Zunächst einmal zu Großbritannien. Hier gilt: Schritt für Schritt. Die Entscheidung der Mehrheit der Bevölkerung in Großbritannien hat mindestens genauso viel mit der Innenpolitik zu tun wie mit der Entwicklung in Europa und in der Welt. Sie drückt insgesamt – das
haben viele von Ihnen gesagt – dieses emotionale Unbehagen mit ganz vielen verschiedenen Dingen aus. Auch in anderen Ländern wird das so gesehen. In allererster Linie verlangt das Votum nach einer innenpolitischen Neuorientierung im Vereinigten Königreich. Das heißt, die dortigen politischen Kräfte müssen sich darüber klar werden, was diese Entscheidung tatsächlich bedeutet, wie sie damit umgehen, und sie müssen sich wohl auch neu formieren. Es ist nur fair, wenn ihnen dafür eine angemessene Zeit eingeräumt wird. Es geht nicht um Tage, es geht nicht um Stunden; aber es sollten auch nicht endlos viele Wochen und Monate sein. Aber eines gilt auf jeden Fall: Mit Drohen und mit Drängen bekommen wir etwas ganz anderes auf den Tisch, nämlich noch mehr Frustration, auch der Menschen in unserem Land.
Für uns, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird es kein "Weiter so!" geben. Alles wird dafür vorbereitet, dass, wenn es zu einer Austrittserklärung kommt, die notwendigen Gespräche zügig geführt werden. Das sind wir der Wirtschaft schuldig. Sie kann keine Unsicherheit gebrauchen. Für die aktuellen, großen politischen Herausforderungen sollen Lösungen auf den Weg gebracht werden. Diese dürfen nicht über Jahre von einer Diskussion über den Brexit überlagert werden.
Wir müssen erstens bei den Gesprächen unsere eigenen Interessen in den Vordergrund stellen. Jetzt geht es nicht darum, was für die Briten am wichtigsten ist. Im Prinzip geht es auch nicht darum, was die Londoner Finanzzentren wollen, sondern es geht um unsere vitalen Interessen und darum, eine nahtlose Anschlussregelung zu finden, damit das Verhältnis Europas zu Großbritannien auch in Zukunft solide und stark ist. Unsere Unternehmer und Wissenschaftler brauchen das. Das wollen natürlich auch Schüler, Studierende, Arbeitnehmer und sonstige Kreative, die pendeln und mit Großbritannien eng zusammenarbeiten.
Zweitens geht es um die Zukunft der Europäischen Union. Wir müssen uns darüber klar werden, welche Forderungen wir stellen und welche Folgerungen wir aus dieser Entscheidung ziehen. Die Staaten in Europa sollen sich in erster Linie auf die großen Herausforderungen konzentrieren – Sie haben das angesprochen –: Die Flüchtlingskrise muss bewältigt werden. Wir brauchen ein reformiertes Asylsystem, und wir brauchen vor allem endlich einen wirksamen Schutz der europäischen Außengrenzen.
Europa wird in der Sicherheits- und in der Außenpolitik mehr denn je gefordert sein. Unser Kontinent ist von instabilen Krisenregionen umgeben. Wir merken, dass terroristische Attacken immer näher rücken.
Wir brauchen drittens eine Stärkung des Binnenmarktes und eine weitere Stabilisierung der Eurozone. Wir brauchen eine Stärkung der Innovationskraft und der Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Union. Uns muss klar sein: Zur Bewältigung dieser großen Aufgaben brauchen wir das Miteinander aller Mitgliedstaaten.
Wir brauchen gute, überzeugende Lösungen. Die schaffen wir nur, wenn wir zusammenhalten und miteinander in eine Richtung gehen. Wir werden auch das notwendige Vertrauen der Menschen in die Handlungsfähigkeit und Stabilität der Gemeinschaft der europäischen Staaten nur so erreichen: miteinander und nicht gegeneinander.
Ich möchte auch sehr deutlich sagen, dass uns ein Konvent und eine Reform von Institutionen nicht helfen, um das zu überbrücken. Wir wollen diese Entscheidung nicht noch weiter von den Bürgern wegrücken. Die europäischen Verträge bieten eine gute Grundlage. Diese Verträge sind flexibel genug, um notwendige Anpassungen vornehmen zu können. Darin gebe ich Ihnen völlig recht.
