Protokoll der Sitzung vom 10.05.2016

(Beifall bei der CSU – Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Ihre gehen ja gerade runter!)

Na ja, derzeit gehen sie eher wieder rauf.

Meine Damen und Herren, wir debattieren seit etwa Herbst 2013 auch in diesem Hause immer wieder über den Fortgang diverser Freihandelsabkommen. Zur politischen Sachlichkeit gehört auch die Tatsache, dass es ja nicht nur um TTIP und CETA geht, sondern auch um Freihandelsabkommen mit Vietnam, mit Singapur, mit Thailand etc. Es geht auch um Assoziierungsabkommen, beispielsweise mit der Ukraine und Ländern Lateinamerikas.

Langer Rede kurzer Sinn: Es geht darum, den Außenhandel, den wir für unser Land brauchen, in Form von Abkommen mit diesen Ländern zu verankern. Hierbei sind wir engagiert unterwegs.

(Beifall bei der CSU)

Die EU ist eine Union, die für den Frieden geschaffen wurde; sie ist zugleich eine Wirtschaftsunion. Mit dem Vertrag von Lissabon haben wir unsere Kompetenzen für den Handel abgegeben. Was wir jedoch nicht an die Kommission abgegeben haben, ist die Tatsache, dass wir die Interessen unseres Staates und insbesondere die seiner Bürger berücksichtigen werden.

Wir haben auch nicht unser Recht darauf abgegeben, über den Verhandlungsstand informiert zu werden, ebenso wenig wie unser Recht, über die Verhandlungsschritte in Kenntnis gesetzt zu werden.

(Zuruf des Abgeordneten Thorsten Glauber (FREIE WÄHLER))

Außerdem haben wir nicht aufgegeben, immer weiter dafür zu kämpfen, dass wir in diese Runden eingebunden werden.

(Zurufe von den FREIEN WÄHLERN)

In den letzten Monaten war sehr viel Druck erforderlich, um die EU-Kommission dazu zu bringen, eine gewisse Transparenz zu schaffen.

(Lachen bei und Zurufe von den FREIEN WÄH- LERN – Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Oje, oje! – Weitere Zurufe von den FREIEN WÄHLERN)

Hier gilt unser Dank auch der sehr kritischen und aufgeschlossenen Bürgerschaft, die ebenfalls Druck gemacht hat für genau diese Transparenz, die wir bis jetzt erreicht haben. Die 13. Verhandlungsrunde ist in New York gerade zu Ende gegangen. Sie können inzwischen nach jeder Verhandlungsrunde Einblick in die Seiten der EU wie auch des Bundeswirtschaftsministeriums nehmen und sehen, wie die Verhandlungen stehen.

(Zuruf des Abgeordneten Huber Aiwanger (FREIE WÄHLER))

Herr Aiwanger, ich bin von Ihren Englischkenntnissen jetzt schon zum zweiten Mal beeindruckt. "Respekt", kann ich nur sagen.

Die geöffneten Vertragsdokumente haben nicht zuletzt gezeigt, wie weit wir noch auseinanderliegen und wie differenziert die Verhandlungspositionen sind. Sie haben aber auch gezeigt, dass es zwingend geboten

ist, einen Schritt weiterzukommen. Wir haben uns bereits bisher dafür eingesetzt, hier mehr Einblick nehmen zu können. Ich habe persönlich auch sehr dafür geworben, dass Abgeordnete aller Fraktionen des Bayerischen Landtags in Einzelfällen in diese Dokumente Einsicht nehmen können.

(Zurufe von der SPD – Unruhe – Glocke der Prä- sidentin)

Allerdings werde ich nicht dafür werben, dass wir diese Leseräume ad absurdum führen.

Frau Wittmann, entschuldigen Sie, einen Moment bitte. – Ich bitte um etwas mehr Ruhe. Da oben sind lauter Schülerinnen und Schüler, in deren Schule es auch nicht so zugeht. Ich bitte um etwas Rücksicht.

(Beifall bei der CSU)

Sie müssen nicht gleich zu den FREIEN WÄHLERN gehen, wenn sie schwätzen wollen.

