Protokoll der Sitzung vom 08.03.2016

sen wir als politisch Verantwortliche sukzessive abbauen. Da bin ich Ihnen, Herr Professor Dr. Gantzer, sehr dankbar, dass Sie seit vielen Jahrzehnten hier im bayerischen Parlament für unsere Polizei einstehen. Haben Sie aber bitte auch Verständnis; denn Sie haben vorhin etwas frustriert geklungen, als Sie sagten, dass wir Ihre Anträge ablehnen. Sie haben selbst darauf hingewiesen: Diese Anträge wurden im Dezember als Dringlichkeitsanträge eingereicht. Im Januar wurden sie im Innenausschuss behandelt, und heute stehen sie, auf Wunsch eines Antragstellers, zur Behandlung im Plenum an, was wir auch sehr gern tun.

Unsere Polizei ist gefordert. Die Zahl der Überstunden beträgt zwei Millionen bei 40.000 Polizeibeamten. Es wurden also pro Beamter 50 Überstunden gemacht, und das ist pro Woche eine. Eine Pauschalisierung bringt uns hier wirklich nicht weiter. Stattdessen müssen wir dort, wo es hart ist, helfen. Wir müssen dort Unterstützung leisten, wo es gilt zu entlasten. Eine Entlastung der Polizei kann man aber nicht par ordre du mufti machen.

In der Bundesrepublik Deutschland, die föderal aufgebaut ist, geht das nur in Zusammenarbeit mit den anderen Ländern. So wird seit einigen Monaten – wenn auch erst seit Kurzem, wie ich leider zugeben muss – über die Entlastung der Polizei bei Schwertransporten gesprochen. Das wäre auch hilfreich, doch auch das liegt nicht in der Hand des Freistaats Bayern. Hilfreich wäre außerdem, wenn Atemalkoholtests anerkannt und diese bei Strafanzeigen gerichtsverwertbar würden, sodass keine Blutentnahmen mehr gemacht werden müssten. Hilfreich wäre auch, wenn man sich für Gefangenentransporte etwas überlegen könnte. Allerdings muss ich sagen – der Justizminister ist da –, das müsste dann die Justiz übernehmen, und zwar mit einer entsprechenden personellen Ausstattung und Ausbildung sowie mit besonderer Befugnis. Das sind Themen, über die wir reden können. Über einen Rückzug aus dem Objekt- und Personenschutz muss die Polizei aber aufgrund ihrer eigenen fundierten und ihrer Ausbildung entsprechenden Lagebeurteilung selbst entscheiden. Wir, die Politik, müssen uns in diesen Fragen zurücknehmen.

(Beifall bei der CSU)

Sehr geehrte Damen und Herren, wir können unsere Polizei nicht dadurch entlasten, dass wir in unserer Gesellschaft gewisse Dinge einfach freigeben. Ich spreche hier von den berühmten Bagatelldelikten wie Ladendiebstahl, Besitz von Rauschgift in geringen Mengen, Beleidigung und ähnliche Dinge. Wir können doch nicht sagen, weil unsere Polizei überlastet ist, sind Ladendiebstahl, Besitz von Rauschgift in gerin

gen Mengen und Ähnliches straffrei. Da würden wir unserer Polizei und ihrem Ansehen doch einen Bärendienst erweisen.

(Beifall bei der CSU)

Das polizeiliche Einsatz- und Verfolgungsverhalten muss sich an Recht und Gesetz und nicht an der jeweiligen Anforderungslage orientieren.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Polizei braucht unsere Unterstützung. Sie braucht aber nicht unser Mitleid. Ich darf daher grundsätzlich feststellen, dass wir in den letzten Jahren kontinuierlich das gemacht haben, was als Bayerischer Landtag unsere vornehmste Aufgabe ist. Wir sind Haushaltsgesetzgeber, und wir haben in den letzten Jahren systematisch mehr Planstellen geschaffen und mehr Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte eingestellt. Wir haben mehr und mehr Beförderungsstellen ausgebracht und viele andere Dinge. Sehr geehrte Damen und Herren, sicherlich kann man sagen: Mehr ist immer besser. Da bin ich Ihrer Meinung, was die Polizei betrifft. Ich teile auch Ihre Meinung, die wir heute ja den ganzen Tag schon gehört haben. Was haben wir heute gemacht? – Die drei großen "B": Bildung, Bauern, Polizei.

