Protokoll der Sitzung vom 28.04.2016

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Wer verbietet Ihnen zu sagen: Die Bundespolizei bleibt hier. Wenn Sie mir das klarmachen, bin ich sofort still. Sie sollten dies schlüssig klarmachen, nicht nur in Form dieses Antrags.

Deshalb lautet die Überschrift unseres Dringlichkeitsantrags: "Endlich handeln statt endlos reden – Bayerns Grenzen sinnvoll sichern!". Sie reden immer nur davon. Das ist auch richtig. Bitte setzen Sie es doch auch um. Sie haben es in der Hand, wir bestimmt nicht.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Nummer 1 unseres Dringlichkeitsantrags ist mehr oder weniger mit Nummer 1 des Dringlichkeitsantrags der CSU identisch, weil wir sehen, dass es so sein muss. Die zweite Forderung haben wir härter formuliert als Sie. Wir fordern "Keine weitere Reduzierung des Einsatzes der Bundespolizei …" Leider haben Sie sich die Bundespolizei schon ganz schön reduzieren lassen. Außerdem fordern wir einen sinnvollen, bedarfsgerechten Einsatz auf Haupt- und Nebenverkehrsstraßen und im Zugverkehr. Manchmal möchte man meinen, Sie kennen die Landkarte nicht. Vielleicht arbeitet die Bundespolizei zu wenig mit Ihnen zusammen. Auf der Landkarte gibt es Autobahnen, Schleichwege, Bundesstraßen, Landstraßen und Feldwege. Wenn man Sicherheitslücken schließen will, muss man sie einbeziehen. Wir sind nicht so weit von den Grenzen entfernt. Jeder weiß aus seinen persönlichen Erfahrungen, dass nicht lückenlos kontrolliert wird. Sie müssen sich ein bisschen mehr abstimmen und mehr Fantasie entwickeln.

Wir wollen, dass diese Sicherheitslücken geschlossen werden. Wir lehnen Ihren Antrag nur deswegen ab, weil er in der dritten Nummer nicht für Ordnung an der eigenen Grenze, sondern an der übernächsten sorgt. Momentan beuten wir die Polizei fast aus, um in unserem eigenen Land die Schleierfahndung durchzuführen. Wir müssen schauen, wer einen korrekten und wer einen gefälschten Pass besitzt. Trotzdem muss darauf geachtet werden, dass die Autobahn zweispurig kontrolliert wird, damit die Pendler nicht leiden müssen. Diese Polizei wollen Sie an die übernächste Grenze schicken. Das ist nicht zu verantworten. Aus diesem Grund lehnen wir Ihren Antrag ab.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Herr Kreuzer, vielleicht habe ich mich bei der vierten Forderung unseres Dringlichkeitsantrags falsch ausgedrückt. Wir fordern nicht direkt die Einstellung von mehr Polizisten. Wir wollen endlich ein Konzept. Das kann ein Blatt Papier sein – vielleicht reicht eine DINA5-Seite aus –, auf dem Sie ganz klar darlegen, wie Sie mit dem Überstundenberg umgehen und unsere

Polizei entlasten wollen. Das muss schneller gehen. Das passiert in Berlin mit dem Schwerlastverkehr. Sie müssen zeigen, wie Sie mit dem vorhandenen Personal umgehen, ohne dass dieses am Limit arbeitet. Das ist auch unsere Verantwortung.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Frau Kollegin Gottstein. – Jetzt hat Herr Professor Gantzer von der SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wenn man wie ich schon länger im Landtag sitzt, hat man viele Anträge erlebt. Ihr Dringlichkeitsantrag von der CSU ist aber etwas ganz Besonderes. Der Antrag von den FREIEN WÄHLERN ist ein typischer Nachzieher, ein Adabei-Antrag. Deswegen gehe ich hauptsächlich auf Ihren Antrag ein. Wie kann ich diesen Antrag verstehen? – Ich kann ihn nur verstehen, wenn ich weiß, was in diesem Jahr passiert ist.

Am 26. Januar schreibt der Ministerpräsident einen Brief an die Bundeskanzlerin und verlangt eine deutliche Verschärfung in der Flüchtlingspolitik, Schritte zur Reduzierung der Flüchtlingszahlen, verstärkte Grenzkontrollen zu Österreich und unverzügliches Handeln. Sollte nicht unverzüglich gehandelt werden, behält sich Bayern eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht vor. Um diese Drohung zu untermauern, haben Sie ein Gutachten eines ehemaligen Verfassungsrichters mit 120 Seiten beigelegt.

Was ist passiert? – Jetzt, nach drei Monaten, ist die Antwort eingegangen. Wahrscheinlich hat das Kanzleramt so lange gebraucht, um intensiv zu recherchieren und das Gutachten zu lesen. Ihr Brief war sechs Seiten lang, das Gutachten umfasste 120 Seiten, das Antwortschreiben drei Seiten. Das spricht eigentlich schon für sich.

