Protokoll der Sitzung vom 14.06.2016

Wenn Drogenkonsumräume eingerichtet würden, würde dies in München und in Nürnberg geschehen. Auf diese beiden Städte entfielen 93 von 314 Todesfällen, knapp 30 %.

Es genügt aber nicht, die Lebensbedingungen von Drogenabhängigen in München und Nürnberg in den

Blick zu nehmen. Wir müssen versuchen, die Situation im Land überall gleichmäßig und nachhaltig zu verbessern. Ein stabiles Lebensumfeld und ein guter Allgemeinzustand bedeuten Lebensqualität und sind ein entscheidender protektiver Faktor gegen den Drogentod. Statt Drogenkonsumräumen für wenige sind deshalb neue und hochspezialisierte Angebote für alle Drogenkonsumenten erforderlich, die sie in ihren verschiedenen Lebenswelten und Lebenslagen gezielt erreichen und unterstützen. Als Beispiel möchte ich an dieser Stelle das vom Gesundheitsministerium kürzlich ins Leben gerufene Modellprojekt "Netzwerk 40+" für ältere Drogenabhängige nennen, das sehr erfolgreich gestartet ist. Es könnte künftig ausgebaut und weiterentwickelt werden und über die bisherigen Einsatzorte München, Nürnberg und Augsburg hinaus ausgedehnt werden. Das ist neben der Methadonsubstitution der richtige Weg, nicht die Einrichtung von Drogenkonsumräumen. – Aus all diesen Gründen werden wir den Antrag erneut ablehnen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CSU – Zuruf des Abgeordneten Dr. Paul Wengert (SPD))

Danke schön. Bitte verbleiben Sie am Rednerpult. Wir haben zwei Zwischenbemerkungen. Zunächst die Kollegin Osgyan.

Sehr geehrter Herr Seidenath, ich war vor einiger Zeit – das war Ende letzten Jahres – in Nürnberg bei einem Runden Tisch zum Thema Drogenkonsumräume, zu dem die Stadt geladen hat. Es waren ganz viele Organisationen vor Ort, die in der Drogenhilfe tätig sind. Es waren auch ganz viele Kolleginnen und Kollegen aus dem Landtag, aus dem Bezirketag und aus dem Stadtrat vor Ort. Außer dem Vertreter der CSU-Fraktion im Landtag haben sich eigentlich alle dafür ausgesprochen, einen entsprechenden Modellversuch zu ermöglichen; denn die Todesrate unter Nürnberger Konsumentinnen und Konsumenten harter Drogen steht bundesweit nun einmal ganz oben. Da sind wir trauriger Spitzenreiter.

Natürlich sind Drogenkonsumräume nicht der Königsweg; aber sie können offensichtlich helfen, den schwerst Abhängigen, an die man mit anderen Mitteln nicht mehr herankommt, zumindest eine gewisse gesundheitliche Sicherheit zu bieten. Ich finde es an dieser Stelle nachlässig zu sagen, wir nehmen diese Möglichkeit nicht wahr. Wer die Bilder von Drogenkonsumräumen in Frankfurt gesehen hat, die uns damals bei dem Runden Tisch gezeigt wurden, merkt, dass das nichts ist, was Neugierde weckt und tatsächlich junge Menschen zum Drogenkonsum verführen kann. Das ist ein absoluter Notbehelf. Ich verstehe nicht,

warum man nicht zumindest dort, wo die Situation sehr schwierig ist, in München und Nürnberg, einen Modellversuch ermöglichen kann, der zeitlich befristet ist. Dann kann man sehen, ob man die Einrichtungen wieder abschafft. Ihre Argumentation war, dass es sich in anderen Bundesländern vielleicht nicht bewährt hat. Dem würde Rechnung getragen, wenn hier ein Modellversuch erprobt würde. Dazu würde mich Ihre Meinung interessieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Liebe Frau Osgyan, wir haben uns das in Frankfurt genau angeschaut.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Aber nichts gelernt!)

