Protokoll der Sitzung vom 20.04.2016

Der SPD-Antrag enthält sehr viele Fragen. Ich bin mir nicht sicher, ob alle diese Fragen derart detailliert beantwortet werden können; gleichwohl finde ich es aber gut, wenn so viele Fragen aufgeworfen werden. Dem Antrag der FREIEN WÄHLER können wir ebenfalls zustimmen. Ich bitte hiermit auch um Zustimmung zu unserm Antrag.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. – Nächster Redner ist Professor Bauer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist mir ein persönliches Anliegen, und es ist ein großes Anliegen meiner Fraktion, uns zunächst bei allen Pflegerinnen und Pflegern für ihre hervorragende Arbeit, für ihre Arbeit am Menschen, für ihre Arbeit an hilfsbedürftigen Menschen ganz herzlich zu bedanken. Ihre tagtägliche Leistung unter erschwerten Bedingungen verdient allerhöchste Wertschätzung und allerhöchste Anerkennung. An dieser Stelle ist es wichtig festzustellen, dass nur ganz wenige betrügen. Ich möchte mich schützend vor diejenigen stellen, die

täglich ihre Arbeit erledigen, täglich korrekt abrechnen und täglich eine korrekte und fachlich hochqualifizierte Pflege anbieten. Deswegen ist es unnötig, einen Generalverdacht auszusprechen, und falsch, Vorverurteilungen vorzunehmen.

(Zuruf von der CSU)

Hier ist keine Rednerin oder Redner gemeint, sondern ich meinte, es ist in der allgemeinen öffentlichen Darstellung so, auch in der veröffentlichten Meinung, die wir in den letzten Tagen immer wieder gelesen haben. Deswegen war es mir wichtig, das zu sagen. Es ist wichtig, dass die überwiegende Mehrzahl immer noch korrekt zu ihrem Beruf steht.

Wenn wir unsere Anträge durchbringen sollten, darf es dadurch keine zusätzliche Bürokratie geben. Es ist unmöglich, Pflege auf Kante genäht durchzuführen und zusätzlich noch bürokratischen Mehraufwand einzubauen. Pflege darf nicht an Bürokratie scheitern. Pflege darf auch nicht an Betrug scheitern. Deswegen brauchen wir eine umfassende Aufklärung. Deswegen werden wir den Dringlichkeitsanträgen der CSU und der SPD zustimmen. Wir müssen die Schwächen aufdecken und die persönliche Verantwortung der Abrechner in Anspruch nehmen.

Damit ich es nicht vergesse, sage ich gleich, dass der Dringlichkeitsantrag der FREIEN WÄHLER, wie ich es in der schriftlichen Begründung gegenüber Frau Fröhlich vom Landtagsamt angekündigt habe, geändert wird. Frau Schreyer-Stäblein hat bestätigt, dass wir auf die Worte "und mündlich" verzichten und sie aus dem Antragstext nehmen.

Mir bereitet ein bisschen Sorgen, dass in dem Antrag der CSU von Heimkontrollen die Rede ist. Das ist eine kernige Forderung, weil im privaten Bereich das Grundgesetz besondere Anforderungen stellt. Dort gilt die Wohnung als besonders geschützter Raum. Hier müssen wir sehr aufpassen, dass wir nicht Heimaufsichten, wie es im Antrag der SPD steht, und Heimkontrollen in die ambulante Pflege einführen. Das möchte ich an dieser Stelle ganz deutlich machen.

Wir brauchen mehr Pflegekräfte. Wir brauchen gut ausgebildete Pflegekräfte. Wir brauchen motivierte Pflegekräfte. Wir brauchen aber keine Sozialbetrüger. Wir müssen diese schwarzen Schafe finden; denn Sozialbetrug ist ein Betrug an der Volksgemeinschaft. Das darf nicht passieren.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Deswegen werden wir eine Taskforce zur Aufklärung dieser Pflegebetrügereien fordern. Wir lassen es nicht zu, dass hier Versichertengelder verschwendet wer

den. Deswegen fordern wir als zentrale Maßnahme eine Taskforce zur Bekämpfung des Sozialversicherungsbetrugs im ambulanten Pflegebereich.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Stimmen Sie unserem Antrag zu. Wir werden das bei den anderen Anträgen auch tun. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Herzlichen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Leiner.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Es freut mich sehr, dass Sie heute bei einer Aussprache über das Thema Pflege anwesend sind. Das ist ein wichtiges Thema. – Wenn man die Menschen in Deutschland und in Bayern fragt, was sie am meisten beschäftigt, dann kommt zuerst die Sicherheit der Renten. Aber sofort danach folgt die Sorge um die Pflege im Alter: Wie werde ich versorgt, wenn ich pflegebedürftig werden sollte? Wie funktioniert das?

