Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Hans-Ulrich Pfaffmann, Volkmar Halbleib u. a. und Fraktion (SPD) CETA ablehnen - Transparenz herstellen Bevölkerung beteiligen (Drs. 17/10029)
Bevor ich die gemeinsame Aussprache eröffne, weise ich darauf hin, dass die SPD-Fraktion zu ihrem Dringlichkeitsantrag namentliche Abstimmung beantragt
hat. Mittlerweile haben auch die Fraktion der FREIEN WÄHLER und die Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN namentliche Abstimmung zu ihren Dringlichkeitsanträgen beantragt. Ich eröffne jetzt die Aussprache zu diesen Anträgen und darf Herrn Kollegen Aiwanger als Erstem das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Kollege.
Frau Präsidentin, Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Deshalb fordern wir FREIEN WÄHLER eine Volksbefragung in Bayern zu den Freihandelsabkommen TTIP, CETA und TiSA.
Wir sind der Überzeugung – und das sieht jeder, der sich mit der Materie auseinandersetzt –, dass diese Freihandelsabkommen wichtige wirtschafts- und gesellschaftspolitische Weichen für die nächsten Jahrzehnte stellen werden. Es geht aber nicht, eine Verhandlungsführung zu akzeptieren, wie wir sie derzeit vorfinden. Hinter verschlossenen Türen, teilweise von Lobbyisten gesteuert, werden Verhandlungen geführt, die der breiten Öffentlichkeit vorenthalten werden. Mittlerweile wird jetzt bei TTIP als großer Transparenzerfolg gefeiert, dass Bundestagsabgeordnete nach einer gewissen Anmeldefrist in einem Lesesaal für zwei Stunden in den englischen Texten blättern dürfen, ohne einen Übersetzer dabeizuhaben oder anschließend mit Fachleuten über dieses Thema reden zu können. So geht es nicht, meine Damen und Herren!
Wir FREIEN WÄHLER fordern deshalb: Die bayerische Bevölkerung muss gefragt werden, wie sie zu diesen Handelsabkommen steht. Wir fordern: Keine Zustimmung zu diesen Abkommen ohne ein klares Ja der bayerischen Bevölkerung!
Die Position der FREIEN WÄHLER ist dabei genauso klar wie logisch: Diese Handelsabkommen richten mehr Schaden als Nutzen an. Sie gehen über das hinaus, was man üblicherweise mit Handelsabkommen verbindet. Es wird bis in die gesellschaftspolitischen und kulturellen Gegebenheiten hinein Veränderungen und Verwerfungen geben. Kommunen, Mittelstand und Kulturschaffende, aber auch die Verbraucher werden hier an die Wand gespielt, um den Konzerninteressen Tür und Tor zu öffnen. Wir sind davon überzeugt, dass diese Handelsabkommen eine Nummer zu groß sind. Das sind keine Handelsabkommen, sondern das sind gesellschaftspolitische Abkommen, die unbegründet sind. Diese Abkommen führen zu weit. Wir sind deshalb der Überzeugung, dass wir Proble
me dort, wo es handelspolitische Hemmnisse gibt, die im Einzelfall vielleicht durchaus abgeschafft gehören, gezielt aus dem Weg räumen müssen.
Wir dürfen aber nicht um irgendwelcher wirtschaftspolitischer Zielsetzungen willen alles über Bord werfen, was sich bewährt hat. Wir sehen Bewährtes, Traditionen, wirtschaftspolitische Strukturen massiv gefährdet, beispielsweise beim Mittelstand sogar die Meisterpflicht, um nur ein Beispiel zu nennen. Wir lehnen die Handelsabkommen derzeit ab; denn wir sagen: Was in diesen Abkommen steht, das ist so nicht unterschriftsfähig, meine Damen und Herren!
