Dann kann gerne jemand kommen und sich das anschauen. Dann kann man ihm sagen: Für deine Gemeinde empfehlen wir folgendes Vorgehen. Dann weiß der gute Mann zumindest, wie es weitergeht. Wie gesagt: Jetzt ist die Zeit, hier Klarheit zu schaffen. Ich hoffe, dies kommt in den Reden anschließend zum Ausdruck.
Also noch einmal: Wir fordern Mittel vom Bund und von Europa, mindestens aber vom Bund. Diese Gelder liegen bereit. Wenn die das nicht bringen, können wir zusperren. Wir fordern, die kommunale Infrastruktur mit allen Methoden wieder instand zu setzen. Wir fordern vorbeugend dezentralen kommunalen Hochwasserschutz. Wir fordern, im Bereich der Landwirtschaft auch mit gezielter Nachjustierung von Förderprogrammen beim Maisanbau in kritischen Lagen nachzubessern, die Bauern aber nicht an den Pranger zu stellen. Das ist zu lösen. Wir wollen den Hilfsorganisationen nicht nur warme Worte, sondern auch Taten liefern.
Ganz zum Schluss noch einmal unser tiefes Bedauern der Todesopfer und unser Mitgefühl an die Hinterbliebenen! Das sind harte Schicksale. Ich war in Simbach beim Nachbarn der Ertrunkenen. Er hat geschildert, wie der Wasserspiegel fast bis zur Dachrinne gestiegen ist. Die Menschen wurden von den Dächern gerettet. Meine Damen und Herren, das sind Szenen wie aus der Apokalypse. Die Politik ist hier gefordert, soweit es geht, künftig Ähnliches abzumildern oder zu verhindern und den Betroffenen schnellstmöglich und voll zur Seite zu springen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Danke schön, Herr Aiwanger. – Zur Zwischenbemerkung hat sich Kollege von Brunn gemeldet. Bitte schön.
Herr Kollege Aiwanger, unter Nummer 6 Ihres Dringlichkeitsantrags fordern Sie von der Staatsregierung ein Konzept zur Vorbeugung von Flutschäden, das Kommunen dabei unterstützt, vor Ort dezentrale Rückhaltemaßnahmen zu realisieren. Was heißt denn das konkret? Wie soll das denn konkret aussehen? Wie lässt sich das mit dem sinnvollen Vorschlag zusammenbringen, den wir gemacht haben, dass der Freistaat und die Wasserwirtschaft mehr Verantwortung für Gewässer dritter Ordnung übernehmen sollen? Wie lösen Sie interkommunale Fragen, wenn das Wasser auf das Gemeindegebiet einer anderen Kommune fließt? – Oberlieger-Unterlieger-Problematik. Vielleicht können Sie uns dazu noch einige zusätzliche Details liefern.
Ganz gerne. In meinen Augen ist es so, dass man jetzt gezielt Siedlungen in Augenschein nehmen muss, die betroffen sind. Dies gilt aber auch für andere Ortschaften. Man muss sich ansehen, wo das Wassereinzugsgebiet ist, das konkret ein Dorf, eine Stadt bedroht. Dann nimmt man eine 100-Hektar-Planung für einen Bereich vor,
der zum Beispiel wie jener in einem Ortsteil der Gemeinde Rottenburg betroffen war. Es ist zu klären, wie viel Wasser diese 100 Hektar bringen können. In Rottenburg war es offensichtlich zu viel, weil das Wasser in den Häusern war. Wenn es sich außerhalb der Ortschaft um eine Geländemulde handeln sollte, die geradewegs auf die Ortschaft zuläuft, muss eventuell ein Wirtschaftsweg vorgeschaltet werden, der als Querverbauung eine Dammfunktion hat, bei dem kleine Kanalrohre das Wasser langsam abfließen lassen, damit nicht die gesamte Sturzflut von 100 Hektar wie eine einen Meter hohe Wasserwalze durchs Dorf läuft, sondern außerhalb abgepuffert, abgestuft und abgefangen wird, oder aber ein Wasserfluss muss umgeleitet werden, sodass er an dem Dorf vorbeigeht. Jede Situation ist individuell zu betrachten.
