Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte, die Plätze einzunehmen. Ich eröffne die 104. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, darf ich Sie bitten, sich von Ihren Plätzen zu erheben und eines ehemaligen Kollegen zu gedenken.
Am 30. April verstarb im Alter von 71 Jahren Herr Dr. Rolf Seebauer. Er gehörte dem Bayerischen Landtag von 1974 bis 1992 an und vertrat für die SPD den Wahlkreis Oberbayern. Herr Dr. Seebauer hatte Volkswirtschaft studiert und war danach als selbstständiger Unternehmensberater tätig. Während seiner Zugehörigkeit zum Landesparlament galt er als einer der profiliertesten Wirtschaftspolitiker seiner Fraktion. Seine Arbeitsgebiete waren besonders Wirtschaftspolitik, Strukturpolitik und Mittelstandsfragen. Außerdem hatte er den Vorsitz bei den Bayerischen Wirtschaftsgesprächen der Friedrich-Ebert-Stiftung. Über viele Jahre hinweg war er stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft und Verkehr.
In seiner Persönlichkeit vereinte er unternehmerisches und soziales Denken zu einer politischen Haltung, die ihm über die Fraktionsgrenzen hinweg Respekt und Anerkennung einbrachte. Sein Beitrag zur politischen Kultur im Hohen Haus wird in besonderer Erinnerung bleiben. Für seine Verdienste wurde Dr. Rolf Seebauer mit hohen Auszeichnungen gewürdigt. Er war Träger des Bundesverdienstordens der Bundesrepublik Deutschland und Träger des Bayerischen Verdienstordens. Der Bayerische Landtag trauert mit den Angehörigen und wird dem Verstorbenen ein ehrendes Gedenken bewahren. –
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, darf ich noch zwei Glückwünsche aussprechen. Am 16. Mai feierte Herr Kollege Markus Ganserer einen runden, und am 17. Mai feierte Herr Kollege Günther Felbinger einen halbrunden Geburtstag. Ich wünsche Ihnen im Namen des gesamten Hohen Hauses und persönlich alles Gute und viel Erfolg für Ihre parlamentarischen Aufgaben.
Aktuelle Stunde gem. § 65 BayLTGeschO auf Vorschlag der CSU-Fraktion "Der Sicherheit verpflichtet - für eine erfolgreiche Sicherheitspolitik"
Sie kennen die Regeln der Aktuellen Stunde. Erster Redner ist Herr Kollege Dr. Florian Herrmann von der CSU. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In Bayern lebt man sicherer, Herr Pfaffmann, sicherer als in anderen Ländern, sicherer als in anderen deutschen Bundesländern und sicherer als in anderen Ländern in Europa. München ist die sicherste Großstadt. Dass Sie schon gleich am Anfang so zweifelnd dazwischenrufen, zeigt, wie richtig es ist, die Aktuelle Stunde genau diesem Thema zu widmen;
denn es ist erfreulicherweise keine Neuigkeit, dass es sicherer ist, in Bayern zu leben. Man muss aber auch über Bekanntes immer wieder sprechen, damit es nicht aus dem Gedächtnis gerät. Vor allem bei der inneren Sicherheit gilt nämlich: Von nichts kommt nichts. Es ist notwendig, immer wieder nachzusteuern und sich den aktuellen Herausforderungen intelligent und vernünftig anzupassen.
Während andere reden, handelt Bayern. Wir investieren seit Jahren kräftig in die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger. Wir investieren in Personal. Der Personalstand bei der bayerischen Polizei und bei den bayerischen Sicherheitsbehörden ist in der Tat so hoch wie nie zuvor. Bayern hat mit fast 42.000 Polizistinnen und Polizisten den höchsten Personalstand aller Zeiten. In den letzten sechs Jahren haben über 7.700 Nachwuchsbeamte ihren Dienst angetreten. Bis 2020 stellen wir jedes Jahr zusätzlich 500 Polizistinnen und Polizisten ein. Bayern hat somit eine deutlich höhere Polizeidichte als NRW, von den anderen rotgrün regierten Ländern ganz zu schweigen.
