sondern darum, Expertise einzuholen. Die Pflege soll selbst ihre Angelegenheiten bestimmen. Mir ist nicht bange, wenn die Pflege ihre Angelegenheiten in die Hand nimmt. Ich bin froh, wenn sie, wie es gestern der Fall war, sagt, sie werde als Pflege laut und bringe ihre Interessen ein. In diesem Sinne hoffe ich, dass wir gemeinsam dafür sorgen können, eine starke Stimme für die Pflege in Bayern zu bekommen und nicht nur zu reden, sondern zu handeln.
Frau Staatsministerin, Sie haben dargestellt, was der Pflegering alles leisten soll. Auf welcher Rechtsgrundlage soll er das leisten? – Das ist doch die entscheidende Frage. Bei einer Kammerlösung ist das ganz klar; da haben wir die bewährten Strukturen. Auf welcher Rechtsgrundlage wollen Sie dieses unerprobte Instrument Pflegering gründen, um die Vorteile zu haben, die Sie genannt haben und die auch notwendig sind, damit wir vorwärtskommen? Wie wollen Sie das machen?
Wir wollen das auf derselben Rechtsgrundlage tun wie bei den klassischen Kammern, der Ärztekammer oder der Apothekerkammer, nämlich in der Form einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, um damit auch die gleiche Augenhöhe herzustellen.
Vielen Dank, Frau Staatsministerin. - Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.
Vonseiten der Fraktion der FREIEN WÄHLER wurde namentliche Abstimmung über ihren Antrag auf Drucksache 17/6737 beantragt. Die Urnen stehen bereit. – Danke. Ich bitte, die Stimmkarten einzuwerfen. Fünf Minuten! – Die Abstimmung ist eröffnet.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Zeit ist um. Die Abstimmung ist geschlossen. Die Stimmkarten werden draußen ausgezählt. Das Ergebnis wird nachher bekannt gegeben. Ich bitte, die Plätze einzunehmen, damit ich in der Sitzung fortfahren kann. – Herr Kollege Dr. Goppel hat um das Wort für eine Erklärung zur Abstimmung nach § 133 Absatz 2 unserer Geschäftsordnung gebeten.
1Jedes Mitglied des Landtags kann unmittelbar nach der Abstimmung, bei Gesetzen nur nach der Schlussabstimmung, eine kurze Erklärung
über seine Abstimmung abgeben. 2Diese Erklärung hat sich auf die sachliche Begründung für sein Votum zu beschränken.
Das tut sie. - Frau Präsidentin, Hohes Haus! Es wundert nicht nur mich, dass die FREIEN WÄHLER gerne auf ihr Panier schreiben möchten, hier den pflegerischen Knoten durchschlagen zu haben. Dass es den Knoten gibt, bestreitet, glaube ich, niemand, und die Diskussion hat das auch ergeben.
Die Vielfalt der Diskussion in diesen Tagen belegt aber, dass das Thema noch nicht entscheidungsreif ist und nicht ausgerechnet heute entschieden werden kann. Weder der Pflegering mit all den Sonderüberlegungen, die die Gesundheitsministerin in diesen Tagen uns vorhin dargestellt hat, noch die Pflegekammer, die auf kräftigen Widerstand der Wirtschaft, der SPD, der Gewerkschaften und mancher anderer stößt, haben bisher die gesetzliche Figuration erreicht, um als tragfähiges Konzept die weitere und sachgerechte, in Ruhe debattierte Anlage für das Gesundheitswesen festzuschreiben. Diese Debatte muss draußen und hier im Parlament fortgeführt werden
können. Das geht nicht, wenn wir einen Beschluss fassen, der uns festlegt. Ich habe mich heute deswegen wie in den letzten Sitzungen auch der Stimme enthalten. Ich bin deswegen nicht mit dabei gewesen, weil ich denke, die Debatte heute ist nicht glücklich. Vor drei Jahren haben wir angefangen, darüber zu debattieren, ob wir eine Pflegekammer schaffen, und heute legen wir eine Lösung vor, bei der die wesentlichen Fragen noch nicht geklärt sind? Kollege Holetschek hat hier ausdrücklich erklärt, er bzw. die CSU sei änderungsbereit; ich bin ausdrücklich dazu bereit, diese Änderung beizusteuern, und das möglichst bald, nicht erst in zwei Jahren. Ich warte nämlich seit inzwischen 41 Jahren im Parlament darauf, dass sich diese Änderungen ergeben. Wir haben über die Pflege so überhaupt noch nie geredet – und jetzt sollen wir in drei Monaten alles finden? – Nein. Deswegen meine Stimmenthaltung.