Eines darf man sich dabei nicht vormachen: Die Interessen der Staaten und der Regionen in Europa sind so vielfältig wie sie selbst. Wir wissen alle, dass diese Staaten in ihrer Wirtschaftskraft, Finanzkraft und Verwaltungskompetenz völlig unterschiedlich sind. Auch Rechtsstaatlichkeit oder Investitionssicherheit sind nicht überall in gleichem Maße gewährleistet. Hinzu kommt, dass das, was man in Brüssel beschließt, nicht überall mit der gleichen Begeisterung umgesetzt wird. Dies haben nicht nur abschreckende Beispiele gezeigt wie etwa die Verteilung von 160.000 Flüchtlingen in der Europäischen Union. Die Haushaltsdisziplin ist nicht in allen Staaten der Eurozone die gleiche; davon möchte ich erst gar nicht reden.
Dass sich die Bürgerinnen und Bürger unter diesen Umständen wundern und fragen, ob wir überhaupt noch eine europäische Einheit haben, ist eigentlich klar.
Zur Beantwortung all dieser Fragen stehen in erster Linie die Regierungen in Europa in der Verantwortung. Es liegt an ihnen und an uns gemeinsam, angesichts der Verantwortung gegenüber der eigenen Bevölkerung und gegenüber den europäischen Partnern die richtigen Antworten zu finden. Wo immer es geht, müssen wir Gemeinsamkeiten finden. Wo es nicht geht, müssen wir Rücksicht und Verständnis zeigen. Hier muss man sich gegenseitig Freiräume zugestehen.
Wer den Nationalstaat als "von gestern" bezeichnet, der steht für ein Europa der Gleichmacherei und der Spaltung. Bayern und die CSU stehen für ein Europa der Vielfalt und der Identität.
Wir haben deshalb auch Verständnis dafür, wenn Länder wie Ungarn oder Polen in ihren Grenzen selbst gestalten wollen, so, wie sie es für richtig halten, und so, wie wir es hier in Bayern auch für uns in Anspruch nehmen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, dass die AfD in Bayern die niedrigsten Werte in Deutschland hat, spricht Bände.
(Markus Rinderspacher (SPD): Dank der CSU hat die AfD bei der Europawahl den höchsten Wert erhalten!)
"CSU pur" und die Einladung von Cameron nach Bayern – das muss jetzt auch einmal richtig gestellt werden – bezogen sich darauf, dass wir keine Zuwanderung in unsere Sozialsysteme wollen. Dazu stehen wir. Das ist eine Aussage, die im Sinne unserer Bürgerinnen und Bürger richtig war.
Haben Sie bitte nicht die Illusion, dass man über eine EU ähnliche Lebensverhältnisse im Süden und Norden, im Osten und Westen unseres Kontinents schaffen kann. Die EU ist kein Schüttelbecher, in den leistungsfähige Staaten das Geld für reformunwillige Staaten legen müssen. Das muss auch gesagt werden. Gut 25 Jahre nach der großen Wende und 10 Jahre nach der Osterweiterung müssen wir ein Stück weit Realismus bewahren.
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, für Deutschland und für Bayern und für die CSU gehört die europäische Einheit zur Staatsräson. Ich erinnere an die Ergänzung der Bayerischen Verfassung zur Mitwirkung des Landtags in Europafragen, die alle politischen Kräfte dieses Hauses mitgetragen haben.
Heute wurde das Parlamentsbeteiligungsgesetz beraten. Lassen Sie uns deshalb in diesem Sinn gemeinsam weiter von Bayern aus auf die europäische Politik einwirken. Wir sind ausgezeichnet aufgestellt mit einer guten Vertretung in Brüssel, mit einer kundigen Verwaltung, mit professioneller europapolitischer Arbeit in allen Verbänden, Stiftungen und Organisationen Bayerns und vielen Möglichkeiten der politischen Zusammenarbeit mit dem Bund und Europa auf allen Seiten des Hauses. Am Montag erst war ich in Brüssel mit der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft beim Tag der Bayerischen Wirtschaft. Ich habe mit den Teilnehmern besprochen, was für unsere Wirtschaft gut ist.
Ich danke allen, die sich dafür eingesetzt haben, dass wir mit Ost- und mit Mitteleuropa ein so starkes Verhältnis haben. Ich möchte das ganz besonders der Präsidentin des Bayerischen Landtags sagen, die dieses immer mit großer Verve und Überzeugung mitgetragen hat.
