Protokoll der Sitzung vom 07.04.2016

Der Gesetzentwurf der SPD bietet auch Möglichkeiten, auf Defizite der Staatsregierung hinzuweisen. Es gibt nämlich – das ist uns auch ganz wichtig – Handlungsempfehlungen zur Verbesserung des Ehrenamtes – jetzt müssen Sie zuhören – aus dem Jahre 2010. Zu diesen Empfehlungen gibt es ein schönes Papier. Dazu haben wir einen Antrag gestellt, der vom Runden Tisch einstimmig befürwortet, aber im Sozialausschuss noch nicht behandelt worden ist. Wir meinen, es wäre ein großer Mehrwert, wenn die 70 Empfehlungen aus dem Jahr 2010 – wir haben genau nachgeprüft und festgestellt, dass 30 noch nicht umgesetzt sind – berücksichtigt würden. Es wäre wichtig, die Handlungsempfehlungen aus dem Jahr 2010 im Jahr 2016 endlich anzugehen. Das wäre ein sehr großer Mehrwert.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Es gibt ein weiteres Defizit. Unsere Fraktion hat im Jahr 2014 einen Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes zur Freistellung von Arbeitnehmern zum Zwecke der Jugendarbeit, das aus dem Jahre 1980 stammt, eingebracht. Es soll der aktuellen Entwicklung angepasst werden. Die Erste Lesung des Gesetzentwurfs der FREIEN WÄHLER fand im April 2014 statt. Jetzt haben wir April 2016, aber im Prinzip geht gar nichts voran. Wir meinen, das kann nicht sein. Die Jugendverbände sprechen uns dauernd an, dass wir etwas für die Freistellung tun müssen. Das ist ein Bereich, der das Ehrenamt zentral betrifft. Deswegen wollen wir, dass es endlich zur Zweiten Lesung hier im Plenum kommt. Wir haben manchmal das Gefühl, dass die Behandlung unseres Gesetzentwurfs bewusst verzögert wird. Vielleicht hat es die CSU noch nicht geschafft, einen eigenen Gesetzentwurf einzubringen. Ich weiß genau, dass auch Sie mit den Verbänden reden und eigentlich auch wollen, dass das Gesetz verändert und aktualisiert wird. Es stammt aus dem Jahr 1980, und deshalb müssen wir Veränderungen vornehmen.

Fazit: Der Gesetzentwurf der SPD bietet die Möglichkeit, über das Ehrenamt zu diskutieren, und wir müssen hier auch weitermachen. Aber wir müssen die bestehenden Strukturen einbeziehen – wir versuchen das auch mit Anträgen – und versuchen, sie aufzubauen. Wir sollten nicht von vornherein anstreben, sie zu streichen und dafür neue zu schaffen.

Kommen Sie bitte zum Schluss!

Ich komme zum Schluss und sage, dass wir uns, weil der Gesetzentwurf gute Ansätze enthält, aber nicht allen unseren Forderungen entspricht, der Stimme enthalten werden.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Herr Dr. Fahn. – Wir haben eine Zwischenbemerkung der Kollegin Waldmann. Bitte schön.

(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Herr Kollege, ich habe mich kurz zu Wort gemeldet, um zwei, drei Klarstellungen vorzunehmen, weil es sich vielleicht um Missverständnisse handelt. Zum einen haben Sie die Koordinierungszentren angesprochen und gefragt, warum nicht auch die Mütterzentren, die Mehrgenerationenhäuser und die Freiwilligenagenturen einbezogen werden. Doch, sie werden einbezogen. Wir brauchen sie ja auch, um Koordinierungszentren da aufzubauen, wo es sie noch nicht

gibt. Aber wir können ihnen nicht einfach Aufgaben zuweisen, ohne sie finanziell auszustatten. Das ist das eine.

Sie haben auch wie der Kollege Jörg das Landesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement angesprochen, das in der Tat hervorragende Arbeit leistet. Wir haben es auch im Vorfeld beteiligt und seine Expertise einbezogen. Wir haben von dort auch eine sehr positive Stellungnahme erhalten. Aber es kann nicht Gegenstand eines Gesetzes sein, diesem selbstverwalteten Netzwerk Aufgaben zuzuweisen. Das kann nicht Inhalt des Gesetzes sein. Das Netzwerk ist sehr wohl einbezogen worden, kommt aber deswegen nicht vor, weil ihm nicht in einem Gesetz Vorschriften gemacht werden können. Das klarzustellen ist mir sehr wichtig, damit kein Missverständnis besteht.