Noch einmal: Der Ansatz ist, ganz gezielt zu schauen, wo sich Wasser sammelt, das am Ende eine Ortschaft bedrohen kann, und dann Baumaßnahmen vorzuschalten, um eine Überflutung zu verhindern.
Sie fragen nach der kommunalen Zusammenarbeit. Diese ist ganz natürlich. Wenn der Geländeausschnitt der Nachbarkommune vielleicht dazu führt, dass Wasser herüberkommt, muss auch an den Unterlieger gedacht werden. Es kann nicht heißen: Das ist ja uns egal; das Wasser hat unsere Gemeindegrenze bereits verlassen; wir leiten das Wasser nur an uns vorbei, und dann ist das für uns vom Tisch. Dies war ein gewisser Gedankenfehler bei den Flurbereinigungen der Siebziger- und Achtzigerjahre. Gräben wurden schnell kanalisiert – aus den Augen, aus dem Sinn –, und unten war plötzlich zu viel Wasser.
Danke schön, Herr Aiwanger. – Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Kollegin Müller. Bitte schön, Frau Müller.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich am Anfang an die Betroffenen in den Katastrophenregionen denken. Die vielen tragischen Schicksale haben
uns berührt. Wir haben bereits letzten Mittwoch während der Plenarsitzung fassungslos die neuesten Meldungen im Internet verfolgt. Ich möchte allen Ehrenamtlichen, die mit ihren Hilfsorganisationen vor Ort waren und beim Abpumpen, Aufräumen und bei der Versorgung und Bergung von Verletzten geholfen haben, danken. Viele freiwillige Privatpersonen haben mit angepackt oder gespendet. Auch die Flüchtlinge haben gezeigt, dass sie wissen, dass Integration und Hilfsbereitschaft auf Gegenseitigkeit beruhen.
Ich war selbst in meinem eigenen Landkreis auch zusammen mit unserem Fraktionsvorsitzenden Markus Rinderspacher in betroffenen Gemeinden unterwegs. Wir haben uns vor Ort ein Bild von den Schäden in materieller und psychischer Hinsicht gemacht. Auch wenn der Schlamm weggeräumt ist, die Häuser wieder trocken sind und der Hausrat erneuert ist, werden bei den Betroffenen seelische Wunden bleiben.
Auf der politischen Ebene sind wir aber jetzt gefordert, den Blick nach vorne zu richten und aus den Ereignissen zu lernen, um für neue Herausforderungen gewappnet zu sein. In diese Richtung zielt auch unser Dringlichkeitsantrag. Wir brauchen für einen besseren Hochwasserschutz schnellere Entscheidungen und Finanzierungszusagen, wenn Kommunen bei Renaturierungen und Hochwasserschutz aktiv werden wollen oder können. Hier rächt es sich, dass das Personal bei den Wasserwirtschaftsämtern und den Ämtern für Ländliche Entwicklung in den vergangenen Jahren abgebaut wurde. Viele Kommunen warten ewig auf die Entscheidungen, bis sie mit einer Baumaßnahme beginnen können.
Wir brauchen eine bessere Risikoabschätzung für Regionen, die von Hochwasser oder von Sturzfluten bedroht sind. Unser Katastrophenschutz, die Alarmierungsketten und die technische Ausstattung der Hilfsorganisationen benötigen dringend ein Update. Die Finanzierung darf nicht allein auf die Schultern der Kommunen abgeladen werden oder zulasten der Hilfsorganisationen gehen. Wir brauchen ein Sondervermögen "Katastrophenhilfe Bayern" für unbürokratische Hilfen. Abweichend vom vorliegenden Antrag soll die Formulierung wie folgt lauten:
2. Es wird ein Sondervermögen "Katastrophenhilfe Bayern" angestrebt, aus dem bei außergewöhnlichen Notständen durch Elementarereignisse sowohl unbürokratische Soforthilfe an Privathaushalte, Unternehmen und Kommunen geleistet wird als auch Maßnahmen zur Beseiti
Wir brauchen aber auch eine Debatte darüber, ob und, wenn ja, wie eine Pflichtelementarschadenversicherung eingeführt wird. Nur weil der Koalitionsvertrag im Herbst 2017 ausläuft, kann er nicht jetzt schon für ungültig erklärt werden.