Es ist auch notwendig, dass wir diese hohe Polizeidichte haben; denn Bayern selbst wächst – über zwei Millionen Menschen mehr in den letzten 20 Jahren –, und natürlich wachsen auch die Aufgaben, die die Polizei und die Sicherheitsbehörden zu bewältigen haben. Eine logische Konsequenz ist, auch das Personal entsprechend anzupassen.
Wir alle wissen von der hohen Arbeitsbelastung der bayerischen Polizistinnen und Polizisten. Wir wissen aber auch, dass sie ihre Arbeit ganz hervorragend
meistern, mit einem hohen Ethos und vor allem mit einem Engagement und auch mit einer großen Überzeugung und Begeisterung für ihre Arbeit. Deshalb sollen wir auch als Bayerischer Landtag für dieses große Engagement der Polizistinnen und Polizisten in Bayern Danke sagen.
Neben den Personalfragen, der Frage, wie viele Beamte im Bereich der inneren Sicherheit tätig sind, ist es aber auch wichtig – dadurch zeichnen wir uns in Bayern eben auch aus und unterscheiden uns von anderen Bundesländern –, dass wir einen klaren sicherheitspolitischen Kurs haben. Für uns ist die Richtschnur bei der inneren Sicherheit: Es ist die oberste Aufgabe des Staates, für die Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger zu sorgen. Es genügt nämlich nicht, wenn man eine Vielzahl von Planstellen und eine Vielzahl von Köpfen hat, die im Bereich der inneren Sicherheit tätig sind, wenn diesen zum einen das rechtliche Instrumentarium fehlt und zum anderen der politische Rückhalt fehlt. Genau auf diesen beiden Gebieten sind wir in Bayern den anderen Bundesländern um Lichtjahre voraus.
Ein Polizist in Bayern kann sich darauf verlassen: Sein Innenminister steht hinter ihm, wenn er schwierige Lagen zu bewältigen hat. Ein Polizist in NRW kann sich darauf verlassen, dass jedenfalls sein bisheriger rot-grüner Innenminister mit dem Finger auf ihn zeigt, wenn etwas passiert.
(Beifall bei der CSU – Thomas Gehring (GRÜNE): SPD-Minister! – Prof. Dr. Peter Paul Gantzer (SPD): Aber ihr habt eine grüne Bildungsministerin gehabt! – Unruhe – Glocke des Präsidenten)
Sie können sich ruhig streiten, wer wirklich daran schuld ist. Fakt ist aber: Rot-Grün in NRW ist abgewählt.
Das ist eben auch der Grund dafür, warum wir in Bayern besser aufgestellt sind und warum das Risiko, Opfer einer Straftat zu werden, in Bayern so niedrig wie nirgendwo sonst ist. Das belegen auch die PKSZahlen, die Polizeiliche Kriminalstatistik des Jahres 2016.
In Bayern hatten wir 4.785 Straftaten pro 100.000 Einwohner zu verzeichnen; in NRW waren es 8.097 und in Berlin gar 15.700, also dreimal so viel wie in Bayern. Schon an diesen Zahlen merkt man, dass wir uns
um Welten unterscheiden, dass zwischen den objektiven Zahlen hinsichtlich der Situation in Bayern und in anderen Bundesländern Welten liegen – ganz zu schweigen von NRW oder Berlin. Das Risiko, Opfer einer Straftat zu werden, ist in Berlin um 160 % höher als in Bayern.
Für Bayern gilt: Seit Jahren konstant niedrige Fallzahlen, niedrigste Fallzahlen im bundesdeutschen Vergleich und höchste Aufklärungsquote. Es bleibt also dabei: Bayern ist kein guter Ort für Straftäter, aber ein hervorragender Ort für rechtstreue Bürger, weil diese sich zu Recht sicher fühlen können.
Doch. Ich vermute aber, dass Sie beim Thema innere Sicherheit mehr lernen können. Darum ist es gut, dass Sie hier sind.