Die Bundeskanzlerin schreibt, die Bundesregierung verfolge das Ziel einer nachhaltigen Lösung der Flüchtlingskrise. Und jetzt kommt‘s: Die Zahl der Flüchtlinge müsse reduziert werden. Aber Europa müsse zugleich auch seinen humanitären Verpflichtungen gerecht werden. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Eine christliche Partei weist eine andere christliche Partei auf humanitäre Verpflichtungen hin. Das ist schon was Besonderes.

(Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Frau Merkel verweist weiter auf die Beschlüsse der Konferenz in London Ende Februar zur besseren Bekämpfung der Fluchtursachen. Sie erwähnt die Ver

einbarung zwischen der EU und der Türkei vom 18. März. Außerdem stellt sie fest, dass die Bundesregierung doch erhebliche Mittel bereitgestellt habe, bis hinunter zu den Kommunen. Dann schreibt sie wörtlich: "Im Ergebnis sieht die Bundesregierung weder Raum für den Vorwurf, der Bund habe im Zusammenhang mit seiner Flüchtlingspolitik rechtliche Bindungen nach dem Unionsrecht oder nach nationalem Recht missachtet, noch für den Vorwurf, der Bund habe keine Schritte zur Reduzierung der Zahl der nach Deutschland kommenden Asylsuchenden unternommen."

Was nun, liebe CSU? Was nun? – Eigentlich bleibt jetzt nur noch übrig, die eigene Regierung zu verklagen, die Regierung in Berlin, an der Sie selbst als Koalitionspartner beteiligt sind. Ich kann Sie nur auffordern: Springen Sie endlich einmal! Hic Rhodus, hic salta! Jetzt ist die Stunde der Wahrheit gekommen. Erheben Sie Verfassungsklage!

(Beifall bei der SPD und den FREIEN WÄH- LERN)

Wie ich an Ihrem Dringlichkeitsantrag sehe, trauen Sie sich nicht. So traurig es ist, dies im bayerischen Parlament sagen zu müssen: Diesmal hat der bayerische Löwe gebrüllt und ist als Bettvorleger vor dem Bett der Frau Kanzlerin gelandet.

(Beifall bei der SPD)

Vor diesem Hintergrund ist Ihr Antrag ein "Gesichtswahrungsantrag". Sie wollen damit den Rückzug einleiten, weil Sie sich untereinander und auch mit Ihren Juristen nicht darüber einig sind, ob Sie eine Verfassungsklage erheben können. Sie haben gemerkt, dass sich Ihre Drohung abgenutzt hat. Deshalb stellen wir fest: Wir werden Ihren Dringlichkeitsantrag, und den Dringlichkeitsantrag der FREIEN WÄHLER sowieso, aus sachlichen Gründen ablehnen.

(Kerstin Schreyer-Stäblein (CSU): Rein sachlich!)

Wenn ich den Dringlichkeitsantrag der CSU lese und mir die Dauerdiskussion, die wir über Fluchtursachen und Grenzschließungen führen, ansehe, habe ich den Eindruck, dass wir so tun, als wären wir an den Zuständen in Afrika völlig unschuldig. Wir tun so, als ob die Europäer nicht dazu beigetragen hätten. Wir sprechen von Fluchtursachen, Armut und Not, aber wir reden nicht darüber, wer diese Fluchtursachen zu verantworten hat. Deswegen sage ich: Eine Grenzschließung ist kein Mittel gegen Hunger und Not. Wir dürfen keine Mauern bauen, sondern wir sollten Brücken bauen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Im letzten Jahr habe ich die Südgrenze der USA besucht und mir die dortigen Mauern angesehen. Als ich die dortigen Flüchtlingsquoten erfahren habe, habe ich festgestellt, dass auch diese großen, großen Mauern der USA an der Grenze zu Mexiko nichts an den Flüchtlingsströmen geändert haben. Irgendjemand hat einmal gesagt, Flüchtlingsströme seien wie Wasser. Wenn man einen Weg zumacht, sucht sich das Wasser andere Möglichkeiten, um zu uns zu kommen. Diese Menschen fliehen nur vor Hunger und Not. Deswegen müssen wir dafür Verständnis haben.

Zu den sachlichen Gründen möchte ich kurz Folgendes sagen: Die FREIEN WÄHLER wollen die Bundespolizei an Haupt- und Nebenstraßen einsetzen. Offenbar haben Sie das Gesetz nicht so genau gelesen. Außerdem soll die Bundespolizei die Grenzkontrollen einstellen. Sie wird also sicherlich nicht bereit sein, dafür die Straßen zu kontrollieren.

Für die CSU kann ich nur wiederholen, was Frau Kollegin Gottstein schon gesagt hat. Sie wollen zum Schutz der gesamten Südgrenze in Österreich bayerische Polizeibeamtinnen und –beamte einsetzen. Wir kritisieren immer wieder, dass sich die bayerische Polizei am Limit befindet. Sie weiß schon gar nicht mehr, wie sie die vielen Überstunden abbauen soll. Pro Beamten haben wir 100 Überstunden. Und jetzt sollen die Beamtinnen und Beamten auch noch an die österreichische Grenze zu Italien gehen? – Deswegen werden wir diesen Dringlichkeitsantrag ablehnen.