In der Tat sehen wir den Landesbeirat als eine Weiterentwicklung des Runden Tisches, der bei Gesetzesvorhaben, vor Verordnungen usw. hier im Hohen Haus gehört werden muss. Das wäre der Unterschied zu dem bisherigen Runden Tisch.

Danke schön, Frau Waldmann. Herr Dr. Fahn, bitte.

Im Gesetzentwurf steht nur der Landesbeirat und nichts vom Runden Tisch. Daraus folgern wir, dass der Runde Tisch damit abgeschafft werden soll. Das ist der erste Punkt.

Beim zweiten Punkt geht es um das Landesnetzwerk. Ich habe mit Frau Leitzmann und Thomas Röbke sehr guten Kontakt, und wir haben uns ausgetauscht. Sie haben mehrfach gesagt, dass sie sich sehr gewundert haben, dass sie im Vorfeld nicht eingebunden wurden. Sie wären dazu bereit. Man sollte das Landesnetzwerk schon einbeziehen. Sie haben mir gesagt, dass das ein Defizit im Gesetzentwurf der SPD ist. Das habe ich mit ihnen zweimal besprochen.

Ich danke für den Hinweis. Wir müssen aber weiterkommen. Das Landesnetzwerk veranstaltet am 31. Mai im Rathaus der Stadt München einen parlamentarischen Abend, bei dem es auch um das Ehrenamt und das Service-Learning geht. Darüber können wir am 31. Mai um 16 Uhr im Rathaus in München weiter diskutieren.

Danke schön, Herr Dr. Fahn. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Celina. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Die meisten von uns haben zumindest vor ihrem hauptberuflichen

Einstieg in die Politik schon Ehrenämter übernommen. Jeder weiß, wenn man sich engagieren möchte, wenn man etwas Zeit und einige Kompetenzen und Fähigkeiten anbieten kann, kann man sich quasi aussuchen, wo man sich engagieren möchte; denn Bedarf gibt es fast überall. Warum tut man das? Warum engagiert man sich eigentlich ehrenamtlich? Die Antwort ist klar: Man tut es nicht nur für andere, sondern auch für sich selbst, weil man mit Menschen zusammen sein kann, die ähnliche Interessen und ähnliche Werte haben, weil man Dankbarkeit erfährt, weil man sich außerhalb der beruflichen und privaten Aufgaben neue Herausforderungen sucht und weil man zusätzlich Erfolgserlebnisse hat. Man arbeitet im Ehrenamt nicht für den Papierkorb, sondern tut etwas Sinnvolles. Man lernt dazu und erwirbt Kompetenzen, die man auch im Beruf und im Privatleben brauchen kann. All das motiviert Millionen von Menschen in Deutschland zu ehrenamtlichem Engagement.

Sie, liebe Kollegen von der SPD, schlagen mit Ihrem Gesetzentwurf einige Maßnahmen vor, die diese Motivation noch steigern sollen und noch mehr Menschen zu ehrenamtlichem Engagement bringen sollen. Aber ich glaube, dass ein Großteil der Maßnahmen, die Sie vorschlagen, nicht viele Verbesserungen bringen wird; oder der Preis, den diese Maßnahmen kosten, ist einfach zu hoch, als dass daraus weiteres Engagement entstehen wird.

Die Tatsache, dass sich so viele Menschen spontan entschlossen haben, sich in der Flüchtlingsarbeit zu engagieren, zeigt meiner Meinung nach genau die Bereitschaft, außerhalb der festgezurrten üblichen Tätigkeiten da anzupacken, wo es notwendig ist. Letztlich war den Engagierten der Dank des bayerischen Staates ziemlich egal, und da widerspreche ich dir, Oliver Jörg, vehement. Bei den offiziellen Empfängen fanden sich nur wenige der Engagierten ein, um den Dank der Politiker live zu erleben. Wichtiger war ihnen, dass die Anspannung und die Angst aus den Gesichtern der neu Angekommenen wichen, dass sie die ersten deutschen Wörter lernten und dass sich die Kinder wieder wie freie Kinder verhalten konnten.

