Hans-Ulrich Pfaffmann
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Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist 22.05 Uhr. Herr Vogel, wir stellen fest, Sie haben mit vielen Worten zwar nichts gesagt, aber doch klargemacht, dass Sie überhaupt keine Lust haben, die Mehrgenerationenhäuser zu unterstützen – das zum Ersten.
Zum Zweiten: Wir sind uns in der Bedeutung der Mehrgenerationenhäuser einig. Das brauchen wir hier nicht dauernd zu betonen. Wir bedanken uns bei allen, die daran beteiligt sind.
Ich habe im Internet ein bisschen recherchiert und im "BayernPortal" den entscheidenden Satz der Bayerischen Staatsregierung gefunden: "Mehrgenerationenhäuser sind einer der Schwerpunkte der bayerischen Generationenpolitik."
Das ist die glatte Unwahrheit, weil man einen Schwerpunkt daran misst, wie viel Geld und Förderung eingestellt wird. Dazu stelle ich fest: Herr Kollege Vogel, trotz beredter und vieler Worte weigern Sie sich seit Jahren – seit Jahren! –, die Mehrgenerationenhäuser finanziell besser auszustatten.
Herr Dr. Fahn, es ist nicht so, dass dieses Thema das erste Mal auf der Tagesordnung steht. Wir haben bereits in verschiedenen Gremien, etwa im Sozialausschuss und im Plenum, gefühlt tausendmal gekämpft, um die Situation der Mehrgenerationenhäuser zu verbessern, doch leider ohne Erfolg. Bei allem Engagement befürchte ich, dass wir auch heute keine Mehrheit bekommen. Wissen Sie, warum? – Die CSU will für diese wichtigen Projekte keine bessere Förderung erreichen, Punkt, aus! Es gibt viel Geld für viel anderes, zum Beispiel für eine Grenzpolizei. Wir haben heute über viele Themen diskutiert, die mehrere Hundert Millionen Euro kosten. Aber Sie sind nicht bereit, wichtige Projekte mit ein paar Euro mehr zu unterstützen. Dabei geht es nicht darum, ob nun 30.000 Euro Förderung der Bundesregierung, des Bundesfamilienministeriums, und 10.000 Euro Förderung der Kommunen inmitten stehen. Hier geht es darum, dass das Geld, bei allem Engagement, das die Mehrgenerationenhäuser an den Tag legen, vielmehr aus Spenden aufgebracht wird, als Fördermittel zur Verfügung stehen, obwohl die meisten Mehrgenerationenhäuser absolut am Existenzminimum stehen.
Es wäre wirklich gut und angebracht, vonseiten des Freistaats Bayern diese wirklich hervorragenden Einrichtungen abzusichern. Sie tun das nicht, sondern verwenden Ihre Kraft auf eine Abwehrschlacht, um nicht die wenigen Euro, die man dazu bräuchte, bereitstellen zu müssen. Das ist eigentlich die Botschaft, die von diesem Plenum ausgeht.
In der Frage der Bedeutung der Mehrgenerationenhäuser gibt es hier einen parteiübergreifenden Konsens. Mehrgenerationenhäuser sind wichtig und gut; wir brauchen sie. Sie leisten ohne Zweifel eine hervorragende Arbeit. Die Botschaft, die heute sozusagen formuliert wurde, ist diese: Ja, das mag schon alles sein, aber bezahlen wollen wir nicht. Das ist Ihre Botschaft, die Sie heute mit vielen Worten vertuschen wollen.
Wer zu der Aussage "Das ist uns ein ganz besonders wichtiges Anliegen" wirklich steht, muss dafür auch Geld bereitstellen. Sie haben bisher sämtliche Anträge, auch im Haushaltsausschuss, abgelehnt; das ist also nicht der einzige Antrag. Das finde ich außerordentlich bedauerlich. Deswegen hat Ihr Lob, das Sie überall anführen, eine gewisse heuchlerische Tendenz. Es ist immer wieder das gleiche Verfahren: Man stellt sich hin, lobt alles, freut sich und sagt, wie wichtig das alles sei, um sozusagen die Herzen zu gewinnen. Aber wenn es darum geht, Geld bereitzustellen, das dringend erforderlich ist, schlägt man sich in die Büsche und findet tausend Worte, warum es eigentlich nicht geht. Das ist gerade gegenüber dem Ehrenamt und der Arbeit, die da geleistet wird, unwürdig.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen nach der Beratung in den Fachausschüssen heute in der Zweiten Lesung über ein Thema, das sicherlich nicht einer ideologischen Debatte oder auch einer Abgrenzungsdebatte der Parteien zugeführt werden kann, sondern hier geht es um das öffentliche Allgemeinwohl.
Wir sprechen darüber, dass der Rettungsdienst, die Feuerwehren und die Polizeidienste sicherlich zu den besten Versorgern in Europa gehören. Der Rettungsdienst in Bayern und in Deutschland ist von der Fachlichkeit, von der Vorhaltung, von der Arbeit, von den Rettungswegen her und insgesamt sicherlich einer der besten.
Wir haben in diesem Bereich die Aufgabe der Feuerwehr, die Aufgabe der Polizei und die Aufgabe der
Rettungsdienste als öffentliche Aufgabe definiert. Nun hat sich in den letzten Jahren – das wissen Sie – ein weiterer Fachbereich herauskristallisiert, der eine immer größere Bedeutung bekommt: der Fachbereich der psychosozialen Erstversorgung und Notfallversorgung. Ich betone: Hier geht es nicht darum, einen weiteren Dienst in der Gesundheitsversorgung einzuführen. Hier geht es um Erstversorgung. Ich will das nochmal ganz deutlich sagen.
Vielleicht kann ich für diejenigen, die sich nicht damit beschäftigt haben, zwei oder drei Beispiele sagen: Wer kümmert sich eigentlich bei plötzlichem Kindstod um die Eltern? Wer kümmert sich eigentlich bei einem tödlichen Verkehrsunfall auf der Autobahn um die Angehörigen? Wer kümmert sich eigentlich bei Terroranschlägen oder Amokläufen um Menschen, die zwar nicht verletzt, aber doch betroffen sind? Wer kümmert sich eigentlich um all die Angehörigen von verunfallten Opfern auf der Straße oder sonst wo? – Mittlerweile hat sich genau in diesem Arbeitsgebiet ein Fachbereich herauskristallisiert, eben die psychosoziale Erstversorgung, die sich um genau solche Menschen kümmert, weil Forschungsergebnisse ganz eindeutig belegt haben, dass eine Erstversorgung auch in diesem Bereich dringend erforderlich ist, um Spätfolgen zu verhindern. Eine psychosoziale Erstversorgung ist mittlerweile also nicht mehr wegzudenken, wenn es um die Fachlichkeit der Rettungskette geht. Wenn es stimmt, dass die beteiligten Rettungsdienste in Deutschland zu den besten in ganz Europa gehören, dann müssen wir diese Qualität weiterentwickeln.
"Weiterentwickeln" heißt in diesem Falle, diesen Fachbereich fest zu etablieren.
Nun will ich nicht verhehlen, dass da bereits viel gemacht wird und die Rettungsdienste sich intensiv kümmern. Es gibt bereits psychosoziale Notfallbetreuungseinheiten oder -einrichtungen beim Roten Kreuz, beim Arbeiter-Samariter-Bund, bei den Johannitern und übrigens auch bei den Kirchen mit den Notfallseelsorgern, die immer vor Ort sind, und die sich kümmern. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt ohne Zweifel eine Infrastruktur, die sich in den letzten Jahren herausgebildet hat. Wie wäre denn die Betreuung bei Naturkatastrophen in Simbach oder bei dem Amoklauf am Olympiaeinkaufszentrum in München oder in Bad Aibling gewesen, wenn nicht die psychosoziale Notfallversorgung dagewesen wäre?
Das heißt unter dem Strich: Dieser Fachbereich ist mittlerweile etabliert, er ist notwendig, und das wird von keinem mehr bestritten. Alle kümmern sich darum, und jeder tut sein Bestes. Genau da liegt der
Sinn unseres Gesetzentwurfs. Bisher ist die psychosoziale Notfallversorgung ausschließlich – natürlich mit Unterstützung der staatlichen Institutionen – der Freiwilligkeit der Hilfsorganisationen anheimgestellt. Es gibt sie nicht flächendeckend, sondern nur in einigen Zentren. Die Fragen der Qualitätssicherung, der Fort- und Weiterbildung und der Standardsetzung geschehen auf freiwilliger, ehrenamtlicher Basis.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich meine, dass das nicht ausreicht. Es ist eine öffentliche Aufgabe, für Sicherheit zu sorgen. Die Erstversorgung der Menschen ist eine öffentliche Aufgabe. Die Feuerwehr hat eine öffentliche Aufgabe, aber die psychosoziale Notfallversorgung, die mittlerweile unstrittig die vierte Aufgabe der Rettungskräfte ist, ist keine öffentliche Aufgabe. Genau darauf zielt unser Gesetzentwurf ab. Wir wollen, dass die psychosoziale Notfallversorgung zu einer öffentlichen Aufgabe wird. Sie werden verstehen, dass wir das nur mit einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage realisiert sehen.
Wir möchten, dass diese Aufgabe nicht mehr freiwillig wahrgenommen wird, nicht mehr ausschließlich auf ehrenamtlichem Engagement beruht, sondern dass sie eine öffentliche Aufgabe ist. Das würde sowohl die Infrastruktur als auch die Finanzierung sichern, genauso wie es bei Feuerwehr, bei klassischen Rettungsdiensten oder bei der Polizei ist. Damit würden wir unserem Anspruch gerecht, dass die beste Infrastruktur und die beste Fachlichkeit für die Erstversorgung bei diversen Großschadensereignissen oder bei diversen Unfällen auch künftig sichergestellt werden. Auch andere europäische Länder denken genau über diese Frage nach, und wenn wir mithalten wollen, müssen wir eine gesetzliche Grundlage für diese Teilbereiche schaffen. Ich bitte deswegen um Zustimmung.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben hier die Argumente diskutiert; deswegen will ich nicht auf die einzelnen Themen und Defizite eingehen. Vielleicht am Anfang nochmals eine Klarstellung, weil es offensichtlich ein Herzenswunsch der CSU ist, die Frage zu klären, ob die Opposition den Sozialbericht schlechtredet. Ich sage hier ganz deutlich: Kein Mensch redet hier irgendetwas schlecht. Selbstverständlich und ohne Zweifel konnten in Bayern in den letzten Jahren auf sozialem Gebiet Verbesserungen erreicht werden. Da geht es nicht um das Schlechtreden. Das ist so, und das erkennen wir an.