(Allgemeine Heiterkeit)

Und überall heißt es: mehr Geld! Überall fordern Sie Millionen und Abermillionen mehr. Letztendlich, sehr geehrte Damen und Herren von der Opposition – und auch das gestatten Sie mir –, ist es natürlich Ihr gutes Recht, in jedem Bereich immer mehr zu fordern. Wenn es aber um die Abstimmung über das Haushaltsgesetz geht, dann lehnen Sie immer ab, und wir müssen es verantworten.

(Hans Herold (CSU): So ist es!)

Ich meine, wir werden dieser Verantwortung gerecht – das beachtend, was ich vorhin gesagt habe: Ein Mehr ist natürlich immer besser.

Ich könnte Ihnen eine ganze DIN-A4-Seite mit Zahlen vorlesen: 41.370 Stellen, Personal wie nie zuvor, seit Dezember 2015 925 zusätzliche Stellen, seit 2007 3.635 Polizeistellen mehr, ein Plus von 10 %, Zuteilung von insgesamt 1.070 neu ausgebildeten Polizisten an die Inspektionen; im Vergleich dazu: etwa 800 Beamte erreichen die Ruhestandsaltersgrenze, 2010 bis 2015 mehr als 7.800 Nachwuchskräfte eingestellt bei rund 4.500, die in Ruhestand gehen, ein Plus von rund 3.300 Polizeibeamten. – Diese Zahlen kennen Sie, sehr geehrte Damen und Herren. Diese Zahlen sind fiskalisch herausfordernd. Wir freuen uns – ich könnte die Seite noch zu Ende lesen –, dass wir das als Verantwortliche im Bayerischen Landtag, insbe

sondere der Haushaltsausschuss, und die Bayerische Staatsregierung tun konnten. Es wäre natürlich auch äußerst hilfreich, wenn die Damen und Herren auf der Seite der GRÜNEN und der SPD in den Ländern, in denen sie Verantwortung tragen, ebensolche Zahlen vorweisen könnten. Wenn in anderen Bundesländern Polizei nicht abgebaut, sondern aufgestockt würde wie hier in Bayern, dann hätten wir die komfortable Lage, vielleicht nicht ganz so viele Unterstützungseinsätze leisten zu müssen wie derzeit.

(Beifall bei der CSU)

Die Polizei entlasten. – Wir werten und verstehen Ihren Redebeitrag, Herr Professor Dr. Gantzer, durchaus auch als Aufforderung an unsere Polizeiverwaltung, die Entlastung als ständige Aufgabe zu betrachten. Unsere Polizei braucht aber nicht nur die Entlastung von Aufgaben, nicht nur mehr Geld für Personal und Beförderungen, sondern unsere Polizei braucht auch politische Unterstützung. Es ist wenig hilfreich, wenn zum Beispiel der bayerische GRÜNE Toni Hofreiter im Deutschen Bundestag von institutionellem Rassismus bei der Polizei spricht. Obwohl bei den Gewerkschaftsversammlungen immer Lippenbekenntnisse zu unserer Polizei abgegeben werden, ist das politische Handeln von Misstrauen gegenüber unseren Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten geprägt.

(Beifall bei der CSU)

Ich stelle hier im Hohen Haus zum wiederholten Male fest: Fehlverhalten einzelner Beamtinnen und Beamten muss streng verfolgt werden. Aber das, was wir vielfach erleben, nämlich vorauseilendes Misstrauen gegenüber unserer Polizei, ist unangebracht. Ich stelle weiter fest: Unsere Polizei nicht erst dann, wenn es gerechtfertigt ist, sondern regelmäßig nach Einsätzen mit Anträgen und Anfragen zu überziehen, was bis hinunter in die einzelne Dienststelle kiloweise Papier verursacht, ist nicht der richtige Weg im Umgang mit unseren Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten.

Ich möchte schließen, sehr geehrte Damen und Herren, mit einem Ja zu der Feststellung, dass sich unsere Polizei großen Herausforderungen gegenübersieht. Ich muss ebenso feststellen, dass sich unsere Gesellschaft und die Anforderungen in den letzten Monaten mit einer Rasanz entwickelt haben, die vermutlich niemand voraussehen konnte. Diese Rasanz macht es der Bereitschaftspolizei gänzlich unmöglich, in der Ausbildung nachzuschieben.

Ich darf der Bereitschaftspolizei ein herzliches Wort des Dankes sagen, die mit unerhörter Anstrengung ausbildet. Ich darf Dank sagen für die enorme Ausbildungsleistung, damit die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten für ihren Dienst gut gerüstet sind.