Wir waren dort – der Herr Kollege Imhof, Frau Sonnenholzner – und haben uns das genau angeschaut. Ich denke, dass das Thema schwerst Abhängige in die Mitte der Gesellschaft gerückt werden muss. Insoweit stehe ich zu dem, was ich gesagt habe, und meine es sehr ernst. Aus meiner Sicht wäre ein Modellprojekt Drogenkonsumräume wirklich ein Spiel mit dem Feuer. Ich sehe ein, dass man sagt, unter staatlicher Aufsicht kann ein Drogentod vermieden werden. Aber es gab auch den Vorschlag, dass wir – ich bin durchaus bereit dazu, das in einem Modellprojekt zu testen – durch eine Naloxon-Abgabe als Heroinantidot an medizinisch geschulte Laien ausprobieren, ob dadurch die Atemdepression aufgrund einer Überdosis Heroin verhindert werden kann. Das eignet sich meines Erachtens für ein Modellprojekt. Wir werden dazu im Herbst dieses Jahres eine Anhörung im Landtag haben. Bei diesem Thema bin ich für ein Modellprojekt offen. Dagegen halte ich die Einrichtung von Drogenkonsumräumen – ich sage es noch einmal – für ein Spiel mit dem Feuer, das wir ablehnen.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. – Nächste Zwischenbemerkung: der Kollege Professor Gantzer.

Herr Kollege Seidenath, ich habe zwei Fragen. Erstens. Was halten Sie von der Stellungnahme der bayerischen Bezirke? Dazu haben Sie gar nichts gesagt. – Zweitens. Wenn ich Ihre Argumentation richtig verstanden habe, dann sagen Sie, wir in Bayern haben eine klare Politik, was Drogen betrifft: 100 % no way, kommt nicht in Frage. Wenn wir solche Schutzräume einrichten, machen wir die Tür auf und sagen, so schlimm ist es doch nicht. Was sagen Sie dazu, dass der Bundestag gerade beschlossen hat, Cannabisprodukte für ärztliche Zwecke freizugeben? – Denn: Drogensüchtige sind Kranke.

Das neue Gesetz will Kranken helfen. – Wie ordnen Sie das ein?

Werter Herr Kollege Professor Dr. Gantzer, Cannabis, Heroin und Drogenkonsumräume für Heroin sind zwei vollkommen verschiedene Paar Stiefel.

(Unruhe bei der SPD)

Das sind zwei vollkommen verschiedene Paar Stiefel. Wenn Sie unsere Aussagen verfolgt haben, dann stellen sie eine ganz klare Linie fest. Wir haben immer gesagt: Cannabis zu medizinischen Zwecken stehen wir offen gegenüber.

(Kathrin Sonnenholzner (SPD): Auch nicht immer, Herr Kollege!)

Das wurde auch ermöglicht und erleichtert, weil die Cannabispflanze deutlich positive Effekte als Arzneimittel, zum Beispiel als Antiemetikum haben kann; sie kann also als Antibrechreizmittel oder auch als Schmerzmittel gute Effekte haben. Als Genussmittel haben wir sie hingegen strikt abgelehnt. Wir wollen auf keine Weise der Legalisierung des Cannabiskonsums das Wort reden.

Das hat mit Drogenkonsumräumen aber nichts, überhaupt gar nichts zu tun. Bei den Drogenkonsumräumen geht es um den intravenösen Gebrauch von Heroin, und der nimmt ab. Es kommen andere Drogenformen außer Heroin wie beispielsweise Crystal Meth. Das ist ein ganz schwieriges Problem.

(Prof. Dr. Peter Paul Gantzer (SPD): Legal Highs!)

Legal Highs. Die werden alle außerhalb von Drogenkonsumräumen konsumiert, und auch nicht intravenös.

Ich habe in meiner Rede durchaus dargestellt, was ich von der Stellungnahme der bayerischen Bezirke halte. Ich habe die Argumente genannt, weshalb wir sie ablehnen. Die Argumente können auch die Bezirke gerne nachlesen. Übrigens stehe ich auch mit den bayerischen Bezirken im Austausch darüber. Die Antwort darauf ist also längst gegeben.

Nun noch zu den Zwischenrufen von einigen Kollegen, wir hätten nichts dazugelernt. – Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, vor einem Jahr haben Sie den Antrag noch abgelehnt. Dieses Mal haben Sie sich im Ausschuss enthalten. So viel zum Thema Dazulernen.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. – Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Sonnenholzner.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Lasst alle Hoffnung fahren. – Das ist das Einzige, was mir zu dem Beitrag meines Vorredners einfällt.