Genau aus dieser Erkenntnis heraus bezweifle ich, dass das, was die SPD hier gut gemeint vorschlägt, tatsächlich zum Erfolg führt. Um Frust bei der ehrenamtlichen Arbeit zu vermeiden, ist nämlich gerade der Abbau von Bürokratie wichtig. Im Gegensatz dazu führt das, was im Gesetzentwurf steht, zu mehr Bürokratie und zu höheren Kosten. Die kommunalen Spitzenverbände sehen sich deshalb auch nicht in der Lage, die verpflichtende flächendeckende Schaffung von Koordinierungsstellen für Bürgerschaftliches Engagement und einer Geschäftsstelle für den Landesbeirat für Bürgerschaftliches Engagement zu stem

men. Die Landkreise sehen sich mit dem Sachkostenanteil, den die Kommunen die Koordinierungsstelle kosten soll, überfordert. Die Kosten für die geplante Stiftung und die Ehrenamtskarte kämen hinzu.

Dazu muss man wissen, dass sich die Sozialausgaben in den bayerischen Kommunen seit dem Jahr 2000 annähernd verdoppelt haben, dass der Spielraum also gering ist. Auch in der Weiterentwicklung des Runden Tisches zu einem Landesbeirat und mit der Weiterentwicklung des Amts des Ehrenbotschafters zu einem hauptamtlichen Landesbeauftragten beim Landtag sehe ich persönlich keinen großen Mehrwert.

Die Ehrenamtskarte soll nach Ihrem Entwurf weiterentwickelt und mit einem freien Eintritt in Museen und einer Ermäßigung im öffentlichen Nahverkehr verbunden werden. Die Ehrenamtskarte ist gut, aber der Aufwand, eine Ermäßigung im öffentlichen Nahverkehr damit zu verbinden, ist enorm. Außerdem – auch das sollten wir nicht vergessen – verfolgt die Stadt München bewusst ein anderes Modell, das gut läuft. Ich scheue mich, den Münchnern ein anderes Modell von oben herab aufzupfropfen.

Positiv finde ich aber, dass das ehrenamtliche Engagement als Ziel in die schulische Erziehung aufgenommen werden soll; denn wir alle wissen: Es ist nicht mehr so wichtig, die Hauptstadt von Bolivien, die Bodenschätze von China und den Erlkönig auswendig gelernt zu haben, sondern es kommt auf soziale und kommunikative Kompetenzen an, auf Überzeugungsfähigkeit und darauf, zu wissen, wo man etwas nachschauen kann. Das lernt man alles im Ehrenamt. Auch dafür gibt es schon Freiräume innerhalb der Schule, wenn auch noch nicht genug.

Aber in einem haben Sie, Frau Waldmann, recht. Die Förderung des ehrenamtlichen Einsatzes für das Gemeinwohl als Staatsziel aufzunehmen, war eine Luftnummer bzw. zu dem, was es vorher schon gab, ist nichts hinzugekommen. An dieser Stelle nehme ich auch die Bayerische Staatsregierung und die CSUFraktion in die Pflicht. Die Tatsache, dass dieser gut gemeinte Vorschlag der SPD noch nicht perfekt ist, entbindet Sie nicht von der Pflicht, in dieser Hinsicht auch selbst in die Pötte zu kommen. Leider ist die Regierungsbank heute recht leer, und auch die Plätze bei der CSU sind heute nicht zahlreich besetzt. Ich finde es schade, dass dieses Thema, das Ihnen so wichtig ist, hier so wenig personelle Resonanz findet.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zusammenfassend möchte ich sagen: Wo Licht ist, ist auch Schatten. Gut gemeint ist noch lange nicht gut

gemacht. Wir können einzelnen Teilen des Entwurfs durchaus zustimmen, anderen aber nicht. Deshalb werden wir uns heute dazu enthalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Einen Moment, Frau Celina. Ich sehe gerade, dass sozusagen in allerletzter Sekunde noch eine Zwischenbemerkung von Herrn Dr. Fahn angemeldet wurde. Bitte schön.