Herr Ministerpräsident, auch wenn Sie jetzt zum Händeschütteln den Saal verlassen wollen, richte ich meinen Appell an Sie. Sie sind Vater des Gedankens, eine Koalition mit den Bürgern einzugehen. Sie wollen Politik quasi im Gleichschritt mit der bayerischen Bevölkerung machen. Sie wissen, dass die Mehrheit der bayerischen Bevölkerung diese Handelsabkommen ablehnt. Ein weiterer großer Teil der Bevölkerung sieht die Abkommen sehr kritisch. Ich bitte Sie deshalb: Nutzen Sie Ihr neues Instrument, das neue Werkzeug, das Sie in die Verfassung gebracht haben, nämlich die Volksbefragung! Eine Mehrheit dieses Landtags und die Mehrheit Ihrer Regierung müssten den Weg freimachen, um die Meinung der Bürger einzuholen, also derer, mit denen Sie nach Ihren Worten die Koalition eingegangen sind. Drücken Sie sich nicht weg, gehen Sie diesen Weg. Damit werden Sie sich ein bleibendes Monument in Bayern setzen, das über den Alltag – –
Sie sehen, Herr Ministerpräsident, ich bin bemüht, Ihnen zu helfen, bleibende Monumente in Bayern zu setzen. Ich bitte Sie, nehmen Sie das ernst. Ich habe bereits bei Ihrer Regierungserklärung im Herbst 2013 an Sie appelliert, sich intensiv um diese Handelsabkommen zu kümmern. Offensichtlich ist da aber zu wenig passiert. Im Herbst 2014 waren dann die Verhandlungen über CETA abgeschlossen. Wir hätten ein Jahr lang Zeit gehabt, darauf einzuwirken. Nun haben Sie die Schiedsgerichte in dem Abkommen stehen. Die Schiedsgerichte sind inakzeptabel. Sie stehen aber in dem Abkommen drin. Stellen Sie sich hier an die Spitze der Bewegung. Machen Sie bei der dritten Startbahn zeitnah, was die Mehrheit der Bevölkerung will, sagen Sie Nein zur dritten Startbahn; machen Sie zeitnah den Weg frei für eine Volksbefragung zu diesen Handelsabkommen!
Wir werden dann die bayerische Bevölkerung gemeinsam sinnvoll beraten mit dem Ergebnis, diese Handelsabkommen abzulehnen.
Diese Abkommen werden am Ende Bayern kaputt machen. Setzen Sie sich deshalb ein Monument in Bayern. Kämpfen Sie mit uns gegen diese Handelsabkommen. Machen Sie den Weg frei für die Volksbefragung.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Jetzt darf ich für die CSU-Fraktion Frau Kollegin Wittmann das Wort erteilen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schwer für mich, aber ich habe, als ich zum Podium gegangen bin, dem Herrn Ministerpräsidenten zugerufen, dass ich ihm aufgrund der Verfassung das Fundament seines Monuments entziehen muss. Herr Kollege Aiwanger, Sie beantragen in Ihrem Dringlichkeitsantrag – um die Debatte wieder zum Ernst zurückzuführen – eine Volksbefragung, wie wir sie in Artikel 88a des Landeswahlgesetzes eingeführt haben, über die Freihandelsabkommen. Seit dem Vertrag von Lissabon, Herr Kollege, sind Freihandelsabkommen in der Kompetenz der Europäischen Union und dort der Kommission. In einigen wenigen Fällen gelingt es uns hoffentlich bzw. thematisch in wenigen Fällen – aber in allen Freihandelsabkommen ist das vorgesehen –, sie zumindest einer Abstimmung in unseren beiden Kammern des Bundes zugänglich zu machen.
Im Landeswahlgesetz heißt es: "Über Vorhaben des Staates mit landesweiter Bedeutung …". Das Freihandelsabkommen, ob es CETA, TTIP oder TiSA heißt, ist kein Vorhaben des Freistaates Bayern. Dann wäre es einfach für uns, dann würden wir es nämlich verhandeln. Sie können sich darauf verlassen, dass die Landesregierung des Freistaates Bayern sowie die Mehrheitsfraktion hier im Hause dann das Richtige aushandeln würden. Dann hätten wir alle es ganz einfach.
Langer Rede kurzer Sinn: Das Verfassungsrecht entzieht uns die Grundlage, darüber überhaupt eine Volksbefragung zu machen. Es gibt dazu eine eindeutige Rechtsprechung des Verfassungsgerichts, die
noch ein Stück weiter geht und einen weiteren Punkt Ihres Antrags, die Nummer 2, aufgreift, nämlich eine mögliche Volksbefragung – also eine informatorische Befragung des Volkes, wenn ich mir erlauben darf, es auszulegen – für die Mitglieder im Bundesrat bindend zu machen. Spätestens da ist dann aber wirklich Schluss; denn genau dazu hat das Bundesverfassungsgericht schon Recht gesprochen und entschieden, dass dies auf keinen Fall sein kann.
