Verehrte Kolleginnen, verehrte Kollegen. Ich eröffne die 73. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.
Am 28. April verstarb im Alter von 88 Jahren der ehemalige Abgeordnete und frühere Oberbürgermeister von München Georg Kronawitter. Er gehörte dem Hohen Haus von 1966 bis 1972 sowie von 1994 bis 1998 an und vertrat für die SPD den Wahlkreis Oberbayern bzw. den Stimmkreis München-Altstadt.
Während seiner Parlamentszugehörigkeit war er unter anderem Mitglied im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft, im Ausschuss für Grenzlandfragen sowie im Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr. In den Jahren 1970 bis 1972 hatte er das Amt des stellvertretenden Vorsitzenden seiner Fraktion inne. Von 1972 bis 1978 und von 1984 bis 1993 war er Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München.
Georg Kronawitter war ein Politiker, der sich leidenschaftlich für die Belange der Bürgerinnen und Bürger einsetzte. Er hat die Politik in Bayern auf kommunaler und auf Landesebene maßgeblich mitgestaltet. Als Parlamentarier lag ihm insbesondere der Einsatz für die bayerischen Landwirtinnen und Landwirte sowie für den Naturschutz am Herzen.
Die Entwicklung Münchens hat Georg Kronawitter nachhaltig vorangebracht. Er setzte sich unermüdlich für eine menschliche und solidarische Gesellschaft ein und genoss insbesondere dank seiner Bürgernähe großen Rückhalt in der gesamten Bevölkerung. Bis zum Schluss brachte er seine Kompetenz und seine Erfahrung in die Gestaltung und Diskussion des politischen Geschehens ein. Für seine Verdienste wurde Georg Kronawitter mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Bayerischen Verdienstorden.
Der Bayerische Landtag trauert mit den Angehörigen und wird dem Verstorbenen ein ehrendes Gedenken bewahren. –
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, erschüttert und tief betroffen hat uns die Nachricht von der Messerattacke in Grafing, die wir heute Morgen erhalten haben. Ein Mensch wurde dabei getötet, und drei weitere wurden verletzt. Der Täter ist gefasst, die Behörden ermitteln mit Hochdruck. Unsere Gedanken und unser tiefes
Mitgefühl sind bei den Verletzten, denen wir schnellstmögliche Genesung wünschen, sowie ganz besonders bei den Angehörigen und Freunden des verstorbenen Opfers. –
Bevor wir in die Tagesordnung einsteigen, darf ich noch zwei Geburtstagsglückwünsche aussprechen. Am 9. Mai feierte der Kollege Norbert Dünkel einen halbrunden Geburtstag, und heute hat unser Kollege Reinhold Strobl Geburtstag. Ich wünsche Ihnen im Namen des gesamten Hauses und persönlich alles erdenklich Gute und weiterhin viel Erfolg bei Ihrer parlamentarischen Arbeit. Bleiben Sie vor allem gesund. Herzlichen Glückwunsch!
Aktuelle Stunde gem. § 65 BayLTGeschO auf Vorschlag der Fraktion FREIE WÄHLER "Bayern schützen - CETA und TTIP stoppen!"
In der Aktuellen Stunde dürfen die einzelnen Redner grundsätzlich nicht länger als fünf Minuten sprechen. Hat eine Fraktion das Benennungsrecht für mehrere Redner bzw. Rednerinnen, kann auf Wunsch der jeweiligen Fraktion eine ihrer Rednerinnen bzw. einer ihrer Redner bis zu zehn Minuten Redezeit erhalten. Dies wird auf die Anzahl der Redner der jeweiligen Fraktion angerechnet. Ergreift ein Mitglied der Staatsregierung das Wort für mehr als zehn Minuten, erhält auf Antrag einer Fraktion eines ihrer Mitglieder Gelegenheit, fünf Minuten ohne Anrechnung auf die Zahl der Redner dieser Fraktion zu sprechen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger, es freut mich, dass so viel Interesse an der politischen Debatte heute im Bayerischen Landtag besteht. Wir FREIEN WÄHLER wollen Bayern vor den Gefahren schützen, die von CETA und TTIP ausgehen. Wir sind überzeugt, dass die Gefahren, die in diesen Freihandelsabkommen stecken, unterschätzt werden. Wir werfen der Bayerischen Staatsregierung auch vor, mit diesem Thema in den letzten Jahren fahrlässig umgegangen zu sein, ja, bis heute die Dramatik nicht zu erkennen, die in den Vertragstexten steckt, und auch nicht zu erkennen, welche Gefahr darin besteht, eine Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger gegen die Demokratie aufzu
bringen, weil sie sich abgehängt fühlen und weil sie sagen: Die da oben tun sowieso, was sie wollen, unsere Stimme wird ja nicht gehört.
