Protokoll der Sitzung vom 14.06.2016

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Die zwei Großstädte München und Nürnberg – die Frage, welches Parteibuch die beiden Bürgermeister haben, stelle ich gar nicht – wollen Drogenkonsumräume als Modellprojekt einführen. Auch die Bitte des Bezirkstages ist schon erwähnt worden. Herr Mederer, der CSU-Bezirkstagspräsident, hat sich mündlich und schriftlich mehrfach geäußert und gesagt: Ich bitte alle Bedenkenträger in der CSU, die restriktive Haltung zu überdenken. Kolleginnen und Kollegen: Ich bitte alle Bedenkenträger, die restriktive Haltung zu überdenken.

Mir kommt es manchmal so vor – ich bin, wie gesagt, nicht für die Drogenfreigabe – , dass, wenn die GRÜNEN heute hier einen Antrag auf ein Cannabisverbot stellen würden, bei Ihnen drüben bei der CSU die Hände reflexartig hochgehen und Sie sagen würden: "Wir sind dagegen!", weil der Antrag von den GRÜNEN stammt und weil Cannabis im Antrag vorkommt. So ist es doch, Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Dr. Paul Wengert (SPD): Genau so! – Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): So schaut’s aus!)

So schaut’s aus. – Ich erinnere noch einmal an das "C" im Namen "CSU": "C", das Christliche. Es geht hier um schwerst kranke Menschen, denen wir letztendlich ein Hilfsangebot machen wollen. Darum stimmen wir als FREIE WÄHLER dem Antrag der GRÜNEN diesmal zu. Wir haben uns im Ausschuss aus ähnlichen Gründen wie die SPD enthalten, weil damals der Anstoß von den Bezirken gekommen ist und das Thema noch ganz frisch war. Wir wollten uns zum damaligen Zeitpunkt vor ein paar Wochen nicht einmischen. Heute werden wir zustimmen.

Noch einmal: Wir tun das aus drei Gründen. So sind wir FREIE WÄHLER halt; wir machen pragmatische, keine ideologische Politik.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Wir stimmen also aus drei Gründen zu, erstens wegen der Subsidiarität. Die Städte München und Nürnberg und die Gemeinden sollen selber entscheiden können, was für sie gut ist. Wenn sie das haben wollen, sollen sie es auch kriegen.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Der zweite Grund ist die humanitas, sind humanitäre Gründe: Es geht um schwerst Kranke. – Hinzu kommt drittens, der ordnungspolitische Ansatz. Warum sollen wir denn, verflixt nochmal, dagegen sein, wenn denn München und Nürnberg sagen, wir wollen auch aus ordnungspolitischen Gründen in unseren Städten Drogenkonsumräume haben?

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Wir FREIE WÄHLER als durchaus eher konservativbürgerliche Gruppierung stimmen zu; wir sind auch die liberalere, die modernere, die kreativere bürgerliche Gruppierung in Bayern.

(Inge Aures (SPD): Das tut aber schon weh! – Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Na ja!)

Das muss man den Leuten nur sagen und beibringen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Herr Kollege.

(Unruhe)

Wenn wir uns auf allen Seiten beruhigt haben, können wir in der Tagesordnung fortfahren.

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Der federführende Ausschuss für Gesundheit und Pflege empfiehlt die Ablehnung des Antrags. Wer dem Antrag entgegen dem Ausschussvotum zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD, der FREIEN WÄHLER und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Das ist die Fraktion der CSU. Enthaltungen? – Sehe ich keine. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich komme jetzt zur namentlichen Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 6, nachdem die Ankündigungsfrist abgelaufen ist und wir darüber namentlich abstimmen können. Es geht um den Antrag der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Thomas Gehring und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

betreffend "Verwaltungskräfte entlasten, Schulen mit Ganztagsangebot stärken", Drucksache 17/10445. Der federführende Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes empfiehlt die Ablehnung des Antrags. Wir stimmen jetzt in namentlicher Form über diesen Antrag ab. Die Abstimmung ist eröffnet. Ich stelle dazu drei Minuten zur Verfügung.

(Namentliche Abstimmung von 17.35 bis 17.38 Uhr)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die drei Minuten sind um. Ich schließe die Abstimmung und bitte, das Ergebnis außerhalb des Saales auszuzählen. Es wird zu gegebener Zeit hier mitgeteilt. Ich bitte jetzt, wieder die Plätze einzunehmen, und Unterhaltungen, soweit sie notwendig sind, draußen zu führen. – Das gilt für alle Fraktionen und alle Seiten des Hauses.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Auch für die Schwarzen!)

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 8 auf:

Antrag der Abgeordneten Kathrin Sonnenholzner, Ruth Müller, Kathi Petersen u. a. (SPD) Crystal-Präventionsprogramm für junge Frauen (Drs. 17/11080)

Dazu ist von der SPD-Fraktion namentliche Abstimmung beantragt. Ich eröffne die Aussprache. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt nach der Geschäftsordnung 24 Minuten.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Die Redezeit der Staatsregierung orientiert sich dabei an der Redezeit der stärksten Fraktion. Erste Rednerin ist Frau Kollegin Sonnenholzner von der SPD. Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen!