Die Aufnahme des Ehrenamts in die Bayerische Verfassung war keine Luftnummer. Das möchte ich ganz klar sagen. Das war ein wichtiger Impuls, der gesetzt wurde. Nun muss dies aber auch umgesetzt werden. Das ist wichtig. Dabei sind wir alle gefordert. Auch die GRÜNEN sind gefordert, sich einzubringen. Wir haben hier im Landtag, sogar einstimmig, den Beschluss gefasst, hierfür finanzielle Mittel bereitzustellen. Das muss auch so sein; denn: ohne Moos nix los.

Ich sage noch einmal: Die Aufnahme des Ehrenamts in die Verfassung war keine Luftnummer.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Frau Celina, bitte.

Ich korrigiere meine Wortwahl und verweise darauf, dass ich gesagt habe, dass zu dem, was es vorher schon gab, nichts hinzugekommen ist. Die Aufnahme als Staatsziel in die Verfassung hat also für den Zweck bisher leider nicht viel gebracht. Aber das liegt nicht an den FREIEN WÄHLERN und auch nicht an den Oppositionsfraktionen insgesamt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Celina. – Die letzte Wortmeldung kommt von Staatssekretär Hintersberger. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich vorweg drei wichtige Aspekte nennen.

Erstens. Seitens der Staatsregierung möchte ich den 3,6 Millionen Menschen, die in Bayern jeden Tag nicht in den Schlagzeilen sind, dafür aber umso engagierter und effizienter das ehrenamtliche Engagement lebendig umsetzen, herzlich danken. Sie sind der Markenkern für die Lebensqualität unserer bayerischen Heimat. Dies ist durch nichts, aber auch gar nichts zu

ersetzen. Diese Menschen machen unser Land so lebenswert.

(Beifall bei der CSU)

Zweitens. Auch das meine ich so, wie ich es sage: Ich danke ebenfalls allen, die sich im politischen und vorpolitischen Bereich einbringen, mit verschiedenen Anregungen, mit konstruktiver Kritik – Kollege Oliver Jörg hat dies ausgeführt –, in den verschiedenen Gremien, ganz gleich, ob parlamentarisch oder in den verschiedenen Organisationsformen, die es hierfür gibt. Ich erwarte, bitte und appelliere, dass wir kreative, innovative, interessante Aspekte immer wieder auf den Prüfstand stellen und weiterentwickeln. Dies ist ein permanenter Prozess, weil es immer wieder andere Menschen sind, die sich engagieren.

Drittens. Dieses bürgerschaftliche Engagement braucht Freiräume. Ein Gesetz in diesem Bereich widerspricht nach unserem Verständnis per se dem Selbstverständnis eines freiwilligen ehrenamtlichen bürgerschaftlichen Engagements. Bürgerschaftliches Engagement ist von sich aus Freiraum für Bürgerinnen und Bürger. Diesen Freiraum wollen die Menschen und benötigen ihn auch, um über ihre Freizeit nach eigenem Ermessen, nach eigenen Vorstellungen, nach eigenen Wünschen selbstbestimmt zu entscheiden. Ich bin davon überzeugt, dass nur in diesem Freiraum die ganz persönliche Kraft, die ganz persönliche freiwillige, engagierte ehrenamtliche Einsatzfähigkeit entfaltet werden und zur Geltung kommen kann.

Daher haben wir uns schon zweimal grundsätzlich dagegen gewandt, diesen Bereich in Gesetzesform zu zwängen. Dies würde – davon bin ich persönlich überzeugt – die Kreativität und das persönliche Engagement eher beschränken, als Positives zu bewirken.

(Ruth Waldmann (SPD): Wo denn?)

Dies ist an mehreren Aspekten deutlich geworden.

Wir fördern und wertschätzen das Ehrenamt als besonderes Markenzeichen, als besonderen Kern unseres Gemeinwesens, aber wir wollen und werden es nicht verstaatlichen.

(Ruth Waldmann (SPD): Wer will das denn?)

Lassen Sie mich noch ganz kurz auf einige Punkte eingehen, die meine Vorredner bereits weitestgehend angesprochen haben, insbesondere Kollege Oliver Jörg, der dies umfassend dargestellt hat.