(Lebhafter Beifall bei der SPD – Zuruf von der SPD: Bravo!)

Ich behaupte, selbst Sie waren schon einmal weiter. Wir beschäftigen uns nun in der Tat zum wiederholten Mal mit diesem Thema, und dies nicht nur in dieser Legislaturperiode. Ich beschäftige mich bereits in der dritten Legislaturperiode mit dem Thema "Ermächtigungserteilung für Drogenkonsumräume für die Städte München und Nürnberg". Zum wiederholten Mal hören wir dazu Argumente, die wirklich jeder Grundlage entbehren.

Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, Sie haben den Antrag zum zweiten Mal eingereicht. Beide Anträge sind von unserem Antrag auf der Drucksache 17/5310 vom 12. Februar 2015 "Einrichtung von Drogenkonsumräumen ermöglichen!" zwar nicht direkt abgeschrieben, aber mit einer vagen Umformulierung im Kern übernommen. Das ist auch gut so; denn in der Sache sind wir uns durchaus einig.

Herr Kollege Seidenath, Sie haben gerade unser Abstimmungsverhalten angesprochen. Es war in der Tat so, dass wir den Erfolg wollten, dass diese Drogenkonsumräume in Bayern eingerichtet werden. Das ist der Grund für unser Abstimmungsverhalten. Im letzten Jahr hatten nämlich die Bezirke den Fachtag geplant. In diesem Jahr lag der Brief des Bezirketages vor. Ich kann das Ende aber schon vorwegnehmen: Nachdem in beiden Fällen nichts erreicht wurde, werden wir diesem Antrag zustimmen. Wir werden auch unseren Antrag, der noch immer zurückgestellt ist, zu gegebener Zeit hier wieder zur Abstimmung stellen. Ich kann überhaupt nicht verstehen, was Sie uns hier erzählt haben, Herr Kollege Seidenath. Es geht doch in der Tat darum, dass mit dieser Einrichtung Infektionskrankheiten wie HIV oder Hepatitis und Folgeerkrankungen wie beispielsweise Abszesse vermieden werden.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Des Weiteren sollen Überdosierungen und Todesfälle verhindert oder verringert werden. Es war doch auch Ihr Argument, dass der öffentliche Raum von den Problemen des sichtbaren Konsums entlastet wird. Diese ordnungspolitischen Ziele werden damit erreicht, das hat das Ministerium in dem Schreiben, das der Drucksache 17/2711 zuzuordnen ist, durchaus be

stätigt. Das können auch Sie nachlesen. Überall dort, wo es Drogenkonsumräume gibt, findet weniger öffentlich wahrnehmbarer Drogenkonsum statt. Das ist doch gerade auch in Ihrem Interesse. Sie haben es erwähnt: Wir waren mit Frau Kollegin Weikert, weil das Interesse auch aus Nürnberg kam, in Frankfurt und haben uns die Sache dort angesehen. Herr Kollege Unterländer hat dazu erklärt, die CSU werde das Ergebnis offen prüfen. Das ist im "Münchner Merkur" vom Februar des letzten Jahres nachzulesen. Leider ist Herr Unterländer nicht anwesend. Eine ergebnisoffene Prüfung ist das, was Sie uns heute erzählt haben, aber in der Tat nicht.

(Beifall bei der SPD)

Vor ziemlich genau drei Monaten hat der Präsident des Bezirketags den bayerischen Ministerpräsidenten – gerade abwesend –, den bayerischen Innenminister – gerade abwesend –, den bayerischen Wissenschaftsminister – gerade abwesend – und die bayerische Gesundheitsministerin – und das ist nun wirklich skandalös, auch sie ist abwesend, dabei bin ich bereits die dritte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt – angeschrieben. Er hat darum gebeten, dass die Einrichtung dieser Drogenkonsumräume ermöglicht werden solle. Ich erinnere alle auf dieser Seite des Hauses, die es wohl nicht wissen: Der Bezirketagspräsident Mederer gehört der CSU an, nicht unserer Fraktion.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): So ist es!)

Er hat diese Bitte um die Ermächtigung zur Einrichtung von Drogenkonsumräumen damit begründet, dass dies ein Baustein und ein Beitrag zum Überleben von schwerst Abhängigen sein könnte.

