Bayern ist in Sachen Klimaschutz alles andere als ein Vorzeigeland. Der Klimaschutzpolitik der Regierungspartei CSU mangelt es an Ehrgeiz. Der politische Wille zum Handeln ist unterausgeprägt. Die heutige Regierungserklärung hat weder neue Erkenntnisse gebracht noch notwendige Maßnahmen eingeleitet. Die Ministerin kann man jedoch kaum dafür kritisieren, dass sie in Sachen Klimaschutz im Kabinett für fast nichts zuständig ist – nicht für die Landwirtschaft, nicht für den Verkehr, nicht für die Energiewende. Frau Scharf, Sie müssen sich jedoch wirklich vorhalten lassen, dass Sie Ihre Stimme nicht wahrnehmbar für den Klimaschutz erheben. Bei der Energiewende sind Sie stumm. Im Bereich Verkehr ist nichts von Ihnen zu hören. In der Landwirtschaft kommen keine wahrnehmbaren Kooperationsangebote für die Öffentlichkeit. Das gilt auch für die Gebäudesanierung. Sie sind nicht Feuer und Flamme für Ihr Thema.
Sie agieren mutlos und kraftlos. Deshalb haben Sie auch heute die Chance auf einen wuchtigen politischen Aufschlag verpasst. Wir bedauern das ausgesprochen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Klimaschutz bewahrt als Lebens- und Zukunftsversicherung die Grundlagen unserer Heimat. Klimaschutz schafft gesellschaft
lichen Wohlstand und wirtschaftliche Sicherheit. Der Kampf gegen den Klimawandel ist ein ethisches Gebot. Papst Franziskus hat am 18. Juni in seiner Enzyklika "Laudato si" eindrucksvoll darauf hingewiesen: Es gibt nicht zwei Krisen nebeneinander, eine der Umwelt und eine der Gesellschaft, sondern eine einzige sozioökologische Krise. Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb gehört der Klimaschutz ganz oben auf die politische Agenda im Freistaat, aber bitte nicht nur mit Lippenbekenntnissen, sondern mit ganz konkreten Maßnahmen. Frau Ministerin, wenn Sie diese einleiten, haben Sie uns gewiss an Ihrer Seite.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Jetzt darf ich für die CSU-Fraktion Herrn Kollegen Dr. Martin Huber das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Kollege.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrte Frau Staatsministerin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Klimawandel ist unbestritten, aber dass er mittlerweile so weit fortgeschritten ist, dass Ihnen, Herr Kollege Rinderspacher, das Wasser schon bis zum Halse steht und Sie diese Debatte mit einer Themaverfehlung beginnen, wundert mich dann doch sehr.
(Beifall bei der CSU – Lachen bei der SPD – Harry Scheuenstuhl (SPD): Ihr seid doch an der Regierung! Euch steht das Wasser bis zum Hals!)
Die Situation ist weit dramatischer. "200 Millionen Menschen auf der Flucht", diese Schlagzeile werden wir im Jahr 2050 haben. Diese Menschen werden nicht vor Krieg und Terror fliehen, sondern vor Dürren, vor Überschwemmungen oder weil das eigene Haus im Meer versunken ist. Bereits im Jahr 2010 waren 20 Millionen Menschen aus Gründen des Klimawandels auf der Flucht. Die Erderwärmung steigt, und der Meeresspiegel auch. Im 20. Jahrhundert stieg der Meeresspiegel um 17 Zentimeter, allein um 7 Zentimeter in den Jahren von 1993 bis 2014.
Das Jahr 2015 wird das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Der September 2015 war der wärmste September seit 1880. Längst sind die Themen Klimawandel und Erderwärmung nicht mehr nur Gegenstand abstrakter Expertendebatten. Der Klimawandel betrifft uns ganz konkret; denn die Menschen flüchten zu uns, weil ihnen vor Ort die Lebensgrundlage entzogen ist. Wir können die Augen vor der Herausforderung des Klimawandels nicht verschließen. Der Klimawandel betrifft auch uns in Bayern. Die Ministerin hat es angesprochen: Die Gletscher in den Alpen schmel
Wie sich der Klimawandel in Bayern konkret niederschlägt, konnten wir im August in den Zeitungen lesen. Schlagzeilen wie "Trockenheit in Franken: Autowäsche verboten" oder "Folgen der Hitze: Gießverbot in Forchheim" wiesen auf die größte Trockenperiode in Teilen Frankens seit 40 Jahren hin. Noch dramatischer als bei uns wirkt sich aber die Situation in den großen Meeren aus.
