Protokoll der Sitzung vom 07.07.2016

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Annette Karl, Natascha Kohnen u. a. und Fraktion (SPD) Flächendeckende Mobilfunkversorgung für Bayern in Gigabit-Qualität (Drs. 17/12353)

Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner ist der Kollege Kirchner von der CSU. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die Digitalisierung ist in aller Munde. Wir selbst definieren uns als Mitglieder einer mobilen Gesellschaft. Niemand hier wird bestreiten, dass die Kommunikation für uns das A und O ist. Das gilt sowohl für die "Smombies", die mittlerweile mit ihren Smartphones verwachsen sind, als auch für das Telefonieren und die Erreichbarkeit. Überall und immer ist es sehr wichtig, erreichbar zu sein. In der Vergangenheit waren wir der Meinung oder auch der Hoffnung, dass gerade die Digitalen Dividenden I und II den Traum erfüllen und ein Netzausbau vonstattengeht, der nahezu eine Vollversorgung bzw. eine Erreichbarkeit sicherstellt.

Aber die Realität sieht anders aus. Statt vermeintlich besser wird es subjektiv wahrgenommen immer schlechter. Gerade weil mit der Entwicklung ein wirtschaftliches Interesse einhergeht, wird immer deutlicher, dass es zu einem Gefälle zwischen Stadt und Land kommt. Ich denke, hier im Haus werde ich einen großen Rückhalt haben, weil gerade wir Abgeordnete die besten Feldversuchsteilnehmer sind, die diesen Sachverhalt bestätigen. Wir sind jeden Tag in unseren Stimmkreisen unterwegs und kennen jedes Funkloch. Es gibt nicht ein Funkloch und nicht zwei Funklöcher, sondern in vielen Situationen bricht die Kommunikation ab und bietet die Abdeckung nicht das, was wir benötigen. Es geht sogar so weit, dass ganze Ortschaften noch immer nicht erschlossen sind. In meinem Stimmkreis in der Rhön, im ehemaligen Zonenrandgebiet, liegt die Ortschaft Willmars, die damit überhaupt nicht versorgt ist. Wenn man bei den Telekommunikationsunternehmen nachfragt, kommt die Antwort relativ schnell. Sie lautet eindeutig: Es ist nicht wirtschaftlich, es rentiert sich nicht; eine Lösung, um Abhilfe zu schaffen, wird nicht aufgezeigt.

Es geht noch weiter. Viele von Ihnen, auch ich, fahren mit dem Zug regelmäßig nach München. Oft wird uns suggeriert, es gebe das mobile Office. Ich fahre auf der ICE-Strecke Würzburg – München. Je näher ich an München komme, desto schlechter wird komischerweise das Angebot: kaum ein Netz, ein schlechtes Netz, eine Datenübertragungsrate gegen null. Es funktioniert nicht.

(Beifall bei der CSU)

Da stellt man sich schon die Frage, ob man in Timbuktu oder in Deutschland ist. Letzteres wird wohl mit anderen Maßstäben gemessen.

Ich habe auch mit meinen Kollegen gesprochen, zum Beispiel mit Markus Blume, Stimmkreisabgeordneter in München: ein Ballungsraum, in dem vermeintlich alles gut ist. Auch dabei habe ich festgestellt, dass nicht alles Gold ist, was glänzt, und dass es auch dort Versorgungslücken gibt und verschiedene Anbieter nicht so auftreten können, wie wir es haben wollen. Der Zustand ist nicht gut.

Die Telekommunikationsanbieter verweisen auf die Wirtschaftlichkeit. Da stelle ich mir die Frage, wie es wohl ausgesehen hätte, wenn unser Fernmeldeamt seinerzeit nach diesen Kriterien vorgegangen wäre. Ich glaube, dann würden wir in vielen Teilen Bayerns oder Deutschlands noch mit Rauchzeichen arbeiten und die Fläche nicht erreichen. Das wäre schlecht.