Meine Damen und Herren, wenn derzeit rund 70 % der Deutschen gegen diese Handelsabkommen sind und nur noch rund 19 % dafür und sich der Rest noch nicht entschieden hat, dann ist ein Punkt erreicht, bei dem wir nicht mehr sagen können: Wir machen Business as usual und machen weiter – es wird schon irgendwie gut gehen –, bringen noch ein paar Veränderungsvorschläge ein, und dann wird das schon funktionieren, wie das die Bayerische Staatsregierung auch bisher vertreten hat.
Nein, jetzt ist in meinen Augen der Point of no Return überschritten. Wir können die Handelsabkommen nicht mehr so weiterverhandeln. Wir müssen die Stopptaste drücken, müssen uns neu sortieren, müssen die Dinge in Ruhe ansehen und dann entscheiden, wohin wir müssen. Ein "Weiter so" bei TTIP und CETA darf es nicht mehr geben.
Wir FREIEN WÄHLER haben sehr früh in die Debatte eingegriffen und waren die Ersten, die dieses Thema bei der Regierungserklärung Seehofers Ende 2013 auf die Tagesordnung gebracht haben. In der Zwischenzeit haben wir rund 14 Anträge gestellt, beginnend mit den Themen, wie denn die Verhandlungsführung ist, dass hier mehr Transparenz nötig ist, dann zu den Forderungen, dass in den Bildungssektor nicht eingegriffen werden dürfe, dass in die kommunale Selbstverwaltung nicht eingegriffen werden dürfe, dass Lebensmittelsicherheit zu gewährleisten ist, dass wir die Schiedsgerichte nicht wollen und dergleichen mehr. Diese Anträge wurden von der CSU samt und sonders abgelehnt.
Sie waren in den letzten Jahren zu keinem Zeitpunkt für eine Debatte offen. Sie haben immer gesagt: Das ist schon gut so, das bringt Arbeitsplätze; was ihr FREIEN WÄHLER sagt, ist nur Panikmache; alles ist in Butter, und alles ist in besten Händen. Meine Damen und Herren, Sie haben dieses Thema falsch eingeschätzt. Sie sind bis heute nicht bereit, dieses Thema mit der ihm gebührenden Aufmerksamkeit politisch anzugehen. Es ist vielleicht jetzt ein letzter Rettungsversuch Ihres Ministerpräsidenten, wenn er plötzlich von einem Veto spricht; er wolle ein Veto einlegen, wenn die Transparenz nicht funktioniert. Plötzlich merkt man: Hoppla, man ist zu lang im falschen Zug gesessen, hoppla, die Wähler und Bürger sind ja ganz woanders, wir müssen jetzt umsteuern. Meine Damen und Herren, steuern Sie um! Steuern Sie so
Wir haben unsere Argumente nicht auf eine ideologische Basis gestellt, sondern wir haben uns immer ganz nüchtern mit der Thematik auseinandergesetzt.
Auf europäischer Ebene wurde seitens der FREIEN WÄHLER eine Position der roten Linie vertreten; auch wenn die GRÜNEN das anders sehen und uns ständig vorwerfen, wir hätten einem TTIP zugestimmt, obwohl darüber noch gar nicht abgestimmt worden ist. Schauen wir doch mal, was euer Kretschmann macht, wenn es dann wirklich um die Abstimmungen geht. Wir haben uns bei der politischen Debatte immer positioniert und gesagt, was wir wollen und was wir nicht wollen. Dabei haben wir eine ganze Reihe von roten Linien definiert, die ich vorhin zum Teil schon aufgezählt habe und die ich jetzt vervollständigen möchte.
Was die Menschen ganz besonders berührt, ist das Thema Verbraucherschutz. Hier wird deutlich, dass die jüngsten Verhandlungsmethoden der Amerikaner fast als Erpressung angesehen werden müssen. Da heißt es nämlich: Wenn ihr nicht unsere Agrarstandards schlucken wollt – im wahrsten Sinne des Wortes –, die deutlich niedriger sind als die euren, dann werden wir euch bei der Autoindustrie schneiden und dergleichen mehr. Das ist kein Verhandlungsstil. Der Verbraucherschutz ist für uns auch nicht verhandelbar.
Gesundheit, gesunde Lebensmittel, Verbraucherschutz – das steht bei uns FREIEN WÄHLERN ganz oben, und deshalb fordern wir auch, hier keine Abstriche zuzulassen. Es reicht uns nicht, wenn es heißt, das würde ja alles irgendwo beschriftet und da stünde dann irgendein Zifferncode, den aber kein Mensch entziffern kann. Vielmehr sagen wir: Solche Ware gehört nicht in unser Land, sie gehört nicht in unsere Regale; das können die Amerikaner gerne behalten, wir legen auf solche Lebensmittel keinen Wert.