Wir haben inzwischen auch den ersten Klimakrieg erlebt, er wurde nur anders bezeichnet. Ich spreche von der Piraterie vor Somalia. Durch die Erwärmung des Indischen Ozeans war es den Fischern an der somalischen Küste nicht mehr möglich, mit ihren primitiven Fangmethoden und ihren Fischernetzen Fische zu fangen. Die Fische haben sich in tiefere, kühlere Wasserschichten zurückgezogen. Damit wurde den Fischern die Lebensgrundlage entzogen. Boote waren vorhanden, und Waffen waren leicht zu bekommen. So entstand die Piraterie vor Somalia. Weit weg? Das geht uns nichts an? – Von wegen! Die Auswirkungen waren ganz konkret in Deutschland zu spüren. Unsere Bundeswehr war und ist deshalb vor der Küste Somalias im Einsatz.
Ein weiteres Beispiel ist der Pazifische Ozean. In zahlreichen Inselstaaten können die Menschen schon jetzt täglich beobachten, was eine weltweite Erwärmung des Klimas für sie bedeutet. Sie müssen zusehen, wie der Meeresspiegel steigt und ihre Inseln und Lagunen im Meer verschwinden. Im vergangenen Jahr hat Neuseeland deshalb zum ersten Mal dem Antrag einer Familie stattgegeben, die den Klimawandel als Asylgrund angegeben hat. In wenigen Jahrzehnten werden die etwa 11.000 Bewohner von Tuvalu keinen eigenen Staat mehr haben. Sie haben deshalb einen Vertrag mit Australien geschlossen. In Australien wird für sie ein Reservat eingerichtet. Ungeklärt ist dabei noch die Frage der Nationalität und des Status. Tritt Australien einen Teil seines Territoriums an die Bewohner ab? Behalten sie ihre Nationalität, oder werden sie australische Staatsbürger? Das bedeutet, in diesem Fall hat der Klimawandel sogar Auswirkungen auf die Grundlagen der Staatlichkeit. Weit weg? Das geht uns nichts an? – Von wegen!
Blicken wir auf unsere kontinentalen Nachbarn. Blicken wir auf Afrika. Die dortige Bevölkerung wird bis zum Jahr 2050 auf 2,5 Milliarden Menschen anwachsen. Im Jahr 2100 werden dort circa 4 Milliarden Menschen wohnen. Zugleich wird eine gleichbleibende Erwärmung dazu führen, dass wir mehr Wüsten, mehr Dürren und weniger fruchtbares Land haben werden. Wenn mehr Menschen durch den Klimawandel auf
weniger bewohnbarer und bewirtschaftbarer Fläche leben, bedeutet das: Der Fluchtdruck auf unseren direkten Nachbarkontinent wird zunehmen, wenn wir nicht handeln.
Diese Beispiele zeigen: Wir müssen global denken und lokal handeln. Wir können das Problem des Klimawandels nicht mit einem Schlag lösen. Wir alle hoffen auf ein verbindliches und weitreichendes Abkommen in Paris. Niemand kann beim Kampf gegen den Klimawandel das große Gesamtbild zeichnen. Aber jeder kann im Rahmen seiner Verantwortung seinen Mosaikstein dazu beitragen. Bayern investiert bereits 170 Millionen Euro in sein Klimaschutzprogramm 2050, mehr, als jedes andere Bundesland. Klimawende bedeutet, dass wir den CO2-Ausstoß senken müssen. Durch die extensive Nutzung fossiler Energie und durch die drastische Änderung der Landnutzung erleben wir, dass immer mehr CO2 in die Atmosphäre gelangt.