(Beifall bei der CSU)

Man muss feststellen, dass gerade der Großstadtmarkt für viele die Lizenz zum Gelddrucken darstellt. Bei genauerem Hinsehen muss es eine Mischkalkulation sein. Das ist mein Verständnis. Ich meine eine Mischkalkulation in dem Sinne, dass man nicht nur den Gewinn abschöpft, sondern auch Teile des Gewinns in die Infrastruktur investiert, um eine ganzheitliche Versorgung zu erreichen, auch wenn die Investition dort nicht sehr wirtschaftlich ist.

Ich stelle mir auch die Frage, ob eine Vertragserfüllungspflicht gegeben ist. Stellen wir uns doch einmal vor, der Klempner kommt zu uns nach Hause. Da erwarten wir schließlich auch, dass nach getaner Arbeit Wasser aus dem Wasserhahn kommt. Ebenso erwarte, dass ich nach dem Abschluss eines Handyvertrags ein Signal am anderen Ende der Leitung vernehmen und telefonieren kann.

(Beifall bei der CSU)

Wir fordern deshalb die Staatsregierung auf, die Telekommunikationsunternehmen primär in die Pflicht zu nehmen, die Vertragserfüllungspflicht in den Vordergrund zu stellen und dabei abzuklären, welche Möglichkeiten es gibt, um auf vorhandene Infrastruktur zurückgreifen und Synergien zu nutzen. Wir fordern die Staatsregierung aber auch auf, Lösungsansätze zur Verbesserung der Versorgung zu erarbeiten, um Versorgungsauflagen mit zukünftigen Frequenzversteigerungen wieder in den Vordergrund zu stellen. Wir fordern sie auch auf, darüber hinaus die Universaldienstverpflichtungen und das Telekommuni

kationsgesetz auf den Prüfstand zu stellen, um gegebenenfalls etwas Anschub zu bewirken.

Was auch immer dabei herauskommt: Faktisch müssen die Versorgungslücken im ländlichen Raum verschwinden. Das sage ich als Abgeordneter aus dem ländlichen Raum, aber auch explizit für die Ballungszentren; denn auch dort ist nicht alles Gold, was glänzt.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat Herr Kollege Glauber von den FREIEN WÄHLERN das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, verehrtes Präsidium, Kolleginnen und Kollegen! Kollege Kirchner hat nichts dazu gesagt, wie sich die CSU zu den Anträgen der SPD und unserer Fraktion verhalten wird. Ich habe ihn aber gefragt. Unser Antrag und eventuell auch der Antrag der SPD – das werden wir sehen – werden abgelehnt werden. – Kollege Kirchner, Sie haben ja gar nicht begründen wollen, warum Sie unsere Anträge ablehnen.

(Sandro Kirchner (CSU): Kommt schon noch!)

Ich kann verstehen, dass Sie keine Begründung mehr finden. Das Ganze wird in diesem Hause mittlerweile auf die Spitze getrieben. Ich möchte von der letzten Ausschusssitzung berichten, Kolleginnen und Kollegen. Die Kolleginnen und Kollegen der SPD stellten einen Berichtsantrag zur Förderung lokaler und regionaler Anbieter bei der Umstellung auf HD-Fernsehen im neuen Doppelhaushalt – ein absolut berechtigter Antrag, den auch unsere Fraktion in einer ähnlichen Form im Ausschuss gestellt hat. Aber wir kommen nicht einmal zur Debatte über den Antrag. Dabei ist der Antrag gut. Berichtsanträgen, die der qualitativen Verbesserung der Ausschussarbeit und der Erleichterung der ordentlichen Beratung dienen, hat der Ausschuss in der letzten Wahlperiode immer zugestimmt. Aber Sie von der CSU-Fraktion hatten ja nicht einmal den Mut, den Antrag abzulehnen. Das muss man sich einmal überlegen: Da müssen Sie die Geschäftsordnung bemühen, um einen Berichtsantrag zu vertagen. So weit sind wir in diesem Haus gekommen, und so weit sind wir um inhaltlich qualitative Debatten gekommen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Wider- spruch des Abgeordneten Erwin Huber (CSU))

Ich kann verstehen, dass Sie unseren Antrag zum Thema Mobilfunk hier nicht begründen wollen. Herr Huber, man muss der Ehrlichkeit halber sagen – –

(Zuruf des Abgeordneten Erwin Huber (CSU))