Ich darf auch Dank all denen sagen, die die Herausforderungen im letzten Jahr gemeistert haben. Sehr geehrte Damen und Herren, es werden vermutlich nicht weniger Herausforderungen für unsere Gesellschaft und für unsere Polizei. Ich bin froh, dass für die nächsten Jahre geplant ist, mehr Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte einzustellen, als in den Ruhestand gehen werden. Ich bin dafür, dass der Bayerische Landtag die bayerische Polizei mit Vertrauen und nicht mit Misstrauen begleitet und immer ausreichend Mittel zur Verfügung stellt.

Die Anträge lehnen wir ab. Ja, wir beschäftigen uns mit unserer Polizei, geben ihr die notwendigen Mittel und sorgen dafür, dass sie ihren Dienst ordentlich verrichten kann.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Herr Kollege Hanisch, die Fraktionen sind mit Ihrer Nachmeldung einverstanden. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Danke dafür, dass wir unseren Beitrag an den Schluss stellen konnten.

Ich glaube, die innere Sicherheit ist ein ganz wichtiges Thema. Viele andere Länder beneiden uns um die Sicherheit, die wir hier in Deutschland und in Bayern haben. Ich glaube, was wir an innerer Sicherheit in Bayern aufbieten, ist einmalig in Europa. Weltweit liegen wir damit an der Spitze. Das haben wir denen zu verdanken, die für uns tätig sind: unserer bayerischen Polizei.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der CSU)

Meine Damen und Herren, innere Sicherheit ist die grundlegende Voraussetzung dafür, dass wir alle friedlich in unserer Gesellschaft leben können. Was die Polizei in den letzten Monaten zusätzlich leisten musste, ist enorm. Denken Sie an die Mammutaufgabe des G-7-Gipfels, die hervorragend gemeistert wurde. Natürlich war auch die Bundespolizei mit dabei; aber die Arbeit, die von der bayerischen Polizei zu leisten war, war enorm.

Es ist die Grenzsicherung, wo wir in der Schleierfahndung wesentlich aktiver tätig sein müssen, als wenn wir die Bundespolizei an unseren Grenzen zur Kontrolle hätten. Überstunden fallen auch an, weil unsere Polizei unverhältnismäßig häufig in anderen Bundesländern, die ihre eigene Polizei abgebaut haben, eingesetzt wird. Wir sollten uns einmal überlegen, ob wir

das so weitermachen wollen oder ob wir auch mal Nein sagen, wenn entsprechende Anforderungen kommen. Die zahlreichen Fußballspiele fordern die Polizei immer wieder. Bei der Polizei kommen immer wieder zu kurz: die Familie und die Freizeit.

Meine Damen und Herren, all das sind Gründe für die drei Anträge, die heute gestellt wurden. Ich darf es vorwegnehmen: Ich habe den Eindruck, sie sind wieder von der falschen Seite gestellt worden. – Herr Ländner, Sie schütteln den Kopf.

(Dr. Florian Herrmann (CSU): Immer die gleiche Mär von euch!)

Mit Ihren Ausführungen hätten Sie die drei Anträge genauso gut vertreten können. "Wir brauchen", war Ihr Schlusssatz, "mehr Geld für die Polizei." Mehr Geld in die Polizei zu investieren, das genau ist die Forderung der drei vorliegenden Anträge. Dann stimmen Sie doch bitte auch zu!

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, die Einsatzbelastung der bayerischen Polizei ist enorm. Sie wird immer höher, und da müssen wir einfach sagen: Selbst wenn neue Polizeianwärter eingestellt werden, dauert es drei Jahre, bis sie verfügbar sind. Das ist nichts Neues; das wissen wir seit Jahren. Da muss ich halt rechtzeitig etwas mehr Polizeibeamte einstellen.

Richtig ist, dass wir mit 41.370 Stellen so viel Polizei haben wie nie zuvor; aber wir sollten auch bedenken, dass die Polizei in Bayern noch nie so viele Aufgaben zu bewältigen hatte wie heute. Deshalb ist diese Steigerung allein durch die Mehrbelastung gerechtfertigt.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Meine Damen und Herren, die hohe Motivation, mit der unsere Polizei an ihre Arbeit herangeht, schätze ich immer wieder. Dabei riskieren die Polizeibeamtinnen und -beamten ihre eigene Gesundheit; denn so ungefährlich sind diese Einsätze auch nicht. Ich möchte eindringlich bitten: Verheizen wir unsere Polizeibeamtinnen und –beamten nicht. Die große Anzahl von Überstunden legt diesen Schluss allmählich nahe.