Wir müssen die Sorgen und Ängste der Bevölkerung, die der Komplexität dieses Themas geschuldet sind, wirklich aufgreifen. Das ist unsere ureigene Aufgabe als Abgeordnete. Das geht nicht im Hauruck-Verfahren. Es gibt derzeit immer noch eine schlechte Aufklärung, mangelndes Vertrauen in die Verhandlungen der EU-Kommission und mangelndes Vertrauen in die Berücksichtigung unserer Interessen durch die USA.

Ich sage Ihnen an dieser Stelle aber auch: Die USA tun das, was sie tun müssen. Sie versuchen mit aller Kraft, in diesen Verhandlungen das Wohl ihres Landes durchzudrücken und harte Positionen einzunehmen. Es ist unsere Aufgabe und Aufgabe der Kommission, sich mit einer ebenso harten Haltung dagegenzustellen und unsere Interessen zu formulieren.

(Beifall bei der CSU – Beifall der Staatsministerin Dr. Beate Merk)

Je mehr von uns gemeinsam getan wird, desto besser ist es, unsere Interessen zu formulieren und mit aller Kraft zu vertreten. Die europäischen Interessen müssen hier unverrückbar sein. Aber beispielsweise bei Medizinprodukten, bei Kinderspielzeug oder gar bei der Finanzmarktregulierung haben die USA deutlich strengere Regelungen als die Europäische Union. Hier werden wir nachgeben und uns deren Standards anpassen müssen. Auch dies ist eine Möglichkeit, hier etwas fortzuentwickeln.

(Beifall bei der CSU)

Lassen Sie mich an dieser Stelle auch ein Wort zu den immer wiederkehrenden plakativen Zeitangaben sagen, die nach Aussagen einiger Politiker bereits im letzten Jahr zu einem Abschluss des Abkommens geführt hätten oder nach Aussagen von Obama noch in diesem Jahr zu einem Abschluss führen werden. Selbstverständlich machen es sowohl in Europa als auch in den USA diverse Wahltermine ganz schwierig, ein so komplexes und sehr sensibles Abkommen in professioneller Atmosphäre zu verabschieden.

Ich bin der Meinung, dass wir uns bei solch einem Abkommen durch nichts treiben lassen dürfen. Wir müssen die Möglichkeit haben, die Texte sachgerecht und intensiv zu prüfen. Wir müssen die Texte nachprüfen können, wie das bei CETA hervorragend gelungen ist. Da darf ich ausnahmsweise auch einmal die Brücke zur SPD schlagen; denn hier hat der Bundeswirtschaftsminister hervorragend nachverhandelt. Das muss ich ihm an der Stelle zubilligen. Wir nehmen für uns natürlich in Anspruch, dass wir ihn – nicht zuletzt auch im Bayerischen Landtag – Schulter an Schulter intensiv begleitet haben.

Wir haben derzeit sehr viele offene Punkte. Gerade die geöffneten Dokumente zeigen uns, wie weit wir oft noch auseinanderliegen. Gerade das bestätigt, dass wir uns nicht zu Kompromissen treiben lassen dürfen. Dies werden wir nicht tun.

Meine Damen und Herren von den FREIEN WÄHLERN, Sie haben zum wiederholten Male gefordert, die Verhandlungen einfach zu stoppen. In meinen Augen ist es schlicht unseriös, solche Forderungen ohne Kenntnis der Fakten in den Raum zu stellen.

(Beifall bei der CSU – Zuruf des Abgeordneten Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER))

Herr Aiwanger, lassen Sie mich mal ausreden, das gehört zur Demokratie und zum Anstand.

(Beifall bei der CSU)

Wir können nur eines tun: Diese komplexen Themen müssen von uns mit Fleiß und Engagement angegangen werden. Sie sind nicht dazu geeignet, die Bürger zu verunsichern, damit den kritischen Verstand unserer Bürger definitiv zu unterschätzen und sie für dumm verkaufen zu wollen.

(Beifall bei der CSU)

Es ist unsere Aufgabe, die Sorgen und Ängste der bayerischen Bevölkerung ernst zu nehmen und zu artikulieren. Es ist aber auch unsere Aufgabe, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die die Prosperität unseres Landes nach vorne treiben können. Hier, meine

Damen und Herren von den FREIEN WÄHLERN, versagen Sie kläglich.

(Beifall bei der CSU)

Mit CETA konnten wir erstmals ein Abkommen mit einem G-8-Staat treffen. Das ist uns hervorragend gelungen. Ich habe es vorhin bereits gesagt.