Wir haben bereits jetzt größte Schwierigkeiten im Pflegebereich. Wir haben de facto den Pflegenotstand. Wir kämpfen täglich um mehr Fachkräfte. Wir versuchen in diesem Hause – ich sage das ausdrücklich –, das Image der Pflege deutlich zu verbessern. Jetzt platzen auch noch diese Meldungen über kriminelle Machenschaften in unsere Bemühungen. Deshalb ist es hier im Hohen Hause Zeit – ich bin meinen Kolleginnen und Kollegen dankbar, dass das bereits erfolgt ist –, sich ganz herzlich bei den Pflegekräften zu bedanken, aber auch bei denjenigen, die viele unbezahlte Stunden zur Versorgung der ihnen anvertrauten Menschen aufwenden. Vielen herzlichen Dank dafür!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Im Prinzip geht es hier aber nicht um die Pflege. Hier geht es um organisierte Kriminalität, die eine neue Dimension erreicht hat. Das geschieht auf dem Rücken der Schwächsten in unserer Gesellschaft. Wir müssen dieses, wie wir aus der Presse entnehmen konnten, beispielsweise im Vergleich zum Drogenhandel angeblich bessere Geschäft lückenlos untersuchen und alle Maßnahmen ergreifen, um es zu unterbinden.

Nur eine kleine Minderheit der Pflegedienste ist in diesen Skandal verwickelt. Unsere Pflegedienste sind in der überwiegenden Mehrheit gesetzestreu, anständig und qualitativ gut. Tagtäglich pflegen ihre Mitarbeiter viele ältere Menschen und erhalten dafür erstens zu wenig Geld und zweitens zu wenig Anerkennung in

der Gesellschaft. Ihr Einsatz für die Pflegebedürftigen wird nun dadurch diskreditiert, dass sich in diesem milliardenschweren Bereich offensichtlich mafiöse Strukturen bis jetzt relativ ungesichert, wie es aussieht, meine Damen und Herren, verbreiten konnten. Das ist der eigentliche Skandal. Die Pflege in Bayern hat es nicht verdient, in einem Satz mit Prostitution und Drogenhandel genannt zu werden.

Ich frage mich aber auch: Warum gilt gerade Bayern als Schwerpunkt der Betrugsfälle? Die AOK sprach heute von einer Achse Augsburg-Kaufbeuren-Kempten. Wie kann es sein, dass betrügerische Pflegedienste über mehrere Jahre hinweg Millionensummen auf Kosten der Allgemeinheit abzocken? Man muss die Frage stellen, wer hier versagt hat. Der AOK zufolge rechneten kriminelle Pflegedienste in Bayern bei den Krankenkassen bis zu 200 Millionen Euro unrechtmäßig ab. Die AOK Bayern hat bereits neun Fälle allein in Schwaben angezeigt. Bei nur einem Fall ist bisher aber bekannt, dass eine Anklage durch die Staatsanwaltschaft Augsburg erfolgt ist, und das schon vor zwei Jahren. Diese Anzeige der AOK liegt seit zwei Jahren vor. Einen Prozesstermin gibt es immer noch nicht, meine Damen und Herren.

Aber wie lange ist dieser Zustand den Staatsanwaltschaften bereits bekannt? Sind die Staatsanwaltschaften ausreichend mit Expertinnen und Experten ausgestattet, um diese – ich gebe es zu – komplizierte Materie adäquat zu bearbeiten? – Ich kann mir den Hinweis auf den Fall Schottdorf hier nicht ersparen. Oder haben die Krankenkassen versagt? Wie sieht es mit der Zusammenarbeit der Kontrollorgane aus, um derartig ausgefeilte Betrugssituationen zu erkennen und anzuzeigen? Gibt es einen ausreichenden Datenaustausch? Wurden bisher alle Hinweise immer weiterverfolgt?

Für mich ist bemerkenswert, dass die Sozialhilfeträger von den Kassen bisher gar keine Hinweise zu diesen Betrugsvorfällen erhalten haben; denn auch die Sozialkassen haben hier schweren Schaden erlitten. Das wundert mich. – Die nächste Frage: Wie lange ist dieser Zustand schon der Bayerischen Staatsregierung bekannt, Frau Ministerin? – Die nächste Frage: Gibt es wirklich eine Gesetzeslücke? Müssen wir gesetzlich tätig werden? – Deshalb verlangen wir wie die anderen Fraktionen eine vollkommene Aufklärung dieses Skandals und vor allem Antworten.

