Protokoll der Sitzung vom 10.05.2016

Wir werden diese Entwicklung für die bayerische Wirtschaftskraft weiterhin vertreten. Lassen Sie uns gemeinsam zu einem Ja für ein gutes Abkommen kommen, aber auch gemeinsam ein deutliches Nein aussprechen, wenn das Abkommen und die ausgehandelten Verträge den Interessen und dem Wohle Bayerns entgegenstehen.

(Beifall bei der CSU)

Nächster Redner ist Herr Kollege Pfaffmann, bitte.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hätte mir gewünscht, wir hätten diese Diskussion vor einigen Jahren geführt und die EU-Kommission und alle Unterhändler dieser Abkommen hätten offen und transparent verhandelt, damit jeder weiß, worum es geht; denn es geht hier um viel. Das ist wahr.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Herr Aiwanger, es ist diesem Thema nicht angemessen, einfach dem Mainstream zu folgen und sozusagen immer dahin zu schauen, wo die meisten Stimmen sind. Das muss ich einmal deutlich sagen.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Wir waren seit drei Jahren dagegen! – Harald Güller (SPD): Ihr wart immer dagegen!)

Lieber Herr Aiwanger, ich will Ihnen sagen: Sie fordern die Leute auf, dagegen zu stimmen. Sie wissen ja noch nicht einmal, gegen was.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der CSU)

Es gibt noch kein TTIP-Abkommen. Es gibt Protokolle, aber noch kein Abkommen, noch nicht einmal einen Entwurf, den man den Menschen vorlegen könnte.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Auch der Herr Rinderspacher will den Stopp! – Markus Rinderspacher (SPD): Lassen Sie ihn doch mal ausreden!)

So viel zu Anfang. Ja, man hätte die Verhandlungen über die Handelsabkommen vernünftiger führen müssen. Es ist wahr: Freier Handel ist grundsätzlich positiv. Das kann man anhand von gescheiterten Abkommen auch nicht in Grund und Boden reden, lieber Herr Aiwanger. Freier Handel ist grundsätzlich etwas Positives und der Kern der freien Marktwirtschaft. Daran kann hier doch überhaupt niemand zweifeln.

(Beifall bei der SPD)

Wenn der freie Handel grundsätzlich durch Abkommen verbessert werden kann, warum sollte man dann nicht auch Abkommen schließen? Da sehe ich überhaupt keinen Grund, das nicht zu tun. Die Frage ist, wie der freie Handel verbessert werden kann, zum Beispiel durch Abbau von Handelshemmnissen, Zöllen und sonstigen Hürden. Das ist eine positive Entwicklung für die gesamte Wirtschaft, daran gibt es keinen Zweifel.

Man kann Abkommen aber nicht um jeden Preis schließen – da haben Sie wiederum recht. Wir sind eine Exportnation und auf weltweiten Export angewiesen, meine Damen und Herren. Es gibt Länder, die sich wegen der hier stattfindenden Diskussion die Hände reiben, nämlich China und Russland. Die freuen sich darüber; denn wenn dieses Abkommen nicht zustande kommt, bedeutet es einen Schaden für den Wirtschaftsraum. Das kann es doch nicht sein. Deswegen wünsche ich mir eine seriöse Debatte und keine "Hau-drauf-Politik". Ich möchte Ihnen das begründen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CSU und des Staatsekretärs Franz Josef Pschierer)

Die Frage ist doch nicht, ob wir Abkommen wollen oder nicht, sondern die entscheidende Frage ist, wie wir die Regeln für die Abkommen gestalten. Natürlich wird das schwierig; denn es ist nicht allein ein wirtschaftliches Projekt, sondern auch ein politisches. Ich behaupte, dass die Regeln dieser sehr umfangreichen Handelsabkommen, die derzeit in der Diskussion stehen, Teil eines politischen Projektes sind, wie die Weltwirtschaft in Zukunft anständig gestaltet werden kann. Auch das steckt hinter der Diskussion. Das macht es so schwierig, und deswegen kann man das nicht einfach vom Tisch fegen und sagen: Da gibt es Proteste, also sagen wir lieber Nein. – Ich sage Ihnen ganz offen: Wir stehen einem Bürgerbegehren sehr positiv gegenüber, weil es hier um eine grundsatzdemokratische Frage geht. Deswegen unterstützen wir das. Aber Sie, Herr Aiwanger, werden mit dieser Strategie der Diskussion nicht gerecht. Das ist der entscheidende Punkt.