Solche Punkte müssen in einem Handelsabkommen – wie auch immer das heißt – ganz klar ausgeschlossen werden. Die Gesundheit ist kein Gut, das hier zur Disposition steht. Sie darf nicht angetastet werden.
Wenn wir schon von Gesundheit reden, dann möchte ich an dieser Stelle den Ärztekammerchef Montgomery zitieren, der sagt, er befürchte eine "McDonaldisierung" des Gesundheitssystems in Europa. Auch
das können wir nicht wollen. Wir FREIEN WÄHLER stehen für eine flächendeckende, wohnortnahe Hausund Facharztversorgung, für eine vernünftige, überwiegend kommunal getragene Krankenhauslandschaft und nicht für eine renditeorientierte Gesundheitsindustrie. Das wollen wir nicht.
Führende Vertreter dieser Gesellschaft wollen das ebenfalls nicht. Auch die kleinen und mittelständischen Unternehmen sagen mittlerweile mehrheitlich: Wir wollen das nicht. Das Komitee der Katholiken lehnt TTIP und CETA ab, so auch die Hofpfisterei und die Molkerei Berchtesgaden. Sehr viele gesellschaftliche Gruppen tragen TTIP und CETA nicht mehr mit, wozu auch die Gewerkschaften zählen. Sie alle wollen diesen Weg nicht mehr mitgehen.
Trotzdem sagen Sie, wir machen weiter, als wäre nichts gewesen. Deshalb fordern wir FREIEN WÄHLER eine Volksbefragung zu der gewichtigen politischen Fragestellung, ob denn Bayern im Bundesrat einem CETA, einem TTIP und irgendwann vielleicht einem TiSA zustimmen darf, ja oder nein. Angesichts der derzeitigen Gefechtslage und der jetzigen Mehrheitsmeinung in der Bevölkerung können wir bei Vernunft und bei Einsatz von gesundem Menschenverstand nur davon abraten, hier weiterhin die grüne Flagge zu hissen. Vielmehr müssen Sie jetzt den Daumen nach unten richten und sagen: Bayern würde im Bundesrat unter den jetzigen Bedingungen nicht zustimmen.
Meine Aufforderung: Lassen Sie die Volksbefragung zu, die wir FREIEN WÄHLER fordern. Ihr Ministerpräsident will wieder und wieder Bürgerabstimmungen zur dritten Startbahn, um irgendwann vielleicht das Ergebnis zu bekommen, das ihm passt oder das dazu dienen soll, die eigene Fraktion zu disziplinieren. Befragen Sie stattdessen die Bevölkerung doch lieber zu diesem Thema!
Das ist ein Thema von landesweiter Bedeutung, weil Bayern im Bundesrat zustimmen muss. Fragen Sie also das bayerische Volk, was die Bayerische Staatsregierung im Bundesrat tun soll. Sie drücken sich um die Antwort herum, aber das bayerische Volk will diese Handelsabkommen jedenfalls so nicht.
Wir FREIEN WÄHLER fordern auch ein Volksbegehren. Das Verfahren ist auf den Weg gebracht: Voraussichtlich am 10. Juli 2016 wird die Sammlung der Unterschriften beginnen. Das machen wir gemeinsam mit vielen anderen Organisationen, beispielsweise mit "Mehr Demokratie". Diese Menschen machen sich
Sorgen um unsere Demokratie. Sie sagen: "So nicht", und sie fordern genau wie wir FREIEN WÄHLER ein Volksbegehren, und zwar zusätzlich zur Volksbefragung.
Dieses Volksbegehren will erreichen, dass der Bayerischen Staatsregierung durch Gesetz untersagt wird, unter den jetzigen Bedingungen im Bundesrat einem CETA und einem TTIP zuzustimmen, und zwar deshalb, weil hierdurch Souveränitätsrechte verloren gingen. So würden die Souveränitätsrechte Bayerns und der Kommunen aus den Händen gegeben.
Deshalb ist die klare Position der FREIEN WÄHLER: Wir kämpfen an der Seite der Bürger, des Mittelstands und der Verbraucher im Interesse der Sozialstandards und unserer bayerischen Heimat dafür, dass unsere Heimat nicht ausverkauft wird von einer Staatsregierung, die sich mit diesen Themen anscheinend überhaupt noch nicht auseinandergesetzt hat. Wir kämpfen gegen diese Handelsabkommen und damit für unsere bayerische Heimat und unsere Bürger.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Aiwanger, nachdem ich gerade von Ihnen gehört habe, an wessen Seite Sie so alles kämpfen, frage ich mich, warum Ihre Umfragewerte derzeit bei circa 6 % liegen – wenn überhaupt noch.