Lieber Herr Kollege Rinderspacher, ich kann Ihnen heute eine Bemerkung nicht ersparen: Von den 20 größten Kohlekraftwerken, die wir in Deutschland haben, stehen 9 in Nordrhein-Westfalen.
In Baden-Württemberg wurden in den Jahren 2014/2015, bereits unter Grün-Rot, zwei Kohlekraftwerke in Betrieb genommen. Wie viele dieser 20 Kohlekraftwerke stehen in Bayern? – Null. Wir wollen die energiebedingten CO2-Emissionen bis 2020 pro Kopf und Jahr von derzeit etwa 6 Tonnen auf dann deutlich unter 6 Tonnen senken.
Mir ist klar, dass Ihnen das nicht gefällt. Ich kann es Ihnen jedoch nicht ersparen. Bayern formuliert nicht nur Ziele, sondern nimmt auch seine Verantwortung ernst.
- Sie mögen das als Witz bezeichnen; ich schildere hier die Realität. Vielleicht ist das für Sie ein guter Anfang, um etwas näher an das Thema heranzukommen. – Bayern investiert in die Klimaforschung, wie das die Ministerin angesprochen hat. Mit dem Schneefernerhaus unterhalb der Zugspitze haben wir eine herausragende Umweltforschungsstation. Neben dieser Maßnahme ist die Energiewende natürlich ein
ganz entscheidender Faktor. Rund 80 % der klimaschädlichen Emissionen sind auf CO2 zurückzuführen. Bayern fördert den Ausbau erneuerbarer Energien mehr als jedes andere Bundesland. Wir sind beim Zubau der Photovoltaik und bei der Windenergie Spitzenreiter, noch vor Baden-Württemberg. Die Energiewende ist ein wesentlicher Bestandteil des Mosaiks zur Lösung des Klimawandels. Schon heute decken wir mehr als 36 % des bayerischen Stromverbrauchs durch erneuerbare Energien.
Meine Damen und Herren von der SPD, wir haben gerade Advent, nicht Fasching. Sie haben das ein bisschen verpasst. Das Lachen kommt erst später wieder. – Wir werden das Ziel, das wir uns im Frühjahr 2011 gesetzt haben, erreichen. Im Jahr 2021 wird der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch bei 50 % liegen. Bayern setzt die Energiewende konkret vor Ort um. Energiewende bedeutet jedoch nicht nur den Umstieg auf regenerative Energien, sondern auch Versorgungssicherheit, Energiespeicherung, Energieeinsparung und Energieeffizienz. Bayern investiert deshalb in die Forschung und gibt im Zeitraum von 2012 bis 2016 knapp 500 Millionen Euro für die Energieforschung aus, mehr als jedes andere Bundesland.
Ein Beispiel: Der Energie Campus Nürnberg wird seit 2009 bis zum Jahr 2016 mit 50 Millionen Euro gefördert. Die Förderung mit weiteren 20 Millionen Euro über das Jahr 2016 hinaus ist bereits beschlossen. Am Energie Campus Nürnberg forschen unter der Leitung von Herrn Professor Dr. Wolfgang Arlt mehrere Institutionen an einem Standort und schaffen interdisziplinär neue Ansätze in der Speicherforschung. Gerade sein Ansatz mit der LOHC-Forschung ist vielversprechend und wird demnächst im Rahmen eines Pilotprojekts erprobt.
Die Energieeinsparung und die Verbesserung der Energieeffizienz in den eigenen vier Wänden ist ein weiterer wichtiger Schwerpunkt. Innovative und intelligente Heiz- und Speichersysteme sowie eine energetisch nachhaltige Bauweise sind der zweite Schritt auf dem Weg zur Energiewende. Auch hier gilt: Bayern geht voran und ist Vorbild, wenn es darum geht, ehrgeizige Ziele beim Klimaschutz zu erreichen.