Aber es ist das Parlament, der Ort der politischen Diskussion, der richtige Platz, um die negativen Erkenntnisse oder Schattenseiten einer insgesamt nicht schlechten Lage zu benennen. Das ist der Ort, an dem das zu diskutieren ist. Der Unterschied zwischen der Opposition und der Regierungsmehrheit ist, dass wir uns auf die Seite derer stellen, die sich eben nicht auf der Sonnenseite des Lebens befinden. Das überlassen wir gerne der CSU. Alle Reden, die Sie heute gehalten haben, haben sich ausschließlich auf den bessergestellten Teil der Bevölkerung bezogen.
Wir haben eine andere Aufgabe. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben heute in allen Ihren Wortbeiträgen deutlich gemacht, dass die Menschen, denen es nicht so gut geht, von Ihnen nichts, aber auch gar nichts zu erwarten haben.
Liebe Frau Staatsministerin, für die Staatsregierung wäre es gut, wenn sie den Menschen, die im Leben täglich kämpfen müssen, Zuversicht geben würde. Sie könnten Existenzängste nehmen und den Menschen Hoffnung geben, dass es auch für den anderen Teil der Bevölkerung besser wird. Das wäre gut. Heute haben Sie jedoch eine ganz andere Botschaft ausgesendet, nämlich: Lieber Hartz-IV-Empfänger, liebe alleinerziehende Mütter und Väter, liebe ältere Menschen, die ihre Miete nicht mehr bezahlen können, liebe junge Menschen ohne Perspektive, beschwert euch nicht, sondern schaut in andere Bundesländer, wo es noch schlechter ist. – Das ist eine eiskalte so
zialpolitische Botschaft, die deutlich zeigt, dass die CSU eben keine Partei der sozialen Gerechtigkeit ist. Stattdessen ist sie eine Partei, die ein Drittel der Menschen in Bayern einfach alleinlässt. Das ist ihr programmatischer Ansatz.
Sie haben heute in Ihren Wortbeiträgen sehr viele Vergleiche zu anderen Bundesländern gezogen. Das kennen wir in diesem Hause schon. Das ist mittlerweile Ihr einziges programmatisches Vorgehen. Sie streben nicht mehr die Lösung von Problemen an, sondern stellen Ihre ganze Kraft, Ihre Ressourcen und Wortbeiträge darauf ab, Bundesländer zu suchen, in denen es ein bisschen schlechter ist als hier. Darauf konzentrieren Sie Ihre gesamte Kraft. Das ist jedoch keine Problemlösung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich würde mir wünschen, dass Sie sich weniger mit anderen Bundesländern vergleichen und dort mit der Lupe suchen, um sich noch besser darstellen zu können. Stattdessen sollten Sie Antworten auf die in diesem Sozialbericht benannten Probleme geben.
Liebe Frau Ministerin, ich spreche Ihnen den guten Willen, eine Verbesserung herbeizuführen, gar nicht ab – überhaupt nicht. Sie sollten aber auch danach reden und nicht einen Auftrag aus der PR-Abteilung der CSU-Regierung erfüllen; denn nichts anderes war Ihre Rede heute. Sie haben eine Werbestrategie aufgelegt, ohne Antworten auf die Probleme, die der Sozialbericht deutlich aufzeigt, zu geben.
Sie geben keine Antworten auf die Schwierigkeiten, die wir trotz der in der Tat guten Lage haben. Es ist keine Antwort, den Menschen, die sich die Miete nicht mehr leisten können, den armutsgefährdeten Kindern und den Familien, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht mehr auf die Reihe kriegen, zu sagen: Freunde, wir haben in Bayern einen super Durchschnittswert. Beschwert euch nicht. Was wollt ihr eigentlich? – Das ist keine Politik. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist nichts anderes als der Versuch, ein positives Stimmungsbild zu zeigen. Wenn es Ihr parlamentarischer Auftrag ist, dem Mitarbeiterstab einer PR-Strategie der CSU anzugehören, erfüllen Sie Ihren Wählerauftrag nicht.
Das ist ein Schlag ins Gesicht der Menschen, die Hilfe brauchen. Sie haben in der Aussprache zu diesem Sozialbericht null Komma null Antworten gegeben. Sie haben Ihre ganze Kraft darauf konzentriert, ein wunderschönes Bild der sozialen Lage Bayerns aufzuzeigen. Wir sagen selber, dass sie nicht schlecht
ist. Das hilft den Menschen jedoch nicht. Von Lobhudelei können die armen Kinder nicht abbeißen, wenn sie in die Schule gehen.
Von Schönfärberei können die Rentnerinnen und Rentner ihre Miete nicht bezahlen. Die Vermieter akzeptieren keine Schönfärberei. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Vermieter wollen Geld sehen. Wenn Sie den Menschen, die von Hartz IV leben müssen, ständig erklären, dass sie doch eigentlich zufrieden sein können, weil sie in einem wunderschönen Land leben, hilft es ihnen nicht weiter. Das sollten Sie in Ihre programmatische Debatte aufnehmen.
Gestatten Sie mir vielleicht noch zwei Sätze. Das sage ich ganz bewusst: Weil Sie dieses Problem nicht in den Blick nehmen wollen, um die schöne CSU-Kulisse nicht zu zerstören, sind Sie ein soziales Sicherheitsrisiko, Kolleginnen und Kollegen. Die heutige Debatte hat gezeigt, dass wir mit Ihnen die Probleme nicht lösen können. Ich sage das deswegen, weil ich die Debatten im Sozialausschuss verfolgen kann. Trotz der schönen Worte, die Sie heute zum Besten gegeben haben, geben Sie im Sozialausschuss keine Antworten auf die bestehenden Probleme. Das verfolgen die Menschen nur am Rande. Sie haben in den letzten zehn Jahren jeden, aber auch jeden Antrag, der zu einer Verbesserung der Situation führen würde, selbst wenn er noch so einfach und klein war, abgelehnt. Das ist Ihre Botschaft an die Menschen, denen es nicht so gut geht. Sie haben keine programmatischen Antworten, und Sie wollen auch keine geben. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind nicht die Partei der sozialen Gerechtigkeit, obwohl Sie das die Menschen immer wieder glauben machen wollen.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu später Stunde sollten wir dieses Thema vielleicht etwas von den in ternationalen Weltverschwörungen herunterholen, liebe Frau Schmidt. Es ist auch völlig klar, dass der Bayerische Landtag nicht zuständig ist und seine Ein griffsmöglichkeiten ziemlich eingeschränkt sind. Das Europäische Patentamt ist keine Institution des öffent lichen Rechts und keine Institution unserer Verwal tung.
Herr Taubeneder, Sie haben auch darauf hingewie sen, dass es Urteile gibt, und haben alles detailliert dargestellt. Ich glaube aber nicht, dass es den Antrag stellern genau darum geht. Hier geht es um ein ech tes Problem. Das haben Sie, Herr Taubeneder, im Ausschuss ja selbst zugegeben. Es geht um ein ech tes Problem. Wenn 3.000 Mitarbeiter auf die Straße gehen und demonstrieren; wenn Gerüchte stimmen, dass Arbeitnehmer im Krankheitsfall mit Hausarrest belegt werden; wenn Gerüchte stimmen, dass nicht von Personalgesprächen, sondern von Verhören die Rede ist; wenn es stimmt, dass Mitarbeitern verboten wurde, eine gewerkschaftliche Unterstützung mitzu nehmen; wenn es stimmt, dass verhindert wurde, dass Arbeitnehmervertretungen gegründet wurden; und wenn es stimmt – das haben Sie auch bestätigt –, dass ein Streikrecht, das völlig normal ist, gerichtlich erstritten werden muss: dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, besteht in der Tat Anlass zur Sorge.
Um das geht es, um sonst nichts.
Nun verweisen Sie immer auf die Nichtzuständigkeit und darauf, dass wir nichts machen können. Ich sage Ihnen – das habe ich Ihnen im Ausschuss auch schon gesagt –: Wir sind nicht ein Verwaltungsvollzugsor gan, sondern ein politisches Parlament. Meines Erachtens steht es einem politischen Parlament sehr gut an, sich auch um Dinge zu kümmern, auf die es möglicherweise keinen direkten Einfluss hat, die aber eine politische Bedeutung haben. Eine politische Be deutung hat dieses Thema sehr wohl; denn Men schen gehen nicht ohne guten Grund auf die Straße. Es handelt sich nicht um 20 oder 30, sondern um Tau sende. Es ist auch nicht so, dass das auf die leichte Schulter genommen werden kann; denn man erzählt sich auch, dass es aufgrund von Mobbing Selbst mordversuche gegeben hat. Es wird darüber berich tet, dass dieses Patentamt eine klassische Mobbing Institution ist. Wenn dies alles stimmt, dann steht es diesem Landtag sehr gut an, sich darum zu kümmern. Darum geht es in dem Antrag, der gestellt worden ist, und deswegen unterstützen wir diesen Antrag.
Wir wissen auch, dass viele darüber reden, dass das Europäische Patentamt ein Amt des kollektiven Mob bings ist oder war.
Auch das ist nicht bestritten. Deswegen meine ich, dass sich der Landtag mit diesem Thema zu Recht beschäftigt. Wissen Sie, warum? – Weil ich glaube, dass uns die Unterstützung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, egal, woher sie kommen, gut an steht, vor allen Dingen dann, wenn es um massive Verstöße gegen die Arbeitnehmerrechte geht.