Gleichzeitig möchte ich aber vor Schnellschüssen warnen. Auch Versäumnisse innerhalb des Systems müssen dargestellt werden. Auffälligkeiten müssen schneller entdeckt und verfolgt werden. Wir sehen eine Möglichkeit in der Digitalisierung der Pflege. Da müssen wir dringend weiterkommen und die Transpa

renz auch mit Hilfe der neuen Technologie erhöhen. Gleichzeitig ist es aber wichtig, dass wir der Pflege nicht noch mehr Bürokratie aufbürden, als sie bisher schon zu leisten hat.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, es geht um Betrug an den Menschen. Die Pflege muss für den Menschen da sein; diese Botschaft muss deutlich sein. Es muss verhindert werden, dass sich jemand auf Kosten des Sozialstaates und damit auf Kosten der Beitragszahler bereichert.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir stimmen den vorliegenden Anträgen zu, die verschiedene Nuancen aufweisen. Bei der CSU geht es mehr um die Nuance, dass die Pflegekräfte durch die erwähnten Vorfälle nicht diskreditiert werden; das halten wir für richtig. Bei der SPD geht es um die Aufklärung anhand eines Fragenkatalogs; das ist ebenfalls richtig und wichtig. Bei den FREIEN WÄHLERN geht es um die Frage – darüber wird noch zu reden sein –, ob die Taskforce als richtige Initiative gesehen wird. Wir stimmen allen Anträgen zu.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. – Nächster Redner ist der Kollege Imhof.

Verehrte Frau Präsidentin, Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kenne und schätze die Zusammenarbeit in unserem Gesundheitsausschuss seit zwei Jahren, und wenn es so ähnlich laufen könnte, Herr Kollege Leiner, wie Sie das ganz zuletzt geschildert haben, wäre ich bei allen in den Anträgen angesprochenen Punkten mit ihren unterschiedlichen Nuancen sehr optimistisch. Der Antrag der FREIEN WÄHLER wurde nachgezogen, und der CSU-Antrag stellt zu Recht die Pflegekräfte in den Mittelpunkt. Ich bin – das wissen Sie – draußen enorm viel unterwegs und weiß, dass wir sehr darauf achten müssen – das steht auch sehr konkret in unserem Antrag –, dass die Menschen, die, wenn ich die stationäre Pflege dazunehme, tagtäglich Millionen versorgen, nicht weiter mit dem Rücken zur Wand stehen. Ich behaupte, dass mehr als 90 % der Pflegekräfte ihren Job unter unglaublich schwierigen Bedingungen unglaublich gut machen.

(Beifall bei der CSU und der SPD)

Ich war sehr betroffen, als am Sonntag die Meldung über die schwere Kriminalität durch die Medien ging. Ich habe als Erstes gesagt: Das ist eine Frage des Rechtsstaats; Frau Kollegin, Sie haben das auch ge

sagt. Aber die Staatsanwälte sind aktiv und haben auch im schwäbischen Bereich Ermittlungen aufgenommen; das ist richtig. Ich glaube nicht, dass Bayern der Schwerpunkt organisierter Kriminalität ist. In einigen Wochen werden wir dazu vielleicht Genaues erfahren. Aber es gibt natürlich auch in Bayern solche Probleme. Das muss Anlass dafür sein, alles, was da an Schwerkriminalität stattfindet, im juristischen Sinn total zu sanktionieren. Das ist die eine Geschichte.

Es gibt aber noch eine andere Geschichte, und da stehen wir immer in einem Spannungsfeld. Erst gestern hat der Kollege Holetschek auf das Spannungsfeld zwischen Bürokratie und qualitativer Pflege hingewiesen. Die Politik hat zuallererst für eine bestmögliche Versorgung im Alter zu sorgen. Das ist unsere Aufgabe.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Ganz konkret gab es dazu in den beiden letzten Jahren neue Gesetze. Ich glaube schon – das bestätigen auch die Partner der Großen Koalition und viele Akteure –, dass die Pflegestärkungsgesetze zu einer wichtigen Entwicklung in der Pflege geführt haben. Im Übrigen ermächtigen diese Gesetze die Selbstverwaltung und die Politik, ein Stück weit mehr Kontrolle wahrzunehmen, zum Beispiel im ambulanten Bereich, auch in der häuslichen Pflege. Dabei hoffe ich – das sage ich auch an dieser Stelle – auf weitere Maßnahmen.