(Anhaltende Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Das Thema Crystal Meth beschäftigt dieses Haus und insbesondere die Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen aus Oberfranken und Niederbayern schon längere Zeit in verschiedenen Facetten. Der Ausschuss hat sich vor einigen Monaten damit befasst und den Leiter der Kinderklinik in Passau und einen Suchtexperten eingeladen, zu den Auswirkungen von Crystal Meth auf junge Frauen, vor allen Dingen auf deren ungeborene oder geborene Kinder, zu berichten. Wir haben bei Crystal Meth ein Phänomen, das es bei anderen Suchtstoffen nicht gibt, dass nämlich ein erheblicher Teil der Konsumentinnen Frauen und junge

Frauen sind und dass diese Substanz zu einem – übrigens nicht nur bei Frauen – sorgloseren Sexualverhalten und damit auch zu einer relativ hohen Rate ungewollter Schwangerschaften führt. Diese Schwangerschaften werden häufig erst zu einem relativ späten Zeitpunkt festgestellt, sodass ein Abbruch, selbst wenn er von der Mutter gewollt gewesen wäre, wegen der fortgeschrittenen Schwangerschaft gar nicht mehr vorgenommen werden kann.

Wir haben aufgrund der Aussagen der beiden Experten den starken Eindruck gewonnen, dass die bisherigen Präventionsprogramme nicht funktionieren. Deswegen haben wir diesen Antrag gestellt, mit dem wir das Hohe Haus bitten, einer Präventionskampagne, die sich gezielt an junge Frauen richtet, zuzustimmen. Neben der Ausrichtung auf die Lebenswelten junger Frauen in den Bereichen von Familie, Lernen und Arbeiten sollte insbesondere auch das Konsummotiv der Gewichtskontrolle bzw. der Appetitzügelung in den Blick genommen werden. Dies steht vielfach bei den jungen Frauen im Vordergrund. Sie nehmen Crystal Meth nicht nur als Droge, sondern auch als Appetitzügler. Deshalb soll ein Weiterbildungsmodul für Gynäkologen und Hebammen entwickelt werden, um diese Berufsgruppen für Schwangere zu sensibilisieren, die möglicherweise Crystal Meth konsumieren könnten.

An dieser Stelle ist es mir wichtig zu sagen, dass die häufigste angeborene Behinderung in diesem Land das sogenannte fetale Alkoholsyndrom ist. Kinder, deren Mütter in der Schwangerschaft Alkohol, also auch eine Droge, konsumiert haben, werden geschädigt. Ich sage das deswegen, weil es Gemeinsamkeiten zwischen Alkohol und der Droge Crystal Meth bei jungen Frauen, Schwangeren und Müttern gibt. Junge Frauen schädigen mit diesen Substanzen ihr ungeborenes und dann geborenes Kind. Die Leidtragenden sind die Kinder. Das sage ich ganz deutlich. Das mag den einen oder anderen vielleicht dazu bringen, dem Antrag doch noch zuzustimmen. Die Kinder kommen mit dieser Belastung auf die Welt. Leider ist meine Redezeit zu kurz, um ausführlich zu schildern, welche Beeinträchtigungen diese Kinder nicht nur bei ihrer Geburt, sondern lebenslang haben. Dazu zählen Lernschwierigkeiten, Schwierigkeiten im Sozialverhalten und eine erhöhte Rate an Drogenabhängigkeiten, die sich im Jugendlichen- oder Erwachsenenalter entwickeln. Das weiß man aus vielen Studien.

Die drogenpolitische Diskussion beschäftigt sich nicht mit diesem Thema, obwohl es dazu bereits viele Fachtage gab und sich viele damit beschäftigen. Der Drogenbericht der CSU-Drogenbeauftragten Mortler in Berlin enthält sogar an zwei Stellen leichte Hinweise auf geschlechtsspezifische Aspekte. Leider küm

mert sie sich nur um die schwulen drogenkonsumierenden Männer und bei Crystal Meth um die Eltern. Um die Eltern geht es an dieser Stelle jedoch weniger als um die Mütter.

Alle Angebote, die wir bisher haben und die die Drogenbeauftragte in ihrem aktuellen Bericht von letzter Woche erwähnt, sind Angebote zur Reparatur. Darunter befindet sich kein einziges sinnvolles Präventionsprogramm. Dabei wissen wir, dass sich die Droge mit den Wegen des Inverkehrbringens ausbreitet. Das sieht man in Deutschland. Das weiß man aus den Vereinigten Staaten von Amerika. Das haben wir in Sachsen gesehen. Die Konsumenten und in dem Fall die Konsumentinnen sind an den Wegen zu finden, an denen die Substanz ins Land gebracht wird.