Es kann nämlich nicht sein, lieber Herr Kollege Tau beneder,
dass wir in diesem Landtag im europapolitischen Dis kurs gleichzeitig immer wieder Formulierungen ver wenden wie: Wir sind eine werteorientierte Gesell schaft; wir brauchen ein werteorientiertes Europa. Das Wort "Werte" ist ja auch bei Ihnen en vogue; Sie verteidigen ja die Werte Europas gegenüber der gan zen Welt. Ich sage Ihnen aber: Die Arbeitnehmerrech te sind auch Werte, die man verteidigen muss. Des wegen ist es richtig, dass sich dieser Landtag mit diesem Thema beschäftigt.
Es geht nämlich nicht, dass wir ständig nur darüber diskutieren, dass es in Europa Grundsätze geben muss. Ein Grundsatz in Europa ist der Schutz der Ar beitnehmer vor Mobbing und vor Ausnutzung, das Recht der Arbeitnehmer auf gewerkschaftliche Mitbe stimmung,
und das Recht der Arbeitnehmer auf Streik und auf Gründung von Gewerkschaften.
Wenn das alles im Europäischen Patentamt nicht stattfinden kann, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann beschäftigt sich dieser Landtag zu Recht mit diesem Thema. Es nützt auch nichts, wenn Sie immer auf irgendwelche anderen Institutionen verweisen.
Zum Schluss noch zu dem vorliegenden Antrag: Ich weiß nicht, was Sie von der CSU aus dem Antrag he rauslesen. Darin steht sinngemäß: Die Bayerische Staatsregierung wird aufgefordert, die Bediensteten in ihrem Bemühen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh merrechte einzufordern, zu unterstützen. – Nur darauf zielt der Antrag ab; denn die Begründung beschließen wir nicht.
Ich glaube, dass der Landtag diesen Antrag ohne Pro bleme beschließen könnte. Wollen Sie mit Ihrer Ab lehnung dokumentieren, dass Sie nicht dafür sind, Ar beitnehmerrechte einzufordern und zu erkämpfen? Wollen Sie denn nicht, dass sich die Staatsregierung darum bemüht, dass Arbeitnehmerrechte verwirklicht werden?
Aus den genannten Gründen könnten auch Sie dem vorliegenden Antrag ohne Probleme zustimmen. Sie bräuchten jedenfalls nicht einen Popanz aufzubauen, wie Sie es heute getan haben.
Um es klarzustellen: Ich will von Ihnen gar nichts. Sie können entscheiden, wie Sie wollen; Ihre Entscheidung spricht für sich.
Wenn ich jetzt aufzählen würde, was Sie von diesem Pult aus über verschiedene politische Themen schon erzählt haben, ohne Fakten vorgelegt zu haben,
dann würde diese Liste von hier bis nach Paris rei chen.
Zur Sache: Ich nehme die Überzeugung – –
Ich habe überhaupt nichts behauptet. Lieber Herr Kollege, meine Überzeugung, dass etwas faul ist, gründet sich darauf, dass 3.000 Menschen auf die Straße gegangen sind und Petitionen eingereicht haben. Sie haben sich an Institutionen gewandt, um sich zu beschweren. Deswegen sage ich:
Angesichts dieses Umfangs kann man zu Recht davon ausgehen, dass die Beschwerden einen wah ren Kern haben. Selbst wenn nur ein Teil der Vorwürfe zutrifft, dann ist das Mobbing in der klassischen Form. So etwas wollen wir einfach nicht haben, egal, um welchen Arbeitnehmer und um welches Amt es geht.
Deswegen stimmen wir – auch aus grundsätzlichen Erwägungen – diesem Antrag zu.
Danke, Frau Präsi dentin. Ich brauche keine fünf Minuten. – Ich finde es
völlig unangemessen, dass Herr Kollege Jürgen Heike, während ich geredet habe, behauptet hat, es sei nicht das erste Mal, dass ich von diesem Pult aus bewusst die Unwahrheit gesagt habe. Das weise ich zurück.
Ich finde, das ist eine Äußerung, die so nicht geht.
Sie bezichtigen mich der Lüge. Ich weise das zurück.
Ein paar Minuten zuvor hatten Sie von mir verlangt, ich solle Fakten auf den Tisch legen.
Ich fordere Sie auf, Ihre Aussage, dass ich bewusst die Unwahrheit gesagt hätte, hier zu belegen oder, wenn Ihnen das nicht möglich ist, sich zu entschuldi gen und diese Aussage zurückzunehmen.
Herr Kollege Blume, ich habe mich gemeldet, als Sie uns oder zumindest der linken Seite vorgeworfen haben, dort säßen die Feinde der offenen Gesellschaft.
Lieber Herr Blume, nehmen Sie zur Kenntnis – das meine ich ernst –, dass wir dafür von Ihnen keine Nachhilfe brauchen.
Für eine offene Gesellschaft haben Sozialdemokraten in diesem Hohen Haus ihr Leben gelassen. Es ist eine bodenlose Unverschämtheit, die Sie hier an den Tag legen. Dafür brauchen wir von Ihnen keine Nachhilfe.
Sie haben hier ganz empathisch eine Reihe von Selbstverständlichkeiten zum Besten gegeben. Wir werden die Grundordnung dieses Landes nach Grundgesetz und Verfassung respektieren. Dazu brauchen wir nicht Ihre Aufforderung. Aber Sie haben es erneut nicht geschafft, die von Ihnen sogenannte bayerische Leitkultur zu definieren.
Alles, was Sie gesagt haben, ist bereits heute im Grundgesetz verankert, wozu wir stehen.
Es wäre schön, wenn Sie endlich dazu kämen zu definieren, was über das Grundgesetz und über die Verfassung hinaus zur bayerischen Leitkultur gehören soll, wozu wir die Zuwanderer verpflichten sollen. Diese Frage ist bis heute nicht beantwortet. Deswegen gibt es auch diese Debatte, lieber Herr Kollege Blume.
Und ein Letztes: Sie haben die Glaubwürdigkeit völlig verloren, eine solche Debatte zu führen.
Wer genau diejenigen in Europa, die eine offene Gesellschaft, Liberalität und Freiheitswerte mit den Füßen treten, hier nach Bayern einlädt, nämlich die Orbáns und Kaczynskis dieser Welt, hat jede Glaubwürdigkeit verloren, wenn er hier empathisch für eine offene Gesellschaft kämpft.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir eine Anmerkung zur Wortmeldung des Herrn Kollegen Zellmeier zu dem Artikel. Lieber Herr Kollege Zellmeier, Sie haben kritisiert, dass wir unsere Redezeit ausschöpfen. Ich kann Ihnen nur sagen, wir nehmen dieses Gesetz im Gegensatz zu Ihnen sehr ernst.
Nachdem sich die Kolleginnen und Kollegen von der CSU in den Debatten in den Fachausschüssen von der Diskussion verabschiedet haben, kann man vielleicht zu der Meinung kommen, dass Sie dieses Gesetz überhaupt nicht interessiert. Ich bin auch davon überzeugt, dass Sie das, was wir hier beschließen, nicht interessiert. Sie erfüllen nur einen Auftrag der Staatsregierung, weil Sie dieses Gesetz brauchen, um im Bierzelt agitieren zu können. Das ist der einzige Grund dafür, dass Sie dieses Gesetz brauchen.
Dann möchte ich zu den Integrationszielen kommen. Meines Erachtens besteht ein gewaltiger Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Das wird an diesem Artikel ganz besonders deutlich. Sie schreiben in Ihr Gesetz, dass sich Bayern zu seiner Verantwortung gegenüber allen bekennt, die Schutz vor Krieg und Verfolgung suchen. Nun darf ich Ihnen aber die Realität vor Augen halten, die Sie draußen, vor allem an den Stammtischen und in den Bierzelten immer wieder zum Besten geben. Ich darf Sie daran erinnern, dass es nichts mit der Achtung der Menschenwürde zu tun hat und auch nicht damit, dass man seiner Verantwortung gegenüber den Menschen nachkommt, die vor Krieg, Verfolgung, Gewalt, Vergewaltigung, Hunger usw. fliehen, wenn man in den Bierzelten pauschal zum Besten gibt, dass man die Zuwanderung in das deutsche System bis zur letzten Patrone verhindern wird. Diese Aussage zielt auf alle Zuwanderer. Damit hat man die Glaubwürdigkeit verloren, wenn
man einen solchen Satz in ein Gesetz schreibt. Das ist eine politische Lüge.
Das, was Sie hier hineinschreiben, ist eine politische Lüge, Kolleginnen und Kollegen. Das hat mit der Realität nichts zu tun. Wie sonst soll man denn die Kampfrhetorik, die Sie außerhalb dieses Hauses immer wieder an den Tag legen, verstehen? Ich erinnere an die Bemerkungen Ihres Generalsekretärs Scheuer über den Fußball spielenden und ministrierenden Senegalesen. Wer solche Sätze draußen sagt, spaltet die Gesellschaft, und zwar pauschal in Deutsche und Zuwanderer.
Deswegen ist es völlig unglaubwürdig, wenn Sie sich zu Ihrer Verantwortung gegenüber allen, die Schutz vor Krieg und Verfolgung suchen, bekennen. Sie sind unglaubwürdig.
Und das geht noch weiter. Wer pauschal Rentnerinnen und Rentner gegen Zuwanderer ausspielt, indem er ständig Kostenvergleiche anstellt, die völlig an den Haaren herbeigezogen sind, hat auch die Glaubwürdigkeit verloren.
Deswegen werden wir diesen Artikel und dieses ganze Gesetz selbstverständlich ablehnen.
Ich möchte zu der Formulierung, Sie verlangen unabdingbare Achtung vor der Leitkultur, etwas sagen. Was das bedeuten soll, hätte ich gerne einmal erklärt bekommen. Sie verlangen unabdingbare Achtung vor der Leitkultur. Sie waren noch nicht einmal in der Lage – weder Sie auf den Abgeordnetenbänken noch Sie auf der Regierungsbank –, die Leitkultur zu erklären, schreiben aber in ein Gesetz hinein, dass Sie von allen Zuwanderern die unabdingbare Achtung verlangen.