Letzte Woche hat die Drogenbeauftragte der Bundesregierung – auch hier sei der Vollständigkeit halber erwähnt, dass sie Mitglied der CSU ist – in ihrem Bericht geschrieben: Im Jahr 2015 wurden 1.226 drogenbedingte Todesfälle polizeilich registriert. Dies entspricht einem Anstieg von 18,8 % gegenüber dem Vorjahr. Die meisten Drogentoten wurden, wie bereits in den Vorjahren, in den bevölkerungsreichsten Bundesländern Bayern und Nordrhein-Westfalen registriert.

In Bayern waren es 314 Tote. Das entspricht einem Anteil von 25,7 % an der Gesamtzahl der 1.226 Toten. In Nordrhein-Westfalen waren es 182 Tote, das entspricht einem Anteil von 14,9 %. – Der Anteil des von Ihnen zitierten Nordrhein-Westfalens ist also zehn Prozentpunkte geringer. Das allein würde doch schon rechtfertigen, dass Sie umdenken und das tun, was in vielen anderen Städten schon passiert. Herr Kollege Leiner hat es schon gesagt: Schwerst Heroinabhängi

ge, für die Methadon im Übrigen nicht immer eine hilfreiche Alternative ist, können in einem geschützten Raum Drogen konsumieren. – Übrigens, auch bei Methadon haben Sie lange lernen müssen. Ich kann mich noch an Debatten in diesem Hause erinnern, was das Methadon doch für ein Teufelszeug sei. Ich schließe deshalb mit der Hoffnung, dass mindestens beim Naloxon die göttliche Eingebung so weit über sie komme, dass wir uns wenigstens auf ein Modellprojekt einigen. Auch ein Modellprojekt kann nämlich helfen, zu weniger Drogentoten zu kommen. Ich sage es noch einmal: Jeder einzelne Drogentote, den wir verhindern, ist das wert. Die Einrichtung eines Drogenkonsumraums kostet den Freistaat Bayern nämlich keinen Cent.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und den GRÜ- NEN)

Danke schön. – Nächster Redner ist Herr Kollege Dr. Vetter.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir FREIEN WÄHLER sind nicht dafür bekannt, dass wir Drogen, wie beispielsweise Cannabis, legalisieren wollen. An dieser Stelle habe ich mich dazu schon deutlich geäußert. Trotzdem, für die Kolleginnen und Kollegen auf der rechten Seite dieses Hauses, die in dem Thema nicht so drin sind, die Definition – –

(Zuruf von der CSU: Gott sei Dank! – Unruhe bei den FREIEN WÄHLERN)

Wie sagt Ihr Minister Söder immer: Erst zuhören, dann reden, oder so ähnlich? – Die Definition von Drogenkonsumräumen ist folgende: Drogenkonsumräume richten sich an schwerst kranke Patienten, an schwerst kranke Menschen, würde ich sagen, bei denen bereits alle anderen Maßnahmen versucht worden sind, bei denen auch Methadonsubstitution versucht wurde, bei denen aber alles nichts geholfen hat. Diese Menschen spritzen meist weiter Heroin. Es geht darum, dass man in den Drogenkonsumräumen noch irgendwie an diese schwerst Kranken herankommt. So kann man ihnen das Überleben sichern und die Möglichkeit geben, dort in Anwesenheit von Hilfskräften bei einer Überdosierung von Drogen zu überleben. Kollege Seidenath von der CSU, Sie haben im Ausschuss gesagt, dass der Konsum von Rauschgift in Drogenkonsumräumen staatlicherseits geschützt wird. Darum geht es nicht. Da ist ein himmelweiter Unterschied; das bloß einmal zur Definition der ganzen Angelegenheit.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Die Zahl der Drogentoten, Kolleginnen und Kollegen, war – das haben wir schon gehört – mit 314 im Jahr 2015 in Bayern so hoch wie schon seit fünfzehn Jahren nicht mehr. Sechs Bundesländer in Deutschland haben mit Drogenkonsumräumen nur positive Erfahrungen gemacht. Natürlich sind diese Räume hauptsächlich in Großstädten erforderlich. Ich sage es noch einmal, und auch im Ausschuss ist es vonseiten der CSU gesagt worden: Statt auf Drogenkonsumräume setzt die CSU auf Methadon. Das ist sachlich und inhaltlich einfach völlig falsch, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)