Wir haben exzellente Beziehungen zu unseren Nachbarn in Europa. Allein das, was uns mit Tschechien gelungen ist, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, ist für mich ein Musterbeispiel dafür, wie ein Europa für die Bürgerinnen und Bürger funktionieren kann. Das ist großartig, und darauf sind wir sehr stolz.
Wir sollten unsere Kompetenz weiter mit aller Kraft einsetzen und damit der besonderen Rolle Bayerns in der Mitte Europas gerecht werden. Wir brauchen ein starkes Bayern in einem starken Europa. Das ist für mich jetzt die Devise. In diesem Sinne möchte ich Sie alle dazu auffordern, für ein starkes Bayern in einem starken Europa zu kämpfen und uns mit Überzeugung, aber auch überlegt, fair und geradlinig einzusetzen.
Vielen Dank, Frau Staatsministerin. Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Ich darf allerdings bekannt geben, dass die CSUFraktion namentliche Abstimmung über ihren Antrag beantragt hat. Das bedeutet, dass wir jetzt in der Tagesordnung fortfahren und die namentliche Abstimmung und alle anderen Abstimmungen nach dem nächsten Tagesordnungspunkt durchführen werden.
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Martin Stümpfig u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Kein Fracking in Bayern (Drs. 17/12131)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Thorsten Glauber u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Fracking bundesweit verbieten (Drs. 17/12134)
Ich eröffne die gemeinsame Aussprache und darf als Erstem dem Kollegen Stümpfig für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort erteilen.
Sehr geehrte Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzen uns für ein ausnahmsloses Verbot von Fracking in Bayern ein.
Wir brauchen es nicht. Es ist gefährlich, und es ist klimaschädlich. Wir haben jetzt im Bayerischen Landtag die Möglichkeit, durch eine einfache Änderung unseres Bayerischen Wassergesetzes klar zu regeln, dass es in Bayern kein Fracking gibt.
Wir brauchen Fracking nicht. Der Aufwand steht beim Fracking in keinem Verhältnis zum Ertrag, zur Ausbeute. Wir haben in Paris klare Klimaziele vereinbart, und ich glaube, wir brauchen gerade angesichts der Wetterkapriolen in den letzten Wochen nicht mehr über die Notwendigkeit eines effizienten Klimaschutzes zu debattieren; darüber besteht hoffentlich Einigkeit.
Die Problematik ist, dass der Frackingboom in den USA mittlerweile in der Atmosphäre bereits nachweisbar ist. Es gibt einen sprunghaften Anstieg von Methan in der Atmosphäre. Das heißt, Fracking ist wirklich hochgradig klimaschädlich.
Wenn man weiß, dass wir mittlerweile 80 % unserer fossilen Energie, also der Öl-, Gas- und Kohlevorkommen, im Boden lassen müssen, muss man sich fragen, warum man bei den 20 % an fossiler Energie, die wir noch nutzen können, ausgerechnet auf die fossilen Energieträger zurückgreifen will, die so fest gebunden sind, dass man sie nur mit höchstem Aufwand lösen kann. Das macht keinen Sinn. Allein das ist ein Grund dafür, von Fracking generell die Finger zu lassen.
Wir sprechen von Dekarbonisierung und nicht von einer neuen Welle der Karbonisierung. Wir wollen Fracking nicht. Fracking würde eine Verlängerung des fossilen Zeitalters bedeuten. Wir GRÜNE wollen raus aus den fossilen Energien.
Warum ist Fracking besonders gefährlich? – Da möchte ich kurz auf die Frage der Entsorgung der Lagerstättenwasser eingehen, für die es immer noch keine Regelung gibt. Zwar wurde in der letzten Woche, am 24. Juni, das Gesetz verabschiedet; aber zu der Problematik, was mit dem hochgradig vergifteten Wasser passiert und wohin es verpresst wird, gibt es keinerlei Aussage. Da besteht nach wie vor eine Problematik. Andererseits wissen wir, dass sauberes Wasser unser höchstes Gut ist. Jetzt sind zwar Wasserschutzgebiete ausgewiesen und Bereiche für die Lebensmittelherstellung geschützt, aber es gibt keinen flächendeckenden Grundwasserschutz. Wir vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen einen hundertprozentigen, flächendeckenden Grundwasserschutz.