Wie wollen Sie das denn kontrollieren? Dazu fehlt mir völlig die Information. Frau Staatsministerin, vielleicht erbarmen Sie sich einmal und kommen hierher an dieses Mikrofon und erklären uns, wie Sie das kontrollieren wollen. Vielleicht kann es auch der Herr Innenminister erklären.
Wollen Sie eine Leitkulturpolizei einführen, oder wie wollen Sie das machen? Dieses Gesetz ist ein Beispiel dafür, dass Sie die Integration nicht ernst nehmen. Sie wollen mit diesem Gesetz eine Firewall gegenüber Zuwanderern errichten. Darauf ist dieses Gesetz ausgerichtet, auf nichts anderes. Der Beweis dafür, dass Sie die Integrationsziele, die Sie in diesem Artikel anführen, nicht ernst nehmen, ist das Eingangsstatement Ihres Fraktionsvorsitzenden. Es ist mir wirklich wichtig, das hier noch einmal zu erwähnen.
Lieber Herr Kreuzer, das, was Sie hier abgeliefert haben, hat nichts mit Integration und Menschenachtung zu tun, aber auch gar nichts. Es ist nur das Predigen von Zwietracht und sonst nichts.
Sie predigen Zwietracht, und das Schlimme dabei ist, dass Sie in der Gesellschaft Zwietracht predigen und sich ganz eindeutig gegen Zuwanderung positionieren. Sie positionieren sich gegen die Schwächsten in der Gesellschaft.
Damit ignorieren Sie das christliche Weltbild, das Sie selber umsetzen wollen.
Liebe Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will das Abstimmungsverhalten meiner Fraktion begründen. Es ist schon viel gesagt worden. Lassen Sie mich darüber hinaus noch einige Anmerkungen dazu machen, was uns dazu gebracht hat, auch dem Artikel 4 nicht zuzustimmen.
Erstens. Es ist völlig unglaubwürdig, einerseits den Erwerb der deutschen Sprache zu fordern und sogar mit Strafe bzw. der Forderung nach Rückzahlung der Fördergelder zu drohen, sofern die Vermittlung der deutschen Sprache bei dem einen oder anderen Migranten oder der einen oder anderen Migrantin nicht gelingt, wenn andererseits nicht ausreichend Sprachkurse zur Verfügung gestellt werden. Der Haushaltsvorbehalt gilt auch für diese Regelung des Gesetzes. Staatsregierung und CSU verlangen unter Androhung von Strafe die Rückzahlung der Fördergelder, stellen aber nicht ausreichend Finanzmittel bereit, damit ausreichend Sprachkurse angeboten werden können. Das ist der erste Grund unserer Ablehnung.
Was den zweiten Grund angeht, so will ich Herrn Steiner ansprechen: So viel Blödsinn kann man eigentlich gar nicht reden; Herr Steiner kann es anscheinend.
Wenn Sie sich wieder abgeregt haben, machen wir weiter.
Wir werden Artikel 4 auch deswegen nicht zustimmen – –
Liebe Kolleginnen und Kollegen, seit vielen Jahren kämpft die SPD dafür – ich bin seit 18 Jahren Mitglied dieses Hauses; damals waren Sie, Herr Steiner noch gar nicht da –,
dass die Schulen mit ausreichend Lehrern ausgestattet werden, um ausreichenden und qualitätsvollen Spracherwerb zu organisieren.
Das haben Sie verschwiegen.
Im Gegenteil, die Forderung nach mehr Lehrerinnen und Lehrern – –
Das ist eine Erklärung.
Hätten Sie in den vielen vergangenen Jahren die Forderungen der Opposition nach kleineren Klassen und mehr Lehrerinnen und Lehrern unterstützt, dann wäre die heutige Situation besser, als sie es tatsächlich ist. Da Sie das nicht
gemacht haben, werden wir Ihre heutige – heuchlerische – Forderung nach mehr Sprachkursen nicht unterstützen.
Nächster Grund: Wir werden auch deswegen nicht zustimmen, weil Sie neben der Betonung der Bedeutung des Erwerbs der deutschen Sprache die Förderung der Muttersprache komplett ausblenden. Es ist wichtig, dass bei der Integration auch die nichtdeutsche Muttersprache gefördert wird. Das lehnen Sie ab, das sehen Sie nicht vor. Auch deswegen werden wir Artikel 4 nicht zustimmen.
Der letzte Grund, aus dem wir Artikel 4 ablehnen, betrifft die Formulierung zum Sprachniveau. Wie wollen Sie reagieren, wenn die Grundforderung, dass jeder nach drei Jahren in der Lage sein soll, sich angemessen in deutscher Sprache zu verständigen, bei einem syrischen Kind, einem syrischen Vater oder einer syrischen Mutter aus diversen Gründen nicht erreicht werden kann? Laut Gesetzentwurf wollen Sie von ihnen die Förderaufwendungen zurückverlangen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist kein Beitrag zur Integration, sondern ein Beitrag zur Ausgrenzung, sonst nichts. Zumindest wird dieses Signal ausgesandt. Auch deswegen werden wir Artikel 4 nicht zustimmen.
Herr Präsident, ich möchte einen Antrag zur Geschäftsordnung einbringen. Ich möchte den Ältestenrat einberufen.
Ich finde es unerträglich, wie die CSU bei den Reden ihr Desinteresse an dieser Debatte durch hämische, abfällige Bemerkungen zum Ausdruck bringt. Ich finde das nicht angemessen. Ich glaube, es bedarf einer Klärung dieses Verhaltens der CSU-Fraktion. Diese will offensichtlich nichts, aber auch gar nichts dazu
beitragen, dass man dieses Gesetz hier vernünftig beraten kann.
Ja, so weit ist die CSU gesunken, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ich stelle den Antrag auf Sitzungsunterbrechung und Einberufung des Ältestenrates, liebe Kolleginnen und Kollegen,
um der CSU die Möglichkeit zu geben, noch einmal darüber nachzudenken, ob diese Art und Weise die richtige für dieses Parlament ist. Ich würde mich an Ihrer Stelle schämen, Herr Fraktionsvorsitzender.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie sehen: Wir sind noch frisch.
Wir sind fit. Sie haben gemerkt, dass die Diskussion um dieses Gesetz sehr viele Fragen aufgeworfen hat. Deshalb wollen wir noch mal die Gelegenheit geben, einen anderen Termin für die Dritte Lesung zu finden.
Wir haben auch gehört, dass der eine oder andere Kollege aus der CSU-Fraktion gar nicht darüber informiert war, dass wir diese Möglichkeit angeboten haben. Deswegen wiederholen wir das Angebot.
Sie haben jetzt noch mal die Gelegenheit, für die Dritte Lesung einen anderen Plenartermin zu finden, um
das Gesetz in Ruhe und aller Sachlichkeit in einer Dritten Lesung zu diskutieren.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, dafür, dass Sie sich seit Stunden nicht mehr an dieser Debatte beteiligen und dass Sie sich auch in den Ausschüssen nicht daran beteiligt haben, riskieren Sie jetzt eine große Lippe mit Geschrei und mit Häme. Wissen Sie, was das ist? – Das ist für einen Parlamentarier unterste Schublade.
Danke schön. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir reden über den Artikel 1, über die Formulierung von Integrationszielen. Ich sage Ihnen von der Regierungsbank und auch den Kolleginnen und Kollegen von der CSU: Hätten Sie bei der Formulierung der Integrationsziele in Ihren Gesetzentwurf hineingeschrieben "Wir wollen euch nicht", wäre es ehrlicher gewesen als das, was Sie hineingeschrieben haben.
Wir wollen euch nicht. Wenn ihr doch kommt, dann legen wir euch Steine in den Weg. – Das wäre die ehrlichere Formulierung Ihrer Integrationsziele gewesen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dieser Zielbeschreibung für die Integration verschleiern Sie Ihr wahres Begehren. Sie wollen keine Integration; das
wird hier ganz deutlich. Sie wollen Assimilation. Sie wollen, dass sich die Menschen Ihnen ohne Wenn und Aber anpassen. Das ist Ihr ehrliches Ziel. Das versuchen Sie, durch Worthülsen zu verschleiern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, was wir brauchen, ist eine menschenwürdige Integrationspolitik. Die ist jedoch bei Ihrer Integrationszielbeschreibung Fehlanzeige. Was wir brauchen, ist eine solidarische Integrationspolitik. Das ist eine Politik, die solidarisch mit den Menschen umgeht, die zu uns kommen, um Schutz zu suchen. Wir sprechen von Kriegsflüchtlingen. Wir sprechen von Menschen, die zu Hause ausgebombt sind. Wir sprechen von Menschen, die zu Hause Gewalt erfahren. Wir sprechen von Kindern und Frauen. All diesen Menschen legen Sie Steine in den Weg. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ein schlechter Willkommensgruß.
Ziel einer vernünftigen Integrationspolitik muss es doch sein, eine gleichberechtigte Teilhabe der Menschen am Leben zu erreichen. Das ist doch das Mindeste. Dieses Ziel fehlt bei Ihrer Integrationsbeschreibung. Ziel einer vernünftigen Integrationspolitik ist es doch, die Menschen wertzuschätzen. Was wir hier und heute von Ihnen erlebt haben, ist keine Wertschätzung, das ist primitive Ablehnung.
Das macht die Sache ganz schlimm.
Sie haben diese Debatte mit einem Wortbeitrag Ihres Fraktionsvorsitzenden begonnen, der menschenverachtend gegenüber denen war, die bei uns Schutz und Asyl suchen. Das ist menschenverachtend. Deswegen ist dieses Gesetz abzulehnen. In Ihrer Zielbeschreibung haben Sie ausgeführt: Wir wollen unsere Verantwortung ernst nehmen. Gar nichts nehmen Sie ernst! Sie handeln verantwortungslos gegenüber allen, die aus Kriegsgebieten zu uns kommen, um hier Schutz zu suchen. Das ist verantwortungslos. Das ist Ihre Zielbeschreibung, die zwischen den Zeilen nachzulesen ist.
