Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 79. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.
Bevor wir mit der Tagesordnung beginnen, darf ich noch zwei Glückwünsche aussprechen. Am 10. Juli feierten sowohl Frau Vizepräsidentin Inge Aures als auch Herr Kollege Benno Zierer einen runden Geburtstag.
Ich wünschen Ihnen im Namen des gesamten Hauses und persönlich alles Gute und weiterhin viel Erfolg für Ihre parlamentarischen Aufgaben.
Aktuelle Stunde gem. § 65 BayLTGeschO auf Vorschlag der Fraktion FREIE WÄHLER "Zukunft der Realschulen jetzt gestalten!"
Die Regeln für die Aktuelle Stunde sind Ihnen bekannt. – Erster Redner ist Herr Kollege Professor Dr. Piazolo von den FREIEN WÄHLERN. Herr Kollege, Sie haben das Wort, bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Was Toni Kroos für die deutsche Nationalmannschaft ist, das sind die Realschulen für die bayerische Schullandschaft. Lassen Sie uns die Europameisterschaft noch einmal Revue passieren. Toni Kroos ist enorm wichtig, spielt sich nicht immer in den Vordergrund, ist kein Selbstdarsteller, hat Übersicht und ist leistungsstark. Das alles zeichnet auch die Realschulen in Bayern aus. Deshalb, glaube ich, ist es angebracht, ihnen, insbesondere den Direktoren, aber auch allen Lehrern an Realschulen und den verantwortlichen Eltern an dieser Stelle einen Dank auszusprechen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Aber manchmal ist es so, dass man dann, wenn man nicht so laut ist, vielleicht auch nicht wahrgenommen wird. Das gilt auch für die Realschulen. Ich darf insbesondere an die Stellensituation erinnern; darauf möchte ich auch einen Schwerpunkt legen. Oder nehmen Sie die Referendare – ich glaube, das sollten wir nicht verheimlichen –, und nehmen Sie sich – da
Das lässt sich leicht rechnen. Sie sind, glaube ich, 101 Abgeordnete. Sagen wir, es sind 100 Abgeordnete. Das letzte Mal sind 3,5 % der Referendare übernommen worden. Das ist so, als würde man sagen, von den CSU-Abgeordneten würden nach der nächsten Wahl nur noch drei oder vier im Parlament sitzen, nur um die Größenordnung einmal an diesem Beispiel deutlich zu machen.
In den letzten drei Jahren sind 6.423 Referendare nicht übernommen worden – in drei Jahren! Man muss sich das vorstellen. Alle haben fleißig studiert und sind in vielen Jahren – übrigens mithilfe bayerischer Steuergelder – in diese Position gebracht worden, aber nicht übernommen worden. Das ist ein Skandal, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Im letzten Jahr sind 3,5 % übernommen worden und vor zwei Jahren 6 %. Interessanterweise waren es im Jahr der Landtagswahl 13,5 %. Da waren es komischerweise plötzlich etwas mehr, wenn auch immer noch zu wenig. Insofern kann sich der Redner der CSU, lieber Kollege Tomaschko, nicht vorne hinstellen und sagen: Alles ist gut. Es ist nicht alles gut.
Die Realschulen sind auf keinen Fall schlecht. Sie machen eine gute Arbeit, und wir loben sie. Aber das gilt nicht im gleichen Maß für die Staatsregierung. Da ist noch einiges nachzubessern.
Ähnlich ist es bei der Stellensituation. 337 Planstellen sind infolge der demografischen Rendite erst einmal in ein Haushaltssammelkapitel zurückgegeben worden, und die Realschulen müssen jedes Jahr zittern, wie viele der 337 erst einmal einkassierten Stellen sie wirklich bekommen. Das kann es nicht sein. Das ist eine Unsicherheit und eine Intransparenz. Wir fordern: Gebt alle Stellen – mindestens alle Stellen – zurück an die Realschulen! Denn die Aufgaben sind gewachsen, und daher darf man Stellen nicht streichen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich nenne nur ein paar zusätzliche Aufgaben: die Inklusion – sie kommt auch auf die Realschulen zu –, der Ganztagesunterricht – mit diesem Thema werden wir uns nachher noch intensiv befassen – und die Auswirkungen der Flüchtlingsthematik; sie ist selbst
verständlich auch bei den Realschulen angekommen. Immer noch haben die Realschulen auch noch die größten Klassen. Daher mein Monitum und das der FREIEN WÄHLER: Wir fordern mehr Lehrer und auch mehr Referendare für die Realschulen. Das tut not, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Zusammengefasst: Es gilt, die Realschulen für die Zukunft zu stärken. Wir brauchen mehr Lehrer. Wir wollen aber auch die Eigenverantwortung stärken. Auch die erweiterte Schulleitung muss verbessert werden. Wir wollen – dafür stehen Realschulen – eine Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Ausbildung. Da sind die Realschulen stark. Wir FREIEN WÄHLER stehen an der Seite der Realschulen. Wir glauben, sie sind in Bayern in der Champions League. Dann müssen sie aber auch für die Champions League ausgestattet werden. Bei Toni Kroos haben es die Bayern verpasst, den Vertrag zu verlängern, und jetzt spielt er bei Real, bei den Königlichen. Das wollen wir für die Realschulen nicht. Sie müssen in Bayern bleiben und müssen stärker aufgestellt werden, als sie es schon sind.
