Protokoll der Sitzung vom 02.02.2016

Herr Kollege Kreuzer hat in seiner Rede in Überschriften gesprochen und wieder einmal auf das Kleingedruckte verzichtet. Sie reden von Obergrenzen, ohne zu beschreiben, wie das Konzept aussehen soll. Was machen Sie mit dem 200.001 Flüchtling – einem Flüchtling, der mit zwei Kindern auf dem Arm nachts um halb zwei an der bayerischen Außengrenze erscheint? Weisen Sie den ab? Wohin soll die Familie gehen, wissend, dass die Mutter in Syrien im Bombenhagel ums Leben gekommen ist?

(Zurufe von der CSU)

Was machen Sie mit diesem Flüchtling?

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Schauen Sie sich das aktuelle Politbarometer an: Nur 19 % der Deutschen glauben daran, dass Deutschland den Zustrom an Flüchtlingen alleine begrenzen kann.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CSU)

Sie streuen den Menschen Sand in die Augen. Sie wissen ganz genau, dass Ihre Obergrenze eine Scheinlösung ist – das ist eine Alibiformulierung, die Tatkraft simuliert, als reine Symbolpolitik jedoch völlig konsequenzlos bleibt.

(Zuruf des Abgeordneten Thomas Kreuzer (CSU))

Sie haben kein Konzept. Stattdessen machen Sie Versprechungen, die Sie nicht halten können. Sie produzieren Luftschlösser, die schon bei der ersten Nachfrage in sich zusammenfallen.

(Zuruf von der CSU: Unverschämtheit!)

So war es auch in der letzten Plenarsitzung. Wir wollten von Ihnen wissen, wie Ihr Konzept zur Grenzsicherung aussieht; denn Sie versprechen eine lückenlose Kontrolle an der bayerisch-österreichischen Grenze, und das auf einer Länge von 816 Kilometern. Innenminister Herrmann hat gesagt, er werde uns das Konzept nicht vorstellen. Offensichtlich ist es eine neue Modeerscheinung, dass die Innenminister in unserem Lande auf Pressekonferenzen oder in den Plenarsälen sagen: Wir können Ihnen darauf keine Antwort geben; denn Teile unserer Antwort könnten Sie verunsichern.

(Zuruf des Staatsministers Joachim Herrmann)

Ich finde, wir haben ein Anrecht darauf – auch die bayerische Öffentlichkeit – zu erfahren, wie Sie sich eine lückenlose Kontrolle vorstellen. Wie viel Personal wollen Sie dafür bereitstellen? Wie viele Schlagbäume brauchen Sie? Wie viele Übergänge gibt es? Wie sieht die Kontrolle an der grünen Grenze aus?

Sie sprechen in Ihrem Konzept von der Bundeswehr, die mit eingesetzt werden soll, und von der bayerischen Landespolizei, obwohl diese bereits 1,5 Millionen Überstunden gemacht hat. Im Bierzelt versprechen Sie lückenlose Kontrollen; hier im Hohen Hause haben Sie in der letzten Woche jedoch eine Antwort auf ein konkretes Konzept verweigert. Ich finde, die Bürgerschaft und das Hohe Haus haben ein Anrecht darauf, von Ihnen, Herr Innenminister, die Eckpunkte dazu zu erfahren, wie Sie sich die Sicherung an der bayerisch-österreichischen Grenze vorstellen. Überschriften alleine genügen nicht, sondern Sie müssen auch konkrete Konzepte liefern.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der GRÜ- NEN)

Wir brauchen eine schnelle Umsetzung der im Bund beschlossenen Maßnahmen. Es muss vorwiegend darum gehen, die EU-Außengrenzen zu sichern und die Flüchtlinge in Europa gerechter zu verteilen. Wir sollten uns hier im Landtag nicht zu einem ErsatzBundestag umdeklarieren.

In der Aktuellen Stunde heute hat die CSU keinen einzigen Punkt vorgelegt, der im Landesparlament beschlossen werden kann oder beschlossen werden müsste. Wir führen hier eine Scheindebatte. Sie machen den Bayerischen Landtag zum Ersatz-Bundes

tag. Ihre landespolitischen Aufgaben jedoch, Herr Kollege Kreuzer, die mit der Integration der Flüchtlinge verbunden sind, klammern Sie aus guten Gründen aus: Bessere Integration in den Kitas, in den Schulen, auf dem Arbeitsmarkt, auf dem Wohnungsmarkt – das sind die Dinge, die wir jetzt im Landesparlament in Angriff nehmen müssen.

(Zuruf des Abgeordneten Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER))

Hier sind größere Anstrengungen nötig. Lassen Sie uns bitte darüber reden. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat der Kollege Aiwanger für die FREIEN WÄHLER das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir brauchen einen Masterplan für Bayern und nicht die zwanzigste weltpolitische Diskussion hier im Landtag.

(Lachen bei der CSU)

Wir diskutieren heute einen 12-Punkte-Katalog der CSU.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

In diesen 12 Punkten wird nicht ein einziges Mal das Wort "Kommune" erwähnt. Diese 12 Punkte beginnen an den deutschen Außengrenzen, sie befassen sich mit europäischer Politik, sie fordern den Bund auf, zur Rechtsstaatlichkeit zurückzukehren – machen Sie das doch dort, wo es hingehört!