Ein paar Stunden lang haben Sie versucht, das mit Worthülsen und Programmsätzen zu vertuschen und zu verstecken. Nachdem Sie gemerkt haben, dass dieser Versuch scheitert, haben Sie die Diskussion eingestellt. Das ist Ihre Art und Weise der parlamentarischen Debatte über ein wichtiges Gesetz. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dazu kann ich nur sagen: Pfui Teufel!
Aber Sie sind ja diejenigen, die das christliche Menschenbild für sich gepachtet haben. Alleine Sie haben das Recht, ein christliches Menschenbild zu definieren. Liebe Leute, wenn das, was Sie heute hier abgeliefert haben, das christliche Menschenbild ist, dann kann ich dazu nur sagen: Gute Nacht, Kirchen. Das hat mit dem christlichen Menschenbild nichts zu tun, und mit einer Wertevermittlung schon gleich überhaupt nichts. Sind das denn Ihre Werte, Mauern aufzubauen, Zäune zu errichten und die Diktatoren dieser Welt einzuladen? Sind das Ihre Werte? – Darauf können wir verzichten. Und ich sage Ihnen: Die Menschen in diesem Land können auch darauf verzichten. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist bei dieser Debatte klar geworden. Ich glaube, es ist Ihnen selber klar geworden. Wenn Sie sich morgen früh vor den Spiegel stellen, wird Ihnen klar werden, was Sie heute in diesem Parlament gegenüber den Menschen,
die bei uns Schutz suchen, angerichtet haben.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns alle über die Schwierigkeit der außenpolitischen Diskussion im Zusammenhang mit der Türkei einig. In schwierigen Zeiten gilt es, einen kühlen Kopf zu bewahren. Das will ich zuallererst sagen.
Eine zweite Weisheit: Frieden, Sicherheit und Wertevermittlung wurden noch nie erreicht, indem man die Muskeln spielen lässt.
Zum Dritten bemerke ich zu einem meiner Vorredner: Lieber Herr Dr. Huber, ich wäre an Ihrer Stelle vorsichtig mit starken Worten.
Wer über Monate hinweg demonstriert, dass er Ungarn hofiert, einen Staat, den wir auch nicht unterstützen wollen, und wer die Politik von Trump lobt, der ist kein glaubwürdiger Vertreter einer vernünftigen und inhaltlich fundierten Außenpolitik.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ohne Zweifel sind die aktuellen Vorgänge in der Türkei zu verurteilen. Es passt nicht in die Wertegemeinschaft der Europäischen Union, wie die Türkei derzeit agiert. Es passt nicht in die Europäische Union, wenn man Nichtregierungsorganisationen verbietet, Pressefreiheit einschränkt und Abgeordnete des Nationalrats verhaftet. Es passt nicht in die Politik der Europäischen Union, wenn nach wie vor über 35.000 Staatsbedienstete inhaftiert sind: Polizisten, Lehrerinnen und Lehrer, Richter und viele andere.
Das ist wahr; und hier stellt sich die Frage nach der Konsequenz. Die Konsequenz der CSU ist nicht neu; der Antrag zeigt es wieder: Die CSU will alle Brücken zur Türkei abbrechen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, fragen Sie sich, ob das Abbrechen von Brücken, das Beenden des Miteinander-Redens, das Beenden eines Dialogs letztendlich zum Erfolg führt. Daran habe ich große Zweifel. Deswegen werden wir Ihrem Antrag nicht zustimmen.
Wir wollen eine Politik der Diplomatie; wir wollen eine Politik des Miteinander-Redens realisieren; wir wollen eine Politik der europäischen Wertegemeinschaft vermitteln. Wir wollen in der Außenpolitik nicht eine Politik der Muskeln realisieren; denn was erreichen Sie denn, liebe Kolleginnen und Kollegen? Meinen Sie, Sie helfen den verhafteten Abgeordneten und den Kolleginnen und Kollegen im Europäischen Parlament? Meinen Sie, Sie helfen den Journalisten, die verhaftet worden sind? Meinen Sie, Sie helfen den Menschen, die sich in der Türkei um Demokratie bemühen? – Genau das Gegenteil ist der Fall. Eine Politik der Muskeln und starken Worte hilft ausschließlich dem türkischen Präsidenten in seinem Bemühen, die Demokratie in der Türkei abzubauen. Dafür sind wir nicht. Deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab. Sie helfen niemandem mit Ihrer Politik. Das ist auch völlig klar; denn Sie haben nicht die außenpolitische Dimension der Europapolitik im Blick. Sie haben nicht die außenpolitische Sichtweise; Sie haben lediglich eine innenpolitische Sichtweise. Sie wollen sozusagen den berechtigten Ärger der Menschen, auch der Wählerinnen und Wähler bei uns in Deutschland, aufgreifen. Das ist doch Ihr Ziel. Dabei ist es Ihnen scheinbar auch nicht so wichtig, ob es eine internationale europäische Dimension gibt oder nicht. Deswegen werden wir Ihrem Antrag nicht zustimmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich halte es eher mit den Parteien im Europäischen Parlament. Sie haben in den letzten Tagen eine Entschließung verabschiedet, die eine vernünftige inhaltliche Positionierung festschreibt. Vielleicht nehmen Sie auch zur Kenntnis, dass Ihre eigene Partei daran mitgearbeitet und zugestimmt hat. Auch Herr Manfred Weber, Ihr Vertreter im Europäischen Parlament, ist sozusagen ein eher vorsichtiger Europapolitiker. Dazu rate ich auch Ihnen. Seien Sie in dieser Zeit eher zurückhaltend, aber ohne auf die Kritik zu verzichten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ja, wir müssen für alle Länder eine Europapolitik machen, die die Wertegemeinschaft Europa generiert. Ja, wir müssen auch die Türkei kritisieren. Ja, wir müssen die Menschen, die Opposition, die Verhafteten und diejenigen, die in der Türkei im Gefängnis sind, unterstützen. Ja, wir müssen uns kümmern. Das alles geht aber nur gemeinsam. Das geht schon gar nicht aus dem weltbedeutenden bayerischen Parlament heraus. Das geht schon gleich gar nicht.
Ich würde Sie schon dazu auffordern wollen, Ihren Antrag zu modifizieren. Sie beantragen das Ende der diplomatischen Beziehungen zwischen der Türkei und
der Europäischen Union. Das kann doch wirklich niemand wollen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer erinnert sich nicht an das schreckliche Zugunglück in Bad Aibling? Wer erinnert sich nicht an andere Großschadensereignisse in Bayern und weit darüber hinaus? Ich glaube, es ist sinnvoll und richtig, noch einmal zu betonen, wie wichtig und wie notwendig eine hoch qualifizierte Rettungskette in Bayern ist. Ich will die Gelegenheit heute noch einmal nutzen, allen, die vor Ort im Einsatz waren, der Polizei, den Rettungskräften, der Feuerwehr und vielen anderen, ein herzliches Dankeschön zu sagen. Sie sind der Garant für eine schnelle und effektive Hilfe, der Garant für eine Unterstützung der Unfallopfer und der Garant für eine Unterstützung auch derjenigen, die an dem Schadensereignis beteiligt sind. Ich glaube, wir sollten – da gibt es im Haus auch sicher keinen Dissens – für die Erfüllung dieser wichtigen Aufgabe noch einmal herzlich Dankeschön sagen.
Meine Damen und Herren, in den letzten Jahren hat sich neben den erfahrenen Kräften, die sich etabliert haben, nämlich den Rettungsdiensten, der Feuerwehr und der Polizei – da hat Bayern eine sehr gute Struktur und Einsatzorganisation –, sozusagen eine weitere Abteilung der Rettungskette entwickelt, die heute bei der vernünftigen und umfassenden Unterstützung bei Großschadensereignissen oder auch bei Unfällen allgemeiner Art gar nicht mehr wegzudenken ist. Ich meine die sogenannte Krisenintervention und die Psychosoziale Notfallversorgung, die inzwischen nicht mehr wegzudenken ist.
Bei großen Unfällen und Schäden werden auch die Spezialisten für eine psychosoziale Versorgung alarmiert, um denjenigen beizustehen, die von dem Unfall nicht direkt, sondern indirekt betroffen sind. Wer soll zum Beispiel den Eltern nach einem plötzlichen Kindstod morgens oder wann auch immer helfen? Wer soll bei einem Unfall denjenigen Menschen beistehen, die am Rande betroffen sind? Das sind Angehörige und auch Zeugen. Wer soll den Rettungsassistenten oder den aktiv beteiligten Feuerwehrleuten beistehen, die täglich mit hohen psychischen Belastungen konfrontiert sind, wenn sie bei Unfällen zugegen sind? Ich war selber viele Jahre im Rettungsdienst tätig, im Hubschraubernotdienst und in anderen Bereichen. Ich kann bestätigen, dass die Belastung, der die Helferinnen und Helfer ausgesetzt sind, enorm ist. Deswegen ist es richtig und gut, dass sich in den letzten Jahren die Psychosoziale Notfallversorgung etabliert hat. Sie ist von der Rettungskette insgesamt nicht mehr wegzudenken.
Es gibt in der sogenannten Krisenintervention eine gute Zusammenarbeit der Spezialisten im Rettungsdienst mit den etablierten Rettungskräften. Sie sind gerne gesehen und helfen mit. Somit ist Bayern – das darf ich mal sagen – schon immer ein Vorreiter in der Psychosozialen Notfallversorgung gewesen. Ich darf daran erinnern, dass der Arbeiter-Samariter-Bund vor 20 Jahren das erste Kriseninterventionsteam in diesem Segment der Ersten Hilfe gegründet und etabliert hat, und zwar bundesweit.