(Beifall bei der SPD und des Staatssekretärs Franz Josef Pschierer)

Bei aller Kritik, wie mit diesem Handelsabkommen umgegangen worden ist – zu Beginn mangelnde Transparenz; man hatte den Eindruck, hier wird Geheimdiplomatie betrieben –: Das ist dem Versagen der EU-Kommission geschuldet; da sind wir uns einig. Wäre das nicht so gewesen, würden wir heute über diese Abkommen anders diskutieren, als wir es tun.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Hubert Ai- wanger (FREIE WÄHLER): Auch der Bundesregierung!)

Lieber Herr Aiwanger, dann würden Sie – davon bin ich überzeugt – auch eine ganz andere Haltung einnehmen.

Ich muss auch sagen: Die Handelsabkommen TTIP und CETA, von denen wir noch nicht wissen, was letztendlich als Verhandlungsergebnis auf dem Tisch liegen wird, wurden auf Drängen der EU massiv nachgebessert. Gerade bei CETA ist das der Fall. Was Sie heute hier erzählen, lieber Herr Aiwanger, ist in vielen Teilen Schnee von gestern, um das noch einmal deutlich zu sagen.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Glauben Sie! – Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CSU)

Sie haben die Strategie ausgerufen: Wir werfen CETA und TTIP in einen Topf, rühren einmal kräftig um, und dann sind wir grundsätzlich dagegen.

(Dr. Florian Herrmann (CSU): Typisch FREIE WÄHLER!)

Das wird diesem Thema nicht gerecht. Ich würde Sie wirklich bitten, grundsätzlich noch einmal über die wirklich wichtigen Fragen, die mit diesen Abkommen verbunden sind, zu reflektieren.

Ich wiederhole: Das Problem sind nicht die Abkommen an sich, nicht der Abbau von Handelshemmnissen, Zöllen usw., sondern die Frage ist, wie diese Abkommen gestaltet werden. Das ist die politische Frage, die wir zu beantworten haben. Dazu darf ich sagen – weil das in den Medien alles immer grundsätzlich schlechtgeredet wird –: Der Bundeswirtschaftsminister hat ganz entscheidend zur Verbesserung der Grundlagen beigetragen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CSU)

Nun möchte ich etwas zu den Regeln sagen. Es ist bereits angesprochen worden: Was nicht verhandelbar ist, ist der Schutz der EU-Bürger und der Bürger der Nationalstaaten innerhalb der Europäischen Union. Da sind wir uns hoffentlich alle einig. Dazu brauchen wir auch nicht die FREIEN WÄHLER; das ist Grundkonsens in der Gesellschaft. Das betrifft die Verbraucherschutzstandards, die Frage der Kulturhoheit, den Schutz geistigen Eigentums etc. Darüber haben wir bereits gesprochen, und es gab diesbezüglich viele Anträge in diesem Haus, die – das muss ich schon sagen, liebe Frau Wittmann – allerdings von der CSU immer abgelehnt wurden.

(Dr. Florian Herrmann (CSU): Zu Recht!)

Auch das gehört zur Wahrheit. Sie können nur schwerlich glaubwürdig bleiben, wenn Sie die Verbraucherschutzstandards in diesem Land aufrechterhalten wollen, aber die entsprechenden Anträge im Europaausschuss allesamt ablehnen. Das ist nicht glaubwürdig – das muss ich Ihnen vorhalten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Datenschutzfragen, Verbraucherschutzfragen, Fragen der Gentechnologie und zum Verbot derselben sind nicht verhandelbar. Das ist völlig klar – Handelsabkommen hin oder her. Das ist eine Grundregel. Der Verbraucherschutz muss in alle künftigen Handelsabkommen, nicht nur in TTIP und CETA, als fester Bestandteil integriert werden, lieber Herr Aiwanger. Das ist eine Grundregel der Gestaltung der Weltwirtschaft. Ob es nun Europa, Amerika oder andere Handelszonen betrifft, spielt keine Rolle.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der GRÜ- NEN)

Zweitens. Es muss den Ländern vorbehalten sein, Gesetze zu erlassen, wie sie es für richtig halten. Es ist nicht verhandelbar, dass Konzerne, egal welcher Art und egal, wo sie sich befinden, auf die Gesetzgebungskompetenz der Länder Einfluss nehmen. Das ist eine zweite Grundregel der demokratischen Gepflogenheiten und Kultur. Es ist nicht verhandelbar – fertig, aus! Wenn auch nur der Anschein entsteht, dass Konzerne Einfluss auf Parlamentsentscheidungen, Gesetze und Verordnungen nehmen, brauchen wir keine Abkommen. Das ist keine Frage.