Energiewende heißt auch Rohstoffwende. Wir müssen aus zwei Gründen von den fossilen Rohstoffen wegkommen: Erstens. Wir müssen die CO2-Emissio
nen vermindern. Zweitens. Die fossilen Rohstoffe sind endlich, wie wir alle wissen. Das Global FoodBanking Network berechnet in jedem Jahr den Tag, an dem die Erdüberlastung erreicht sein wird. Bei der Berechnung wird der gesamte Bedarf an Wäldern, Flächen, Wasser, Ackerland und Lebewesen, den die Menschen derzeit für ihre Lebens- und Wirtschaftsweise brauchen, der biologischen Kapazität der Erde gegenübergestellt, Ressourcen aufzubauen sowie Müll und Emissionen aufzunehmen. Dieser Tag war heuer am 13. August und damit sieben Tage früher als letztes Jahr. An jenem Tag waren die Ressourcen der Erde für dieses Jahr verbraucht. Seitdem leben wir auf Pump. Wir greifen so gesehen auf die Rücklagen zu und leben damit von den Ressourcen der nachfolgenden Generationen. Das kann so nicht weitergehen.
Deshalb wollen wir die nächsten Schritte angehen und analog zur Energiewende eine Rohstoffwende herbeiführen, das heißt Primärrohstoffe durch Sekundärrohstoffe ersetzen. Mehr Effizienz beim Einsatz von Ressourcen und Material schafft Unabhängigkeit, senkt Kosten, schont die Umwelt und stärkt damit insgesamt die bayerische Wirtschaft. Auch hier ist Bayern auf einem guten Weg. In den vergangenen 15 Jahren wurde die Rohstoffproduktivität in Bayern um rund 70 % erhöht, die Verwertungsquote von rund 30 % auf über 70 % gesteigert.
Ressourceneffizienz ist ein wichtiges umweltpolitisches Handlungsfeld, das in den kommenden Jahren noch zentraler behandelt werden muss. Das ist aber auch eine große Chance für die Wirtschaft, neue Technologien zu entwickeln und damit Wertschöpfung zu generieren. - Wir müssen zu einem anderen Grundverständnis kommen, indem wir nicht von Abfall sprechen, sondern von Rohstoffen, die nicht weggeworfen, sondern wiederverwendet werden. Es muss unser Ziel sein, hier noch besser zu werden und damit die Rohstoffwende entschieden voranzubringen.
Fortschritte bei der Energieeffizienz außerhalb des Stromsektors sind ein weiterer Ansatzpunkt für eine klimafreundliche Energiewende. Wärmewende bedeutet Energieeinsparungen, saubere Heizenergie und Veränderungen in den eigenen vier Wänden. Man braucht sich nur die Zahlen vor Augen zu führen: 40 % des gesamten Energieverbrauchs entfallen in Bayern auf das Heizen. Das Sparpotenzial ist demnach immens.
Das gilt sowohl für die Klimabilanz als auch für den eigenen Geldbeutel. Bayern leistet mit dem 10.000Häuser-Programm einen wichtigen Beitrag zum Kli
Das Programm ist mit einem Gesamtbudget von 90 Millionen Euro ausgestattet und hat eine Laufzeit von vier Jahren. Wir schaffen dadurch individuelle Beispiele, wie Energie- und Wärmewende bereits im Kleinen gelingen können. Wir zeigen, wie dadurch auch Großes bewirkt werden kann. Energiewende, Rohstoffwende und Wärmewende tragen dazu bei, dass wir unseren Ausstoß von CO2 begrenzen und den Klimawandel bekämpfen.
Angesichts der herausragenden Aktivitäten Bayerns im Klimaschutz fragt man sich, welchen Mehrwert, abgesehen von einem Zuwachs an Paragrafen und Bürokratie, ein Klimaschutzgesetz haben sollte. Ich glaube nicht, dass sich der Meeresspiegel von ein paar Paragrafen beeindrucken lässt und die Erderwärmung zurückgeht, weil die Bayern-SPD ein paar Paragrafen zusätzlich aufgeschrieben hat.
Wenn unsere Klimaschutzmaßnahmen in einem Gesetz stünden, hätte dies keinerlei Effekt auf das Klima.
Eine Festlegung gesetzlich verankerter verbindlicher Klimaschutzziele auf Landesebene wäre eher problematisch, weil die Einflussmöglichkeiten aufgrund der EU- und Bundesgesetzgebung begrenzt sind.