Daraus hat sich bis heute ein hoch spezialisiertes Rettungsmittel entwickelt, das gar nicht mehr wegzudenken ist. Allerdings muss man betonen, dass sich aus den Grundlagen für die Psychosoziale Krisenintervention ein deutlicher Handlungsbedarf ableitet. In vielen Städten, Gemeinden und Landkreisen gibt es solche Einrichtungen, die allerdings in der Hauptsache auf ehrenamtliches Engagement ausgerichtet
sind. In der Landeshauptstadt München gibt es auch Hauptamtliche. Allerdings werden diese Strukturen bisher ausschließlich von den Hilfsorganisationen selbst finanziert. Man geht davon aus, dass es die Hilfsorganisationen schon richten werden. Das machen sie in der Regel auch.
Ich glaube aber, es ist jetzt grundsätzlich an der Zeit, dieses Segment der Ersten Hilfe auf ordentliche Füße zu stellen, und zwar auf gesetzlich geregelte Füße. Es gibt in der Rettungskette keine Abteilung ohne Gesetz. Wir haben ein Rettungsdienstgesetz, wir haben ein Polizeiaufgabengesetz, wir haben ein Feuerwehrgesetz. Alles hat gesetzliche Grundlagen, nur die Psychosoziale Notfallversorgung nicht. Deswegen bringen wir diesen Gesetzentwurf ein. Hier geht es darum, dass man qualifizierte Kräfte etabliert. Es geht darum, dass man die Aus-, Fort- und Weiterbildung organisiert. Es geht darum, die Finanzierung zu regeln und die Hilfsorganisationen mit der Erfüllung dieser Aufgaben nicht alleine zu lassen. Es geht darum, dass man Strukturen schafft, die die Psychosoziale Notfallversorgung grundsätzlich zu den Beteiligten im Rettungswesen in der Ersten Hilfe hinzunehmen. Da haben wir einen Nachholbedarf. Wir haben nicht in allen Landkreisen und allen Rettungszweckverbänden eine solche Abteilung. Wir haben nicht flächendeckend die Psychosoziale Notfallversorgung, sondern nur dort, wo das Hilfsorganisationen selber machen. Wir haben eine unzureichende Vernetzung. Wir haben die Setzung von Standards und die Finanzierung in der Psychosozialen Notfallversorgung nicht geregelt. Aus diesem Grund glaube ich, dass es auch eine Anerkennung der Betroffenen selber wäre, diese Lücke in der Rettungskette zu schließen.
Das ist im Prinzip gar nicht so schwierig. Wenn Sie Ihren Blick auf den Gesetzentwurf richten, wird Ihnen das auffallen. Wir haben Rettungszweckverbände. Wir haben Rettungsleitstellen. Wir müssen deswegen keine Strukturen komplett neu erfinden; wir haben sie bereits. Wir müssen nur dafür sorgen, dass die Rettungsleitstellen und die Rettungszweckverbände diese Aufgabe zu den Pflichtaufgaben bei einem Großschadensereignis oder bei einem Unfall hinzunehmen, was faktisch sowieso schon passiert, aber halt nicht überall. Wir haben ein hohes Interesse an einer hoch qualitativen, flächendeckenden Erste-HilfeVersorgung. Ohne die Psychosoziale Notfallversorgung ist diese Rettungskette eben nicht vollständig. Ich denke, dass die Hilfsorganisationen das verdient haben, und zwar auch in Bezug auf die Finanzierung. Deswegen bringen wir dieses Gesetz ein.
Meine Damen und Herren, wir möchten erreichen, dass die Psychosoziale Notfallversorgung eine öffentliche Aufgabe wird und damit wiederum von Bayern ein Signal ausgeht. Wenn dieses Gesetz Wirklichkeit werden sollte, was wir uns natürlich wünschen, wäre es das erste Gesetz in Deutschland, das die Psychosoziale Notfallversorgung auf feste gesetzliche Füße stellt. Das wäre ein weiterer Baustein auf dem Weg zu einer Vorbildlichkeit Bayerns bei der Ersten Hilfe.
Deswegen wollen wir, dass diese Aufgabe zu einer öffentlichen Aufgabe per Gesetz wird. Träger sollen die Behörden, die Landkreise, die kreisfreien Städte und die Gemeinden werden. Die Umsetzung soll über die Rettungszweckverbände erfolgen, die wir ja schon haben. Angebotsträger sollen im Wesentlichen die Hilfsorganisationen und die Notfallseelsorge der Kirchen werden.
Ich will an dieser Stelle noch erwähnen, dass die Kirchen auch in dem Segment der Psychosozialen Notfallversorgung hervorragende Arbeit leisten. Sie arbeiten oft im Hintergrund, sind aber doch sehr präsent. Die Kirchen sind mittlerweile neben den Hilfsorganisationen zu einem wichtigen Träger der Psychosozialen Notfallversorgung geworden. Auch dafür geht unser herzlicher Dank an die Kirchen.
Es bleibt allerdings bei der Feststellung, dass die Kirchen bisher insoweit ohne gesetzliche Grundlage tätig werden.
Unser Gesetzentwurf sagt ferner aus, dass entsprechende Teams der Rettungsleitstellen sozusagen fest eingerichtet werden und bei Alarmierung wegen eines Großschadensereignisses oder eines anderen Unfalls mit den etablierten Rettungskräften vor Ort sein sollten.
Wir wollen mit unserem Gesetzentwurf eine Beratungsinstitution schaffen, die Standards für die Psychosoziale Notfallversorgung definiert, Aus- und Fortbildung organisiert, grenzübergreifende Koordination bei Großschadensereignissen sicherstellt und fachliche Beratung der Rettungskräfte durchführt.
Eine Kontinuierliche Zentralstelle ist ebenso notwendig wie ein Qualitätsmanagement. Auch dies regelt der vorliegende Gesetzentwurf.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wünsche mir, dass wir dieses Thema fraktionsübergreifend aufgreifen. Es eignet sich nicht für eine parteipolitische bzw. pointiert politische Diskussion. Unser Ziel muss es
vielmehr sein, eine der hervorragendsten Aufgaben der öffentlichen Hand, die Sicherstellung der Ersten Hilfe und der Notfallversorgung, vernünftig zu regeln. Wir sind jederzeit bereit, über diesen Gesetzentwurf zu sprechen, um zu einem vernünftigen Ergebnis zu kommen, das fraktionsübergreifend getragen werden kann. Vielleicht gelingt es der CSU ausnahmsweise, den Reflex, Gesetzentwürfe der Opposition von vornherein einfach deshalb abzulehnen, weil sie von der Opposition kommen, zu überwinden. Dann können wir vielleicht eine vernünftige Lösung finden.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine unendliche Geschichte, könnte man meinen. Wenn man die letzten Diskussionen und Sitzungen verfolgt, könnte man den Eindruck gewinnen, lieber Herr Kollege Mütze und liebe Kolleginnen und Kollegen von den FREIEN WÄHLERN, dass Sie unbedingt eine dogmatische Haltung durchsetzen wollen.
Ich will das schon noch einmal sagen, weil es der Wahrheitsfindung nützlich ist. Ja, wir haben ein großes Problem. Das Problem ist aber nicht unbedingt der Inhalt von CETA, sondern das Verhalten und die Verhandlungsführung der Kommission. Das muss man immer wieder deutlich sagen. Wäre es nicht so gewesen, hätten wir möglicherweise eine andere Sachlage. Insofern stimmt es, dass die Debatte sehr schwierig ist, aber nicht deswegen, weil der Inhalt nicht stimmt, weil er falsch oder richtig ist – das kann man werten, wie man möchte –, sondern weil die Verhandler der EU am Anfang einen schweren Fehler gemacht haben: Sie haben nämlich den Versuch unternommen, ein solches Abkommen an der Bevölkerung vorbei durchzusetzen. Das war ein schwerer Fehler.
Das haben wir heute in der Debatte zu spüren bekommen. Wir kommen immer wieder darauf zurück.
Lieber Herr Mütze, zum Feiern, dass CETA möglicherweise scheitert, ist mir wirklich nicht zumute. Das muss ich hier schon sagen. Mit CETA wurde nämlich der Versuch unternommen, Handelsabkommen einen Rahmen zu geben. Sie können zwar sagen, der Rahmen gefällt Ihnen nicht, oder Sie sind anderer Meinung. Das können Sie machen. Der Versuch, Handelsabkommen einen politischen Rahmen zu geben und darüber zu diskutieren, muss aber gut sein. Oder wollen Sie etwa sagen, dass wir keine Handelsabkommen brauchen und dass die Regulierung des Marktes auch nicht notwendig ist? – Das kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein. Deswegen ist es gut, dass lange, intensiv und auch sachlich fundiert über CETA verhandelt wird.
Es gibt keinen Grund, Kolleginnen und Kollegen, zu feiern, dass ein Abkommen scheitert. Ich höre von all denen, die über weltweiten Handel diskutieren, überhaupt nichts von den Handelsabkommen, die derzeit auf der Bugwelle von CETA und TTIP mitschwimmen. Wissen Sie denn nicht, dass derzeit über Handelsabkommen mit Staaten in Afrika verhandelt wird, mit denen ich nicht unbedingt ein Handelsabkommen abschließen möchte? – Dazu höre ich gar nichts. Ich kenne auch keine Stellungnahme zu den Handelsabkommen, über die wir derzeit mit Südafrika verhandeln. Diese Verhandlungen sind schon sehr weit fortgeschritten. Darüber höre ich auch nichts. Ich höre allerdings immer wieder die Kritik an einem Handelsabkommen mit Kanada. Ich muss Ihnen sagen: Kanada vergleiche ich nicht unbedingt mit einigen Staaten in Afrika, mit denen jetzt ohne jegliche Kommentierung, ohne jegliche öffentliche Begleitung, ohne Demonstrationen und aufgeregte Straßenkämpfe Handelsabkommen abgeschlossen werden.
Das ist bei der Frage der Handelsabkommen schon ein bisschen zu kurz gegriffen.
Ich kann Ihnen noch etwas sagen: Es wird auch nicht richtiger, wenn Sie immer wieder negieren, dass die Nachverhandlungen durchaus Erfolge gebracht haben. Ich sage es noch einmal, auch wenn Sie es nicht gerne hören: Ohne die Sozialdemokraten im Europäischen Parlament und in der Bundesregierung wären die Verbesserungen, die wir gegenüber dem Anfangsentwurf erreichen konnten, nicht möglich gewesen.