Ich nenne noch in aller Kürze zwei weitere Gründe: Erstens. Wir wollen uns nicht in den innerparteilichen Schwesterstreit einmischen. Es ist nicht Aufgabe des Landtags, der CSU bei ihrer Auseinandersetzung mit der CDU zu helfen. Zweitens. Wir stehen zu der Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin.

(Beifall bei der SPD)

Präsident Obama war gerade auf der CeBIT und hat die Bundeskanzlerin gelobt. Er sagte, sie stehe auf der richtigen Seite der Geschichte.

(Thomas Kreuzer (CSU): 16 minus x!)

Was hat Frau Merkel geschrieben? – Wir müssen unseren humanitären Verpflichtungen gerecht werden. Wir stimmen der Bundeskanzlerin insoweit zu und lehnen daher Ihre Dringlichkeitsanträge ab.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Herr Professor Dr. Gantzer, einen kleinen Moment. – Zunächst: Die CSU-Fraktion hat für den Dringlichkeitsantrag der CSU namentliche Abstimmung beantragt.

(Beifall bei der SPD)

Ich erteile jetzt Herrn Kollegen Pohl für eine Zwischenbemerkung das Wort.

Zunächst einmal herzlichen Dank an die SPD-Fraktion für diesen Beifall. – Herr Kollege Dr. Gantzer, Sie haben gesagt, die SPD wolle sich in den Streit zwischen CDU und CSU nicht einmischen. Ich denke, da Sie in einer Dreier-Koalition sind, hätten Sie die Chance, hier segensreich als Vermittler zu wirken. Wenn Sie das nicht wollen, ist das Ihre Sache.

Sie haben erklärt, Sie wollten über den Antrag der FREIEN WÄHLER gar nicht diskutieren und würden diesen Antrag ablehnen. Wir haben beide das gleiche Fach studiert. Mir kommt das so vor: Wer keine Antwort mehr weiß, sagt, dass das immer schon so gemacht worden ist. Diesen Eindruck hatte ich bei Ihrer Antwort. Sie lehnen den Dringlichkeitsantrag der CSU ab. Das kann man tun. Die Frage lautet tatsächlich: Warum handelt ihr nicht, warum redet ihr nur? – Die CSU muss sich diesen Vorwurf gefallen lassen, weil sie im Bund und in Bayern regiert. Besser wird es nicht mehr. Die FREIEN WÄHLER regieren aber weder im Bund noch in Bayern. Wir können deshalb sehr wohl die Forderung nach einer wirksamen Grenzsicherung erheben.

Hier stellt sich die Frage, wie es die SPD in dieser Frage hält. Wie will die SPD den Herausforderungen begegnen? Aus welchen Gründen werden unsere Anträge abgelehnt?

Ein letzter Punkt: Sie haben gesagt, in unserem Antrag werde gefordert, die Bundespolizei solle die Verkehrsadern kontrollieren. Damit sind natürlich die Verkehrsadern an den Grenzen gemeint. Bei einer sachgerechten, nicht böswilligen Auslegung könnte man dies aus unserem Antrag herauslesen. In diesem Fall haben Sie die böswillige Auslegung gewählt.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Lieber Herr Kollege Pohl, ich kenne Ihre Examensnote, ohne das Waffenregister eingesehen zu haben, weil Sie mir diese Note selbst mitgeteilt haben.

(Allgemeine Heiterkeit)

Ich wundere mich deshalb, wie Sie hier argumentieren. Sie argumentieren hier nicht wie ein Einser-Jurist. Sie haben einen Antrag gestellt, in dem steht, dass die Bundespolizei an Haupt- und Nebenverkehrsstraßen eingesetzt werden soll, Punkt. Diese Aussage kann man gar nicht auslegen. Wenn ich als Korrektor

in einem Examen eine solche Arbeit gelesen hätte, hätte ich darauf wahrscheinlich nur drei Punkte gegeben.

(Beifall und Heiterkeit bei der SPD)

Lieber Herr Kollege Pohl, wir haben über die Flüchtlingspolitik sehr oft und sehr gründlich diskutiert. Ich habe die Position der SPD zu diesem Thema bereits deutlich gemacht. Wir müssen die Fluchtursachen bekämpfen und uns darüber im Klaren sein, dass Europa, China, die USA und viele andere Länder schuld daran sind, dass die wirtschaftliche Lage in Afrika so schlecht ist. Hier müssen wir ran.

(Bernhard Pohl (FREIE WÄHLER): Als Bayerischer Landtag?)

Für mich ist die Hauptsache die Bekämpfung der Fluchtursachen, nicht die Grenzschließung. Brücken bauen, nicht Mauern!