Das sage ich insbesondere im Hinblick auf eine Meldung, die ich vor einigen Tagen mit Verwunderung zur Kenntnis genommen habe. Medienberichten zufolge werden im Innenministerium Vorüberlegungen angestellt, wie innerhalb von wenigen Stunden wieder umfassende Grenzkontrollen durch unsere bayerische Polizei durchgeführt werden könnten. Das mag – da waren sich alle Fachleute einig – mal eine Woche gut

gehen, das kann 14 Tage gut gehen. Das ist aber keine Daueraufgabe, die von der bayerischen Polizei in dieser Form gelöst werden kann. Insofern sage ich: Da müssen wir mit Fingerspitzengefühl vorgehen. Wir haben die Möglichkeit der Schleierkontrolle. Diese Aufgabe können wir hervorragend leisten. Aber überlasten wir unsere Polizei nicht mit solchen zusätzlichen Aufgaben!

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Wir FREIEN WÄHLER wissen natürlich auch, dass es in der derzeitigen Situation kein Wundermittel gegen die hohe Einsatzbelastung der Polizei gibt, und wünschen uns dennoch, dass die Staatsregierung unsere Vorschläge aus dem Dringlichkeitsantrag umsetzt. Wenn sie in ein paar Monaten als eigener Antrag von der CSU kommen, kann uns das auch recht sein. Aber grundsätzlich meine ich: Wir müssen die Überbelastung der Polizei sehen und etwas dagegen tun. Vielleicht kann man auch überlegen, ob man die Polizeianwärter am Ende ihrer Anwärterzeit schon mit für Polizeiaufgaben einsetzt. Ich weiß nicht, inwieweit das aus Sicht der Polizei möglich ist. Das würde vielleicht kurzfristig etwas helfen.

Zum Abschluss darf ich allen Polizeibeamtinnen und – beamten ganz, ganz herzlich für die vorbildliche Arbeit danken, die sie für unsere Gesellschaft leisten. Sie macht Bayern zum sichersten Bundesland. Ich komme gerade aus einem Land, in dem Sicherheit zwar auch groß geschrieben wird; seine Bürgerinnen und Bürger beneiden aber uns alle um die Sicherheit und um die Erfolge, die wir in Bayern haben. Setzen wir das nicht leichtfertig aufs Spiel!

Deshalb bitte ich Sie um Unterstützung für diese Dringlichkeitsanträge. Wir werden dem SPD-Antrag selbstverständlich zustimmen. Wir finden auch den Antrag der GRÜNEN hervorragend. Aber Sie wissen, weshalb wir ihm nicht zustimmen können: Wir haben bei Rauschgift halt eine andere Meinung als die GRÜNEN, und Sie waren nicht bereit, diesen Punkt aus dem Antrag herauszunehmen. Insofern kann ich hier keine Zustimmung signalisieren. Ich bitte Sie um Zustimmung für unseren Antrag.

Vielen Dank. – Frau Kollegin Schulze möchte ihre Redezeit von einer Minute und zehn Sekunden noch nutzen. Bitte schön, Frau Kollegin.

Ja. Ich kann’s auch ganz kurz machen. Ich wollte Herrn Ländner noch schnell das Thema Entkriminalisierung von Bagatelldelikten in unserem Antrag erklären. Nehmen wir Ladendiebstahl als Beispiel. Wir behaupten nicht und haben das auch nie getan, dass ein Ladendiebstahl

nicht mehr geahndet werden soll, sondern sind der Meinung, dass man den Ladendiebstahl beispielsweise unter gewissen Umständen von einer Straftat zur Ordnungswidrigkeit abstufen kann.

(Thomas Kreuzer (CSU): Warum? – Das ist Quatsch!)

Das hätte viele Vorteile: eine Modernisierung des Strafrechts und eine Entlastung der Justiz und der Polizei. Und, Herr Ländner, wenn Sie uns GRÜNEN da nicht glauben, dann glauben Sie vielleicht dem Deutschen Anwaltverein. Da sitzen ganz viele Strafrechtsexpertinnen und Strafrechtsexperten; die haben diese Forderung auch schon mal aufgestellt.

(Beifall bei den GRÜNEN)