Herr Kollege Seidenath hat im Rahmen der Diskussion zum Antrag der GRÜNEN über Drogenkonsumräume zu meiner großen Überraschung und Freude gesagt, dass er diesem Antrag zwar nicht nähertreten werde, sich aber – ich zitiere Sie – hoch spezialisierte Angebote für alle und in allen Lebenslagen wünsche. Herr Kollege Seidenath, nichts anderes wollen wir mit unserem Antrag für junge Frauen in allen Lebenslagen und zum Schutz ihrer ungeborenen Kinder erreichen.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb bitte ich Sie noch nicht einmal um Zustimmung, vielmehr erwarte ich, dass Sie diesem Antrag jetzt und hier zustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächster hat Herr Kollege Holetschek von der CSU das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Sonnenholzner hat inhaltlich vieles richtig angesprochen. Wir haben keinen Dissens bei der Bewertung von Crystal Meth. Wir müssen alles dafür unternehmen, dass diese teuflische Droge nicht in Verkehr kommt. Wir müssen die Menschen vor ihr warnen. Ich war von der Diskussion im Gesundheitsausschuss und der Darstellung der beiden Referenten über die Auswirkungen der Droge in der Schwangerschaft sehr beeindruckt. Es wurde darüber berichtet, warum gerade junge Frauen diese Droge nehmen und welche Erwartungen sie damit verbinden. Wir müssen diese Probleme in einer verantwortungsvollen Gesundheitspolitik ernst nehmen, sie ansprechen und die richtigen Rahmenbedingungen schaffen.

Herr Kollege Seidenath hat vorhin richtig darauf hingewiesen, dass wir hoch spezialisierte Angebote brauchen. Daran gibt es nichts auszusetzen. Die Aussage ist richtig. Die Politik, die dahinter steht, ist richtig und wichtig. Fraglich ist, wie wir zu diesen Angeboten kommen. Wir sind uns alle dessen bewusst, dass die Droge Crystal Meth nicht nur junge Frauen betrifft, sondern in der gesamten Gesellschaft präsent ist. In vielen Berufsgruppen wird die Droge zur Leistungssteigerung genommen. Es gibt Legal Highs und andere, zusammengefasst unter dem Sammelbegriff "Neue psychoaktive Substanzen". Die Drogen, die auf dem Markt sind, haben eine ganz andere Form. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung und nicht der CSU, Marlene Mortler, hat dies in ihrem Drogenbericht richtig aufgegriffen und auf diese Themen hingewiesen.

Ich bin sehr dankbar, dass unsere Gesundheitsministerin dieses Thema sehr früh angesprochen hat. Wir müssen neue Akzente und Impulse setzen. Wir wollen und müssen das Thema Prävention stärken. Prävention ist wirklich ein zentrales Thema. Die Frage ist nur, in welche Struktur wir diese Prävention einbetten. Es gibt sehr viele erfolgreiche Projekte, die sich diesen Themen schon widmen. Ich erinnere an die Initiative "mindzone". Dort sind junge Partygänger ehrenamtlich als Präventionskräfte in der Szene unterwegs und weisen auf diese Gefahren hin. Das Projekt wird mit nicht unerheblichen Mitteln des Freistaats unterstützt. Im letzten Haushalt ist das Projekt um 300.000 Euro aufgestockt worden. Insgesamt sind 5 Millionen Euro in das Projekt geflossen.

Ich erinnere auch an die Telefon-Hotline zur Aufklärung über Crystal Meth, die es seit dem Jahr 2014 gibt. Vor Kurzem hatte ich die Freude, auf der Tagung der gesundheitspolitischen Sprecher der CSU in Vertretung von Bernhard Seidenath zu sein. Dort schauen viele auf uns, weil sie wissen, dass Bayern in der Lage ist, besondere Akzente zu setzen.

Werte Kolleginnen und Kollegen, uns geht es letztlich darum, die bereits vorhandenen Optionen um einige Schwerpunkte zu ergänzen. Deswegen wollen wir dem heute vorliegenden Antrag nicht zustimmen. Wir haben vielmehr schon einen eigenen Antrag auf den Weg gebracht, der dieses wichtige, zentrale Thema aufgreift. Allerdings wollen wir genau wissen, wie die Situation sich darstellt und welche Parameter sinnvoll ergänzt werden müssen, um die Prävention bei jungen Frauen zu verbessern. Wir wollen, dass das Anliegen zum Tragen kommt. Dafür benötigen wir eine stabile Datenbasis, die es uns erlaubt, zielgerichtet tätig zu werden. Wir wollen aber auch die Möglichkeiten, die wir schon haben, nutzen.

Herr Dr. Walzel aus dem Gesundheitsministerium hat gesagt, er wolle nicht, dass eine bestimmte Gruppe stigmatisiert werde. Das hat mich nochmals zum Nachdenken gebracht. Es geht nämlich nicht nur um die jungen Frauen, auch wenn Präventionsmaßnahmen für diese Gruppe zugegebenermaßen besonders wichtig sind. Ich möchte das Problem also nicht kleinreden – um Gottes willen! Uns geht es aber darum, alle gesellschaftlichen Gruppen gleichermaßen anzusprechen – unter besonderer Berücksichtigung junger Frauen. Das wollen wir gemeinsam tun. Deswegen haben wir – –

(Abgeordnete Kathrin Sonnenholzner (SPD) erhebt sich)