Nachdem bereits in der Aktuellen Stunde von vielen Seiten hier im Haus die Unterstützung des Bundes eingefordert wurde, möchte ich nur darauf aufmerksam machen, dass die Bundesministerin Barbara Hendricks von der SPD bereits gestern deutlich gemacht hat, dass sie betroffene Gemeinden im Rahmen von Stadtentwicklungsprogrammen beim Wiederaufbau unterstützen will. Für die weiteren Hilfen sind das unionsgeführte Innenministerium und das Finanzministerium zuständig.
Deshalb lautet unser dringender Appell an die Staatsregierung: Setzen Sie hier alle Hebel in Bewegung, um Ihren Ministerkollegen auf Bundesebene deutlich zu machen, dass die Menschen in Bayern Hilfe brauchen!
Im Landkreis Rottal-Inn brauchen die Behörden und die Betroffenen unbürokratische und schnelle Hilfe. Die kommunale Familie hat über die Landkreisgrenzen hinweg bereits ihre Unterstützung zugesagt. Der Landrat des Landkreises Rottal-Inn hat die anderen Landräte in Niederbayern um Amts- bzw. Personalhilfe gebeten. Die Unterstützung der kommunalen Familie funktioniert. Aber neben den finanziellen Hilfen brauchen die Behörden auch Amtshilfen. Deshalb sollten die besten Mitarbeiter aus den Ministerien ins Rottal entsandt werden, um den Kommunen unterstützend und entlastend zur Seite zu stehen.
500 Häuser müssen dort aller Voraussicht nach abgerissen werden. Auch hier muss der Freistaat helfen, dass die Menschen mit Behelfscontainern ein Dach über dem Kopf bekommen, bis sie wieder so leben können, wie sie es vor dem 1. Juni 2016 tun konnten.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Auch mir ist es ein Anliegen, am Anfang persönlich der Toten zu gedenken und das Mitgefühl mit den Trauernden auszusprechen. Wir denken auch an die vielen Verletzten und wünschen ihnen eine baldige Genesung, damit sie für den Wiederaufbau ihrer Heimat wieder zur Verfügung stehen.
Die Starkregenereignisse der letzten Wochen nicht nur in Bayern, sondern auch in mehreren anderen Bundesländern – wir sind hier nicht allein Betroffene – haben unendliches Leid über zahlreiche Menschen gebracht. Den Betroffenen gebührt unsere umfassende Solidarität und unser Mitgefühl.
Jetzt müssen alle nötigen Anstrengungen unternommen werden, dass Privatpersonen, Firmen und Kommunen Hilfe bekommen. Ich meine nicht nur finanzielle Anstrengungen, sondern beispielsweise auch Genehmigungen. Dabei nenne ich nur die Beseitigung der riesigen Mengen an Müll, die man bewältigen muss.
Unser Dank gilt auch den vielen Helferinnen und Helfern, den ehrenamtlichen wie den hauptamtlichen. Unser Dank gebührt den Behörden, die geholfen haben, und den Kommunen. Wir müssen jetzt schnell, umfassend und unbürokratisch Hilfe finanzieller Art, aber auch anderer Art leisten. Wir werden den Leuten möglicherweise auch psychologische Hilfe zur Verfügung stellen müssen.
Wir schließen uns den schon vorgetragenen Forderungen an den Bund ausdrücklich an. Der Bund muss jetzt den Hilfsfonds dafür verwenden, großzügig zu helfen. Die Hilfe gebührt den Betroffenen in Bayern, aber auch den Betroffenen in den anderen Bundesländern. Wir sind solidarisch mit einer Gemeinde wie Braunsbach, wo das erste Unwetter niedergegangen ist, und mit den Betroffenen in Ahrweiler, die mit dem Hubschrauber ausgeflogen werden mussten, und mit den Betroffenen in Nordrhein-Westfalen und in Hamburg, wo noch ein katastrophaler Tornado dazugekommen ist. Da muss der Bund jetzt großzügig helfen. Nach dem, was ich gehört habe, enthält der Fonds noch rund vier Milliarden Euro. Der Bund kann nicht auf dem Geld sitzen bleiben, während die Bevölkerung Not leidet. Da muss Hilfe her!