Herr Huber, Sie können gerne dazwischenrufen, aber Sie als Ausschussvorsitzender wissen genau: Seit dem 5. Juni liegen drei Anträge zum Mobilfunkausbau, zu genau dem, was Sie heute in Ihrem Antrag fordern, Ihrem Ausschussbüro vor. Sie hätten die Anträge auf die Tagesordnung nehmen können. Sie haben sie nicht auf die Tagesordnung genommen. Warum haben Sie sie nicht auf die Tagesordnung genommen? – Weil Sie ihnen nicht zustimmen wollen. Warum nicht? – Weil Sie heute in der Plenarsitzung das Thema abräumen wollen. So schaut’s aus.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Aber wir sind bereit und werden nicht nachlassen, die Themen trotzdem im Ausschuss zu bringen. Wenn Sie vier Wochen später die Plenarsitzung dazu bemühen müssen, umso besser. Der Unterschied zwischen Ihnen und uns ist: Sie trauen sich ja nur, sich berichten zu lassen.

(Erwin Huber (CSU): Ist doch gar nicht wahr!)

Doch, Sie lassen sich berichten. – Wir erheben in unserem Antrag ganz klare Forderungen. Ganz ehrlich, Herr Kirchner: Sie sprechen davon, wie schlecht es den Menschen draußen auf dem Land geht, wenn sie keine Mobilfunkversorgung haben. Sie erwähnen die Erschwernisse entlang der Autobahnen und Bahnstrecken in verschiedenen Regionen Bayerns. Das veranlasst mich zu der Frage: Warum trauen Sie sich dann nicht, Abhilfe zu fordern?

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Kolleginnen und Kollegen der CSU-Fraktion, wir haben im Wirtschaftsausschuss die Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass in den Ausschreibungen der Bayerischen Eisenbahngesellschaft – BEG – die Ausstattung jedes neuen Zuges mit Repeatern vorgesehen wird. Das ist eine ganz einfache Beschreibung. Das haben wir in der Hand als Mitglieder des Bayerischen Landtags bzw. des Wirtschaftsausschusses. Das ist ganz einfach. Sie brauchen nur unserem Antrag zuzustimmen. Nach jeder neuen BEG-Ausschreibung werden die Bürgerinnen und Bürger in Zukunft eine bessere Internetversorgung in Regionalzügen haben. Das liegt in unserer Verantwortung. Das sind wir unseren Bürgerinnen und Bürgern schuldig.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ich bin gespannt, wie Sie sich zu dem Folgenden äußern werden: In Deutschland und in Bayern gibt es momentan drei große Mobilfunkanbieter. Auf dem Markt sind die Telekom, Vodafone, das jetzt zusam

men mit Kabel Deutschland ein Unternehmen bildet, und O2. Wir fordern in einem Antrag explizit dazu auf, auf Bundesebene dafür zu sorgen, dass diese drei Unternehmen mit einem einheitlichen Roaming die Infrastruktur eines befreundeten Unternehmens oder sogar eines Wettbewerbers nutzen können. Im Prinzip könnten wir über eine Roaming-Regelung vorschreiben, dass ein Mitbewerber die Netzinfrastruktur zur Verfügung stellt und ordentlich abgerechnet wird. Wir würden eine deutlich bessere Versorgung vieler Regionen Bayerns erreichen; wir als Bayerischer Landtag – oder der Bundesrat – müssten nur unseren politischen Willen äußern. Aber auch das werden Sie wieder ablehnen. Es würde nicht einmal Geld kosten; es wäre eine vertragliche Regelung. Wir, die Fraktion der FREIEN WÄHLER, fordern Sie auf, in Zukunft den ländlichen Raum besser mit Mobilfunk auszustatten.

(Inge Aures (SPD): Wir brauchen nicht nur Mobilfunk, sondern wir brauchen auch Geld!)

Das können Sie im Prinzip relativ geschickt über Ausschreibungen zu Frequenzbandversteigerungen lösen. Seitdem wir im Landtag sind, also seit 2008, sagen wir immer, dass wir einen möglichst wirtschaftlichen Breitbandausbau wollen. Es geht nicht darum, Unmengen von Geld in den Markt zu geben; denn wir wollen eine wirtschaftliche Lösung.