Die Herausforderungen für die Sicherheitsbehörden ändern sich ständig. Politik beginnt gerade im Bereich der inneren Sicherheit mit der Wahrnehmung und Analyse der Lebensrealität, also der Fakten, mit denen wir konfrontiert werden. Wir wünschen uns diese nicht. Uns wäre es auch lieber, wenn wir auf dem Gebiet der Polizei nicht ständig anpassen, ständig an Personal nachsteuern und ständig an der Ausstattung nachbessern müssten. Es wäre auch uns lieber, wenn Ruhe an der Front wäre. Aber die Realität ist eben anders. Wir stehen vor Herausforderungen, die wir alle kennen, nämlich zum Beispiel dem islamistischen Terror, nämlich zum Beispiel Cybercrime und Wohnungseinbruchdiebstahl, neben den üblichen Herausforderungen wie gewöhnliche Kriminalität oder Verkehrsdelikte. Weil sich Straftaten ändern und weil sich Straftäter ändern, ändern sich auch die Kriminalitätsphänomene und die Begehensweisen. An dieser Stelle sind wir sicherheitspolitisch gefordert, die richtigen, intelligenten und modernen Antworten darauf zu finden.
Dazu braucht man die richtige sicherheitspolitische Grundeinstellung. Der zentrale Grund dafür, warum Landesregierungen abgewählt werden – man kann da die Probe aufs Exempel machen, und NRW ist das beste Beispiel –, besteht darin, dass man die falsche Grundeinstellung bei den sicherheitspolitischen Herausforderungen hat. Das liegt in erster Linie daran, dass man die Realität nicht erkennen will, sondern sich ideologisch im Weg steht. Das beste Beispiel dafür ist das völlig verfehlte Einsatzkonzept in der Silvesternacht 2015 in Köln. Keiner wünscht sich das Phänomen der nordafrikanischen Straftäter, aber es ist Realität. Das hat man in Köln seit 2012 erkannt. Es
gibt dort eine Arbeitsgruppe, die sich seit Jahren mit dem Thema beschäftigt. Wenn man aber trotzdem die Augen davor verschließt nach dem Motto "Es kann nicht sein, was nicht sein darf", dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn eine falsche Einsatztaktik angewandt wird, wenn das Personal falsch eingesetzt wird und wenn dann die Ereignisse so eintreten, wie es in Köln geschehen ist. Szenen wie in der Kölner Silvesternacht oder No-go-Areas sind hausgemachte Probleme einer verfehlten Politik bei der inneren Sicherheit.
Leider stellt sich auf Bundesebene auch der SPD-Justizminister bei der Umsetzung wichtiger Sicherheitsgesetze quer. Die SPD steht dort leider für Gesetzesattrappen, gewissermaßen Gesetzes-Fata-Morganen, und blockiert, ob das die Mindeststrafe von einem Jahr bei Wohnungseinbrüchen betrifft, wo Gott sei Dank jetzt nach vielen Monaten und starkem Druck vor allem aus Bayern Änderungen in der Haltung eingetreten sind, oder ob das die Ermittlungsinstrumente wie Telefonüberwachung, digitale Spurensicherung oder Videoüberwachung angeht. Ich will darauf hinweisen: NRW weigert sich bis heute, die erfolgreiche Schleierfahndung einzuführen, wie sie in Bayern seit Jahren praktiziert wird. Das ist ein Erfolgsmodell, das früher von der Europäischen Union kritisiert wurde, mittlerweile aber ein Musterbeispiel dafür ist, wie man, übrigens auch grenzübergreifend, vernünftige Sicherheitspolitik an den Grenzen durchführen kann. Deshalb muss man den Lackmustest machen, den Lackmustest der Realität.