Wir konnten tatsächlich insbesondere bei den ersten uns vorliegenden Texten viel zu unseren Gunsten nachbessern. Lassen Sie mich dazu vor allem eines herausstellen, was später auch noch mein Kollege Beißwenger artikulieren wird: Hier hatten wir unter anderem beim Rindfleisch und bei den Standards in Bezug auf den Verbraucherschutz Erfolg. Da haben wir gezeigt, dass es, wie Sie gesagt haben, sehr wohl möglich ist, dass die ihre Sachen herstellen, wie sie wollen. Aber sie müssen sie auch behalten. Wir wollen in unseren Regalen gesunde Sachen liegen haben. Wir wollen gesunde Produkte, etwa Tierprodukte, haben. Vor diesem Hintergrund werden wir unsere Anforderungen nicht aufweichen lassen.

Bei CETA ist es uns auch gelungen, den Investitionsschutz in einer Weise zu reformieren, wie wir sie bisher bei der WTO und der UNO nicht hatten. Wir konnten Berufsrichter festlegen und die Offenlegung der wichtigsten Dokumente in diesen Investitionsschiedsgerichtsverfahren erreichen. Die Verhandlungen werden öffentlich bleiben. Es gibt Erleichterungen für eine Appellationsinstanz. Ganz besonders wichtig für unsere Wirtschaftsstruktur in Bayern ist, dass kleine und mittlere Unternehmen bevorzugt werden und mit einer Deckelung der Kosten in diesen neu reformierten Schiedsverfahren rechnen können, die wir seit vielen Jahren haben, nun aber in modernerer Ausgestaltung in CETA. CETA ist damit ein Erfolg für Bayern. Deswegen ist CETA, so wie es sich heute liest – noch haben wir auch hier nicht alle Dokumente vorliegen –, in dem Sinne gestaltet worden, wie wir es uns erhofft haben.

Wir werden weiterhin dafür kämpfen und darauf bestehen, dass der Liberalisierungszwang nicht ausgeübt werden kann, wenn wir mit den USA weiter verhandeln. Wir werden weiter versuchen müssen, den durchaus rüden Methoden, die möglicherweise angewandt werden, um den Stand zu halten, entgegenzutreten. Wir werden unser öffentliches Versorgungswesen schützen, ohne hier ein Jota nachzugeben. Wir werden vor allem auf der Beibehaltung des Vorsorgeprinzips bestehen; denn das widerspricht nicht dem Erfordernis einer wissenschaftlichen Basis. Das Vorsorgeprinzip fußt darauf, dass wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, um diese Vorsorge zu beurtei

len. Genau dieses werden wir beibehalten. Darauf werden wir bestehen.

Schließlich werden wir unsere regionalen Produkte schützen. Die Kulturförderung soll beibehalten werden. Sehr am Herzen liegt mir – ich nehme an, auch Ihnen allen – die ausschließliche und unbeeinflussbare Regulierungshoheit. Diese muss in unseren Händen bleiben. Das ist eines der tragenden Prinzipien. Hier wird die EU-Kommission mit aller Härte gegen die US-Verhandler vorgehen müssen, ohne sich von deren Methoden beeindrucken zu lassen. Die in Kürze vorliegenden Abkommen werden von der Staatsregierung umfassend analysiert und bewertet.

Ich möchte für meine Fraktion nochmals eines betonen: Wir wollen und brauchen die nachhaltige Entwicklung des Außenhandels für das Gedeihen unseres Landes. Wir brauchen sie dafür, dass die hohe Qualität der bayerischen Köpfe und Hände auch weiterhin – –

Kommen Sie bitte zum Ende, Frau Kollegin.

Ja, aber ich nehme mir die paar Sekunden Zeit, die mir der Herr Aiwanger weggeschrien hat.

(Zuruf des Abgeordneten Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER))

Das können Sie nicht machen. Die Uhr stellen immer noch wir.

Wir werden diese Entwicklung für die bayerische Wirtschaftskraft weiterhin vertreten. Lassen Sie uns gemeinsam zu einem Ja für ein gutes Abkommen kommen, aber auch gemeinsam ein deutliches Nein aussprechen, wenn das Abkommen und die ausgehandelten Verträge den Interessen und dem Wohle Bayerns entgegenstehen.