Ich habe das Land Oberösterreich immer als Beispiel bemüht. In Oberösterreich hat man lukrative Ausschreibungsgebiete mit weniger lukrativen kombiniert. Das war letztendlich ein volkswirtschaftlicher Gewinn. Eine hohe Ausbauqualität hat so die Bürger in Oberösterreich wenig Geld gekostet. Ich fordere Sie daher auf, bei der Ausschreibung der Versorgung ländlicher Räume darauf zu achten: Wer in städtischen Gebieten, in Ballungsräumen, einen Mobilfunkmasten aufstellen will, muss die entsprechende Forderung auch im ländlichen Raum erfüllen. Das können Sie ausschreibungstechnisch beschreiben. Eine solche Forderung würde ganz klar zu einer höheren Qualität führen, ohne die Bürgerinnen und Bürger in Bayern viel Geld zu kosten. Das würde uns nach vorne bringen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Erwin Huber (CSU): Bayern kann doch hier nicht entscheiden! Das müssen Sie doch wissen!)

Wie gesagt: Sie sollten sich nicht nur berichten lassen, sondern ganz konkrete Forderungen erheben, wie wir es beschrieben haben.

Wir werden natürlich auch dem SPD-Antrag zustimmen, weil darin ganz klare Forderungen stehen.

Nicht nur Lippenbekenntnisse und die Klage, wie schlecht es im ländlichen Raum ist! Anpacken und

den ländlichen Raum besser mit Mobilfunk, Bahnstrecken und Autobahnen ausstatten! Dann erfüllen Sie Ihre Aufgabe als Regierungsfraktion.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Herr Kollege, bleiben Sie bitte am Rednerpult.

(Thorsten Glauber (FREIE WÄHLER): Gerne!)

Der Kollege Kirchner hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. Bitte schön.

Herr Kollege, meine Aufgabe war es, unseren Antrag darzustellen. Dieser Aufgabe bin ich nachgekommen. Vielleicht wäre es sinnvoll gewesen, wenn Sie unseren Dringlichkeitsantrag im Vorfeld etwas genauer durchgelesen hätten; dann hätten Sie festgestellt, dass es sich nicht um einen Berichtsantrag handelt und dass von der Staatsregierung konkrete Dinge gefordert werden. In Ihren Äußerungen haben Sie es soeben leider versäumt, Ihren Antrag, Ihre Intentionen, Ihren Weg besser aufzuzeigen bzw. haben sich in den Zuständigkeiten etwas verschätzt; denn die Dinge, die Sie gerade gefordert haben, werden durch die Bahn bis 2018 bereits bearbeitet und angegangen, sodass hier eine Verbesserung zu erwarten ist. Wenn Sie das mit unserem Antrag vergleichen, werden Sie feststellen, dass wir uns auf diesen Bereich konzentrieren, der am Ende die Versorgungslücken übrig lässt.

Zweitens. Dinge, die Sie gerade gefordert haben, obliegen nicht der Staatsregierung und fallen nicht in ihre Entscheidung, sondern hängen auf EU-Ebene mit der Universaldienstrichtlinie zusammen oder stehen in Verbindung mit dem Telekommunikationsgesetz. Da stelle ich mir die Frage, wie Sie mit Ihrer Kompetenz in Bayern versuchen wollen, das zu regeln.

(Beifall bei der CSU – Gabi Schmidt (FREIE WÄHLER): Wer hat denn die Kompetenz in Bayern?)

Danke schön, Herr Kollege. – Herr Kollege Glauber, Sie haben das Wort.

Danke schön, Herr Präsident. – Kollege Kirchner, Sie behaupten, wir hätten keine konkreten Forderungen. Ich habe die Forderung aufgestellt, in Ausschreibungen die Ausstattung von Regionalzügen mit Repeatern vorzusehen. Sie sitzen schon lange genug im Wirtschaftsausschuss, um zu wissen, dass diese Forderung noch in keiner Ausschreibung enthalten war. Erzählen Sie also nicht, dass wir hier Anträge stellen, die nicht pas