Wir sollten uns aber auch damit befassen, was passiert ist und wie wir schnellstmöglich mit dem Hochwasserschutz in Bayern vorankommen. Ich sage klar und deutlich eines, damit ich hier nicht missverstanden werde: Die Niederschlagsereignisse, bei denen an mehreren Stellen deutlich über 100 Liter Regen pro Quadratmeter gefallen sind, wird man mit herkömmlichen Maßnahmen des Hochwasserschutzes in der Regel nicht in den Griff bekommen. Es wird keinen absoluten Schutz geben. Wir werden keinen absoluten Schutz an allen Gewässern herstellen können. Ich weiß auch – die Ministerin hat heute früh schon darauf hingewiesen –: Die Länge der Flüsse in Bayern beträgt über 90.000 Kilometer. Wir werden sie nicht alle renaturieren oder den Schutz herstellen können. Aber wir dürfen vor der Zahl nicht kapitulieren, sondern wir müssen das Problem schnell angehen, sodass wir hier vorankommen.
Auf die Maßnahmen des Hochwasserschutzes werde ich gleich eingehen. Der Kollege Hartmann hat es heute früh schon gesagt, und der Kollege Stümpfig wird es beim nächsten Dringlichkeitsantrag zum Klima und zum EEG noch einmal sagen: Viele Fachleute, gerade die Fachleute des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, sagen uns klar: Dies ist der Klimawandel. Auch Herr Ministerpräsident Seehofer hat bei seinem Besuch im Überschwemmungsgebiet gesagt: Ja, das sind die Folgen des Klimawandels. Wir müssen jetzt wesentlich stärker ran an den Klimaschutz. Wir brauchen hier eine radikale Politikwende hin zu mehr Klimaschutz in unserem Land;
denn nur damit können wir in Zukunft derartige Ereignisse vielleicht ein bisschen eindämmen und dazu beitragen, dass die Häufigkeit dieser Ereignisse nicht zunimmt, sondern irgendwann einmal wieder abnimmt.
Der Internetdienst "WetterOnline" schrieb vor wenigen Stunden: "Historische Gewitterlage geht zu Ende". Erfreulich ist, dass sie zu Ende geht. Aber es war eine historische Gewitterlage, wie wir sie nach Einschätzung von "WetterOnline" offensichtlich noch nicht gehabt hatten. Deshalb müssen wir beim Klimaschutz deutlich besser vorankommen und deutlich mehr Gas geben. Wir müssen auf den Gebieten erneuerbare Energien, Wärmedämmung und insbesondere Verkehr eine ganz andere Richtung einschlagen. Sie fördern mehr Verkehr, machen mehr Anmeldungen beim Bundesverkehrswegeplan, wollen eine neue Start
bahn usw. Das ist kontraproduktiv beim Klimaschutz. Wir brauchen dringend eine Verkehrswende in unserem Land.
Ich komme jetzt zu den Maßnahmen des Hochwasserschutzes. Wir müssen zusehen, dass wir alle Möglichkeiten der Hochwasserrückhaltung nutzen, und zwar in der ganzen Fläche. Wir müssen hier für die ganze bayerische Fläche denken. Wenn das Wasser einmal in den großen Flüssen ist, ist es sehr häufig zu spät. Wir müssen bei den Einzugsgebieten der Quellen und der kleinen Flüsse ansetzen. Wir fordern ganz klar, dass wir einen weiteren Schwerpunkt auch finanzieller Art brauchen, um an den Gewässern dritter Ordnung anzusetzen. Wir können die Kommunen nicht mit diesem Problem allein lassen; denn das macht die große Masse aus. Schon das Hochwasser 2013 hat gezeigt, dass viele Gebiete in Bayern nicht aufgrund der großen Flüsse abgesoffen sind, sondern aufgrund von besonderen Umständen: Freising wurde beispielsweise aufgrund des Thalhauser Grabens und des Wippenhauser Grabens überschwemmt, die außer ein paar Freisingern niemand kennt. In Simbach war es ähnlich: Die Bäche, die auf den Simbach zulaufen, kennen nur die Bewohner des Ortes, und selbst von denen vielleicht nicht alle. Deshalb müssen wir einen Schwerpunkt auf Maßnahmen zur Verbesserung des Wasserrückhalts in der Fläche legen, speziell bei Gewässern dritter Ordnung. Darüber müssen wir dringend nachdenken.