Sie sind Teil der Bundesregierung. Fordern Sie in Berlin die Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit, fordern Sie Ihren Vorsitzenden der EVP-Fraktion im Europaparlament, Herrn Weber, als CSU-Mann auf, europäische Lösungsansätze voranzubringen, und diskutieren Sie hier bitte, wie wir die Probleme Bayerns lösen können, wie wir wenigstens die Dinge aufs Gleis bringen können, über die wir hier tatsächlich entscheiden können. Ansonsten ist diese Debatte nur eine Debatte zur Ablenkung vom eigenen Versagen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ich sage Ihnen ganz klar, dass die Denke der FREIEN WÄHLER im Zusammenhang mit dieser Problemlösung auf der kommunalen Ebene beginnt. Wir müssen nämlich auf diejenigen hören, die mit Ihrer gescheiterten Politik zurande kommen müssen.

(Zurufe von der CSU)

Das sind die Bürgermeister, die morgen und übermorgen nicht mehr wissen, woher sie den notwendigen Wohnraum nehmen sollen. Das haben wir Ihnen im Sommer des vergangenen Jahres bereits gesagt: Kümmert euch um Wohnraum!

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Das können Sie in den Protokollen nachlesen. Die FREIEN WÄHLER haben Ihnen im Sommer gesagt: Kümmert euch um Wohnraum; denn der wird knapp. Wir haben auch gesagt: Stellt genügend Asylrichter ein, um die Verfahren zu beschleunigen. - Die sind bis heute noch nicht eingestellt. Wir haben Ihnen außerdem gesagt: Stellt den Schulen mehr Lehrer zur Verfügung, damit dort, wo Flüchtlingskinder ankommen, die Probleme entsprechend angegangen werden können.

All das findet sich in Ihren Vorschlägen zur Problemlösung nicht. Sie machen Weltpolitik und vergessen, wozu Sie hier überhaupt in diesem Landtag sitzen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Meine Damen und Herren, es ist längst überfällig, dass Sie den Masterplan, den ich jetzt schon zum wiederholten Male einfordere, endlich umsetzen und mit Leben füllen. Sie dürfen den Kommunen nicht nur andeuten, dass sie irgendwann mal etwas von den Kosten für Personal und Unterkünfte sehen werden; wir fordern vielmehr jetzt die volle Kostenerstattung für kommunales Personal.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Der durchschnittliche bayerische Landkreis hat in den letzten Monaten 20 bis 40 zusätzliche Stellen nur aufgrund der Asylproblematik besetzen müssen. Das Ganze muss er aus eigener Kraft bezahlen. Setzen Sie sich an dieser Stelle für die völlige Kostenübernahme ein, sonst läuft Ihnen das Ganze völlig aus dem Ruder!

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Gehen Sie konkrete Vorschläge an, die auf kommunaler Ebene bereits vorgelebt werden, beispielsweise die Altöttinger Flüchtlingskarte. Mit dieser Karte können die Asylbewerber nach einem bargeldlosen System in Partnerläden vor Ort einkaufen; sie bekommen gar nicht erst Bargeld auf den Tisch und können es somit auch nicht an anderer Stelle ausgeben.

Das sind Lösungsansätze, die wir hier und heute diskutieren sollten und umsetzen müssen. Stattdessen

diskutieren Sie zum hundertsten Mal eine Obergrenze, die Sie bestenfalls in Berlin durchsetzen können, nicht aber hier. Sie diskutieren europäische Außengrenzen, sind aber zugleich nicht in der Lage, die bayerische Polizei so zu stärken, dass diese die Aufgaben erfüllen kann, die sie heute erledigen muss.

Vor wenigen Tagen hat mir ein bayerischer Polizist im Vertrauen gesagt, dass die Stimmung bei der Polizei im Keller ist, dass man personell völlig überfordert ist und dass die Verfahren, die von der Polizei auf den Weg gebracht werden, vom Staatsanwalt einfach weggestempelt werden. Sie haben bald keine Lust mehr, sich überhaupt noch einzusetzen.

Wir hören von der Wirtschaft, dass die angekündigten Integrationsbemühungen für den Arbeitsmarkt nach wie vor nicht laufen. Das hätten wir uns aber gewünscht. Ich wünsche mir, dass zumindest noch einer Ihrer Nachredner darauf eingeht. Sie haben ja noch ein paar Redner in der Schatulle. Wir haben leider keine Redezeit mehr.

Kümmern Sie sich darum, dass der Themenkomplex Kommunen zumindest als 13. zusätzlicher Punkt diesem 12-Punkte-Katalog hinzugefügt wird.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächste hat Frau Kollegin Kamm vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich etwas gewundert; denn das Thema der Aktuellen Stunde heißt ja eigentlich: Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit. – Wir meinen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU: Ihre Partei ist Mitglied der Bundesregierung und als solche verantwortlich dafür, dass die Bundesregierung rechtsstaatlich handelt. Wenn Sie hieran Zweifel haben, dann haben Sie ein ernstes Problem mit sich selbst.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie haben diese Aktuelle Stunde dazu benutzt, wieder einmal die Begrenzung der Flüchtlingszahlen zu fordern. Wir sagen: Ja, wir müssen alles tun, was uns rechtlich, menschlich und auch handlungsmäßig möglich ist, um die Flüchtlingszahlen zu reduzieren und die Fluchtursachen zu vermindern. Aber wir sagen auch, Ihre Forderung nach einer Obergrenze bzw. nach Schließung der Grenzen ist ohne Aufgabe unserer Werteordnung, unseres Asylrechts und unserer Grundrechtecharta nicht möglich.