Das gehört auch zur Wahrheit über dieses Freihandelsabkommen. Wenn man immer wieder betont, die Wasserversorgung sei nicht mehr sicher, wird diese Behauptung nicht richtiger. Das ist nicht richtig, was man sieht, wenn man den Text liest. Man kann gegen alles und jeden politische Zweifel äußern. Ich wage jedoch angesichts dieser hochkomplexen Diskussion zu bezweifeln, dass dies sinnvoll ist.
Lieber Herr Mütze, bei allem Respekt stoßen mir immer wieder Formulierungen wie "Für die Demokratie gegen CETA" auf. Liebe Leute, wo ist der Beweis oder die Grundlage für die Behauptung, dass die Demokratie im Falle eines Abschlusses von CETA am Ende wäre? – Das ist doch der Umkehrschluss aus solchen Äußerungen. Sie dienen nicht der Versachlichung der Diskussion. In diesem Sinne bitte ich um mehr Zurückhaltung.
Zum Gesetzentwurf selber gibt es sehr viele Fragezeichen, die im Rahmen der Ausschussberatungen, etwa im Ausschuss für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen, zu beantworten sind. Darauf bin ich sehr gespannt. Fraglich ist, ob Vertreter der Bayerischen Staatsregierung an ein Nein-Votum im Bundesrat gebunden werden sollten. Das wird eine interessante Diskussion. An was wollen Sie denn die Staatsregierung binden? – Es gibt noch keine veritable Grundlage. Die Frage zur Wallonie ist noch nicht geklärt. Außerdem muss ein Verfassungsgerichtsurteil beachtet werden. Wenn es eine Bindung geben sollte, dann bitte zu Punkten, die wir kennen.
Insofern werden wir die Diskussionen in den Ausschüssen sehr interessiert verfolgen.
Lassen Sie das meine Sorge sein, ob ich die Meinung der bayerischen SPD wiedergebe. Herr Dr. Herz, ich werde Ihre Fragen niemals zu Ihrer Zufriedenheit beantworten können. Wissen Sie warum? – Es ist egal, wie man Ihre Fragen beantwortet, Sie werden trotzdem
dagegen sein. Sie werden das Haar in der Suppe suchen.
Ich gebe zu, dass sich die Sozialdemokratie in dieser Diskussion schwertut. Selbstverständlich machen wir es uns nicht einfach, indem wir einfach dagegen sind – fertig. Wenn hunderttausend Menschen auf der Straße demonstrieren, müssen sie auch recht haben. Somit sind wir dagegen. – So einfach machen wir es uns nicht. Wir wollen in dieser Frage eine wirklich seriöse Debatte führen. Jeden Versuch, den internationalen Handel sozialdemokratisch zu organisieren, Arbeitnehmerrechte zu schützen, sozial verträgliche Regelungen in den internationalen Handel einzubringen und den ungezügelten Handel zu zügeln, halte ich für richtig. Man muss gar nicht dogmatisch gegen das Abkommen sein, sondern man kann stattdessen darüber verhandeln. Die Europäische Kommission, die Vertragspartner oder Staaten tun nicht unbedingt das, was wir Ihnen sagen. Das ist somit eine Verhandlungsfrage. Ich sage es Ihnen noch einmal: Wären der Bundeswirtschaftsminister und andere Personen nicht gewesen, läge uns jetzt ein Entwurf vor, den wir ablehnen würden. Lieber Herr Dr. Herz, wir haben von Anfang an rote Linien gezogen. Diese roten Linien haben unsere Leute in das Abkommen hineinverhandelt – vielleicht nicht zu 100 %, aber doch zu einem großen Teil.
Wenn man sieht, dass es Verbesserungen gibt, darf man anfangen, darüber nachzudenken. Wenn man jedoch von Anfang an Nein sagt und dabei bleibt, egal was passiert, ist das keine seriöse politische Debatte, wie man sie sich bei einer derart komplizierten Frage wünscht.
Ich danke Ihnen für diese Frage. Ich kann überhaupt nicht beurteilen, ob die FREIEN WÄHLER etwas wissen oder nicht, weil ich nicht in der Lage bin, die Diskussion in der Frak
tion der FREIEN WÄHLER zu bewerten. Ich gehe davon aus, dass Sie ein bisschen wissen. Das kann schon sein. Herr Aiwanger, das hört man aus den Wortmeldungen durchaus heraus. Ich habe jedoch den Eindruck, dass die FREIEN WÄHLER den Entwicklungsprozess des CETA-Abkommens nicht mitbekommen haben. Diesen Eindruck habe ich manchmal schon.
Ist Ihnen bekannt, dass der Geschäftsführer des Bayerischen Roten Kreuzes eine Arbeitsgemeinschaft "Bevölkerungs
schutz" vertritt, in deren Namen er dieses Gesetz kritisiert hat? Zu dieser Arbeitsgemeinschaft gehören noch mehrere Organisationen. Somit reden wir nicht nur von einer Lex "Rotes Kreuz", sondern von der Arbeitsgemeinschaft "Bevölkerungsschutz". Ich bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen, dass es entscheidend ist, was die Arbeitsgemeinschaft sagt. Alle anderen Organisationen vertreten den Standpunkt, dass dieser Gesetzentwurf im Sinne der Helfergleichstellung nicht vollständig ist. Das ist die erste Anmerkung. Die zweite Bemerkung ist, wenn Sie jetzt so tun, als würden Sie alleine die Helfergleichstellung auf den richtigen Weg bringen, dann darf ich darauf hinweisen, dass genau Sie es waren – nicht Sie persönlich, sondern Ihre Fraktion –, die die Helfergleichstellung über Jahre geradezu verhindert haben. Ihre Fraktion hat alle Mittel und Tricks eingesetzt, um die Helfergleichstellung nicht zu realisieren. Sie haben diese über Jahre verzögert. Sie brauchen jetzt nicht so zu tun, als wären Sie die Retter der Verbände.
Ich frage Sie: Finden Sie nicht, dass es eine gewisse heuchlerische Tendenz hat, wenn Sie die Arbeit der Retter loben und betonen, wie wichtig diese ist, Sie aber gleichzeitig keine volle Gleichstellung wollen? – Selbstverständlich ist die Arbeit der Retter wichtig. Aber wenn sie so wichtig ist, dann muss es doch in Ihrem Interesse sein, nicht nur eine Teilgleichstellung, sondern eine vollständige Gleichstellung zu erreichen. In Ihrem ganzen Wortbeitrag habe ich kein einziges Sachargument gehört.
– Sofort. – Sie beziehen sich auf formale Dinge. Ist das alles, was Sie haben? Sie wollen die Helfergleichstellung wegen formaler Dinge nicht? Nur, weil wir einen Dringlichkeitsantrag gestellt haben? Das kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein.
Frau Präsidentin, vielen Dank. – Ich hätte mich jetzt nicht gemeldet; denn der Herr Kollege Lotte hat über den Bedarf an preisgünstigen Wohnungen ausreichend geredet, und er hat auch recht. Aber Ihre Äußerungen dürfen halt nicht unkommentiert bleiben, lieber Herr Unterländer. Sie reden davon, dass Sie sozusagen Wohnungen schaffen wollen, und schimpfen gleichzeitig auf die Kommunen. Ich darf Ihnen schon sagen, dass es auch Ihr Verfassungsauftrag ist. Nicht nur die Kommunen sind für Wohnungen zuständig, sondern auch der Staat. Ich darf Sie auch daran erinnern, dass es Ihnen gerade mal gelungen ist, 172 Wohnungen in Bayern fertigzustellen, nicht mehr. Sie sagen, es scheitert nicht am Geld, statten aber die entsprechenden staatlichen – so steht es im Bericht des Obersten Rechnungshofs – Wohnungsbaugesellschaften, die es gibt, nicht mit ausreichenden Finanzmitteln aus. Das wollte ich Ihnen nur sagen.
Zum Schluss, lieber Herr Unterländer, gestatten Sie mir einen kurzen Rückblick. Sie tun nämlich so, als hätten Sie die Wohnungspolitik neu aufgestellt. Ich sage Ihnen nur eines, und das muss immer wieder gesagt werden, damit die Menschen das auch verstehen und wissen: Wer 33.000 Staatswohnungen verscherbelt hat, hat hier doch jedes Recht verloren, über Wohnungspolitik zu reden.
Und Sie reden hier darüber, dass Sie keine Strukturen für den staatlichen Wohnungsbau schaffen wollen. Das ist klar; denn Sie haben ihn in Bayern komplett zerstört. Wer so eine Politik macht, braucht hier nicht als Partner der Menschen aufzutreten, die eine preisgünstige Wohnung suchen.
Also, Sie sollten etwas demütiger sein in der Frage des sozialen Wohnungsbaus.
Denken Sie an die Wohnungen, die Sie verscherbelt haben, an die Wahrheit,
anstatt zu versuchen, einen SPD-Parteitag in München
zu instrumentalisieren. – Danke schön.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten ein sehr wichtiges Thema, nämlich das ORH-Gutachten. Wir sind schon der Meinung, dass bei der Bedeutung dieses Themas die zuständige Fachministerin anwesend sein sollte. Deswegen beantragen wir nach § 176 der Geschäftsordnung die Herbeirufung der Ministerin. Sie sollte dieser Debatte beiwohnen; denn sie sollte schon wissen, was dieses Haus zu diesem Thema zu sagen hat.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Wittmann, ich möchte schon gern eine kurze Antwort auf Ihren Vorwurf der Polemik geben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der polemischen politischen Debatte sind Sie Weltmeister.
Da brauchen wir keine Nachhilfe. Ich könnte jetzt einige Beispiele nennen. Aber das ist nicht das Thema.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der FREIEN WÄHLER: Ich bin schon der Meinung, zu so einem schwierigen, auch hoch emotionalisierten Thema wäre eine fachliche Debatte auch in diesem Haus sinnvoll und notwendig. Die Handelsabkommen haben viele Facetten, viele Schwierigkeiten und viele Themen. Aber eins ist völlig klar: Es gibt einen Konsens auch in Brüssel, auch dank Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, auch in der Bundesregierung und, ich meine, auch hier. Bei allen Handelsabkommen gibt es rote Linien, die nicht überschritten werden dürfen. Das haben wir nun schon sehr oft gesagt.