Die Rente – Herr Ministerpräsident, Sie haben sie in der letzten Zeit häufig angesprochen – und das zentrale Thema Pflege sind im Bewusstsein der Bevölkerung noch nicht richtig angekommen. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Wenn ich auf den Marktplätzen unseres Landes stehe und mit älteren Menschen diskutiere, merke ich: Das Thema Pflege hat, wie die Versorgung der Kinder unter drei Jahren, noch nicht die Rückendeckung, die wir in der Politik brauchen. Natürlich hat das auch immer etwas mit dem eigenen Geldbeutel zu tun, und keiner von uns darf suggerieren, dass die Gesetzgebung der Politik nicht auch viel Geld kostet, sondern sie belastet unsere eigene Tasche als Privatbürger ein Stück weit.

Es gibt ein Spannungsfeld mit der Bürokratie und den Kontrollmechanismen. Sie wissen, dass unsere Pflegekräfte über die Arbeit klagen, die Dokumentation so aufrechtzuerhalten, dass sie allen Anforderungen gerecht wird. Mindestens ein Drittel ihrer Arbeitszeit verwenden sie für die Bürokratie. Das kann nicht sein, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Unsere ehemalige Kollegin Christa Stewens hat da vorzügliche Arbeit geleistet. Es gibt eine neue Form

der Dokumentation, und ich bin sehr optimistisch, dass die Bürokratie mit den Trägern und mit den Fachleuten vor Ort ein ganzes Stück weit reduziert wird. Frau Beikirch macht das im Bund, und Christa Stewens nimmt das federführend in Bayern in die Hand. Wir haben auch bei Gott einen wahnsinnigen Kontrollmechanismus. In allen Häusern, in die ich komme und die anständig und ordentlich geführt werden, beschwert man sich: Der MDK kommt zu oft und unangemeldet usw. Das kriegen Sie doch alle mit.

Auf der anderen Seite tragen wir die Verantwortung für diejenigen, die gepflegt werden, und ihre Angehörigen. Deswegen müssen wir – das haben Sie zu Recht gesagt, Kolleginnen und Kollegen – die Lücken schließen, die es gibt. Da sind übrigens die Kassen stark gefordert. Bundesminister Gröhe und Herr Laumann, habe ich heute gehört, sind schon initiativ geworden und haben die Kassen in Bayern aufgefordert – ich werde es auch noch einmal tun –, uns mitzuteilen, wo diese Lücken sind, damit wir sie schließen können. Da geht es um die häusliche Krankenpflege. Die Kassen hätten diese Lücke übrigens schon im laufenden Gesetzgebungsverfahren schließen können. Ich bin auf das gespannt, was mir Herr Schirmer von der AOK heute Abend sagen wird. Ich möchte niemandem Schuld zuweisen; aber die Kassen müssen sich schon melden und sagen, was aus ihrer Sicht getan werden muss, um Missbrauch zu vermeiden. Das verlange ich ganz eindeutig von den Kassen. Dann kann die Politik im Sozialversicherungsrecht tätig werden und die Lücken konsequent schließen.

Frau Kollegin Schreyer-Stäblein hat vorhin gefragt, was wir bei den Rahmenbedingungen tun sollen. Die CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag fordert hier zusammen mit der Ministerin, den Personalschlüssel – der ist in Bayern seit Jahren der beste in Deutschland – weiterzuentwickeln. Das müssen wir tun. Wir in Bayern stehen an der Spitze, wie mir der Bundesminister bestätigt hat.

Als Zweites müssen wir die hohe Zahl der Ausbildungsabbrecher angehen, und wir tun es. Die Ministerin hat einen Fünf-Punkte-Plan aufgestellt. Die Zahl der Abbrecher muss reduziert werden, und die Bezahlung – Kerstin, du hast es erwähnt – muss adäquat und gerecht sein und kontinuierlich weiterentwickelt werden. Ich könnte noch vieles anderes sagen, etwa zur Schwerkriminalität. Da sind immer mehrere Akteure beteiligt. Um hier erfolgreich tätig zu werden, braucht es die unmittelbar Betroffenen, ihre Angehörigen, den Pflegedienst und die Schwester bzw. den Pfleger vor Ort. Das müssen wir konsequent über Staatsanwaltschaften angehen. Ich könnte noch vieles sagen; aber die Einzelheiten sind im Ausschuss

oder anderweitig bei einer weiteren Debatte besser aufgehoben.

(Beifall bei der CSU)