Der Unterschied wird am deutlichsten, wenn man die Zahlen und die Ergebnisse der Sicherheitspolitik in Bayern und anderswo vergleicht. Besonders dramatisch finde ich es, wenn man sich zum Beispiel den rot-rot-grünen Koalitionsvertrag vor Augen führt, der im Dezember letzten Jahres in Berlin angesichts derselben Herausforderungen, vor denen wir alle stehen, geschlossen wurde. Dort hätte man eine moderne Antwort geben können, die den Herausforderungen gerecht wird. Das Gegenteil ist der Fall. Die linken Koalitionäre in Berlin finden keine Antworten auf Terror, Einbruchdiebstahl, Cyberkriminalität, Gewaltdelikte, Rauschgiftkriminalität und die Auswirkungen der Migration auf die Sicherheit in unserem Land. Dort ist Fehlanzeige auf der ganzen Linie. Der Koalitionsvertrag in Berlin beschränkt sich in den sicherheitspolitischen Passagen völlig auf das Standardrepertoire der Linksfront, nämlich Antifaschismus und Bekämpfung von Rechtsextremismus unter Ausblendung anderer extremistischer Strömungen. Dort herrschen Misstrauen gegen Sicherheitsbehörden statt Vertrauen und sozialpädagogische Streicheltherapie statt robuster Sicherheitsarchitektur.
Wir wollen das in Bayern nicht. Das ist nicht unser Vorbild, ganz im Gegenteil. Andere sollten sich Bayern zum Vorbild nehmen; denn es gilt nach wie vor: In Bayern leben heißt sicherer leben.
Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat der Kollege Prof. Dr. Gantzer von der SPD das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf mit zwei Vorbemerkungen anfangen. Erstens. Was ist Sicherheit? – Sicherheit ist ein zentrales Bedürfnis eines jeden Menschen. Das ist immer schon so gewesen. Deswegen ist das eigentlich nichts Neues. Das einzig Neue in einem modernen Rechtsstaat besteht darin, dass ganz früher jeder selbst für seine Sicherheit verantwortlich war. Wir haben sozusagen als Geburtsstunde des Rechtsstaates das Gewaltmonopol des Staates eingeführt. Es hat lange gedauert, bis der Staat das wirklich übernommen hat.
Zweitens. Wenn wir Sicherheit diskutieren, dann müssen wir immer wieder die zweite Seite der Sicherheit sehen, die zweite Seite der Medaille. Wir haben auf der einen Seite die Sicherheit, aber auf der anderen Seite die Freiheit des Bürgers. Artikel 2 des Grundgesetzes legt ausdrücklich Wert darauf, dass sich der Bürger frei entwickeln darf und dass er in einem Rechtsstaat frei leben darf. Die andere Seite ist die Sicherheit. Otto Schily hat das mal sehr schön gesagt: Auch Sicherheit ist ein Grundrecht. – Diese beiden Grundrechte gilt es immer gegeneinander abzuwägen. Es gilt, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu berücksichtigen. Das ist das Schwierige. Das ist auch das Schwierige für die CSU. Deswegen haben wir manchmal unterschiedliche Meinungen.
Mit diesen zwei Vorbemerkungen stelle ich fest, wer letztlich tatsächlich für das Gewaltmonopol zuständig ist. Das ist unsere Polizei. Die Polizei gewährleistet die Sicherheit. Deswegen schließe ich mich dem Dank an, den Herr Herrmann gerade an die bayerische Polizei ausgesprochen hat. Sie leistet eine hervorragende Arbeit. Da gibt es gar nichts zu diskutieren. Die Aufklärungsquote ist hervorragend. Die Kriminalitätshäufigkeitszahl ist hervorragend. Wir machen also eine hervorragende Arbeit in Bayern.
Aber man kann nicht Berlin als Beispiel heranziehen, Herr Herrmann. Wenn Sie Berlin als Vergleich heran
Vergleichen Sie es lieber mit München. Das ist zwar die sicherste Großstadt, aber dort sind die Zahlen natürlich ganz anders als in Bayern insgesamt. Ich will damit nur sagen, dass man in seinen Vergleichen fair sein sollte.
Lieber Herr Herrmann, ich habe gesagt, das ist die Arbeit der Polizei. Sie sind darauf gar nicht eingegangen; denn das ist Ihr großes Minus. Ich sage kurz zusammengefasst: Wir haben zu viele Überstunden. Diese sind zwar jetzt von 2 Millionen auf 1,8 Millionen Überstunden abgebaut worden, aber das muss man sich mal vorstellen: Jeder Polizeibeamte und jede Polizeibeamtin in Bayern hat 80 Überstunden.