Danke schön, Herr Kollege. Ich glaube, wir brauchen keine weitere Nachlese zur Europameisterschaft. –
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Realschulen in Bayern sind leistungsfähig, erfolgreich und gefragt. Die Realschule steht als Synonym für eine leistungsfähige Schulart. Keine Schulart hat vielfältigere Schnittstellen mit anderen Schularten und mit dem beruflichen Bereich. Die Durchlässigkeit des differenzierten Schulwesens und die Individualisierung von Bildungsbiografien sind Kernthemen an den Realschulen. Die Realschule vermittelt Kompetenzen, die den Weg zur Hochschulreife eröffnen und die – ganz wichtig – die Schüler auf eine anspruchsvolle duale Berufsausbildung vorbereiten. Die Realschule setzt ihren Bildungsauftrag konsequent um, indem sie Theorie und Praxis anspruchsvoll miteinander verbindet.
Die Realschule vermittelt eine breite allgemeine und berufsvorbereitende Bildung. Die Realschule ist gekennzeichnet durch ein in sich geschlosse
nes Bildungsangebot, das auch berufsorientierte Fächer einschließt. Sie legt damit den Grund für eine Berufsausbildung und eine spätere qualifizierte Tätigkeit in einem weiten Bereich von Berufen mit vielfältigen theoretischen und praktischen Anforderungen. Sie schafft die schulischen Voraussetzungen für den Übertritt in weitere schulische Bildungsgänge bis zur Hochschulreife.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, das setzen die bayerischen Realschulen perfekt um.
Die Realschulen sind bei Schülern und Eltern sehr beliebt und gefragt. In allen Umfragen erreichen sie höchste Zufriedenheitswerte. Das ist nicht zuletzt dem vergleichsweise jungen und vor allem sehr engagierten Lehrerpersonal an den Realschulen zu verdanken. Sie machen die Realschule zu einer erfolgreichen und attraktiven Schulart.
Nach dem Erwerb des mittleren Schulabschlusses sind sämtliche weiterführenden Abschlüsse und Anschlüsse möglich. Ein Drittel der Absolventen besucht anschließend die FOS, und zwei Drittel entscheiden sich für eine duale Berufsausbildung. Dies ist wichtig, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Die Realschule leistet nicht nur einen unverzichtbaren Beitrag zum beruflichen und persönlichen Lebensweg der jungen Menschen, sondern auch für die bayerische Wirtschaft insgesamt. Alle Lehrerinnen und Lehrer der Realschulen verdienen hierfür einen großen Dank. Auch dem brlv, dem Bayerischen Realschullehrerverband mit Herrn Böhm an der Spitze, gebührt großer Dank für die gute und faire Zusammenarbeit.
Ich sage deutlich: Wir als CSU-Fraktion unterstützen die Realschulen, und wir unterstützen sie weiterhin. Wir wollen die eben aufgelisteten Erfolge ganz klar in die Zukunft tragen.
Das ist ein guter Einwand! Das ist nicht einmal ein Antrag, sondern man hat sich für die Aktuelle Stunde einfach ein Thema herausgepickt. Lassen Sie mich später noch darauf eingehen.
Seit Jahren lauten die wichtigen bildungspolitischen Forderungen der FREIEN WÄHLER folgendermaßen: Wir wollen ein Ende der Stundenkürzungen an den bayerischen Realschulen, den Auf- und Ausbau einer Integrierten Lehrerreserve, den vollständigen Abbau übergroßer Klassen sowie ein qualitativ und finanziell besser ausgestattetes Ganztagsangebot. Auch nennen die FREIEN WÄHLER die demografische Rendite, gehen aber nicht näher darauf ein.
Lieber Herr Professor Piazolo, das ist interessant. Interessant ist aber auch, dass wir im Bildungsausschuss zu den Realschulen bisher relativ wenig von Ihnen gehört haben. Das ist eine neutrale Feststellung. Lieber Herr Professor Dr. Piazolo, Sie sprechen immer nur vom Gymnasium, und zwar seit Jahren.
Sie meinen – das geben Sie in unterschiedlichen Foren auch bekannt –, ein Jahr Schule länger für alle, dann könnten alle Kinder aufs Gymnasium gehen.
Jetzt muss ich die Damen und Herren in der Mitte noch miteinbeziehen. Herr Güll und die SPD applaudieren dann dazu. Aber leider vergessen Sie dabei die Realschulen und die Mittelschulen. Sie vergessen vor allem die Schüler.
Lassen Sie mich nun auf die Forderungen im Einzelnen eingehen. Zum Begriff und zur Bedeutung der demografischen Rendite sei gesagt: Jede Stelle aus der sogenannten demografischen Rendite bedeutet ein Plus für die Versorgung der Schulen in Bayern. Aufgrund des Rückgangs der Schülerzahlen müssten diese Stellen eigentlich gestrichen werden. Sie verbleiben aber aufgrund eines Beschlusses der CSUFraktion vom Februar 2014 im Schulsystem und verbessern die Lehrerversorgung. Im Schuljahr 2015/16 sind keine Planstellen der Realschulen, wie von den FREIEN WÄHLERN behauptet, in die demografische Rendite verschoben worden; den Realschulen wurde keine einzige Stelle weggenommen. Vielmehr haben sie im Schuljahr 2015/16 aus der demografischen Rendite 114 zusätzliche Stellen erhalten. Eine höhere Zuweisung wäre zulasten anderer Schularten erfolgt. Im Hinblick auf die aktuellen Herausforderungen wäre dies auch nicht sachgerecht gewesen.