Ich will noch einmal ein paar wiederholen: Die Daseinsvorsorge ist unantastbar. Transparenz muss geschaffen werden, und zwar besser als bisher. Die Lebensmittelsicherheit ist unantastbar. Die genmanipulierten Lebensmittel wollen wir nicht haben – aus die Maus. Der Arbeitnehmerschutz ist ein zentraler Bestandteil der Forderungen der Handelsabkommen. Die Rechte der demokratischen Strukturen sind unantastbar. Öffentliche Zuständigkeiten sind nicht
verhandelbar. Das haben wir schon mehrmals besprochen.
Zu diesen nicht verhandelbaren Themen gehört auch das Vorsorgeprinzip. Deshalb verstehe ich die FREIEN WÄHLER nicht ganz. Wir haben das schon geklärt. Es bedarf keines Antrags. Aber gut, es ist Ihr gutes Recht. Frau Wittmann hat hier gesagt, dass es gesetzlich geregelt ist. Liebe Frau Wittmann, es ist nicht nur gesetzlich geregelt. Wenn man die Debatte sinnvoll und intensiv verfolgt, wird man unschwer feststellen, dass es einen Beschluss des Europäischen Parlaments gibt, einen einstimmigen Beschluss aufgrund einer Initiative der SPD auch hier, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Dieser Beschluss schließt eine Veränderung der bisherigen Prinzipien aus. Es gibt also nicht nur eine formale Festlegung, es gibt auch eine parlamentarische Festlegung, dass das Vorsorgeprinzip nicht zur Debatte stehen kann und auch nicht zur Debatte stehen wird. Herr Kraus, zum Nachlesen: Dieser Beschluss ist am 8. Juli 2015 vom Europäischen Parlament gefasst worden. – Ende Gelände.
Wenn jetzt die amerikanischen Unterhändler – egal, wie sie heißen, egal, woher sie kommen – meinen, sie könnten das unterlaufen, dann haben die deutschen oder die europäischen Verhandler oder wer auch immer und die Europäische Kommission in dieser Frage kein Verhandlungsmandat. Insofern geht das nicht; das ist völlig klar. Es wäre vielleicht auch gut, das zu wissen.
Noch einmal ein Bekenntnis zum Vorsorgeprinzip. Ein Bekenntnis zu den roten Linien ist ohne Zweifel die grundsatzpolitische Linie des Europäischen Parlaments sowie auch vieler anderer Parlamente und auch der Bundesregierung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Freihandelsabkommen ist ein schwieriges Thema. Ich habe aber schon einmal gesagt und wiederhole dies: Wir müssen Handelsabkommen, ob mit Amerika oder sonst wem, nicht um jeden Preis abschließen. Wenn es nicht geht, geht es eben nicht. Die Gründe, warum es für uns nicht gehen kann, sind sozusagen beschlossen. Das sind die roten Linien mit vielen Facetten. Wenn das nicht geht, geht es nicht. Ich sage auch ganz klar: Die Welt geht nicht unter, wenn es kein Freihandelsabkommen gibt.
Auf der anderen Seite gebe ich schon zu bedenken, was ich für wichtig halte: Für unser Land ist es wich
tig, dass wir darüber diskutieren. Sie wissen alle: Wir sind exportabhängig. Es ist wichtig, dass wir beste Bedingungen für den Handel schaffen – nicht aus Selbstzweckgründen, sondern ganz einfach deshalb, weil andere Kontinente, andere Länder diese Diskussion nicht führen. Die machen das dann. Wir müssen uns schon überlegen, ob wir dabei sein wollen. Hier geht es nämlich nicht nur darum, das eine oder andere Handelsabkommen zu besprechen und darüber abzustimmen, sondern auch darum – übrigens erstmals –, den Versuch zu unternehmen, Handelsabkommen zu gestalten. Die Politik muss sich überlegen: Will sie bei der Gestaltung dabei sein oder nicht? – Wir jedenfalls wollen dabei sein.
Wir wollen für gute Arbeitsbedingungen in Handelsabkommen kämpfen. Wir wollen für die öffentliche Daseinsvorsorge kämpfen. Wir wollen dabei sein, wenn das verhandelt wird, um vielleicht Schlimmeres zu verhindern, liebe Kolleginnen und Kollegen. Andere nehmen aber von Anfang an eine Verweigerungshaltung ein. Ich gestehe zu, dass es derzeit eine breite Mehrheit in der Bevölkerung gegen diese Abkommen gibt. Wir haben in dieser Frage aber auch eine Verantwortung. Ich sage ganz offen: Nicht jede Stimmung der breiten Bevölkerung muss unbedingt immer richtig sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Deswegen ist der Antrag zwar in der Sache völlig überflüssig, aber richtig, weil er das beschreibt, was ich jetzt gesagt habe. Deshalb werden wir diesem Antrag natürlich zustimmen; denn falsch ist er in der Sache nicht.
Selbstverständlich sorgen wir für Klärung. Sie wissen ganz genau, dass zu dieser schwierigen Frage auch ein parteiinterner Abstimmungsprozess stattfindet. Das ist doch völlig klar. Wir sind auch nicht diejenigen, die eine Meinung äußern, die dann jeder zu übernehmen hat. Selbstverständlich werden wir uns untereinander abstimmen.
Ich sage Ihnen aber schon eines: Ich bin schon eher dafür, dann eine Entscheidung zu treffen, wenn wir wissen, über was wir abstimmen. Sie wissen ganz genau, dass die Verhandlungspapiere in der übersetzten Form jetzt wohl vorliegen, aber erst seit Kurzem. Über was stimmen wir also ab? – Wir wissen nicht, was darin steht. Dies gilt auch für die Kolleginnen und Kollegen im Allgäu. – Sorry.
Wenn wir also eine Entscheidung treffen, sollte sie sachgerecht sein. Dies erreichen wir nicht, indem wir Anträge ins Blaue hinein stellen, die nur ein Ziel haben, Kolleginnen und Kollegen: Das Ziel, die Stimmung, die derzeit herrscht, zu befördern, statt die Stimmung vernünftig zu kanalisieren. Es mag ja falsch sein, wenn man dem zustimmt, oder falsch sein, wenn man das ablehnt – das mag ja sein. Diesen Abstimmungsprozess muss man aber doch zulassen, statt schon im Vorfeld ein politisches Vorhaben mit einem Federstrich abbügeln zu wollen.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hätte mir gewünscht, wir hätten diese Diskussion vor einigen Jahren geführt und die EU-Kommission und alle Unterhändler dieser Abkommen hätten offen und transparent verhandelt, damit jeder weiß, worum es geht; denn es geht hier um viel. Das ist wahr.
Herr Aiwanger, es ist diesem Thema nicht angemessen, einfach dem Mainstream zu folgen und sozusagen immer dahin zu schauen, wo die meisten Stimmen sind. Das muss ich einmal deutlich sagen.
Lieber Herr Aiwanger, ich will Ihnen sagen: Sie fordern die Leute auf, dagegen zu stimmen. Sie wissen ja noch nicht einmal, gegen was.
Es gibt noch kein TTIP-Abkommen. Es gibt Protokolle, aber noch kein Abkommen, noch nicht einmal einen Entwurf, den man den Menschen vorlegen könnte.
So viel zu Anfang. Ja, man hätte die Verhandlungen über die Handelsabkommen vernünftiger führen müssen. Es ist wahr: Freier Handel ist grundsätzlich positiv. Das kann man anhand von gescheiterten Abkommen auch nicht in Grund und Boden reden, lieber Herr Aiwanger. Freier Handel ist grundsätzlich etwas Positives und der Kern der freien Marktwirtschaft. Daran kann hier doch überhaupt niemand zweifeln.
Wenn der freie Handel grundsätzlich durch Abkommen verbessert werden kann, warum sollte man dann nicht auch Abkommen schließen? Da sehe ich überhaupt keinen Grund, das nicht zu tun. Die Frage ist, wie der freie Handel verbessert werden kann, zum Beispiel durch Abbau von Handelshemmnissen, Zöllen und sonstigen Hürden. Das ist eine positive Entwicklung für die gesamte Wirtschaft, daran gibt es keinen Zweifel.
Man kann Abkommen aber nicht um jeden Preis schließen – da haben Sie wiederum recht. Wir sind eine Exportnation und auf weltweiten Export angewiesen, meine Damen und Herren. Es gibt Länder, die sich wegen der hier stattfindenden Diskussion die Hände reiben, nämlich China und Russland. Die freuen sich darüber; denn wenn dieses Abkommen nicht zustande kommt, bedeutet es einen Schaden für den Wirtschaftsraum. Das kann es doch nicht sein. Deswegen wünsche ich mir eine seriöse Debatte und keine "Hau-drauf-Politik". Ich möchte Ihnen das begründen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Die Frage ist doch nicht, ob wir Abkommen wollen oder nicht, sondern die entscheidende Frage ist, wie wir die Regeln für die Abkommen gestalten. Natürlich wird das schwierig; denn es ist nicht allein ein wirtschaftliches Projekt, sondern auch ein politisches. Ich behaupte, dass die Regeln dieser sehr umfangreichen Handelsabkommen, die derzeit in der Diskussion stehen, Teil eines politischen Projektes sind, wie die Weltwirtschaft in Zukunft anständig gestaltet werden kann. Auch das steckt hinter der Diskussion. Das macht es so schwierig, und deswegen kann man das nicht einfach vom Tisch fegen und sagen: Da gibt es Proteste, also sagen wir lieber Nein. – Ich sage Ihnen ganz offen: Wir stehen einem Bürgerbegehren sehr positiv gegenüber, weil es hier um eine grundsatzdemokratische Frage geht. Deswegen unterstützen wir das. Aber Sie, Herr Aiwanger, werden mit dieser Strategie der Diskussion nicht gerecht. Das ist der entscheidende Punkt.