Insoweit bleibt uns schon aus rein rechtlichen Gründen nichts anderes übrig, als Ihren Dringlichkeitsantrag ebenso wie den sich in der Fülle ungefähr an Ihren Prozentzahlen messenden Dringlichkeitsantrag der SPD abzulehnen, weil sie Verfassungsrecht einfach nicht entsprechen.
Ich glaube, dass diese Freihandelsabkommen aber viel zu wichtig sind, als dass wir uns hier nur rein auf die Fragen der Zulässigkeit beschränken sollten. Wir sollten schon ein paar Worte dazu verlieren, was sie denn für uns eigentlich bedeuten, warum die Bürger die Debatte über die Freihandelsabkommen kritisch begleiten. Ich möchte Ihnen gleich am Anfang noch zurufen: Es ist uns, wie ich meine, in den vergangenen Monaten sehr gut gelungen, von Bayern, dieser wirtschaftsstarken Region, aus, in Europa nachdrücklich in unserem Sinne für Veränderungen und für Bewegung in diesem Verhandlungsprozess zu sorgen. Das sollten wir weiterhin mit gemeinsamer Stimme tun; denn nur dann werden wir gehört werden.
Um den nachgezogenen Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN noch aufzugreifen, möchte ich Ihnen eines an dieser Stelle sagen: Sie zitieren hier beispielsweise rein inhaltlich, dass in CETA Kontingente für Milch und Fleisch festgelegt wären, was eine ganz besonders gefährliche Ausprägung eines Freihandelsabkommens sei. – So ist es aber nicht. Ganz offenkundig – und das stimmt mich mittlerweile bedenklich – haben Sie das schlicht nicht verstanden. In CETA ist ausgehandelt, dass freier Handel dort eingeschränkt ist, wo er für unsere Wirtschaft, in dem Fall für die Landwirtschaft, zu einem Problem würde. Es ist in unserem Sinne, insbesondere in bayerischem Sinne verhandelt,
Beispielsweise ist es auch völlig verboten, jegliche Art von Klonfleisch in die Europäische Union einzuführen. Es ist uns gelungen, unsere Kritikpunkte einzuführen, weil wir Freihandelsabkommen kritisch begleiten.
Meine Damen und Herren, vor der Herausforderung dessen, was uns in diesen Monaten und Jahren erwartet, brauchen wir ein wirtschaftlich prosperierendes Land Bayern. Es ist Bayern, das in dieser Bundesrepublik
viel stemmen muss, worüber die anderen wohlfeil reden, aber es nicht schaffen, die Lage weder wirtschaftlich noch sonst wie in irgendeiner Form,
und zwar insbesondere dort, wo Ihre Damen und Herren mitregieren, zu heben. Wir brauchen es! Neben dem, was wir innerhalb Bayerns erwirtschaften können, sind wir darauf angewiesen, uns über den Außenhandel weitere Märkte zu erschließen. Dies müssen wir so tun, dass es im Sinne Bayerns und im Sinne der mittelständischen Unternehmen ist, damit wir auf diese Art und Weise mit hoch qualifizierten Arbeitskräften und all dem, was Bayern und seine Handelskraft ausmacht, weiterkommen und das erwirtschaften können, was Sie in den anderen Bundesländern so gerne verbrauchen.
Lassen Sie mich noch auf einen weiteren Punkt eingehen. Die kommunale Daseinsvorsorge, die Sie hier überall so nett ansprechen, ist in der Tat weder in CETA noch, soweit wir es bisher kennen, in TTIP in irgendeiner Form angegriffen. Über TiSA brauchen wir überhaupt nicht zu reden; denn dazu gibt es überhaupt noch keine Kenntnis von irgendetwas. Deswegen können wir es derzeit nicht beurteilen. Wir können an dieser Stelle nicht etwas ablehnen, wovon wir nicht einmal wissen, wie es aussehen soll. – Herr Kollege Aiwanger, ich verstehe Sie an diesem Punkt wirklich überhaupt nicht.
Das Erste, was Sie zur Begründung Ihres Antrag erklärt haben, ist: Wir müssen das Volk deswegen befragen, weil keiner weiß, was drinsteht.