Es wurde noch nicht angesprochen: Wir müssen dafür sorgen, dass Konzernklagen gegen EU-Standards reduziert und am besten ausgeschlossen werden. Konzernklagen gegen Verbraucherschutzstandards mit der Folge von Schadenersatzforderungen oder sonstigen Entscheidungen müssen konsequent ausgeschlossen werden. Das ist die dritte Regel für alle Handelsabkommen, nicht nur für die zwei, die wir hier gerade besprechen.

Diese drei Regeln – es gibt noch einige andere, auf die ich jetzt nicht eingehen möchte – sind bei CETA eingehalten, liebe Kolleginnen und Kollegen. Bei TTIP wissen wir es noch nicht, weil wir noch keine Ergebnisse haben. Wir haben nichts, was wir dem Volk zur Entscheidung vorlegen könnten, Herr Aiwanger. Deswegen ist diese Argumentation abwegig. Da warten wir erst einmal ab.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der CSU)

Herr Kollege, achten Sie bitte auf die Zeit.

Jawohl, ich bin sofort fertig. Ich würde mir auch wünschen, dass wir abwarten, bevor wir dem Volk Entscheidungen übertragen. Bei CETA haben wir keine Rechtsförmigkeitsprüfung; wir haben keine deutsche Übersetzung. Was wollen Sie denn vorlegen, Herr Aiwanger? Ich würde abwarten, bis wir Fakten vorliegen haben. Das ist seriöse Politik und nichts anderes.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Danke schön. – Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Steinberger.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Landtag haben wir schon oft über TTIP diskutiert. Bisher wusste jedoch niemand so recht, was eigentlich im Vertragswerk steht. Sie von der CSU haben gerne gesagt und sagen auch heute noch, dass wir doch abwarten sollen, bis der Vertrag ausgehandelt ist. Das war uns immer schon zu wenig, und es war uns zu spät. Die

Geheimhaltung hat uns und den Großteil der Menschen in diesem Land schon immer massiv gestört. Ein Abkommen, das so tief in unsere Lebenswirklichkeit eingreift, darf nicht geheim verhandelt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nun wissen wir es: Die roten Linien, die von der CSU und der SPD so oft beschworen worden sind, sind überschritten, und zwar alle. Was wir GRÜNE schon seit Jahren sagen, ist Gewissheit. Uns wurde vorgeworfen, wir seien Angsthasen und Verschwörungstheoretiker. Nein, wir haben schlicht recht gehabt. Der fertige Text von CETA und nun auch die TTIP-Veröffentlichungen beweisen es. Nicht die CSU, sondern wir und die Bürgergesellschaft haben eine Veröffentlichung der Texte gefordert, Frau Kollegin Wittmann. Nun wissen wir auch, dass die Geheimniskrämerei ihren Grund hatte. TTIP-Leaks offenbart vor allem eines: Unsere Verbraucher- und Umweltstandards sollen geschleift werden – rote Linien überschritten. Die Zulassungsvoraussetzungen für Gentechnik sollen herabgesetzt werden. So steht es für jedermann nachlesbar in CETA – rote Linien überschritten. Alle Beteuerungen, dass unsere Standards sicher seien, haben sich in Luft aufgelöst. Immer wieder wird in den Papieren der sogenannte wissenschaftsbasierte Ansatz erwähnt. Das ist aber das Gegenteil unseres vorsorgenden Verbraucherschutzes. Wir wollen auch weiterhin Produkte erst dann zulassen, wenn ihre Ungefährlichkeit erwiesen ist. Unser Vorsorgeprinzip wollen die USA aber nicht – rote Linien: überschritten.

Wir wollen keinen Wettbewerb der niedrigsten Standards. Wir wollen auch keine Schiedsgerichte, die es Konzernen erlauben, Staaten auf entgangenen Gewinn zu verklagen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das alles steht nach wie vor in den Verhandlungspapieren zu TTIP. Daran hat auch die sogenannte Reform der Schiedsgerichte nichts geändert. Die USA wollen diese Reform ohnehin nicht. Rote Linien – –

(Zuruf von den GRÜNEN: – überschritten!)

Besonders perfide ist die sogenannte regulatorische Kooperation. Lobbyisten bekämen dadurch Einfluss auf unsere Gesetzgebung. Die Parlamente müssten sogar aktiv auf die Lobbyisten zugehen und um Erlaubnis fragen, ob es überhaupt eine Verschärfung von Umweltstandards geben darf. Rote Linien – –

(Zuruf von den GRÜNEN: – überschritten!)

Die bayerische Landwirtschaft wird massiv unter Druck gesetzt, da in den USA deutlich billiger produziert wird als bei uns. Unser bereits völlig überlasteter Markt wird weiter mit landwirtschaftlichen Produkten gefüllt. Rote Linien – –